Arbeitsrecht

Mutterschutzlohn wegen Stillzeit über 12-Monatsgrenze hinaus

Aktenzeichen  S 7 KR 303/20

Datum:
4.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21501
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
MuSchG § 7 Abs. 2, § 11, § 12, § 13 Abs. 1 Nr. 13, § 18
GewO § 106 S. 1
AAG § 1 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Auch für eine über die gesetzliche 12-Monatsfrist hinaus erweiterte Stillzeit besteht in Fällen gefährdungsbedingter Beschäftigungsverbote Anspruch auf Mutterschutzlohn.(Rn. 48 – 57) (redaktioneller Leitsatz)
2. Besteht zB wegen der Praxisgröße (hier: 2-Mann-Zahnarztpraxis) keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit, muss der Arbeitgeber auch in dieser Zeit Mutterschutzlohn zahlen, welchen die Krankenkassen nach dem AAG zu erstatten haben.  (Rn. 38 – 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 29.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.03.2020 verurteilt, der Klägerin den für die Beschäftigte Dr. S.D. in der Zeit vom 01.07.2019 bis 31.08.2019 geleisteten Mutterschutzlohn in Höhe von 13.200 € zu erstatten.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung des an ihre Beschäftigte Dr. S.D. gezahlten Mutterschutzlohns gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 AAG zu.
Diese durfte aufgrund der fortdauernden Stillzeit von der Klägerin nicht mit den Aufgaben einer Zahnärztin betraut werden. Die Klägerin hatte gegenüber Frau Dr. D. ein Beschäftigungsverbot auch über das 1. Lebensjahr von deren Kindern hinaus auszusprechen.
Frau Dr. D. hatte gegenüber der Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Mutterschutzlohn.
Eine Frau, die wegen eines Beschäftigungsverbots außerhalb der Schutzfristen vor oder nach der Entbindung teilweise oder gar nicht beschäftigt werden darf, erhält von ihrem Arbeitgeber Mutterschutzlohn. Als Mutterschutzlohn wird das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft gezahlt (§ 18 S. 1 u. 2 MuSchG).
Unter Berücksichtigung der in § 13 MuSchG festgelegten Rangfolge der Schutzmaßnahmen, war eine Beschäftigung von Frau Dr. D. nicht möglich. § 13 Abs. 1 MuSchG sieht folgende Vorgehensweise vor:
Werden unverantwortbare Gefährdungen im Sinne von § 9, § 11 oder § 12 festgestellt, hat der Arbeitgeber für jede Tätigkeit einer schwangeren oder stillenden Frau Schutzmaßnahmen in folgender Rangfolge zu treffen:
1. Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen für die schwangere oder stillende Frau durch Schutzmaßnahmen nach Maßgabe des § 9 Absatz 2 umzugestalten.
2. Kann der Arbeitgeber unverantwortbare Gefährdungen für die schwangere oder stillende Frau nicht durch die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen nach Nummer 1 ausschließen oder ist eine Umgestaltung wegen des nachweislich unverhältnismäßigen Aufwandes nicht zumutbar, hat der Arbeitgeber die Frau an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz einzusetzen, wenn er einen solchen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen kann und dieser Arbeitsplatz der schwangeren oder stillenden Frau zumutbar ist.
3. Kann der Arbeitgeber unverantwortbare Gefährdungen für die schwangere oder stillende Frau weder durch Schutzmaßnahmen nach Nummer 1 noch durch einen Arbeitsplatzwechsel nach Nummer 2 ausschließen, darf er die schwangere oder stillende Frau nicht weiter beschäftigen.
Unzweifelhaft bestanden am Arbeitsplatz der Angestellten unverantwortbare Gefährdungen für die Stillende bzw. die gestillten Kinder. Neben dem eigenen Vortrag der Klägerin ergibt sich dies auch aus der „Gefährdungsbeurteilung gemäß Mutterschutzgesetz und Beschäftigungsverbot für schwangere angestellte Frauen in der Zahnarztpraxis“, herausgegeben durch die Bundeszahnärztekammer (abrufbar unter www.bzaek.de/PdFs/Praxis_Schwangerschaft). In dieser wird ausgeführt, dass nach dem Maßstab der praktischen Vernunft in der ZA-Praxis für bestimmte Tätigkeiten auch mit entsprechenden Schutzmaßnahmen nicht davon ausgegangen werden könne, dass eine unverantwortbare Gefährdung für Infektion mit schwerwiegenden Krankheiten ausgeschlossen werden könne. Es bleibe vielmehr bei einem nicht zu vernachlässigenden Restrisiko. Dies ist für die Kammer aufgrund des Umgangs mit Biostoffen (Mikroorganismen), Gefahrstoffen sowie ionisierender Strahlung plausibel.
Eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG war der Klägerin nicht möglich, da letztlich der gesamte Tätigkeitsumfang der Angestellten betroffen ist. Auch durch Schutzvorkehrungen wie Handschuhe, Mundschutz und Brille bliebe die Gefährdung bestehen.
Weiterhin ist die Kammer auch zu der Überzeugung gelangt, dass für Frau Dr. D. kein geeigneter alternativer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden konnte. Seitens der Beklagten wurde hier vorgeschlagen, dass sich vielfältige Beschäftigungsalternativen ergäben, auch für ausgebildete Zahnärzte, die durch diese übernommen werden könnten. Sei es die Mitkoordinierung der Termine, das Abrechnungsmangagement, die Aufklärung der Patienten vor verschiedenen medizinischen Eingriffen oder Ähnliches. Teilweise unterfallen diese Tätigkeiten bereits nicht dem arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeitsprofil einer Zahnärztin, sondern dem einer zahnmedizinischen Fachangestellten. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers wäre dann überschritten, wenn der Angestellten Tätigkeiten zugewiesen würden, für die sie erheblich überqualifiziert wäre. Eine solche Vorgehensweise würde Mobbing- bzw. Diskriminierungsvorwürfe praktisch provozieren. An dieser Stelle ist auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 2 MuSchG hinzuweisen. Hier wird ausdrücklich betont, dass das Gesetz Benachteiligung u.a. während der Stillzeit entgegenwirken solle. Die faktische Beschäftigung einer approbierten Ärztin als Zahnarzthelferin würde jedoch eine gravierende Benachteiligung darstellen.
Darüber hinaus sieht die Kammer hier, dass die Klägerin hier keine große Praxis oder gar Zahnklinik betreibt, in der die weiteren von der Beklagten genannten Tätigkeiten in umfangreicher Zahl anfallen würden. Neben den beiden Praxisinhabern ist in der Praxis tatsächlich nur noch ein weiterer angestellter Zahnarzt tätig, so dass es der Lebensrealität entspricht, dass der Großteil der Arbeit „am Stuhl“ zu verrichten ist, reine Aufklärungsgespräche – wenn überhaupt – nur vereinzelt stattfinden und das Abrechnungsmanagement von den Praxisinhabern als nachgelagerte Tätigkeit miterledigt wird, ohne dass hier auch nur annährend der Bedarf für die arbeitsvertraglich festgelegte Stundenzahl entsteht. Die Klägerin kann auch nicht dazu gezwungen werden, eine unwirtschaftliche Stelle für ihre Angestellte zu schaffen, ohne dass dieser ein entsprechender Arbeitsbedarf gegenübersteht.
Im Ergebnis führt dies dazu, dass die Klägerin nicht nur berechtigt, sondern auch dazu verpflichtet war, gegenüber Frau Dr. D. aufgrund der fortgesetzten Stillzeit ein Beschäftigungsverbot auszusprechen.
Aus dem Beschäftigungsverbot folgt – wie oben dargestellt – die Verpflichtung zur Zahlung von Mutterschutzlohn.
Dieser Anspruch ist auch nicht auf die ersten 12 Monate nach der Geburt der Kinder begrenzt.
In § 18 MuSchG ist eine derartige Befristung nicht enthalten. Darüber hinaus scheidet eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 2 MuSchG aus. Die Kammer ist davon überzeugt, dass weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage anzunehmen ist.
a) Eine Regelungslücke ist planwidrig, wenn anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber bei der Regelung eines Komplexes schlicht übersehen hat, eine Regelung zu treffen. Dies ist vorliegend nicht anzunehmen. Vielmehr hat der Gesetzgeber zwar den einen Fall (§ 7 Abs. 2 MuSchG) geregelt, eine entsprechende Limitierung im anderen Fall (§ 18 MuSchG) nicht vorgenommen. Dass dies ein bewusster Akt war, zeigt beispielsweise der „Leitfaden zum Mutterschutz“, am 12.01.2018 veröffentlicht durch das BMFSFJ selbst. Dort heißt es:
„Wichtiger Hinweis
Der Anspruch auf Freistellung während der Stillzeit ist auf 12 Monate nach der Geburt des Kindes begrenzt. Diese zeitliche Regelung gilt nicht für den Gesundheitsschutz. Ihr Arbeitgeber muss über die gesamte Stillzeit sicherstellen, dass Gesundheitsgefährdungen für Sie und Ihr Kind ausgeschlossen sind.“
Bereits an dieser Stelle wird zum Ausdruck gebracht, dass zwischen dem Anspruch auf Freistellung für Stillzeiten und dem Gesundheitsschutz zu differenzieren ist. Der Gesetzgeber hat zwar gesehen, dass eine zeitliche Limitierung von Stillzeiten in Betracht kommt, jedoch eine solche nur im Falle der Freistellung von der Arbeit vorgenommen. Dies lässt eher vermuten, dass die fehlende Regelung in § 18 MuSchG nicht planwidrig vorgenommen wurde, sondern vielmehr gerade dem Willen des Gesetzgebers entspricht.
b) Dies ergibt sich eben gerade daraus, dass auch keine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Es wird angenommen, dass die Interessenlage vergleichbar ist, wenn sich beide Sachverhalte in allen wesentlichen Merkmalen gleichen. Dies ist eine Wertentscheidung. In den Worten des Bundesgerichtshofs (BGH): „Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen.“ (BGH, Urteil vom 04.12.2014 – III ZR 61/14 – Rn. 9 = NJW 2015, 1176)
Das eine solche Vergleichbarkeit nicht besteht, ergibt sich aus folgender Überlegung: Im Fall des § 7 Abs. 2 MuSchG steht ein für die Arbeitnehmerin geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung. Sie selbst ist an der Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten gehindert, weil sie während ihrer Arbeitszeit einer anderen Tätigkeit (nämlich dem Stillen ihres Kindes) nachgeht. Die Arbeitnehmerin könnte aber ihre Arbeit unproblematisch verrichten, sie kann jedoch von ihrem Arbeitgeber verlangen, dies im in § 7 Abs. 2 geregelten zeitlichen Umfang nicht tun zu müssen.
§ 13 MuSchG betrifft einen völlig anderen Sachverhalt. Hier könnte die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber ihre volle Arbeitskraft zur Verfügung stellen, einen direkten Einfluss auf die Arbeit im Sinne einer Verhinderung hat das Stillen nicht. Aufgrund einer gesetzgeberischen Wertungsentscheidung, auf die weder die Arbeitnehmerin noch der Arbeitgeber Einfluss haben, darf sie die Tätigkeit jedoch nicht ausüben, sobald eine Gefährdungslage besteht.
Die Begrenzung der Stillzeit auf 12 Monate, wie in § 7 MuSchG formuliert, geht eben von Freistellung von der Arbeit aus: Nach einem Jahr wird das Kind vielleicht nur noch morgens und abends gestillt. Das lässt sich dann mit einem normalen Arbeitsplatz gut vereinbaren, Stillpausen am Arbeitsplatz sind in der Regel nicht mehr notwendig. Es ist jedoch von der Natur aus nicht vorgesehen, dass mit Beginn des 13. Lebensmonats Kinder gar nicht mehr gestillt werden. Und das sieht auch der Gesetzgeber so: Er hat die höchste zulässige Stillzeit keineswegs generell auf die ersten 12 Monate nach der Entbindung begrenzt. Bei einem Beschäftigungsverbot liegen aber am Arbeitsplatz Gefährdungsrisiken vor, die eine Beschäftigung der werdenden oder stillenden Mutter verbieten. Stillt sie länger als ein Jahr, und sei es nur morgens oder abends, ändert sich daran nichts.
Die Kammer sieht zwar eine theoretische Möglichkeit, dass durch die fehlende zeitliche Limitierung „Fehlanreize“ geschaffen werden könnten („Mutterschutzlohn statt Elternzeit“). Ob es sich hier um einen solchen Fall handelt, ist jedoch letztlich unerheblich, die Möglichkeit ist systemimmanent.
Es stellt nämlich keinen Rechtsmissbrauch der Angestellten dar, wenn sie ihre Recht auf Mutterschaftslohn aus § 18 MuSchG. in Anspruch nimmt. Beispielsweise entspricht es der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, zu Artikel 2 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG, dass ein Verhalten legitim ist, das ausschließlich darauf gerichtet ist, durch die vorzeitige Rückkehr an den Arbeitsplatz aus dem Erziehungsurlaub das wegen eines Beschäftigungsverbotes zu zahlende Mutterschaftsgeld und den vom Arbeitgeber zu zahlenden Zuschuss zu erhalten (EUGH 27. Februar 2003 – C-320/01 – juris „Busch“). Nach der Entscheidung des EUGH vom 20. September 2007 (- C-116/06 -, juris „Kiiski“) stehen Artikel 2 Richtlinie 76/2007 und die Artikel 8 und 11 der Richtlinie 92/85 nationalen Vorschriften über den Erziehungsurlaub entgegen, die es der betreffenden Frau nicht gestatten, auf Antrag eine Änderung des Zeitraums ihres Erziehungsurlaubes in dem Moment zu erwirken, in dem sie ihre Ansprüche auf Mutterschutzurlaub geltend macht und ihr so mit dem Mutterschaftsurlaub verbundene Rechte nehmen. Das betraf § 16 Abs. 3 Satz 3 BEEG in der bis zum 18. September 2012 geltenden Fassung. § 16 Abs. 3 Satz 3 BEEG n.F. stellt nun klar, dass die schwangere Arbeitnehmerin die Elternzeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig beenden kann, um die Mutterschutzfristen und damit u.a. den Arbeitgeberzuschuss nach dem MuSchG in Anspruch nehmen zu können.
In gleicher Weise ist es legitim, dass die Arbeitnehmerin ihr Kind stillt und ein Beschäftigungsverbot in vollem Umfang „in Anspruch nimmt“.
Der dem Vortrag der Beklagten innewohnende Vorhalt, die Versicherte berufe sich rechtsmissbräuchlich auf ihre Rechte aus § 13 Abs. 1 Nr. 3, § 18 Abs. 1 MuSchG statt einen Antrag auf Elternzeit zu stellen, ist deshalb unzutreffend.
Dies würde zu einer Pflicht (!) der stillenden Mutter führen, unabhängig von ihrer höchst privaten, intrafamiliären Planung, Elternzeit in Anspruch zu nehmen und sie würde aus Gründen des Gesundheitsschutzes aus dem Erwerbsleben gedrängt. An dieser Stelle ist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinzuweisen: „Sie (Anmerkung: im Falle der zitierten Entscheidung die Ungleichbehandlung von Alleinverdiener- und Doppelverdienerehe) ist im Gegenteil geeignet, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit die Hausfrauenehe zu begünstigen. Dem steht Art. 3 II GG entgegen, der eine Festschreibung überkommener Rollenverteilungen zum Nachteil von Frauen verbietet (vgl. BVerfGE 85, 191 (207) = NJW 1992, 964; BVerfG, NJW 1992, 2213 (2215) = EuGRZ 1992, 308 (319)). Außerdem muss der Gesetzgeber, wenn er dem Gebot des Art. 6 I GG gerecht werden will, Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (vgl. BVerfGE 66, 84 (94) = NJW 1984, 1523).” (NJW 1993, 643, BAYERN.RECHT)
Mit der einem Abdrängen der Frau in die Elternzeit würde jedoch genau dieser Eingriff in die freie Entscheidung der Eltern erfolgen. Ob und in welcher Form Eltern die Elternzeit in Anspruch nehmen und wie die Sicherung des Haushaltseinkommens erfolgen soll, muss jedoch diesen selbst überlassen werden. Sofern also der Gesetzgeber es einer Arbeitnehmerin aus Gründen des Gesundheitsschutzes vorgibt, der Tätigkeit nicht nachzugehen, die diese eigentlich ausüben kann und möchte, so sieht die Kammer kein Problem darin, dass dann auch die Solidargemeinschaft für die dann entstehenden Gehaltsforderungen in Anspruch genommen werden darf. Davon abweichende Regelungen wären in einem – diskriminierungsfreien – Regelungsgefüge durch den Gesetzgeber festzulegen, was hier jedoch nicht erfolgt ist.
Für einen Extremfall, in dem ersichtlich die Stillzeit auf einen nicht mehr den gesellschaftlichen Gepflogenheiten entsprechenden Zeitrahmen ausgedehnt wird, sind hier keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.
Im Ergebnis wurde von der Klägerin daher zu Recht der Mutterschutzlohn an Frau Dr. D. geleistet.
Ersatz ist von der Beklagten in Höhe von 100% der Aufwendungen, im streitigen Zeitraum insgesamt 13.200 €, zu leisten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. § 197a SGG kommt nicht zur Anwendung. Leistungsempfänger iSd § 183 ist unter Berücksichtigung der einschlägigen besonderen Vorschriften auch der Arbeitgeber, der von KK Erstattung von Aufwendungen für Entgeltfortzahlung nach dem AAG (BSG 13.12.2011 – B 1 KR 3/11 R, SozR 4-7862 § 9 Nr. 2) verlangt (BSG 21.3.2007 – B 11a AL 9/06 R). (MKLS/B. Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG § 183 Rn. 6).


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