Arbeitsrecht

Kostenrecht: Besprechungsterminsgebühr bei Telefonaten

Aktenzeichen  L 12 SF 48/17 E

Datum:
19.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7709
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 14
VV RVG Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2, Nr. 3106

 

Leitsatz

1. Die “Besprechungsterminsgebühr” nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG kann auch bei Telefonaten zwischen Richter und den Parteien entstehen, wenn Inhalt der Gespräche jeweils ein qualifiziertes auf die Erledigung des Verfahrens gerichtetes Gespräch ist. (Rn. 39)
2. Ein hohes Maß an Vergleichbarkeit der Besprechung mit einem Gerichtstermin ist nicht erforderlich (Abkehr von Beschluss BayLSG, Az: L 15 SF 63/15). (Rn. 40)
3. Umfang und Intensität der Einigungsbemühungen können bei der Bemessung der Gebühr berücksichtigt werden. (Rn. 41)

Verfahrensgang

S 15 SF 105/15 E 2017-02-07 Bes SGREGENSBURG SG Regensburg

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 07.02.2017, S 15 SF 105/15 E, sowie die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 03.12.2015 abgeändert. Für das Verfahren S 16 AL 105/15 ER werden die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf 618,80 Euro festgesetzt.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren.
Streitig sind die Höhe der Verfahrens- und der Einigungsgebühr sowie, ob und in welcher Höhe eine Terminsgebühr entstanden ist.
Der Beschwerdeführer vertrat den Kläger/Antragsteller sowohl im Hauptsacheverfahren mit dem Az.: S 16 AL 68/15 als auch in dem diesem Kostenverfahren zugrundeliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit dem Az.: S 16 AL 105/15 ER. Gegenstand der Verfahren war eine Abzweigung nach § 48 SGB I an das Jugendamt wegen Verletzung der Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seinem Sohn.
Der Beschwerdeführer stellte als Bevollmächtigter des Klägers am 02.04.2015 in der Streitsache Az.: S 16 AL 105/15 ER Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage und begründete diesen mit knapp vier Seiten. Die Klage in der Hauptsache war am 23.02.2015 erhoben worden. Beide Verfahren waren im Wesentlichen identisch. Im Eilverfahren ergänzte der Beschwerdeführer seinen Vortrag zur Eilbedürftigkeit mit weiterem Schreiben vom 22.04.2015.
Das SG bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 15.04.2015 im Verfahren Az.: S 16 AL 68/15 und mit Beschluss vom 26.05.2015 in der Streitsache Az.: S 16 AL 105/15 ER jeweils PKH ab Antragstellung und ordnete den Beschwerdeführer bei.
Mit Schreiben vom 27.05.2015 teilte das Gericht unter den Az.: S 16 AL 105/15 ER und S 16 AL 68/15 mit, es halte wie telefonisch besprochen, einen (im Folgenden ausformulierten) außergerichtlichen Vergleich für angezeigt. Nach weiterem kurzen Schriftwechsel wurden die Streitsachen Az.: S 16 AL 68/15 und S 16 AL 105/15 ER für erledigt erklärt.
Für das Verfahren Az.: S 16 AL 68/15 wies das SG die beantragten außergerichtlichen Kosten (u.a. Verfahrens-, Termins- und Einigungsgebühr) i.H.v. insgesamt 1.037,68 Euro zur Zahlung an.
Mit Kostennote vom 22.10.2015 machte der Beschwerdeführer seine Vergütung in der Streitsache Az.: S 16 AL 105/15 ER wie folgt geltend:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 200,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 186,67 Euro
Einigungsgebühr Nr. 1000, 1006 VV RVG 200,00 Euro Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 115,27
Euro Gesamtbetrag 721,94 Euro
Zur Begründung verwies der Beschwerdeführer auf eine nach sozialgerichtlicher Rechtsprechung übliche „Drittelgebühr“ im einstweiligen Anordnungsverfahren.
Mit Beschluss vom 03.12.2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG die dem Beschwerdeführer zu erstattenden Gebühren auf 261,80 Euro fest. Dieser Betrag errechnete sich wie folgt:
„Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 100,00 Euro
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 100,00 Euro Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 41,80 Euro
Gesamtbetrag 261,80 Euro
Abweichend von dem Kostenfestsetzungsantrag sei eine Verfahrens- und Einigungsgebühr lediglich in Höhe der doppelten Mindestgebühr gerechtfertigt. Die Erstattung einer Terminsgebühr wurde abgelehnt.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11.12.2015 Erinnerung eingelegt. Eine Terminsgebühr sei festzusetzen, weil die telefonische Besprechung der Angelegenheit zwischen dem Rechtsanwalt und dem Richter eine solche Terminsgebühr auslöse. Im Übrigen wäre im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Reduzierung der Gebühren um 1/3 üblich und in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, so dass die Absenkung der Gebühren nicht gerechtfertigt wäre.
Das SG hat die Erinnerung mit Beschluss vom 07.02.2017 zurückgewiesen. Isoliert betrachtet würde dem Erinnerungsführer tatsächlich bei einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich eine um jeweils 1/3 gekürzte Verfahrens- und Einigungsgebühr zustehen. Vorliegend hätte sich das Sozialgericht bei den Streitverfahren Az.: S 16 AL 68/15 und S 16 AL 105/15 ER mit zwei im Wesentlichen identischen Verfahren zu beschäftigen gehabt. Damit sei der Gebührenansatz des Erinnerungsführers zu hoch veranschlagt und neu festzusetzen. Angemessen wegen der vorliegenden Synergieeffekte sei eine Verfahrens- und Einigungsgebühr in Höhe von jeweils 100,00 Euro anzusetzen.
Zudem stehe dem Erinnerungsführer keine Terminsgebühr zu. In Verfahren ohne obligatorische mündlicher Verhandlung, vor allem in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, könne eine sogenannte fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV RVG von vorneherein nicht entstehen. Der prinzipielle Anknüpfungspunkt für die fiktive Terminsgebühr, dass der Anwalt gerade für das Unterbleiben eines Termins „belohnt“ werden solle, gehe dort ins Leere, wo es grundsätzlich keine Termine gebe.
Gegen den Beschluss des SG hat der Beschwerdeführer am 14.02.2017 Beschwerde erhoben und auf das bisherige Vorbringen Bezug genommen. Zur Terminsgebühr wurde ergänzt, das SG übersehe, dass vorliegend keine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG geltend gemacht worden sei, sondern eine Terminsgebühr aufgrund der telefonischen Besprechung zwischen der beauftragten Richterin und dem Beschwerdeführer. Da das Gericht „wie telefonisch besprochen“ einen Vergleich vorgeschlagen habe, komme die Terminsgebühr zum Ansatz. Die Höhe könne wie beantragt in Höhe einer „Drittelgebühr“ festgesetzt werden.
Die Staatskasse führte aus, die „Besprechungsgebühr“ nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG falle nur bei außergerichtlichen Gesprächen zwischen den Beteiligten an, die gewisse qualitative Voraussetzungen erfüllten. Damit seien Telefonate zwischen dem Beschwerdeführer und dem Richter oder zwischen den Beteiligten über den Richter als eine Art „Vermittler“ a priori nicht ausreichend, nach dem RVG in der Fassung ab dem 01.08.2013 diese Besprechungsgebühr auszulösen. Streng genommen hätte der Beschwerdeführer mangels Vergleichsfeststellung nach § 101 SGG schon für das Verfahren Az.: S 16 AL 68/15 keine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG erhalten dürfen.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Erinnerungsverfahrens mit dem Az.: S 15 SF 105/15 E und die Akten des SG mit den Az.: S 16 AL 68/15 und S 16 AL 105/15 ER verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat überwiegend Erfolg.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerden ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vorliegenden Angelegenheit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper.
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des RVG in der ab 01.08.2013 geltenden Fassung gemäß dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.), denn der unbedingte Auftrag i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG ist dem Beschwerdeführer nach dem 31.07.2013 erteilt worden.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.
2. Die Beschwerde ist zum großen Teil begründet.
Die Urkundsbeamtin und der Kostenrichter haben die Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) sowie die Einigungsgebühr (Nr. 1005 VV RVG) zu niedrig festgesetzt. Auch hat der Beschwerdeführer zu Recht eine Terminsgebühr angesetzt.
a) Bei Betragsrahmengebühren gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG, um die es vorliegend geht, ist im Vergütungsverzeichnis zum RVG jeweils ein Gebührenrahmen vorgesehen, wobei nach § 14 die Bestimmung der konkreten Gebühr im Einzelfall vorzunehmen ist. Auszugehen ist dabei regelmäßig zunächst von der Mittelgebühr. Mit der Mittelgebühr wird die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in einem Durchschnittsfall abgegolten. Ein Durchschnittsfall liegt vor, wenn nach den gemäß § 14 RVG maßgebenden Kriterien die Streitsache als durchschnittlich zu bewerten ist, es sich um eine Streitsache mit durchschnittlichem Aufwand, durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlicher Bedeutung für den Auftraggeber, durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers und durchschnittlichem Haftungsrisiko handelt. Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen.
Dabei hält der Senat an der mit Beschluss des BayLSG vom 05.10.2016, Az.: L 15 SF 282/15-, bestätigten Auffassung fest, dass diese Grundsätze unabhängig davon gelten, ob es sich um ein Klage- oder um ein Antragsverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt (vgl. bestätigend auch Beschluss des Senats vom 15.11.2018, – L 12 SF 124/14 E -).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Verfahrensgebühr – wie vom Beschwerdeführer beantragt – auf 200,00 Euro festzusetzen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren leicht unterdurchschnittlich. Der Senat geht davon aus, dass eine anwaltliche Tätigkeit jedenfalls dann durchschnittlich umfangreich ist, wenn Klage erhoben, Akteneinsicht genommen, die Klage begründet und zu den (z.B. medizinischen, sonstigen tatsächlichen oder auch rechtlichen) Ermittlungen des Gerichts Stellung genommen wird, einschließlich der eben genannten Tätigkeiten. Zu berücksichtigen ist dabei der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieb und objektiv verwenden musste (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 01.07 2009, – B 4 AS 21/09 R -, juris).
Hier fertigte der Beschwerdeführer zur Begründung des Eilantrages einen Schriftsatz, der knapp vier Seiten umfasste. Zudem reichte der Beschwerdeführer mehrere kurze Schriftsätze ein. Akteneinsicht erfolgte nicht, Gutachten oder medizinische Ermittlungen waren nicht erforderlich.
Außerdem bestehen vorliegend Synergieeffekte, die zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu den Grundsatzbeschluss des BayLSG vom 02.12.2011, – L 15 SF 28/11 B E -, sowie z.B. vom 10.02.2016, – L 15 SF 395/13 E – und vom 13.04.2016, – L 15 SF 270/14 E -). Die Gebührenbemessung folgt aus der schlichten Anwendung des § 14 RVG, ohne dass es eines Rückgriffs auf den Begriff „Synergieeffekt“ bedarf. Fest steht, dass der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durch den Umstand beeinflusst werden, dass die Bearbeitung zweier oder mehrerer gleichgelagerter Rechtsstreitigkeiten regelmäßig mit einer erheblichen Arbeitserleichterung für die weiteren Verfahren verbunden ist. Wenn die notwendige anwaltliche Arbeit im Wesentlichen schon in einem anderen Verfahren geleistet worden ist, fällt in/im Parallelverfahren bei vergleichbarer oder sogar identischer Sach- und Rechtslage für den Rechtsanwalt weniger Arbeit an (BayLSG, Beschluss vom 29.04.2016, – L 15 SF 15/14 E -). Diese Selbstverständlichkeit wird in der Rechtsprechung nicht in Frage gestellt (vgl. a.a.O., m.w.N.).
Synergieeffekte sind vorliegend insoweit zu berücksichtigen, als das Antragsverfahren inhaltlich – bis auf die Ausführungen zur Eilbedürftigkeit – weitgehend identisch war mit dem Hauptsacheverfahren Az.: S 16 AL 68/15, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass viele Schriftsätze unter beiden Aktenzeichen eingereicht wurden. Der daraus resultierende Synergieeffekt mindert den Arbeitsaufwand im konkreten Verfahren jedenfalls insoweit, als nicht die Mittelgebühr, sondern nur – wie beantragt – die um ein Drittel ermäßigte Mittelgebühr festzusetzen ist.
c) Die Einigungsgebühr Nr. 1000,1005 VV RVG war entsprechend der rechtlichen Vorgaben in Höhe der Verfahrensgebühr und damit ebenfalls auf 200,00 Euro festzusetzen.
d) Der Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers gegenüber der Staatskasse umfasst auch eine Terminsgebühr.
aa) Zwar kann der Beschwerdegegner keine (fiktive) Terminsgebühr im Sinne von Nr. 3106 Satz 2 Nr. 1 VV RVG geltend machen. Die Terminsgebühr entsteht nach dieser Vorschrift auch dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Dass das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung zwingend ist, steht völlig außer Zweifel (vgl. z.B. Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 3, RdNr. 52). Der Grundsatz der Mündlichkeit gilt in allen Rechtszügen der Sozialgerichtsbarkeit für Entscheidungen durch Urteil; dies ist in Antragsverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – wie der Kostenrichter zutreffend ausführt – nicht der Fall (vgl. auch BayLSG, Beschluss vom 05.10.2016 – L 15 SF 282/15 -, juris). Dies wird von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen.
bb) Allerdings ist eine Terminsgebühr vorliegend als sogenannte Besprechungsterminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 iVm Nr. 3106 VV RVG angefallen. Die Telefonate der Richterin mit den Beteiligten, in denen ausweislich der Akten die vergleichsweise Beendigung des Verfahrens besprochen wurde, erfüllen die Voraussetzungen für das Entstehen der Besprechungsterminsgebühr.
Nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Sie entsteht jedoch nicht für die Wahrnehmung eines Termins nur zur Verkündung einer Entscheidung. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen entsteht für
1. die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins und
2. die Mitwirkung an Besprechungen, die auf Vermeidung und Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.
Durch die Neufassung dieser Vorbemerkung durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 (BGBl I S. 2586) ist klargestellt, dass diese Terminsgebühr unabhängig davon entsteht, ob für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist oder nicht (BGH, Beschluss vom 07. Februar 2017 – VI ZB 43/16 -, juris, Rn 6; vgl. zum früheren Meinungsstreit BGH, Beschluss vom 2. November 2011 – XII ZB 458/10, FamRZ 2012, 110 Rn. 15 ff. mwN). Daher kann die Besprechungsterminsgebühr auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anfallen.
Voraussetzung für den Anfall der Gebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VV RVG, die für die Mitwirkung an Besprechungen entsteht, die auf Vermeidung und Erledigung des Verfahrens gerichtet sind, ist zunächst, dass bei beiden Gesprächspartnern Bereitschaft bestanden haben muss, das Gespräch mit der Zielsetzung einer vergleichsweisen Einigung zu führen (so schon BayLSG, Beschluss vom 13.05.2013, L 15 SF 99/12 B, RdNr. 13, Juris).
Nach der Aktenlage geht der Senat zunächst davon aus, dass ein direktes Gespräch zwischen Beschwerdeführer und Beklagtenvertreter nicht stattgefunden hat, sondern beide jeweils nur mit der Richterin telefoniert haben. Der Senat sieht grundsätzlich auch in dieser Konstellation, in der der Richter bald mit dem Kläger-, bald mit dem Beklagtenvertreter telefoniert, um diese zu einer Einigung zu bewegen, ein auf die Erledigung gerichtetes Gespräch mit einem anderen als dem Auftraggeber. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Rechtsanwalt hier schlechter stehen sollte, als wenn er unmittelbar mit dem Gegner verhandelt oder als wenn er in einem Verhandlungstermin unter Mitwirkung des Richters eine Einigung bespricht (so auch Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., VV Vorb. 3 RdNr. 193q). Dass Inhalt der Telefonate der Richterin mit den Beteiligten das Bemühen um eine vergleichsweise Beendigung des Verfahrens gewesen ist, ergibt sich aus den gerichtlichen Schreiben vom 27.05.2015. Hierin teilte die Richterin „wie telefonisch besprochen“ mit, sie halte den nachfolgend vorgeschlagenen Vergleich für angezeigt. Aus der Formulierung „wie telefonisch besprochen“ mit dem Zusatz „hält das Gericht folgenden Vergleich für angezeigt“ schließt der Senat, dass Inhalt des Telefonats bzw. der Telefonate nicht nur die Übermittlung der Rechtsauffassung der Richterin an die Beteiligten gewesen ist, sondern qualifiziert über die Möglichkeit eines vergleichsweisen Abschlusses des Verfahrens gesprochen wurde. Auch der weitere Verlauf des Verfahrens spricht für diese Annahme, denn der Vergleichsvorschlag des Gerichts wurde seitens des Beschwerdeführers erst nach Rücksprache mit dem Kläger bzw. Antragsteller modifiziert. Allerdings führen die im weiteren Verlauf gewechselten Schriftsätze nicht zu einer Entstehung der Besprechungsterminsgebühr, da für diese die Mündlichkeit Voraussetzung ist (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., VV Vorb. 3 RdNr. 177). Auch ist unerheblich, ob die Besprechung erfolgreich ist. Dennoch steht für den Senat fest, dass die telefonischen Besprechungen der Richterin mit den Beteiligten die Grundlage für die vergleichsweise Beendigung des Verfahrens gewesen sind.
Das Gespräch des Beschwerdeführers mit der Richterin war ausreichend, um den Anfall der Besprechungsterminsgebühr auszulösen. Der Senat teilt in Anlehnung an die Rechtsprechung des vormaligen Kostensenats des BayLSG (siehe ua Beschluss vom 16.12.2016, Az.: L 15 SF 63/15 E) zwar die Auffassung, dass hinsichtlich des Entstehens einer Terminsgebühr nach der genannten Vormerkung eine nicht zu großzügige Haltung angebracht ist. So kann nicht jede noch so kurze Anfrage ohne weiteres Auslöser für das Entstehen einer Terminsgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VV RVG sein. Voraussetzung ist vielmehr ein inhaltliches Gespräch über eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die eine „Besprechung“, also ein wechselseitiges Gespräch zur Erörterung eines Sachverhalts, voraussetzt. Ein Gespräch über die alleinige abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung genügt nicht.
Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung, dass bereits für das Entstehen der Gebühr ein hohes Maß an Vergleichbarkeit der Besprechung mit einem regulären Termin notwendig ist und die außergerichtlichen Gespräche konkret an Umfang und Intensität einem Gerichtstermin gleichkommen müssen (so noch BayLSG, Beschluss vom 16.12.2016, Az.: L 15 SF 63/15, juris; Hessischen Landessozialgericht, Beschluss vom 09.11.2011, Az.: L 2 SO 192/11 B). Diese Voraussetzung lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift entnehmen.
Nach dem Wortlaut der Regelung der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VV RVG entsteht die Gebühr für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind. Dieser Voraussetzung ist allein zu entnehmen, dass die Besprechung, die die Gebühr auslöst, auf eine Einigung gerichtet sein muss, also auf beiden Seiten den Willen voraussetzt, eine Einigung zu erzielen. Weitere Voraussetzungen lassen sich aus dem Wortlaut nicht ableiten. Zudem ist fraglich, was unter einem „regulären Termin“ zu verstehen ist. Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG wird dem Grunde nach auch ausgelöst, wenn der Prozessbevollmächtigte vertretungsbereit an einem kurzen Gerichtstermin teilnimmt, ohne sich inhaltlich zum Rechtsstreit zu äußern. Daher begegnet es aus Sicht des Senats erheblichen Bedenken, an eine außergerichtliche Besprechung zur vergleichsweisen Beendigung des Verfahrens wesentlich höhere Anforderungen zu stellen. Der Gesetzgeber wollte mit der in Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 RVG VV geregelten Terminsgebühr einen Anreiz dafür schaffen, dass der Rechtsanwalt nach seiner Bestellung in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beiträgt (BGH, Beschluss vom 6. März 2014 – VII ZB 40/13, NJW-RR 2014, 958 RdNr. 12). Dem Zweck der Regelung ist es nicht dienlich, Anforderungen an Inhalt und Umfang eines außergerichtlichen Einigungsgesprächs zu stellen, die im Hinblick auf Intensität und Umfang einem Gerichtstermin entsprechen. Es erscheint dem Senat daher nicht sachgerecht, im Hinblick auf das Entstehen der Gebühr auf die Qualität der Besprechung abzustellen. Umfang und Intensität der Einigungsbemühungen können vielmehr bei der Bemessung der Gebühr berücksichtigt werden.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hält der Senat vorliegend eine Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VV RVG in Höhe von 100,00 Euro für angemessen und ausreichend. Die Gebührenanforderung des Beschwerdeführers ist auch unter Berücksichtigung der 20%igen Toleranzgrenze überhöht.
Die Schwierigkeit der Tätigkeit ist als unterdurchschnittlich zu werten. Zwar hat ausweislich der Akten ein Gespräch zur vergleichsweisen Beendigung des Verfahrens in Form eines Telefonats der Richterin mit dem Beschwerdeführer sowie dem Beklagten stattgefunden. Die Initiative für die Besprechung ging allerdings von der Richterin aus, ebenso wie der konkrete Vergleichsvorschlag. Auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist unterdurchschnittlich. Anhaltspunkte zur Dauer des Telefonats lassen sich der Akte nicht entnehmen. Auch der Beschwerdeführer hat hierzu keine Angaben gemacht. Der Vergleichsvorschlag des Gerichts sollte nach Rücksprache mit dem Kläger noch erheblich modifiziert werden, so dass vermutlich im Telefonat lediglich die Eckpunkte des Vergleichsvorschlages besprochen wurden. Der Senat geht – basierend auf einer durchschnittlichen Dauer eines sozialgerichtlichen Gerichtstermins von 30 bis 40 Minuten – nur von einem weit unterdurchschnittlichen Umfang der Besprechung aus. Denn die Besprechung umfasste nicht nur den Vergleichsvorschlag in der Eilsache, sondern betraf auch die Hauptsache, wie sich aus dem gerichtlichen Schreiben vom 27.05.2015 ergibt. Außerdem waren auch hier – wie bereits bei der Bemessung der Verfahrensgebühr – Synergieeffekte zu berücksichtigen, da Gegenstand der Besprechung sowohl das Hauptsacheverfahren als auch das hier zugrundeliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers, dem PKH bewilligt worden ist, sind ebenfalls als unterdurchschnittlich anzusehen, so dass insgesamt eine doppelte Mindestgebühr (100,00 Euro) angemessen, aber auch ausreichend erscheint, die Tätigkeit des Beschwerdeführers zu vergüten.
e) Die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung für das Verfahren Az.: S 16 AL 68/15 ist daher wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 200,00 Euro Terminsgebühr Vorb. 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 iVm Nr. 3106 VV RVG 100,00 Euro
Einigungsgebühr Nr. 1000, 1006 VV RVG 200,00 Euro
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 98,80 Euro
Gesamtbetrag 618,80 Euro
Einer Entscheidung über die Kosten bedarf es nicht, weil das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben