Arbeitsrecht

Keine Einigungsgebühr für eine Vereinbarung zu Verjährung und Rechtskraft

Aktenzeichen  M 24 M 19.2780

Datum:
16.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 42569
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 162, § 164
RVG VV Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 1004

 

Leitsatz

Die Erklärung des Beklagten, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten und die Rechtskraft in einem Verfahren gegen sich gelten zu lassen, wie wenn er Beteiligter dieses Verfahrens im Sinne des § 121 VwGO wäre, löst auch dann keine Einigungsgebühr aus, wenn der Kläger erklärt, er nehme “dieses Angebot” an.  (Rn. 29 und 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Kostenerinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Erinnerungsführerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden erhoben.

Gründe

I.
1. Die Erinnerungsführerin führte ein Klageverfahren sowohl gegen die Bundesrepublik Deutschland wie auch gegen den Freistaat Bayern als Beklagte. Erstinstanzlich wurde das Verfahren unter dem Aktenzeichen M 24 K 10.4619 geführt und im Berufungsverfahren zunächst hinsichtlich beider Beklagter unter dem Aktenzeichen 8 BV 12.2488 weitergeführt. In der mündlichen Verhandlung am 5. März 2015 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof schlossen die Bevollmächtigten der Klägerin und des Beklagten Freistaat Bayern
„folgende Vereinbarung zur Verjährung und zur Rechtskraft:
Oberlandesanwalt … erklärt:
Der Beklagte Freistaat Bayern verzichtet auf die Einrede der Verjährung bis sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft im Verfahren gegen die Beklagte Bundesrepublik Deutschland (Az. 8 BV 12.2488).
Des Weiteren verpflichtet sich der Beklagte Freistaat Bayern, die Rechtskraft im Verfahren gegen die Beklagte Bundesrepublik Deutschland (Az. 8 BV 12.2488) gegen sich gelten zu lassen, wie wenn der Freistaat Bayern Beteiligter des Verfahrens im Sinne des § 121 VwGO wäre.
Der Bevollmächtigte der Klägerin nimmt die Angebote an.“
Danach wurde mit Beschluss das Verfahren gegen den Beklagten Freistaat Bayern abgetrennt und unter dem Az. 8 BV 15.519 fortgeführt und nach übereinstimmendem Antrag der Klägerin und des Beklagten Freistaats Bayern mit weiterem Beschluss das Ruhen des Verfahrens gegen den Beklagten Freistaat Bayern (Az. 8 BV 15.519) angeordnet. Anschließend erging im Verfahren Az. 8 BV 12.2488 der Beiladungsbeschluss, mit dem der Freistaat Bayern zum Verfahren Az. 8 BV 12.2488 beigeladen wurde. Im Verfahren Az. 8 BV 12.2488 erging auf Grund mündlicher Verhandlung vom 5. März 2015 am 21. April 2015 das Urteil, in dem die Beklagte Bundesrepublik Deutschland zur Tragung der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen und der beigeladene Freistaat Bayern zur Tragung seiner außergerichtlichen Kosten verpflichtet wurde (IV. des Tenors). Das Urteil erging mit einem Vorbehalt einer Entscheidung über die Wirksamkeit einer Aufrechnung der Beklagten (vgl. III. des Tenors). Mit Beschluss vom 21. April 2015 wurde im Verfahren 8 BV 12.2488 der Streitwert für das Berufungsverfahren bis zur Abtrennung des Verfahrens Az. 8 BV 15.519 auf 2.665.488,40 Euro und ab der Abtrennung dieses Verfahrens auf 1.332.744,20 Euro festgesetzt. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Az. 8 BV 12.2488) vom 21. April 2015 wurde am 9. Februar 2017 zurückgewiesen (Az. BVerwG 3 C 9.15). Mit Urteil vom 20. März 2019 (Az. 8 BV 17.862) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Vorbehaltsurteil vom 21. April 2015 für vorbehaltlos erklärt und die Beklagte Bundesrepublik Deutschland zur Tragung der weiteren Kosten des Verfahrens verpflichtet und dem beigeladenen Freistaat Bayern die Tragung seiner außergerichtlichen Kosten auferlegt. Mit Beschluss vom 20. März 2019 wurde im Verfahren 8 BV 17.862 der Streitwert für das Berufungsverfahren bis zur Abtrennung des Verfahrens Az. 8 BV 15.519 auf 2.665.488,40 Euro und ab der Abtrennung dieses Verfahrens auf 1.332.744,20 Euro festgesetzt.
2. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 1. April 2019, geändert und korrigiert durch Kostenfestsetzungsantrag vom 6. Mai 2019, beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin gegenüber der Beklagten Bundesrepublik Deutschland die Kosten festzusetzen. Als erstattungsfähige Kosten in der Berufungsinstanz wurde u.a. „1,3 Einigungsgebühr Nr. 1004, 1000 VV RVG aus 2.665.488,40 EUR“ in Höhe von 12.474,80 € zur Festsetzung beantragt.
Hierzu führte die Erinnerungsführerin aus, die Einigungsgebühr beziehe sich auf die in der ersten Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vereinbarte Regelung mit dem Freistaat Bayern zum Ruhen des Verfahrens. Die Einigungsgebühr falle insoweit bereits an, wenn Zwischenvergleiche über verfahrensrechtliches Vorgehen oder einer Einigung über den Streit oder die Ungewissheit eines Rechtsverhältnisses getroffen werden.
Die Erinnerungsgegnerin führte aus, die Erinnerungsführerin habe zu Unrecht eine 1,3 einigungsgebühr für die Berufungsinstanz zur Festsetzung beantragt. Eine Einigung im Sinne von Nr. 1000, 1004 VV RVG habe mit der Erklärung des Einverständnisses über die Abtrennung des Verfahrens gegen den Freistaat Bayern durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2015 und der Erklärung des weiteren Einverständnisses über das Ruhen dieses Verfahrens nicht stattgefunden. Diese prozessuale Gestaltung sei vielmehr der Sichtweise des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Passivlegitimation des Freistaats Bayern und der sich hieraus ergebenden prozessualen Konsequenzen entsprungen. Eine Klärung der vermeintlich ungeklärten Rechtsfrage, welche Partei, Bundesrepublik Deutschland oder Freistaat Bayern, von der Klägerin als passivlegitimiert in Anspruch zu nehmen gewesen wäre, sei im Übrigen auch nicht durch diese Vereinbarung, sondern erst durch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. April 2015 und die Zurückweisung der hiergegen gerichteten Revision herbeigeführt worden. Eine Einigungsgebühr sei deshalb im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Az. 8 BV 12.2488 nicht entstanden und könne deshalb auch nicht zur Erstattung festgesetzt werden.
3. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Mai 2019 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts München in dessen Nr. III die der Klagepartei im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichthof entstandenen notwendigen Aufwendungen – abweichend vom Kostenfestsetzungsantrag der Erinnerungsführerin – auf insgesamt € 26.888,80 fest. Unter Nr. IV wurde der Beklagten Bundesrepublik Deutschland auferlegt, diese Kosten zu tragen und in Nr. V u.a. die Verzinsungspflicht des unter Nr. III festgesetzten Betrages ab 1. April 2019 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz festgesetzt. Der Kostenfestsetzungsbeschluss erging im Übrigen antragsgemäß. In der Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses führt die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts München aus, die 1,3 Einigungsgebühr in Höhe von 12.474,80 € sei nicht als erstattungsfähig festzusetzen. Zwischen den Bevollmächtigten der Klägerin und den Bevollmächtigten des Beklagten Freistaat Bayern sei in der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2015 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eine Vereinbarung über die Einrede der Verjährung und die Rechtskraft im Verfahren 8 BV 12.2488 getroffen worden. Diese Einigung genüge nicht den Anforderungen der Nr. 1004, 1000 VV RVG. Mit dieser Vereinbarung sei der Streit über ein Rechtsverhältnis (Streit der Parteien über Zahlungsansprüche wegen Kreuzungsbauwerken) keinesfalls beseitigt worden. Einigungen, die keine Auswirkungen auf das materielle Recht hätten, widersprächen dem Sinn und Zweck der Einigungsgebühr nach Nr. 1004, 1000 VV RVG. Mit der oben genannten Einigung hätten die Bevollmächtigten der Klägerin keine besondere Verantwortung übernommen und auch nicht das Haftungsrisiko erhöht. Die Entscheidung über die Rechtssache sei beim Gericht verblieben. Eine Entlastung der Justiz sei nicht ersichtlich. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe mit Urteil vom 21. April 2015 über die Berufung der Klägerin entschieden und damit den Streit über ein bestehendes Rechtsverhältnis beendet. Auf die Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses wird im Übrigen verwiesen. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde der Klägerin am 24. Mai 2019 zugestellt.
4. Mit Eingang innerhalb der offenen Zwei-Wochen-Frist entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung:am 6. Juni 2019 beim Verwaltungsgericht München beantragte die Klägerin (Erinnerungsführerin) die Entscheidung des Gerichts über den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Mai 2019 mit dem Antrag,
die der Klägerin in dem Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entstandenen notwendigen Aufwendungen auf insgesamt € 46.856,02 festzusetzen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Einigungsgebühr entstehe für eine Einigung, die einen Streit oder die Ungewissheit eines Rechtsverhältnisses beseitige, wobei sich der Vertrag nicht an den Anforderungen des § 779 BGB zu messen brauche (vgl. BGH, U.v. 10.10.2006 – VI ZR 280/05). Inhaltlich müsse der Vertrag jedoch mehr enthalten als ein bloßes Anerkenntnis oder den Verzicht auf ein Recht. Zudem sei es erforderlich, dass der Rechtsstreit durch die Einigung zumindest überwiegend beigelegt werde (vgl. OLG Köln [richtig wohl OLG Frankfurt], B.v. 10.5.2016 – 20 W 140/15; BeckRS 2016, 12819). Vorliegend habe grundlegender Streit über eine zentrale Streitfrage, nämlich die Passivlegitimation und daran anschließend die Frage, gegen wen sich die streitgegenständlichen Ansprüche richten, bestanden. Die Eingangsinstanz habe den Freistaat Bayern als den richtigen Beklagten und Anspruchsgegner angesehen und nicht die Bundesrepublik Deutschland. Die Berufungsinstanz habe die Bundesrepublik Deutschland als richtige Beklagte und Anspruchsgegnerin angesehen und nicht den Freistaat Bayern. Um die zügige Fortführung des Rechtsstreits zu ermöglichen und die Sache insoweit abschließend zu klären, hätten die Klägerin und der Freistaat Bayern sodann auf Antraten des Berufungsgerichts eine Vereinbarung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2015 geschlossen. Hiernach habe der Freistaat Bayern auf die Einrede der Verjährung verzichtet und erklärt, die Entscheidung des Verfahrens gegen sich gelten zu lassen und schließlich, dass der Prozess nicht mehr gegen den Freistaat Bayern fortzuführen sei, sondern abgetrennt werde. Auch die Klägerin habe sich damit einverstanden erklärt. Die Einigung sei als Vergleich ausreichend, um die Einigungsgebühr auszulösen. Mit der Einigung sei zunächst der grundlegende Streit über die Passivlegitimation und die Anspruchsgegnerschaft geklärt und beendet worden. Beide Beteiligte seien sich hiernach einig gewesen, dass nicht der Freistaat Bayern, sondern die Bundesrepublik Deutschland passivlegitimiert sei. Es habe sich um eine Einigung über einen nicht nur unerheblichen Teil, sondern um eine der zentralen Streitthemen und Prozess- und Anspruchsvoraussetzungen, nämlich die Passivlegitimation und Anspruchsgegnerschaft, gehandelt. Der Rechtsstreit gegen den Freistaat Bayern sei obendrein beigelegt worden. Mit der Einigung sei abschließend geklärt worden, dass der Prozess ohne den Freistaat Bayern fortgeführt und beendet werde. Der Freistaat Bayern habe sogar erklärt, sich an die Entscheidung gebunden zu fühlen, wie wenn der Freistaat Bayern Beteiligter des Verfahrens im Sinne des § 121 VwGO wäre, was ebenfalls auf eine Beendigung im laufenden Rechtsstreit hinauslaufe. Hinzu komme, dass in Folge der Einigung eine Abtrennung erfolgte und der Prozess gegen den Freistaat Bayern – endgültig und abschließend – aus diesem Verfahren herausgenommen und beendet worden sei. Schließlich habe die Einigung nicht nur zur Herstellung des Rechtsfriedens, sondern gleichzeitig auch zur Entlastung der Gerichte geführt, da geklärt worden sei, dass der Rechtsstreit nur noch gegen den richtigen Beklagten Bundesrepublik Deutschland fortgeführt werde. Das Ruhen des Verfahrens sei nur dann anzuordnen, wenn dies zweckmäßig sei, d.h. durch die Anordnung die anderweitige Erledigung des Verfahrens zu erwarten sei (vgl. MüKoZPO/Stackmann, 5. Aufl. 2016, § 251 ZPO, Rn. 6). Insofern habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof selbst in der Einigung eine Entlastung der Justiz gesehen. Auch die Parteien hätten sich darauf verständigt, dass sich die Rechtskraft im hiesigen Rechtsstreit auch auf den Freistaat Bayern im Sinne des § 121 VwGO erstrecken sollte, wodurch die Justiz entlastet werde, indem in der Zukunft hierdurch weitere selbständige Verfahren vermieden würden. Die Auffassung der Kostenbeamtin, dass Einigungen, die auf das materielle Recht keine Wirkung hätten, dem Sinn und Zweck der Einigungsgebühr nach Nr. 1004, 1000 VV RVG widersprächen, sei nicht nachvollziehbar, denn die getroffene Einigung habe sogar mehrfache unmittelbare materiell-rechtliche Auswirkungen. Zum einen sei die Anspruchsgegnerschaft geklärt worden und damit habe festgestanden, dass sich die Ansprüche allein gegen die Bundesrepublik Deutschland und nicht gegen den Freistaat Bayern richten und die Frage der Passivlegitimation auch formal dem materiellen Recht zuzuordnen sei (Koehl in Die Passivlegitimation im Verwaltungsprozess, LKV 2018, 150). Zum anderen, weil die Einigung gleichzeitig einen Verjährungsverzicht enthalte, der sich unmittelbar auf die Frage der materiell-rechtlichen Verjährung von Ansprüchen auswirkte. Selbst wenn die Auffassung der Kostenbeamtin zutreffen sollte, dass die Klägerin mit der Einigung keine besondere Verantwortung übernommen habe und sich hierdurch auch nicht deren Haftungsrisiko erhöht habe, sei dieser Standpunkt irrelevant, da nach einhelliger Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum die Mitwirkung im Sinne der Nr. 1000 VV RVG lediglich voraussetze, dass der Anwalt eine auf das Zustandekommen der Einigung gerichtete Tätigkeit vornimmt und diese sich mitursächlich auf den Vertragsschluss auswirke, d.h. es genügt hierfür jede Tätigkeit, die auf den Abschluss der Einigung gerichtet ist (vgl. OLG Köln, B.v. 25.1.2010 – 17 W 8/10; BGHReport 2009, 375ff.). Durch die Abtrennung sei ein neues, selbständiges Verfahren entstanden, für das eine erneute Verfahrensgebühr fällig werde. Auch dies spreche dafür, dass gleichzeitig mit der Abtrennung eine Beendigung im hiesigen Rechtsstreit erfolgt sei – und zwar durch die genannte, im Protokoll vom 5. März 2015 dokumentierte Einigung.
5. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts München half der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Mai 2019 nicht ab und legte ihn zur Entscheidung des Gerichts vor. In ihrer Nichtabhilfebegründung nahm sie auf die Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses Bezug.
Die Erinnerungsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 26. August 2019, die Erinnerung zurückzuweisen und nahm Stellung.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegende Gerichtsakte und die vorstehend angeführten weiteren Gerichtsakten verwiesen.
II.
1. Da die vorliegende Kostenerinnerung nicht gegen den Kostenansatz nach § 19 Gerichtskostengesetz -GKGgerichtet ist, richtet sich die funktionale Zuständigkeit nicht nach § 66 Abs. 1, Abs. 6 GKG. Für die Entscheidung über die Kostenerinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss nach §§ 164, 173 VwGO i.V.m. §§ 103 ff. ZPO ist das Gericht erster Instanz zuständig. Funktionell zuständig ist dabei, wer die zugrundeliegende Kosten(grund)-entscheidung getroffen hat (§ 165 S. 2, § 151 S. 1 VwGO). Die funktionelle Zuständigkeit für die Entscheidung richtet sich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO, §§ 6, 87a VwGO. Vorliegend ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO der gesamte Spruchkörper zuständig.
2. Die Kostenerinnerung ist zulässig; insbesondere wurde sie von der Antragstellerin und Klägerin innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses am 24. Mai 2019 bei Gericht eingelegt (§§ 165, 151 VwGO).
3. Die Kostenerinnerung ist unbegründet. Die Urkundsbeamtin des ersten Rechtszugs hat zutreffend auf der Grundlage der unanfechtbaren gerichtlichen Kostengrundentscheidung vom 21. April 2015 im Kostenfestsetzungsbeschluss die beantragte Kostenerstattung der Erinnerungsführerin gegenüber der Erinnerungsgegnerin im vorliegend streitgegenständlichen Umfang abgelehnt. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin zur Festsetzung beantragte 1,3 Einigungsgebühr Nr. 1004, 1000 Vergütungsverzeichnis (VV) RVG ist nicht angefallen.
3.1. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens gemäß §§ 164, 173 VwGO i.V.m. §§ 103 ff. ZPO werden auf Antrag durch Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des ersten Rechtszugs die zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits untereinander zu erstattenden Kosten festgesetzt (§ 164 VwGO). Die im Kostenfestsetzungsverfahrens gemäß §§ 164, 173 VwGO i.V.m. §§ 103 ff. ZPO zu erstattenden Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind stets erstattungsfähig (§ 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO).
3.2. Grundlage des Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 164 VwGO ist die jeweilige vorangegangene Kostenentscheidung (Kostengrund- oder Kostenlastentscheidung) in einem Urteil, in einem Beschluss oder in einem gerichtlichen Vergleich, zu dem das Kostenfestsetzungsverfahren nur die zahlenmäßige Ergänzung bildet. Die Kostenregelung in einem außergerichtlichen Vergleich stellt dagegen keinen Titel dar, der eine Kostenfestsetzung nach § 164 VwGO zulassen würde (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 164 Rn. 3). Nach § 161 Abs. 1 VwGO trifft das Gericht die Entscheidung über die Verteilung der Kosten des Gerichtsverfahrens zwischen den Beteiligten des Gerichtsverfahrens als Grundlage für das gegenüber dem Prozessgegner als Drittem durchzuführende Kostenerstattungsverfahren nach § 164 VwGO. Von der Kostenerstattungsfähigkeit werden nur die in § 162 VwGO genannten Kosten erfasst.
Im Kostenerstattungsverfahren können im Kostenfestsetzungsbeschluss weder die auf der Grundlage der Kostengrundentscheidung nicht erstattungsfähigen Kosten einer Prozesspartei festgesetzt werden (d.h. diejenigen, die die Partei nach der Kostengrundentscheidung selbst zu tragen hat), noch gleichermaßen solche, die im Rahmen oder im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Verfahrens entstanden sind, die aber nicht zu den „zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten“ zu zählen sind. Nur die solchermaßen zu den „zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten“ zu zählenden und entstandenen Gebühren für die diesbezügliche anwaltliche Tätigkeit werden in das Kostenfestsetzungsverfahren einbezogen, denn anderenfalls wäre die Tragweite der gerichtlichen Kostenlastentscheidung überschritten.
Die „zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten“ zu zählenden gesetzlichen Gebühren (neben den Auslagen) des von der Klagepartei mit der Erhebung der Klage beauftragten Rechtsanwalts sind auf der Grundlage des vorliegend anzuwendenden Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zu ermitteln, da die unbedingte Beauftragung zur Klageerhebung nach dem 1. Juli 2004 erfolgte (vgl. § 61 Abs. 1 RVG).
Die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen des ihm erteilten Auftrags der Führung eines verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens bestimmt sich nach dem RVG i.V.m. dessen Anlagen 1 Vergütungsverzeichnis (VV) und Anlagen 2 (zu § 13 Abs. 1 Satz 2 RVG) unter Heranziehung der Allgemeinen Vorschriften – Abschnitt 1 des RVG -, insb. § 1 Abs. 1 Satz 1 zum Geltungsbereich, § 2 zur Höhe der Vergütung i.V.m. Abschnitt 4 Gegenstandswert, insb. § 23, und Abschnitt 2 Gebührenvorschriften, insb. § 13 zur Höhe der Wertgebühren, § 15 zum Abgeltungsbereich der Gebühren, i.V.m. Abschnitt 3 Angelegenheit, insb. §§ 16, 17, 19, unterscheidend nach derselben oder verschiedenen Angelegenheiten und differenzierend für jede gebührenrechtliche Instanz (Rechtszug).
3.3. Vorliegend ist eine 1,3 Einigungsgebühr nach Nr. 1004, 1000 VV RVG nicht angefallen.
Eine Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Die Gebühr entsteht nicht, wenn sich der Vertrag ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt (Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 VV RVG [Teil 1]). Soweit über die Ansprüche vertraglich verfügt werden kann, gelten die Absätze 1 und 2 auch bei Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts (Nr. 1000 Abs. 4 VV RVG [Teil 1]).
Sinn und Zweck der Einigungsgebühr ist, dass einerseits der bevollmächtigte Rechtsanwalt mit dem Abschluss eines Vertrages die höhere Verantwortung dafür übernimmt, dass er mit der Entscheidung für den Abschluss eines Vertrages und die hierdurch erfolgende Beendigung des streitigen Rechtsverhältnisses anstelle durch gerichtliche Entscheidung den Interessen seiner Partei mehr dient, und dass andererseits durch die gütliche Beilegung des Rechtsstreits durch Einigung der Parteien eine gerichtliche Entscheidung des streitigen Rechtsverhältnisses entfällt, d.h. die Beendigung des Rechtsstreits erfolgt anstelle durch einen Richterspruch durch den Abschluss der Einigung, und dadurch die Gerichtsbelastung gemindert wird (Müller-Rabe in Gerold / Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, VV 1000, Rn. 2, 74). Das Entstehen der Einigungsgebühr verlangt einen wirksamen Einigungsvertrag, bloße einseitige Erklärungen, auch wenn sie zur Beendigung des Rechtsstreits führen, genügen nicht, auch wenn sie von beiden Seiten abgegeben werden. Bei einseitigen Erklärungen kann in Ermangelung einer Vereinbarung keine Einigungsgebühr entstehen. Für das Entstehen der Einigungsgebühr kommt es nicht auf die bloße Bezeichnung des geschlossenen Vertrages als Einigung oder Vergleich an, wenn in Wahrheit kein einen Streit oder eine Ungewissheit beseitigender Vertrag geschlossen wurde. Umgekehrt steht einer eine Einigungsgebühr auslösenden Einigung nicht entgegen, dass der Vertrag nicht als Einigung oder Vergleich bezeichnet wird (Müller-Rabe in Gerold / Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, VV 1000, Rn. 34f., 133).
Die in der mündlichen Verhandlung am 5. März 2015 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zwischen dem Bevollmächtigten der Klägerin und dem Beklagten Freistaat Bayern getroffene „Vereinbarung zur Verjährung und zur Rechtskraft“ ist kein Vertrag im Sinn von Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VV RVG, der eine Einigungsgebühr auslöste. Die vom Beklagten Freistaat Bayern abgegebenen Erklärungen sind bloße einseitige Erklärungen, die im Rahmen der subjektiven Klagehäufung (vor Ergehen des Abtrennungsbeschlusses) nur das Klageverfahren der Klägerin gegenüber dem Freistaat Bayern als Beklagten betrafen. Allein die Erklärung des Bevollmächtigten der Klägerin, dass er die „Angebote annehme“, führt zu keiner vertraglichen Vereinbarung. Die Klagepartei und ebenso wenig der Beklagte haben vertragliche Erklärungen im Sinn und zu einer vertraglichen Einigung abgegeben. Im Übrigen erfolgte hinsichtlich der Klage gegen den Freistaat Bayern als Beklagtem keine gütliche Beendigung dieses Rechtsstreits. In diesem Rechtsstreit hat – nach zu beantragender Fortsetzung des Verfahrens nach dem erfolgten Beschluss des Ruhens des Verfahrens – ein Richterspruch in Form eines Urteils über den von der Klägerin gegenüber dem Beklagten Freistaat Bayern geltend gemachten Anspruch zu erfolgen, sofern der Rechtsstreit nicht unstreitig beendet wird. Das zum Ruhen gebrachte Klageverfahren bleibt rechtshängig und ist gerade nicht beendet worden.
Es ist das grundlegende Prozessrisiko der Klagepartei, ihren geltend gemachten Anspruch gegen den „richtigen“ Beklagten zu richten. Das Auswahlrisiko, den „falschen“ Beklagten gewählt zu haben, trägt ausschließlich die Klagepartei. Für die Klagepartei bestand die Bredouille, in der Situation der subjektiven Klagehäufung hinsichtlich des geltend gemachten, „identischen“ Klageanspruchs gegenüber beiden Beklagten, durch gleichzeitige Entscheidung in beiden Klageverfahren durch Urteil gegenüber einem der beiden Beklagten mit dem insoweit gegebenen Verfahrenskostenrisiko zu unterliegen. Dieser prozessualen Situation der gleichzeitigen Entscheidung in beiden Klageverfahren durch Urteil mit der vorgezeichneten Teil-Kostenlast für die Klagepartei entging die Klagepartei nur, da die beiden Klageverfahren durch Abtrennungsbeschluss getrennt wurden und in einem der beiden Verfahren (nämlich in dem, zu dem das in der zweiten Instanz erkennende Gericht in der mündlichen Verhandlung vorbehaltlich der Schlussberatung in der mündlichen Verhandlung die Auffassung signalisierte, dass der geltend gemachte Anspruch gegenüber diesem Beklagten [Freistaat Bayern] nicht besteht) auf Antrag beider Beteiligter dieses Klageverfahrens das Ruhen des Verfahrens beantragt wurde und das erkennende Gericht dies auch für zweckdienlich ansah (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 251 ZPO). Durch dieses so mögliche prozessuale „Entzerren“ und „Nacheinanderschalten“ der gerichtlichen rechtskräftigen Entscheidungsfindung im Klageverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland als Ersterem und der dann sich ergebenden, geklärten prozessrechtlichen Situation, ob die Klagepartei mit der Geltendmachung ihres Klageanspruchs gegenüber der Beklagten Bundesrepublik Deutschland „bereits“ den „richtigen“ Beklagten für den geltend gemachten Anspruch in Anspruch genommen hat, wird es der Klagepartei – bei Obsiegen im zuerst entschiedenen Verfahren – ermöglicht, zu einem späteren Zeitpunkt ihre Prozesskostenlast im anderen Verfahren etwa durch Klagerücknahme oder Kostenübernahmeerklärung bei übereinstimmender Hauptsacheerledigung zu minimieren (vgl. Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz, Teil 5, Unterabschnitt 2, Nr. 5113).
Es kann im Rahmen der Entscheidung über die Kostenerinnerung offen bleiben, ob die einseitige Erklärung des Beklagten Freistaats Bayern zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung bei der schon rechtshängigen Klage gegen ihn sowie die einseitige Erklärung des Beklagten Freistaats Bayern, die Rechtskraft im Verfahren gegen die Beklagte Bundesrepublik Deutschland (Az. 8 BV 12.2488) gegen sich gelten zu lassen, wie wenn der Freistaat Bayern Beteiligter des Verfahrens im Sinne des § 121 VwGO wäre, angesichts dessen, dass der Freistaat Bayern zum Verfahren gegen die Beklagte Bundesrepublik Deutschland (Az. 8 BV 12.2488) beigeladen wurde und damit gemäß § 63 VwGO als Beigeladener Beteiligter an diesem Verfahren ist, überhaupt über eine über die bestehende prozessrechtliche Situation hinausgehende Wirkung entfalten oder nur die bestehende prozessrechtliche Situation als Erklärungen wiedergeben.
4. Die Erinnerungsführerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 2 VwGO. Das Erinnerungsverfahren nach § 164 VwGO ist gerichtsgebührenfrei (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i.V.m. Anlage 1 Kostenverzeichnis), da dieses im Kostenverzeichnis in Teil 5, Hauptabschnitt 3, 6 nicht aufgeführt ist. Die Auslagenpflichtigkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i.V.m. Anlage 1 Kostenverzeichnis, Teil 9.


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