Arbeitsrecht

Streitige Höhe des Rechtsanwaltshonorars

Aktenzeichen  L 12 SF 175/17

Datum:
27.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
RVG RVG § 2 Abs. 2, Anlage 1 Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 1 Alt. 3, S. 3 Nr. 2
RVG VV Nr. 3106

 

Leitsatz

1. Eine bloße telefonische Anfrage, ob eine vergleichweise Einigung möglich sei, löst noch keine Besprechungsgebühr nach Vorb. 3 (3) VV RVG aus. (Rn. 21)
2. Der Ansatz einer Besprechungsgebühr im Rahmen eines Telefonats setzt zumindest eine Gesprächsbereitschaft der anderen Seite voraus. Der Gegner muss bereit sein, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten (Müller-Rage in Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 22. Auflage, Vorb. 3 VV RdNr. 174). (Rn. 21)

Verfahrensgang

S 21 SF 182/17 E 2017-07-06 Bes SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG München vom 6.7.2017, S 21 SF 182/17 E, wird zurückgewiesen.
II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer (Bf.) nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist allein die Entstehung einer Terminsgebühr.
Das Klageverfahren vor dem SG München (S 26 R 492/15) betraf eine Streitigkeit aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bf. wurde mit Beschluss vom 15.7.2015 dem Kläger als Rechtsanwalt beigeordnet. Das Verfahren endete durch Gerichtsbescheid vom 7.6.2016, gegen den Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt wurde (L 6 R 481/16).
Mit Schriftsatz vom 26.9.2016 beantragte der Bf., seine Vergütung für das Klageverfahren in Höhe von 714,00 € festzusetzen und setzte dabei eine Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 in Höhe von 280,00 €, eine Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) in Höhe von 300,00 € sowie die Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 € (zzgl. MwSt. Nr. 7008 VV RVG iHv 114,00 €) an. Hinsichtlich der Terminsgebühr verwies er auf ein Schreiben vom 7.3.2016 an die Beklagte.
Auf Nachfrage der Urkundsbeamtin vom 6.12.2016 teilte die Beklagte am 7.12.2016 mit, sich an die Dauer des Telefonats mit der Rechtsanwaltskanzlei nicht erinnern zu können. Als Telefonvermerk sei lediglich aufgenommen, der Rechtsanwalt habe mitgeteilt, es ginge vorliegend nicht um eine Weitergewährung, sondern Entziehung der Rente und somit darum, ob eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Dies sei seiner Meinung nach nicht der Fall und er wolle daher wegen einer vergleichsweisen Einigung anfragen. Man habe auf das anwaltliche Schreiben vom 7.3.2016 mitgeteilt, dass Schriftverkehr im laufenden Klageverfahren nur über das Sozialgericht erfolge und außerhalb des gerichtlichen Verfahrens keine Verhandlungen geführt würden. Der Bf. bestätigte mit Schreiben vom 27.12.2016 diesen Vortrag und ergänzte, die Beklagte sei telefonisch kontaktiert worden, um eine vergleichsweise Einigung zu erzielen. Die Beklagtenseite habe zugehört, jedoch nicht ad hoc reagieren können, da sie zum Zeitpunkt des Telefonats nicht alle Einzelheiten parat gehabt habe. Die genaue Dauer des Telefonats sei nicht mehr erinnerlich, es werde aber nicht über 5 Minuten hinausgegangen sein.
Mit Beschluss vom 2.3.2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Bf. zustehende Vergütung auf 380,80 € fest, ohne eine Terminsgebühr anzusetzen. Das zwischen den Beteiligten geführte kurze Telefonat von nicht mehr als 5 Minuten sei nicht geeignet, eine solche Besprechungsgebühr auszulösen, weil es qualitativ nicht mit einem regulären Gerichtstermin vergleichbar sei (Verweis auf Beschluss des LSG vom 16.12.2016, L 15 SF 63/15). Dies zeige sich schon anhand des Schriftsatzes des Bf. vom 27.12.2016, welcher geschildert habe, dass der Gesprächspartner bei der Beklagten zum Zeitpunkt des Telefonats nicht alle Einzelheiten des Falles vorliegen hatte und daher der Sachverhalt nicht geklärt werden konnte.
Am 10.4.2017 hat der Bf. wegen der Nicht-Festsetzung der Terminsgebühr Erinnerung eingelegt. Die vom Landessozialgericht aufgestellte Prämisse, dass außergerichtliche Einigungsgespräche bestimmten qualitativen Anforderungen genügen und gerichtlichen Terminen vergleichbar sein müssten, finde keine Stütze im Gesetz und laufe im Ergebnis auf eine Versagung der Terminsgebühr aus fiskalischen Gründen hinaus.
Das SG hat mit Beschluss vom 6. Juli 2017 die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen.
Gemäß der Vorbemerkung 3 (3) zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zum RVG) entstehe die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt sei. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen entstehe für
1. die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins und
2. die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.
Eine Besprechung, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sei, setze voraus, dass sich auch die andere Partei des Verfahrens auf Gespräche, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet seien, einlasse. Dies sei aus dem Vortrag des Bf. nicht ersichtlich. Die Beklagte habe sich weder bei dem kurzen, fünfminütigen Telefonat in der 9. KW 2016 auf Gespräche zu Erledigung des Verfahrens S 26 R 492/15 eingelassen noch zu einem späteren Zeitpunkt. Die bloße Anfrage des Bf. bei der Beklagten, ob für diese eine vergleichsweise Einigung denkbar sei, erfülle schon den Tatbestand einer Besprechung nicht. Dazu wäre es erforderlich, dass zwischen den Parteien zumindest ansatzweise die Bereitschaft zu einer Erledigung des Verfahrens durch Vergleich bestanden habe und Möglichkeiten eines solchen Vergleichs erörtert worden seien. Dies liege nach dem übereinstimmenden Vortrag des Bf. im Schriftsatz vom 27.12.2016 und der Beklagten im Schriftsatz vom 7.12.2016 nicht vor. Auf die vom Bf. aufgeworfene Frage, inwieweit die außergerichtliche Besprechung mit einem gerichtlichen Termin vergleichbar sein müsse komme es nicht an.
Gegen den am 11.7.2017 zugegangenen Beschluss des SG richtet sich die Beschwerde des Bf. vom 25.7.2017. Die Beschwerde wurde nicht begründet. Der Beschwerdegegner (Bg.) hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Erinnerungsverfahrens S 21 SF 182/17 E verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG.
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des RVG in ab 01.08.2013 geltenden Fassung gemäß dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.). Denn der unbedingte Auftrag i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG ist dem Bf. nach dem 31.07.2013 erteilt worden.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat zu Recht in seinem Beschluss vom 6.7.2017 die Entstehung einer Besprechungsgebühr verneint, da die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 1 Alternative 3, Satz 3 Nr. 2 VV RVG n.F. nicht erfüllt sind.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die dort genannten ausführlichen und zutreffenden Gründe vollinhaltlich Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Der Bf. hat im Beschwerdeverfahren keine Gründe vorgetragen, die zu einer anderen Entscheidung führen könnten.
Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass der Ansatz einer Besprechungsgebühr zumindest eine Gesprächsbereitschaft der anderen Seite voraussetzt. Der Gegner muss bereit sein, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 22. Auflage, Vorb. 3 VV RdNr. 174). Eine Terminsgebühr in Form der Besprechungsgebühr scheidet daher aus, wenn der Gegner sich inhaltlich schon nicht auf ein Gespräch einlässt mit der Begründung, zum Zeitpunkt des Telefonats nicht alle Einzelheiten parat zu haben. Die bloße telefonische Anfrage des Bf., ob eine vergleichsweise Einigung möglich sei, löst noch keine Besprechungsgebühr aus.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).


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