Arbeitsrecht

Kostenfestsetzungsbeschluss – nichtgebührenrechtliche Einwendungen

Aktenzeichen  7 Ta 193/17

Datum:
12.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1974
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 11 Abs. 5
BRAO § 43a

 

Leitsatz

Im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO können zwar grundsätzlich nur Einwendungen gebührenrechtlicher Art berücksichtigt werden. Der Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsvertrags wegen Interessenkollision (§§ 134 BGB i. V. m. 43a Abs. 4 BRAO) ist dennoch zu prüfen. (Rn. 16 – 18)

Verfahrensgang

12 Ca 816/16 2017-11-15 Bes ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 15.11.2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Parteien führten in der Hauptsache einen Rechtsstreit, in dem es um die Feststellung ging, dass zwischen den Parteien seit 01.11.2001 ein Arbeitsverhältnis bestehe. Der Kläger begehrte darüber hinaus die Erteilung monatlicher Abrechnungen und die Meldung der Lohnsteuer ans Finanzamt.
Das Arbeitsgericht Nürnberg wies die Klage mit Endurteil vom 02.09.2016 ab.
Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Urteil vom 09.03.2017 auf Kosten des Klägers zurück (Bl. 872 ff d.A.).
Die vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 18.09.2017 und erlegte dem Kläger die Kosten für das Verfahren auf (Bl. 983 d.A.).
Während des gesamten Verfahrens war der Kläger durch Herrn Rechtsanwalt K… vertreten, die Beklagte durch die Kanzlei R…, hier durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Re… Mit Schriftsatz vom 23.10.2017 beantragten die Beklagtenvertreter beim Arbeitsgericht Nürnberg, die Kosten für das Berufungsverfahren und die Nichtzulassungsbeschwerde auf insgesamt 4.489,93 € festzusetzen.
Der Kläger wandte unter dem 30.10.2017 ein, der Anwaltsvertrag zwischen der Beklagten und ihrem Prozessvertreter sei gemäß § 134 BGB iVm § 43 a BRAO wegen Interessenkollision nichtig. Rechtsanwalt Dr. Re… habe ihn, den Kläger, bei der Beantragung der Betriebserlaubnis für die P…apotheke und die B…apotheke in Nürnberg vertreten.
Das Arbeitsgericht setzte mit Beschluss vom 15.11.2017 die Kosten wie beantragt auf 4.489,93 € fest.
Der Beschluss wurde dem Kläger am 21.11.2017 zugestellt.
Der Kläger legte gegen den Beschluss am 27.11.2017 sofortige Beschwerde ein.
Der Kläger bezieht sich zur Begründung auf seinen Schriftsatz vom 30.10.2017. Weitere Einwendungen gegen die Kostenfestsetzung werden nicht vorgebracht.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 104 Absatz 3 ZPO, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 ZPO.
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das Erstgericht hat zu Recht die Kosten festgesetzt.
Entgegen dem unter 15.01.2018 vom erkennenden Gericht erfolgten Hinweis steht der Festsetzung der Kosten nicht § 11 Absatz 5 RVG entgegen. Bei dem Hinweis wurde übersehen, dass es vorliegend nicht um die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung gegen den eigenen Mandanten geht, sondern um die Kostenerstattung aufgrund einer Kostenentscheidung im Sinne des § 103 Absatz 1 ZPO.
Die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen sind nicht gebührenrechtlicher Art.
Solche Einwendungen sind grundsätzlich nicht im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 104 ZPO zu berücksichtigen.
Das Kostenfestsetzungsverfahren dient dazu, die Kostengrundentscheidung betragsmäßig auszufüllen. Zwar ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die zur Erstattung angemeldeten Rechtsanwaltskosten tatsächlich entstanden sind. Diese Prüfung hat jedoch lediglich unter prozessualen und gebührenrechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgen und beschränkt sich auf die Entscheidung der Frage, ob die zur Erstattung angemeldeten Kosten nach dem konkreten Verfahrensablauf und den einschlägigen Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung entstanden sind. Dagegen bleibt die materiellrechtliche Frage, inwieweit die erstattungsberechtigte Partei ihrem Prozessbevollmächtigten nach den bestehenden vertraglichen Beziehungen die entstandenen Gebühren tatsächlich schuldet, im Kostenfestsetzungsverfahren unentschieden. Entsprechende Einwendungen, dass aufgrund der vertraglichen Beziehungen zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten der Kostenerstattungsanspruch nach § 91 ZPO entfällt, können deshalb nur mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden (Oberlandesgericht Hamm ‒ Beschluss vom 15.01.1999 ‒ 23 W 534/98; juris).
Allerdings besteht keine Grundlage für eine die Anwaltskosten betreffende Kostenfestsetzung, wenn Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts nicht entstanden sein können, weil der Anwaltsvertrag nichtig ist. In diesem Fall gibt es keinen Anknüpfungspunkt für eine Haftung der unterliegenden Partei (Oberlandesgericht Koblenz ‒ Beschluss vom 15.11.2007 ‒ 14 W 733/07; juris).
Ein Anwaltsvertrag ist gemäß § 43a Absatz 4 BRAO iVm § 134 BGB nichtig, wenn der Rechtsanwalt widerstreitende Interessen vertritt.
Das erkennende Gericht folgt insoweit der Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass ein Verstoß gegen § 43a Absatz 4 BRAO zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags führt. Danach ist der verbotswidrig geschlossene Vertrag nichtig und begründet keine Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, schützt die Vorschrift des § 43a Absatz 4 BRAO nicht nur die Interessen des jeweils betroffenen Mandanten, sondern auch die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (Bundesgerichtshof ‒ Urteil vom 12.05.2016 ‒ IX ZR 241/14; juris).
Der Kläger macht geltend, der Anwaltsvertrag zwischen der Beklagten und ihrem Prozessvertreter verstoße gegen § 43a Absatz 4 BRAO und sei deshalb nichtig. Dies ist nicht der Fall.
Widerstreitende Interessen setzen voraus, dass eine Angelegenheit vorliegt, die entweder beide Parteien betrifft, oder dass zwar mehrere Angelegenheiten vorliegen, aber ein gemeinsamer sachlicher Bezug gegeben ist, der bedingt, dass die Parteien ein unterschiedliches Interesse daran haben, wie die Angelegenheit zu behandeln ist.
Derartiges lässt sich vorliegend nicht feststellen.
Hiervon kann insbesondere aufgrund des Vorbringens des Klägers nicht ausgegangen werden. Es ist unschlüssig. Der Kläger macht insoweit geltend, Herr Rechtsanwalt Dr. Re… habe ihn bei der Beantragung der Betriebserlaubnis für die P…apotheke sowie für die B…apotheke vertreten. Dort habe er seine, des Klägers, wirtschaftlichen Verhältnisse falsch vorgetragen. Es seien Nachweise geschaffen worden, die seine Leistungsfähigkeit hätten dokumentieren sollen.
Daraus lässt sich allenfalls entnehmen, dass die Betriebserlaubnis aufgrund falscher Tatsachen zu Unrecht erlangt wurde. Ein Zusammenhang des dortigen Verfahrens, das im Übrigen längst abgeschlossen ist, zum vorliegenden Rechtsstreit ist nicht ersichtlich. Im vorliegenden Rechtsstreit ging es letztlich um die Frage, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Entscheidend für die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, sind nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschäftigten, sondern die Frage, ob der Beschäftigte in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht, insbesondere ob er im Sinne des § 611a BGB den Weisungen des Dienstherrn unterliegt.
Diese Frage wurde im vorliegenden Rechtsstreit von zwei Tatsacheninstanzen verneint. Dabei war ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit des Klägers zwar auch die ihm erteilte Betriebserlaubnis, ohne die er die Apotheken nicht hätte betreiben dürfen. Die Betriebserlaubnis stellt einen Verwaltungsakt dar und wurde vom zuständigen Pharmazierat auch im Interesse des Klägers und auf seinen Antrag erteilt.
Es ist indes nicht nachvollziehbar, inwieweit die Vertretung des Klägers im Erlaubnisverfahren und der vorliegende Rechtsstreit in einem sachlichen Zusammenhang stehen, die eine Vertretung der Beklagten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Re… im Sinne des § 43a BRAO verbieten.
Da der Anwaltsvertrag somit wirksam war, hat der Kläger entsprechend den Kostenentscheidungen des Landesarbeitsgerichts Nürnberg sowie des Bundesarbeitsgerichts die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen.
Die sofortige Beschwerde war daher zurückzuweisen.


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