Arbeitsrecht

Keine Einbeziehung der im Ausgangsverfahren angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in die Kostengrundentscheidung im Änderungsverfahren

Aktenzeichen  W 4 M 19.50173

Datum:
24.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30300
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 16 Nr. 5
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7, § 151, § 162, § 165

 

Leitsatz

1. Die Kostengrundentscheidung im Abänderungsverfahren ersetzt nicht die im Ausgangsverfahren ergangene Kostenentscheidung. (redaktioneller Leitsatz)
2. Entsprechend kommt eine Einbeziehung der bereits im Ausgangsverfahren angefallenen, dort aber mangels entsprechender Kostengrundentscheidung nicht zu Lasten der Antragsgegnerin festsetzbaren Gebühren der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in die Kostenfestsetzung aufgrund der Kostengrundentscheidung im Änderungsverfahren nicht in Betracht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin (Erinnerungsführerin) hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.
Über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. Februar 2019 entscheidet der funktionell zuständige Einzelrichter, weil auch die dem Kostenfestsetzungsverfahren zugrunde liegende Kostengrundentscheidung in entsprechender Besetzung (vgl. § 76 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz – AsylG) ergangen ist. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist insoweit ein von der Kostengrundentscheidung in der Hauptsache abhängiges Nebenverfahren (vgl. BVerwG, B.v. 29.12.2004 – 9 KSt 6/04 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 165 Rn. 3).
II.
Die zulässige Erinnerung (§§ 165, 151 VwGO) ist unbegründet. Der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit Kostenfestsetzungsantrag vom 29. Januar 2019 geltend gemachten Kosten für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. Februar 2019 zu Recht abgelehnt.
1. Die Einzelrichterin hat mit unanfechtbarem Beschluss vom 24. Januar 2019 im Wege des Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO ihren ablehnenden Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 2. Juli 2018 im Verfahren W 4 S 18.50293 geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Bundesamtes für … vom 5. Juni 2018 angeordnet. Hintergrund war der Ablauf der Überstellungsfrist und damit eine nachträglich eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage. Im ursprünglichen Beschluss vom 2. Juli 2018 war der Antrag der Antragstellerin abgelehnt worden und wurden ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt. Nach der Kostenentscheidung im Abänderungsbeschluss vom 24. Januar 2019 trägt dagegen die Antragsgegnerin die Kosten des Abänderungsverfahrens.
2. Nach § 16 Nr. 5 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) stellen das Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren auf deren Abänderung oder Aufhebung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar. Gebühren dürfen in derselben Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2 RVG nur einmal gefordert werden. Daher kann ein bereits im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig gewordener Prozessbevollmächtigter für das nachfolgende Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erneut eine Verfahrensgebühr nach Ziffer 3100 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV-RVG) beanspruchen und keine gesonderte Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Ziffer 7002 VV-RVG verlangen. Seine Gebühren entstehen bereits im Ausgangsverfahren und sind im Abänderungsverfahren nicht – nochmals – erstattungsfähig (vgl. BVerwG, B.v. 23.7.2003 – 7 KSt 6/03, 7 VR 1/02 – juris Rn. 3 (noch zu § 40 BRAGO); VGH BW, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris Rn. 16 m.w.N.; VG Würzburg, B.v. 8.4.2015, W 7 M 15.30081; VG Würzburg, B.v. 8.2.2016, W 4 M 16.50021; VG Ansbach, B.v. 19.5.2016, AN 9 M 16.50100 – juris Rn. 19 f. m.w.N.).
Anders liegt es lediglich, wenn der Prozessbevollmächtigte – anders als vorliegend – im Ausgangsverfahren noch nicht tätig war. In diesem Fall entstehen seine Gebühren für den jeweiligen Rechtszug erst im Abänderungsverfahren.
Hintergrund der Regelung des § 16 Nr. 5 RVG ist, dass der Rechtsanwalt, der bereits im Verfahren über einen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung tätig war, in einem Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt, sondern vielmehr ohne Weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann, mithin der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts bereits im früheren Verfahrensabschnitt entstanden und damit durch die bereits angefallene Gebühr abgegolten ist (vgl. BVerwG, B.v. 23.7.2003 – 7 KSt 6/03, 7 VR 1/02 – juris; VGH BW, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem vorliegend gestellten Kostenfestsetzungsantrag zwar nicht um einen unzulässigen Antrag auf „erneute“ Festsetzung von Gebühren im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG für dieselbe Angelegenheit. Denn aufgrund der zu Lasten der Antragstellerin ausgegangenen Kostengrundentscheidung im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO schied dort ein Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der bereits im Ausgangsverfahren angefallenen Verfahrensgebühr ihres Prozessbevollmächtigten nebst Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gegen die Antragsgegnerin aus. Der erst im vorliegenden Abänderungsverfahren gestellte Kostenfestsetzungsantrag ist daher auf die erstmalige Festsetzung der für das Ausgangs- und Abänderungsverfahren einheitlichen einfachen Verfahrensgebühr nach Ziffer 3001 VV-RVG sowie der Pauschale nach Ziffer 7002 VV-RVG gegen die Antragsgegnerin gerichtet.
Der Erinnerung bleibt aber deshalb der Erfolg versagt, weil die geltend gemachten Gebühren bereits im Ausgangsverfahren angefallen sind und damit weiterhin der im Beschluss vom 2. Juli 2018 zu Lasten der Antragstellerin getroffenen Kostengrundentscheidung für das Ausgangsverfahren unterliegen. Die erst im vorliegenden Abänderungsverfahren zugunsten der Antragstellerin erfolgte Kostengrundentscheidung bezieht sich nur auf das Abänderungsverfahren selbst und regelt damit die Kostenerstattungspflicht nur für die im Abänderungsverfahren neu angefallenen Kosten, z.B. Kosten einer erst dort durchgeführten Beweisaufnahme. Die Kostengrundentscheidung im Abänderungsverfahren ersetzt dagegen nicht die im Ausgangsverfahren ergangene Kostenentscheidung, trifft also nicht etwa eine für den vorliegenden Rechtszug insgesamt neue einheitliche Kostenentscheidung. Denn das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO stellt keine besondere Art eines Rechtsmittelverfahrens für Beschlüsse nach § 80 Abs. 5 VwGO dar, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem von dem ergangenen Beschluss abweichenden Sinn ist. Entsprechend kam vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erst aufgrund einer zwischenzeitlichen Änderung der Sach- und Rechtslage in Betracht. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht erfolgt. Vor diesem Hintergrund bleibt die Kostengrundentscheidung im Ausgangsverfahren mit Beschluss vom 2. Juli 2018 durch den Beschluss vom 24. Januar 2019 unberührt (BVerwG, B.v. 25.8.2008 – 2 VR 1.08 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 3.6.2009 – 6 C 07.565 – juris Rn. 3 und vom 5.10.2007 – 26 CS 07.1422, 26 CS 07.1423 – juris Rn. 34; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 199).
Entsprechend kommt eine Einbeziehung der bereits im Ausgangsverfahren angefallenen, dort aber mangels entsprechender Kostengrundentscheidung nicht zu Lasten der Antragsgegnerin festsetzbaren Gebühren der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in die Kostenfestsetzung aufgrund der Kostengrundentscheidung im Änderungsverfahren nicht in Betracht.
Das Gericht folgt für die vorliegende Fallkonstellation nicht der Auffassung, wonach jeder Beteiligte aus der ihm günstigen Kostenentscheidung Kostenerstattung bis zur Höhe der ihm insgesamt – einmalig – in den Eilverfahren erwachsenden Kosten verlangen kann (so aber Verwaltungsgericht München, B.v. 11.9.2015 – M 17 M 15.50279 m.w.N.).
Anders würde es sich nur mit erstmals im Abänderungsverfahren entstandenen Kosten verhalten, die dann allein auf der Grundlage der in diesem Verfahren getroffenen Kostengrundentscheidung zu erstatten wären. Solche haben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vorliegend aber gerade nicht geltend gemacht.
Soweit damit ein im Ausgangsverfahren obsiegender Beteiligter die Vergütung seines Rechtsanwalts erstattet bekommt, während dies für einen erst im Änderungsverfahren obsiegenden Beteiligten nur gilt, wenn er im Ausgangsverfahren noch nicht anwaltlich vertreten war, begegnet dies auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten keinen rechtlichen Bedenken. Die unterschiedliche Behandlung findet ihren sachlichen Grund in dem §§ 161 Abs. 1, 162 VwGO zugrunde liegenden Prinzip des Kostenrechts, dass erstattungsfähige Kosten durch das jeweilige gerichtliche Verfahren verursacht sein müssen, sowie im pauschalierenden – und insoweit auch verfassungsrechtlich unbedenklichen – Ansatz der §§ 15 Abs. 2, 16 RVG, die die Verfahren nach § 80 Abs. 5 und § 80 Abs. 7 VwGO als gebührenrechtlich einheitliche Angelegenheit betrachten.
3. Nach alldem war die Kostenerinnerung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Erinnerungsverfahrens (vgl. § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben