Arbeitsrecht

Keine Rückkehr in das ursprüngliche Dienstverhältnis bei Abbruch des Sonderurlaubs

Aktenzeichen  M 5 K 18.859

Datum:
13.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21973
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
UrlV  § 18, § 23
UrlMV § 18 Abs. 3, § 26a, § 27 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 43 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Der Abbruch eines genehmigten Urlaubs setzt voraus, dass der bewilligte Urlaubszeitraum bereits begonnen, aber noch nicht geendet hat. Nach Urlaubsende ist der Abbruch tatsächlich und rechtlich nicht mehr möglich. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn ein wichtiger Grund für den Abbruch des Sonderurlaubs vorliegt, kann dem Antrag des Beamten nur entsprochen werden, wenn dies mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Planungssicherheit und Dispositionsfreiheit bei der Stellenverwaltung wäre nicht mehr gegeben, wenn ein beurlaubter Beamter jederzeit die sofortige Rückkehr in den Staatsdienst verlangen könnte.  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Rücknahme der Bewilligung eines Sonderurlaubs wegen nicht zweckentsprechender Verwendung erfolgt ausschließlich im dienstlichen, nicht auch im Interesse des Beamten. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.    
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren

Gründe

Die Klage war insgesamt abzuweisen, weil sie weder in ihrem Hauptantrag noch in den beiden Hilfsanträgen Erfolg hat.
1. Der in der mündlichen Verhandlung gegenüber der Klageschrift vom 22. Februar 2018 unverändert gestellte Hauptantrag stellt eine unzulässige Feststellungsklage dar. Denn nach § 43 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann (durch Klage) die Feststellung (des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses) nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies ist hier der Fall, weil das Recht, um das es dem Kläger geht, letztlich in der Auszahlung seiner Dienstbezüge für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 30. September 2018 liegt. Dieses Recht verfolgt er jedoch bereits mit der am 21. September 2016 erhobenen Klage auf Auszahlung von Bezügen (M 5 K 16.4308, nunmehr M 5 K 18.6023). Für die Entscheidung des Gerichts in der dortigen Rechtssache ist die in der hier gegenständlichen Feststellungsklage enthaltene Rechtsfrage nach der Erledigung des Sonderurlaubs durch die Beendigung der Tätigkeit des Klägers am … zum 30. Juni 2016 vorgreiflich. Sie ist Gegenstand des Urteils in der Rechtssache M 5 K 18.6023.
2. Die beiden hilfsweise erhoben Klageanträge führen ebenfalls nicht zum Erfolg der Klage.
a) Zunächst ist festzustellen, dass die Klagepartei die beiden in der Klageschrift vom 22. Februar 2018 bereits enthaltenen Hilfsanträge in der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2019 mit der Maßgabe gestellt hat, dass beantragt werde, die Genehmigung des Sonderurlaubs ab 1. Juli 2016 rückwirkend zu widerrufen. Diese Ergänzung erfolgte durch die Klagepartei ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, nachdem der Zeitraum des bewilligten Sonderurlaubs mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 abgelaufen ist.
b) Der Kläger kann aber keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten (1. Hilfsantrag) oder auch nur auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung (2. Hilfsantrag) hinsichtlich einer Rechtsfolge haben, die dem Beklagten auszusprechen rechtlich nicht möglich ist.
aa) Der hier streitgegenständliche Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 30. September 2018 ist Teil des mit Schreiben des Staatsministeriums vom 21. Mai 2015 bewilligten Sonderurlaubs vom 1. Oktober 2015 bis 30. September 2018. Diese Bewilligung erfolgte auf Grundlage des § 18 Abs. 1 Satz 1, 2 Verordnung über den Urlaub der bayerischen Beamten und Richter (Urlaubsverordnung – UrlV) in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung.
bb) Für die Aufhebung der Bewilligung für den vom Kläger beantragten Zeitraum ist jedoch nicht mehr § 23 UrlV, sondern seit 1. Januar 2018 nur noch § 18 Verordnung über Urlaub, Mutterschutz und Elternzeit der bayerischen Beamten (Bayerische Urlaubs- und Mutterschutzverordnung – UrlMV) anzuwenden, nachdem die Urlaubsverordnung durch § 27 Abs. 2 Nr. 1 UrlMV mit Ablauf des 31. Dezember 2017 außer Kraft gesetzt wurde und es, anders als zu Elternzeit in § 26a UrlMV, keine Übergangsregelung gibt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der in den Hilfsanträgen enthaltenen Verpflichtungsklagen (die Aufhebung der Bewilligung von Sonderurlaub stellt sich als actus contrarius ebenso als Verwaltungsakt dar, wie die Bewilligung des Sonderurlaubs selbst; vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2017 – 3 CE 17.1564 – juris Rn. 5) ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung ist. Diese Vorschrift geht den allgemeinen Vorschriften in Art. 48 und 49 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) vor (vgl. zu Art. 23 UrlV: VG München, B.v. 2.8.2004 – M 5 S 04.3947 – juris Rn. 16 f.).
cc) Auf das Begehren des Klägers auf Aufhebung des Sonderurlaubs im streitgegenständlichen Zeitraum ist allein § 18 Abs. 3 UrlMV anwendbar (der sprachlich anders gefasst, inhaltlich aber wesensgleich ist mit dem bis 31.12.2017 anwendbaren § 23 Abs. 3 UrlV). Danach kann dem Antrag eines Beamten, einen genehmigten Urlaub aus wichtigem Grund zu verlegen oder abzubrechen, entsprochen werden, wenn dies mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar ist.
Dem Kläger geht es in diesem Sinne darum, seinen Sonderurlaub ab 1. Juli 2016 abzubrechen, und zwar rückwirkend. Der Abbruch eines Urlaubs setzt jedoch voraus, dass der bewilligte Urlaubszeitraum bereits begonnen, aber noch nicht geendet hat. Nach dem Ende eines bewilligten Urlaubs ist dessen Abbruch – worauf letztlich auch der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat – tatsächlich und auch rechtlich nicht mehr möglich. Mit Ablauf des 30. September 2018 war es also dem Beklagten verwehrt, den Sonderurlaub des Klägers – rückwirkend – abzubrechen.
c) Im Übrigen ist der auf § 18 Abs. 3 UrlMV gestützte Bescheid des Staatsministeriums vom … Januar 2018 rechtlich auch nicht zu beanstanden. Es erkennt darin zwar – worauf die Klagepartei ausdrücklich hingewiesen hat – an, dass durch die Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers als Rektor des …s der Zweck des Sonderurlaubs entfallen ist und hierin ein wichtiger Grund für den Abbruch des Sonderurlaubs gesehen werden kann. Das Staatsministerium hat jedoch einen „Widerruf“ der Genehmigung des Sonderurlaubs als nicht mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar angesehen.
aa) Was unter den „Erfordernissen des Dienstes“ zu verstehen ist, bestimmt sich nach den organisatorischen und personalwirtschaftlichen Gegebenheiten, für deren Einschätzung dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zukommt, das verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, nämlich dahingehend, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen (Willkür) angestellt hat (BayVGH, B.v. 4.12.2002 – 3 CE 02.2797 – juris Rn. 18).
bb) Demnach wäre es ausreichend, wenn auch nur einer der vom Staatsministerium im Bescheid vom … Januar 2018 genannten Gründe dafür, dass der Abbruch des Sonderurlaubs des Klägers nicht mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar sei, den oben dargelegten Anforderungen entsprechen würde.
Das ist zur Überzeugung des Gerichts zumindest hinsichtlich der vom Staatsministerium vorgetragenen – unwidersprochenen – anderweitigen Verfügung über die Stelle des Klägers bis zum 30. September 2018 der Fall (vgl. VG München, B.v. 16.10.2002 – M 5 E 02.4308 – juris Rn. 24). Diese Argumentation ist sachlich vertretbar und rechtfertigt jedenfalls nicht die Annahme von Willkür. Denn während der Dienstherr im Fall der Gewährung von Erholungsurlaub regelmäßig nicht für einen personellen Ausgleich – etwa durch die Einstellung von Vertretungskräften – sorgen muss, ist er in dem – auch hier gegebenen – Fall einer mehrsemestrigen Abwesenheit eines Professors im Interesse der Aufrechterhaltung des Vorlesungsbetriebes gehalten, für Vertretung zu sorgen, was auch mit damit einhergehenden rechtlichen, insbesondere finanziellen Verpflichtungen verbunden ist (OVG LSA, B.v. 4.6.2008 – 1 L 57/08 – juris Rn. 7). Das Staatsministerium hat daher in seinem Bescheid vom … Januar 2018 zutreffend darauf hingewiesen, dass Planungssicherheit und Dispositionsfreiheit bei der Stellenverwaltung nicht mehr gegeben wären, wenn ein beurlaubter Beamter jederzeit nach Kündigung bzw. einvernehmlicher Aufhebung des während des Sonderurlaubs angetretenen Arbeitsverhältnisses seine sofortige Rückkehr in den Staatsdienst würde verlangen können. Eine Hochschule muss die Möglichkeit haben, in der Zwischenzeit die Stelle eines beurlaubten Beamten anderweitig einzusetzen (so auch schon die Argumentation des Staatsministeriums im Verfahren M 5 E 02.4308; vgl. VG München, B.v. 16.10.2002; juris Rn. 13).
cc) Auf die angebliche Dienstunfähigkeit des Klägers (die fachärztliche Stellungnahme des Uniklinikums … vom 22.6.2016 jedenfalls enthält keine Feststellung einer Arbeits- bzw. Dienstunfähigkeit) und die darauf gestützte Argumentation, dass der Kläger deswegen die Hochschule nicht betreten würde und der Betriebsfrieden gar nicht gestört werden könne, kommt es deswegen nicht mehr rechtserheblich an.
d) Ergänzend sei angemerkt, dass der Kläger seine Hilfsbegehren weder auf § 18 Abs. 1 Satz 1 UrlMV noch auf § 18 Abs. 2 Satz 1 UrlMV stützen kann.
aa) In § 18 Abs. 1 Satz 1 UrlMV wird der – hier ersichtlich nicht gegebene – Fall geregelt, dass der Dienstherr die Genehmigung eines Urlaubs – auch gegen den Willen des betreffenden Beamten – nur widerrufen kann, wenn bei Abwesenheit des Beamten die ordnungsgemäße Erledigung der Dienstgeschäfte nicht mehr gewährleistet wäre oder wenn Gründe vorliegen, die von dem Beamten zu vertreten sind. Die – gegenüber § 23 Abs. 1 Satz 1 UrlV unveränderte – Verwendung des Wortes „widerrufen“ deutet darauf hin, dass der Verordnungsgeber in Anlehnung an Art. 49 BayVwVfG eine Aufhebung der Bewilligung des Urlaubs nur ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zulassen wollte. Dafür spricht die nunmehr gegenüber § 23 Abs. 2 Satz 1 UrlV geänderte Fassung des § 18 Abs. 2 Satz 1 UrlMV. Während § 23 Abs. 2 Satz 1 UrlV noch undifferenziert ebenfalls die Formulierung „ist zu widerrufen“ verwendet, enthält nunmehr § 18 Abs. 2 Satz 1 UrlMV die Formulierung „soll zurückgenommen werden“. Das wiederum deutet darauf hin, dass der Verordnungsgeber hier in Anlehnung an Art. 48 BayVwVfG eine Rücknahme der Bewilligung des Urlaubs ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit ermöglichen wollte. Dafür spricht auch die Anrechnungsregelung in § 18 Abs. 2 Satz 2 UrlMV.
bb) Auf § 18 Abs. 2 Satz 1 UrlMV kann der Kläger sein Begehren auf rückwirkende Beendigung seines Sonderurlaubs jedoch auch nicht stützen. Nach dieser Norm soll die Genehmigung eines Sonderurlaubs zurückgenommen werden, wenn der Sonderurlaub zu einem anderen als dem bewilligten Zweck verwendet wird.
(1) Zum einen aber hat der Kläger seinen Sonderurlaub nicht zu einem anderen als dem bewilligten Zweck verwendet. Vielmehr hat er ihn bis zum 30. Juni 2016 zweckentsprechend verwendet und ab dem 1. Juli 2016 ist dieser Zweck lediglich weggefallen. Der Kläger hat nicht von sich aus die Zweckverwendung des Urlaubs verändert, etwa indem er statt der Ausübung des Amtes des Rektors des …s eine völlig andersartige Tätigkeit aufgenommen hätte. Der Wegfall des für die Gewährung von Sonderurlaub maßgeblichen Grundes stellt für sich genommen keine zweckwidrige Verwendung des restlichen Sonderurlaubs dar.
(2) Zum anderen kann sich ein Beamter, dem langzeitiger Sonderurlaub unter Fortfall der Bezüge gewährt wurde, nicht im Sinne eines subjektiven öffentlichen Rechts auf diese Norm stützen. Die Rücknahme der Bewilligung eines Sonderurlaubs wegen nicht zweckentsprechender Verwendung erfolgt ausschließlich im dienstlichen, nicht auch im Interesse des Beamten (OVG LSA, B.v. 4.6.2008, a.a.O. – juris Rn. 6 zur inhaltsgleichen Regelung in § 25 Abs. 1 Satz 2 Verordnung über den Urlaub der Beamten im Land Sachsen-Anhalt in der damals gültigen Fassung).
e) Ob bereits das Schreiben des Klägers vom 22. Juni 2016 – entgegen den ausdrücklichen Erklärungen seines Bevollmächtigten – vom Staatsministerium doch unverändert als Antrag auf „Widerruf“ des Sonderurlaubs hätte angesehen und darüber hätte entschieden werden müssen, ist jedenfalls seit dem „vorsorglich“ gestellten Antrag durch den Bevollmächtigten des Klägers vom 19. Oktober 2017 und dem daraufhin ergangenen Bescheid des Staatsministeriums vom *. Januar 2018 nicht mehr rechtserheblich.
Grundsätzlich stehen ausdrückliche wörtliche Formulierungen eines rechtskundigen Vertreters eines Klägers einer Auslegung entgegen (vgl. etwa VG München, U.v. 12.2.2014 – M 5 K 13.4102 – juris Rn. 19).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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