Arbeitsrecht

Kostenberechnung nach Trennung von Verfahren

Aktenzeichen  W 2 M 17.405

Datum:
4.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG RVG § 15 Abs. 2, § 32 Abs. 1

 

Leitsatz

1 In durch Trennung verselbständigten Verfahren fallen Gebühren aus dem jeweiligen geringeren Streitwert mit der Trennung erneut an (Anschluss an BVerwG BeckRS 2009, 39945; BayVGH BeckRS 2017, 122696 und OVG Bln-Bbg BeckRS 2016, 55162). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 15 Abs. 2 RVG hindert lediglich eine kumulative Forderung der anteiligen Gebühr aus dem Gesamtstreitwert und der Gebühr aus dem Einzelstreitwert; hieraus folgt ein Wahlrecht des Rechtsanwaltes, ob er die Festsetzung der (niedrigeren) Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert oder der (höheren) Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach der Trennung der Verfahren geltend macht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 3. April 2017 wird in Ziffer I. hinsichtlich der außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers abgeändert.
Die Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach Maßgabe dieses Beschlusses wird dem Urkundsbeamten übertragen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1. Der Kläger wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 3. April 2017.
Der Kläger erhob gemeinsam mit 81 weiteren Klägern im Dezember 2015 Klage gegen zwei Bescheide der Beklagten, die zunächst zusammen unter dem Aktenzeichen W 2 K 15.1338 geführt wurden. Von diesem Verfahren wurde mit Beschluss der Kammer vom 23. Dezember 2015 u.a. das Verfahren des Klägers abgetrennt und unter dem Aktenzeichen W 2 K 15.1392 selbständig fortgeführt.
Mit Urteil vom 7. Dezember 2016 gab die Kammer der Klage statt. Im Verfahren auf Zulassung der Berufung (Az. 4 ZB 17.686) wurde das Urteil infolge der Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Mai 2017 für unwirksam erklärt und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreites in beiden Rechtszügen auferlegt.
2. Unter dem 10. Februar 2017 beantragte der Kläger, ihm die außergerichtlichen Kosten (Verfahrensgebühr, Terminsgebühr einschließlich Post- und Telekommunikationspauschale) aus einem Streitwert von 1088,63 EUR in Höhe von 365, 93 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) festzusetzen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. April 2017, zugestellt am 6. April 2017, setzte der Urkundsbeamte die außergerichtlichen Kosten auf 248,48, EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) fest. Die Verfahrensgebühr sei vor der Abtrennung aus dem Gesamtstreitwert entstanden und anteilig (1, 23%) festzusetzen. Gleiches gelte für die Post- und Telekommunikationspauschale.
3. Gegen diesen Beschluss beantragte der Kläger mit am 6. April 2017 per Telefax eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag die Entscheidung des Gerichts. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien die Berechnung der Verfahrungsgebühr sowie der Post- und Telekommunikationspauschale unzutreffend. Danach falle nach der Abtrennung von Verfahren die Verfahrensgebühr aus den jeweiligen geringeren Streitwerten neu an, auch wenn aus dem Gesamtstreitwert (anteilig) bereits vor der Trennung eine Verfahrensgebühr entstanden sei. Insbesondere sei die maßgebliche Klagebegründung erst nach der Abtrennung erfolgt. Gleiches gelte für die Post- und Telekommunikationspauschale. Auf den weiteren Inhalt der Schriftsätze vom 6. und 28. April 2017 wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung der Ziffer I. des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 3. April 2017 die außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers (für den 1. Rechtszug) auf 365,93 EUR festzusetzen.
Der Urkundsbeamte half der Erinnerung nicht ab und führt in der Stellungnahme vom 20. April 2017 im Wesentlichen aus:
Gebühr und Auslage seien bereits vor der Abtrennung entstanden gewesen. Die Verfahrensgebühr sei eine Pauschgebühr, die „nur einmal“ entstehe, sobald der Prozessbevollmächtigte irgendeine Tätigkeit zur Ausführung des prozessbezogenen Auftrags vorgenommen habe. Diese Pauschgebühr gelte für die gesamte einschlägige Tätigkeit des Bevollmächtigten in diesem Rechtszug. Dieser könne diese Gebühr in derselben Angelegenheit daher nur einmal fordern (vgl. § 15 Abs. 2 RVG). Wegen der „Einmaligkeit“ könne nach der Trennung die Verfahrensgebühr nicht noch einmal entstehen (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2007 – 25 C 07.161 – juris). Dieser Grundsatz gelte auch für die Post- und Telekommunikationspauschale. Auf den weiteren Inhalt der Stellungnahme wird Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Erinnerung (§§ 165, 151 VwGO) ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, und auch begründet.
1. Der Kläger kann entgegen der Ansicht des Urkundsbeamten die 1,3 -fache Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert von 1088,83 EUR und die ungekürzte Post- und Telekommunikationspauschale verlangen.
1.1 Nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 3100 VVRVG erhält ein Bevollmächtigter eine 1,3-fache Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Die Gebühr richtet sich vorliegend infolge der Streitwertfestsetzung für die Gerichtsgebühren gemäß § 32 Abs. 1 RVG nach dem festgesetzten Streitwert.
Es trifft zu, dass anteilig aus dem festgesetzten Gesamtstreitwert bereits vor der Abtrennung eine 1,3-fache Verfahrensgebühr, wie vom Urkundsbeamten berechnet, entstanden ist. In den durch die Trennung verselbständigten Verfahren, wie dem vorliegenden, fallen aber trotzdem entsprechende Gebühren aus den jeweiligen geringeren Streitwerten mit der Trennung erneut an. Das hat das Bundesverwaltungsgericht, als für die Auslegung von Bundesrecht höchstrichterlich zuständige Instanz, bereits entschieden (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2009 – 9 KSt 10/09 u.a. – juris), der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist dieser Rechtsprechung kürzlich unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren, bereits zitierten, Rechtsprechung (mehrfach) gefolgt (vgl. insb. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559), ebenso das OVG Brandenburg-Berlin (vgl. OVG Br-Berlin, B.v. 10.11.2016 – OVG 3 K 97.16 – juris).
Etwas anderes folgt auch nicht aus § 15 Abs. 2 RVG. Durch die Trennung sind jeweils rechtlich selbständige Verfahren entstanden, die gesondert geführt werden und bei denen Gebühren gesondert erneut anfallen (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 93 Rn. 8). Es handelt sich dabei nach der Trennung nicht mehr um dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG. Danach kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit zwar nur einmal fordern. Das hindert nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes aber lediglich eine kumulative Forderung der anteiligen Gebühr aus dem Gesamtstreitwert und der Gebühr aus dem Einzelstreitwert. Hieraus folgt, so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (2017) und das OVG Brandenburg-Berlin, ein Wahlrecht des Rechtsanwaltes, ob er die Festsetzung der (niedrigeren) Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert oder der (höheren) Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach der Trennung der Verfahren geltend macht. Die vor der Trennung entstandene Verfahrensgebühr ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der nach der Trennung neu entstandenen Verfahrensgebühr anzurechnen, woraus sich letztlich die Wirkungslosigkeit der vor der Trennung entstandenen Gebühr ergibt (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 -14 C 17.559, inzwischen mehrfach bestätigt). Die frühere Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2007 – 25 C 07.161 – juris) hatte sich zudem allein auf das Argument der „Einmaligkeit“, damals aus § 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, gestützt.
Die 2. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg gibt ihre frühere Rechtsprechung insoweit ausdrücklich auf. Gerade das vorliegende Verfahren zeigt überdeutlich, dass diese frühere Rechtsprechung der Arbeitsleistung des tätigen Rechtsanwaltes nicht gerecht wird. Die maßgebliche Arbeit des Bevollmächtigten erfolgte mit der umfangreichen Klagebegründung – ebenso in den anderen verselbständigten Verfahren – erst nach der Trennung. Eine allein ergebnisorientierte Argumentation vermag ebenfalls kein anderes Ergebnis zu begründen.
1.2 Auch die Pauschale für die Post- und Telekommunikation nach Nr. 7002 VVRVG ist in Höhe von 20 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer) ungekürzt anzusetzen. Nach der Trennung handelt es sich nicht mehr um dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG (siehe oben), weshalb die Pauschale in jedem Verfahren gesondert beantragt werden kann (so BayVGH, B.v. 8.8.2017 -14 C 17.559).
1.3 Die Übertragung der abschließenden Kostenfestsetzung auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beruht auf § 173 VwGO i.V.m. § 573 Abs. 1 Satz 3 und § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 20; vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 165 Rn. 9 f.).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtsgebühren werden mangels eines Gebührentatbestands nicht erhoben; es sind jedoch die Auslagen des Gerichts und außergerichtliche Aufwendungen des Klägers zu erstatten (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 165 Rn. 10).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben