Arbeitsrecht

Tätigkeit als Hausmeister als selbständige Tätigkeit

Aktenzeichen  S 1 BA 41/18

Datum:
26.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14388
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IV § 7a, § 28p, § 28q

 

Leitsatz

1 Die Arbeit als Hausmeister für ein bestimmtes Wohnobjekt kann als selbständige Tätigkeit ausgeübt werden. Die dabei dem Auftragnehmer eingeräumte Vertretungsmacht des Eigentümers (Ausübung des Hausrechts) und konkrete Anweisungen für bestimmte Arbeiten im Dienstvertrag stehen dem nicht entgegen. (Rn. 28 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2018 wird festgestellt, dass die Klägerin seit 01.01.2013 in der Tätigkeit “Hausmeisterservice” bei der Beigeladenen keine abhängige Beschäftigung ausübt und folglich keine Versicherungspflicht zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch begründet.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Hausmeisterin für die Beigeladene nicht abhängig beschäftigt ist.
Die gegenteilige Feststellung der Beklagten, die hier streitgegenständlich ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2018 war daher festzustellen, dass die Klägerin seit 01.01.2013 in der Tätigkeit „Hausmeisterservice“ bei der Beigeladenen keine abhängige Beschäftigung ausübt und folglich keine Versicherungspflicht zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
Die Entscheidung der Kammer ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen:
1. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in eine Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 16.08.2017 – B 12 KR 14/16 R und BSG, Urteil vom 31.03.2017 – B 12 R 7/15 R, jeweils m.w.N.).
Ausgangspunkt der Prüfung ist dabei zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung bestehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der formellen Vereinbarung vor. In diesem Sinne gilt: Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 28.09.2011, B 12 R 17/09 R). Kann eine Tätigkeit sowohl aufgrund einer Beschäftigung als auch selbständig erbracht werden, kommt den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer/Auftragnehmer und Arbeitgeber/Auftraggeber zwar keine allein ausschlaggebende, doch eine gewichtige Rolle zu (BSG, Urteil vom 14.03.2018, B 12 R 3/17 R, Leitsatz 1).
2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend nach Auffassung der Kammer eindeutig von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.
Hierfür sprechen im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte:
* Die Beteiligten haben entsprechende vertragliche Vereinbarungen geschlossen
* Die Klägerin hat keine festen Arbeitszeiten und unterliegt auch keiner Zeiterfassung. Zwar sind für bestimmte Tätigkeiten (z.B. Prüfung der Brandmelder etc.) Kontrollintervalle vorgesehen. Auch insoweit bestimmt jedoch die Klägerin, wann sie konkret tätig wird.
Dass Tätigkeiten wie Rasenmähen oder Schneeräumen nach Erfordernis (und nicht auf Weisung) zu erledigen sind, dürfte unstreitig sein.
* Die Klägerin ist nicht zur persönlichen Leistungserbringung (die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis ist) verpflichtet, sondern kann sich bei der Auftragserledigung auch vertreten lassen.
* Die Klägerin erhält keine zeitabhängige Vergütung, sondern eine monatliche
Pauschalvergütung. Im Gegensatz zur Einschätzung durch die Beklagte handelt es sich insoweit nach Auffassung der Kammer um ein Indiz, das für eine selbständige Tätigkeit spricht, da die zeitliche Beanspruchung eines Hausmeisters, zu dessen Aufgaben das Rasenmähen, die Pflege der Grünanlagen und der Winterdienst gehören, jahreszeitlich bedingt zwangsläufig großen Schwankungen unterliegt, die Vergütung jedoch gleich bleibt.
* Bei Verhinderung oder Ausfall ihrer Arbeitskraft hat die Klägerin selbst und auf eigene Kosten für Vertretung zu sorgen.
* Die Klägerin hat auch ein wesentliches unternehmerisches Risiko: Sie verwendet ihre eigenen Arbeitsmittel (Rasentraktor, Rasentrimmer, Motorsäge, PKW-Anhänger, Gerätschaften für Baumpflege, Laubbläser, Kleinwerkzeug etc.) und ist – wie sich aus den vorgelegten Rechnungen ergibt – regelmäßig mit nicht unerheblichen Kosten für deren Instandhaltung und Reparatur belastet.
3. Wesentliche Merkmale für eine abhängige Beschäftigung vermag die Kammer nicht zu erkennen. Aus dem Umstand, dass in der Arbeitsanweisung detailliert die Arbeiten aufgeführt sind, die vom Hausmeister zu erledigen sind, kann keine Weisungsgebundenheit abgeleitet werden, dies schon deswegen, weil die überwiegende Anzahl der Arbeiten nicht nach strikten zeitlichen Vorgaben, sondern nach Erfordernis zu erledigen ist (in diesem Sinne auch die ursprüngliche Entscheidungsvorlage des Sachbearbeiters für den Widerspruchsausschuss vom 13.03.2018). Auch bei einem selbständigen Auftragsverhältnis ist es häufig notwendig, die Pflichten des Auftragnehmers eingehend in allen Einzelheiten zu definieren (Beispiel: Vertrag über Gebäudereinigung); mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis kann dies nicht gleichgestellt werden.
4. Im Ergebnis bleibt festzuhalten:
Trotz der ihr vertraglich auferlegten Pflichten kann die Klägerin im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und ihre Arbeitszeit bestimmen (vgl. § 84 Abs. 1 HGB). Ihre Tätigkeit als Hausmeisterin für die Beigeladene ist als „selbständig“ zu qualifizieren und löst keine Versicherungspflicht in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung aus.
5. Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten (vgl. § 193 Abs. 4 SGG).


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