Arbeitsrecht

Ruhen von Beamtenversorgungsbezügen, Hinzutreten von Leistungen für Hinterbliebene, Hinterbliebenenversorgung der Bayerischen Landesbank mit Anrechnungsregelung, Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Maßgeblichkeit des Anspruchs, nicht des Zahlbetrags für die Ruhensberechnung

Aktenzeichen  3 ZB 21.680

Datum:
22.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 9264
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 84 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 12 K 20.2018 2020-10-01 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 17.922,96 Euro
festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin, die seit 1. April 2019 Versorgungsbezüge als Ruhestandsbeamtin erhält, wendet sich mit ihrer Klage gegen das mit Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 11. Februar 2020 angeordnete teilweise Ruhen ihrer Bezüge ab 1. Oktober 2019.
Ab diesem Zeitpunkt steht ihr – nach dem Versterben ihres Ehemannes am 26. September 2019 – zusätzlich Witwenversorgung von der Bayerischen Landesbank (BayernLB) in Höhe von 60% des Versorgungsbezugs des Ehemanns zu, worauf die Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (ab 1.1.2020: monatlich 497,86 Euro) angerechnet wird. Diese Witwenrente kommt allerdings nach einer Ruhensregelung der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zur Auszahlung. Die BayernLB rechnet auf die von ihr festgesetzte Witwenversorgung die Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des jeweils bestehenden Anspruchs an (vgl. § 15 Abs. 5 des Arbeitsvertrags mit Versorgungszusage v. 1.1.2000 an den Ehemann der Klägerin). Der Beklagte wiederum rechnet die von der BayernLB gezahlte Witwenrente zuzüglich des danach ruhenden Anteils an und stellt damit bei der Berechnung nach Art. 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 BayBeamtVG auf den gegen die BayernLB bestehenden Anspruch und nicht auf den tatsächlich geleisteten (niedrigeren) Versorgungsbezug ab (Bescheid des Landesamts für Finanzen v. 11.2.2020).
Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2020 zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 1. Oktober 2020 den Klageantrag, unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide bei der Ruhensberechnung der Versorgungsbezüge der Klägerin den Betrag der Hinterbliebenenversorgung der BayernLB zu berücksichtigen, der sich nach Abzug des durch die gesetzliche Rentenversicherung festgestellten Anspruchs auf Witwenrente ergibt, abgewiesen.
Der auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie ihrer grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen können. Dies ist hier vor dem Hintergrund des Zulassungsvorbringens nicht der Fall.
Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid vom 11. Februar 2020 die Versorgungsbezüge der Klägerin nach dem Versterben ihres Ehemannes rechtsfehlerfrei auf der Grundlage der Ruhensvorschrift des Art. 84 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG festgesetzt; sie ordnet an, dass die eigentlich geschuldete Leistung in bestimmter Höhe unterbleibt, ohne dass damit ein Erlöschen des ruhenden Teils verbunden ist (zum vergleichbaren § 54 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG: BVerwG, U.v. 13.11.2008 – 2 C 11.07 – juris Rn. 15 f.). Zu Recht hat der Beklagte dabei die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin, die aus der ihrem Ehegatten gegebenen Versorgungszusage folgt, unter Hinzurechnung des (ruhenden) Anspruchs auf gesetzliche Witwenrente gekürzt. Dieses Vorgehen steht nicht nur im Einklang mit dem – nicht auf den Zahlbetrag abstellenden – Wortlaut dieser Vorschrift, sondern vor allem mit seinem Regelungsziel. Es soll verhindert werden, dass innerhalb bestimmter Höchstgrenzen (Art. 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayBeamtVG) grundsätzlich zum Ruhen führende, ebenfalls aus öffentlichen Kassen (vgl. Art. 84 Abs. 1 Satz 1, Art. 83 Abs. 5 BayBeamtVG) stammende Versorgungsleistungen – hier: der BayernLB als dem beamtenversorgungsrechtlichen Witwengeld ähnliche Versorgung -, die nach dem jeweiligen Regelungssystem bei Erfüllung von bestimmten Ruhenstatbeständen nicht in voller Höhe zur Auszahlung kommen, letztlich vom Beklagten getragen werden müssten, dürfte er nicht die ruhenden Bestandteile anzurechnender Versorgungsbezüge mit in seine eigene Ruhensberechnung einbeziehen. Im vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass die vom Beklagten zu leistende Versorgung nur mangels tatsächlicher Zahlung letztlich auch die in den beiden anderen Altersversorgungssystemen ruhende Witwenrente leisten müsste. Ein solches Ergebnis ist aber weder unter rechtlichen noch unter wirtschaftlichen Aspekten vertretbar.
Das angefochtene Urteil ist auch nicht mit einer „faktischen Kürzung des Anspruchs der Klägerin dem Grunde nach“ verbunden; vielmehr kann die im beamtenversorgungsrechtlichen System vorgesehene Ruhensbestimmung nur auf diese Weise konsequent umgesetzt werden; der sich aus der Berechnung der Hinterbliebenenversorgung der BayernLB ergebende Ruhensbetrag wird bei jeder Anpassung der gesetzlichen Witwenrente überprüft und ggf. neu berechnet. Wollte man der Auffassung der Klägerin folgen und den Ruhensbetrag nicht um den (seinerseits ruhenden) Anspruch auf die Witwenrente erhöhen, würde der mit Art. 84 Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayBeamtVG verfolgte Zweck verfehlt, die der Klägerin tatsächlich zukommende Versorgung, die sich aus ihrem Altersruhegeld und zwei (neu hinzugetretenen) Hinterbliebenenbezügen zusammensetzt, nicht über eine beamtenversorgungsrechtlich definierte Obergrenze hinaus zu leisten.
Dem Ehegatten der Klägerin war im Übrigen bei Einräumung der vertraglichen Hinterbliebenenversorgung durch die BayernLB – ungeachtet der Frage, ob es sich insoweit rechtlich um einen „Verzicht“ handelte – aufgrund seines Arbeitsvertrages bewusst, dass im Falle seines Versterbens auf die Versorgungsbezüge seiner Ehefrau deren Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werden würde und dies unabhängig davon, ob letztere wegen rentenversicherungsrechtlicher Ruhensvorschriften überhaupt zur Auszahlung kommt oder nicht (vgl. § 15 Abs. 5 des Arbeitsvertrages mit Versorgungszusage v. 1.1.2000). Außerdem konnte er nicht damit rechnen, dass diese Bestimmung sich nicht auf die aktuelle Versorgung der Klägerin auswirken könne, weil der bei der BayernLB ruhende Versorgungsteil in gleicher Höhe durch den der Klägerin aus eigenem Recht zustehenden Versorgungsanspruch ausgeglichen werde.
Das Zulassungsvorbringen der Klägerin zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden systematischen Begründung auf. Soweit behauptet wird, das Gesetz verwende die Begriffe „Erhalt“ und „Zahlung“ unterschiedslos, wie Art. 84 Abs. 1 BayBeamtVG zeige, trifft dies zumindest nicht den hier im Rahmen von Art. 84 Abs. 4 BayBeamtVG zu entscheidenden Sachverhalt; in der letztgenannten Norm wird sehr wohl zwischen einem (dem Grunde nach bestehenden) „Anspruch auf Witwengeld oder eine ähnliche Versorgung“ und dem (nur bis zur Höchstgrenze) „gezahlten“ Ruhegehalt unterschieden. Ob es sich um einen „tatsächlichen auszahlbaren Anspruch handelt“ oder dieser aufgrund vorrangig anzuwendender Ruhensvorschriften zu keiner tatsächlichen Auszahlung führt, spielt im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Zu Recht weist die Landesanwaltschaft auch darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 28.11.1991 – 2 C 8.90 – juris Rn. 19) zum insoweit gleichlautenden § 54 Abs. 4 BeamtVG („Anspruch auf Witwer- oder Witwengeld“) entschieden hat, dass dieser Ruhensregelung „das ungekürzte Witwengeld zugrunde zu legen“ ist, also von dem noch nicht durch Anrechnung der gesetzlichen Rente gekürzten Witwengeld auszugehen ist (Reich, BeamtVG, 2. Aufl. 2019, § 54 Rn. 20). Die Mindestbelassensregeln des § 54 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG (entsprechend Art. 84 Abs. 4 Satz 2 BayBeamtVG) verhindern andernfalls möglicherweise auftretende verfassungswidrige Auswirkungen.
Nicht weiter führt auch die Behauptung der Klägerin, die von der BayernLB vorgenommene „Minderung der Hinterbliebenenversorgung“ stelle „keine Ruhensberechnung“ dar, sondern ihr liege eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem verstorbenen Ehemann und der BayernLB zugrunde, die „faktisch“ zu einer dauerhaften Kürzung des Anspruchs der Klägerin dem Grunde nach und nicht lediglich zu einem Ruhen führe. Dem ist entgegenzuhalten, dass es im vorliegenden Verfahren gar nicht um die Rechtmäßigkeit der von der BayernLB vorgenommenen Versorgungsberechnung geht, die von der Klägerin dort beanstandet werden müsste. Ebenso wenig können ernstliche Zweifel mit der Überlegung begründet werden, dass – wäre der verstorbene Ehemann Beamter in Diensten des Beklagten gewesen – „ein Verzicht auf…Hinterbliebenenversorgung…nicht möglich“ gewesen wäre. Denn selbst wenn man § 15 Abs. 5 des Arbeitsvertrags mit Versorgungszusage als rechtlich unzulässigen „Verzicht“ ansehen wollte und die BayernLB die gesetzliche Witwenrente mangels tatsächlicher Zahlung nicht anrechnen dürfte, würde die Witwenrente im Rahmen von Art. 84 Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayBeamtVG zum Ruhen des vom Beklagten zu leistenden Versorgungsbezugs führen. Hieraus ergibt sich die gesetzliche Verpflichtung des Beklagten zur Ruhensberechnung in Abhängigkeit vom bestehenden Anspruch auf Witwenrente, und ohne Rücksicht darauf, ob sie zur Auszahlung kommt oder nicht.
2. Die Rechtssache weist auch nicht die von der Klägerin behaupteten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Bereits eine überschlägige Prüfung der Erfolgsaussicht der angestrebten Berufung lässt den Schluss auf ihre Erfolglosigkeit zu.
3. Schließlich kommt der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Die mit der Zulassungsbegründung formulierte Frage, ob die hier streitgegenständliche „Kürzung bei der Berechnung des weiterzuzahlenden Ruhegehalts außer Betracht zu bleiben hat“, kann ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens nach den unter 1. dargestellten Überlegungen ohne weiteres dahingehend beantwortet werden, dass es im Rahmen von Art. 84 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG nicht auf den konkreten Zahlbetrag, sondern auf die Höhe des bestehenden Anspruchs auf die neu hinzutretende Versorgungsleistung ankommt.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 GKG. Danach ist bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis – wie vorliegend – der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Die Klägerin begehrt die Aussetzung des Ruhens ihrer Versorgungsbezüge in Höhe von monatlich 497,86 Euro (1.1.2020). Daraus ergibt sich ein dreifacher Jahresbetrag in Höhe von 17.922,96 Euro (vgl. Beschl. des Verwaltungsgerichts v. 1.10.2020).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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