Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Beihilfe bei Nichterfüllung der formellen Anforderungen an eine Arztrechnung

Aktenzeichen  M 17 K 16.3302

Datum:
13.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV BBhV § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1
GOÄ GOÄ § 12

 

Leitsatz

Entspricht eine Arztrechnung nicht den formellen Anforderungen des § 12 GOÄ, wird die Vergütung nicht fällig (§ 12 Abs. 1 GOÄ). Ein Beihilfeanspruch entsteht dann nicht (§ 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 BBhV). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten mit Schreiben vom 5. August 2016 bzw. 7. September 2016 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe hat (§ 113 Abs. 5 VwGO); die Bescheide vom 22. April 2016 und 28. Juni 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Da beihilferechtliche Streitigkeiten grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe beantragt wird, zu beurteilen sind (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 8.11.2012 – 5 C 4.12 – juris Rn. 12), richtet sich die Beihilfefähigkeit hier nach der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 17. Juli 2015 (BGBl I S. 1368), weil die streitgegenständliche Rechnung vom 1. März 2016 datiert.
2. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BBhV sind beihilfefähig grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen, wobei wirtschaftlich angemessen grundsätzlich die Aufwendungen für ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Leistungen sind, wenn sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnungen für Ärzte, Zahnärzte sowie für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten entsprechen.
3. Die streitgegenständliche Rechnung entspricht hier jedoch nicht den formellen Anforderungen des § 12 Abs. 2 und 3 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
3.1 Nach dieser Vorschrift muss eine Rechnung insbesondere enthalten das Datum der Erbringung der Leistung (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GOÄ), bei Gebühren die Nummer und die Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls genannten Mindestdauer sowie den jeweiligen Betrag und den Steigerungssatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ), bei Gebühren für stationäre, teilstationäre sowie vor- und nachstationäre privatärztliche Leistungen zusätzlich den Minderungsbetrag nach § 6a GOÄ (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 GOÄ), bei Entschädigungen nach den §§ 7 bis 9 GOÄ den Betrag, die Art der Entschädigung und die Berechnung (§ 12 Abs. 2 Nr. 4 GOÄ) und bei Ersatz von Auslagen nach § 10 GOÄ den Betrag und die Art der Auslage (§ 12 Abs. 2 Nr. 5 GOÄ). Zudem ist, wenn eine berechnete Gebühr nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ das 2,3fache des Gebührensatzes überschreitet, dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen (§ 12 Abs. 3 GOÄ).
Bei diesen formellen Voraussetzungen handelt es sich um Mindestanforderungen, die für die Nachprüfung der Rechnung notwendig sind und ohne die die Vergütung des Arztes nicht fällig wird (vgl. § 12 Abs. 1 GOÄ; amtliche Begründung in: Brück/Klakow-Franck, Kommentar zur GOÄ, Stand 1. Juli 2016, § 12 GOÄ; VGH BW, U.v. 9.11.2012 – 2 S 701/12 – juris Rn. 35; Kommentar zur GOÄ, a. a. O., Rn. 2).
3.2 Im vorliegenden Fall fehlen in der streitgegenständlichen Rechnung vom … März 2016 neben der konkreten Bezifferung der Materialkosten die Bezeichnungen der berechneten Leistungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ), der jeweilige sich aus der Anwendung des Steigerungssatzes ergebende Betrag (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ; vgl. Brück/Klakow-Franck, Kommentar zur GOÄ, Stand 1. Juli 2016, § 12 GOÄ Rn. 2 Anm. 2.1) sowie die Begründung des jeweils angesetzten 3,5fachen Steigerungssatzes (§ 12 Abs. 3 GOÄ).
Damit ist der Zahlungsanspruch des behandelnden Arztes aber nicht fällig geworden (§ 12 Abs. 1 GOÄ), so dass auch keine beihilfefähigen Aufwendungen vorliegen. Denn beihilfefähige Aufwendungen und damit ein Anspruch auf Erstattung gegenüber der Beihilfestelle entstehen nur insoweit, als der Arzt nach der jeweiligen Gebührenordnung einen Vergütungsanspruch geltend machen kann. Die Beihilfestelle ist nicht zu höheren Leistungen verpflichtet als der Patient gegenüber dem Arzt (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. Juli 2016, § 6 BBhV Anm. 10 (3) m. w. N.; vgl. a. LG Kempten, U.v. 7.5.2012 – 13 O 2311/11 – juris Rn. 15 und OLG Hamm, U.v. 23.11.1994 – 20 U 141/94 – juris Rn. 6f. zum insoweit übertragbaren Krankenversicherungsrecht; VG Stuttgart, U.v. 11.2.2003 – 17 K 2686/01 – juris Rn. 23ff.).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 252,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz – GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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