Arbeitsrecht

Verfall von Urlaubsansprüchen

Aktenzeichen  7 Sa 404/17

Datum:
28.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 145149
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BUrlG § 7 Abs. 3
TzBfG § 17
BGB § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1, § 275 Abs. 1, Abs. 4, § 280 Abs. 1, § 283 S. 1, § 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 287 S. 2
GRCh Art. 31 Abs. 2
RL 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1

 

Leitsatz

Der Kläger hat sich in einem vorangegangenen Rechtsstreit erfolgreich auf die Unwirksamkeit einer Befristung zum 31.12.2012 berufen und nach der dazu ergangenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Juni 2016 für die Kalenderjahre 2013 bis 2016 Urlaubsansprüche geltend gemacht. Die Ansprüche für die Jahre 2013 bis 2015 waren verfallen. Es bestand keine Veranlassung von der bisherigen Rechtsprechung des BAG abzuweichen, wonach die Erhebung einer Kündigungsschutzklage – hier entsprechend bei einer Entfristungsklage – nicht gleichzeitig eine Geltendmachung von Urlaubsansprüchen darstellt. Die Revision wurde zugelassen, da das BAG jedenfalls in seiner Entscheidung vom 13.12. 2011 – 9 AZR 420/10 – eine Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung andeutet und zudem auch ein Vorabentscheidungsersuchen des BAG zum EuGH vorliegt, ob § 7 Abs. 3 BUrlG im Zusammenhang mit dem Verfall von Urlaubsansprüchen im Einklang mit der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtscharta der EU steht. (Rn. 23 – 26)

Verfahrensgang

3 Ca 13395/16 2017-05-30 Urt ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.05.2017 – 3 Ca 13395/16 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Klage abgewiesen.
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Feststellungsklage aber zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, dass ihm gegen die Beklagte ein aus den Jahren 2013 bis einschließlich 2015 resultierender Urlaubsanspruch zusteht (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Feststellungsklage ist nicht wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig, zumal eine Leistungsklage nur als Klage auf Abgabe einer Willenserklärung iSv. § 894 ZPO möglich wäre (BAG,14.02.2017 – 9 AZR 386/16; grdl. 12.04. 2011 – 9 AZR 80/10).
2. Soweit sich der Kläger zur Begründung seiner Ansprüche auf die Entscheidungen des Landesarbeitsgericht München und des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass diesen ein anderer Sachverhalt zugrunde liegt als dem streitgegenständlichen.
a) In den vom Kläger herangezogenen Entscheidungen ging es um Arbeitsverhältnisse, in denen während des Laufs der Kündigungsfrist bzw. im noch bestehenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche mangels Beantragung von Urlaub durch den Arbeitnehmer verfallen sind. Vorliegend geht es aber darum, ob nach dem Ablauf einer vermeintlich wirksamen Befristungsabrede Urlaubsansprüche mangels Geltendmachung verfallen. Wegen dieser unterschiedlichen Sachverhalte besteht keine Veranlassung, die Rechtsgedanken aus den vom Kläger zitierten Verfahren zu seinen Gunsten heranzuziehen.
b) Dies gilt auch im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts eingereicht am 27. Dezember 2016 – M. gegen T. im Verfahren 9 AZR 541/15 (A) zu der Frage, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) einer nationalen Regelung wie der in § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) entgegensteht, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen. Denn auch in diesem Vorabentscheidungsersuchen geht es nicht um Urlaubsansprüche, die erst nach einem vermeintlichen Ende das Arbeitsverhältnisses entstanden sind, da sich im nachhinein eine Befristung als unwirksam erwiesen hat.
c) Zudem hat der Gerichtshof der Europäischen Union mehrfach betont, Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie stehe einer nationalen Regelung nicht entgegen, die den Verlust des Urlaubsanspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums bestimmt, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Urlaub zu nehmen (EuGH 22.11.2011 – C-214/10 – [KHS]; 20.01. 2009 – C-350/06 und C-520/06 -[Schultz-Hoff]). Deshalb kann der Urlaub in den folgenden Urlaubsjahren verfallen, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig genommen hat und er nicht an der Urlaubsnahme wegen Arbeitsunfähigkeit gehindert war (BAG, 12.04.2011 – 9 AZR 80; zum Ganzen BAG, 13.12.2011 – 9 AZR 420/10).
3. Nach § 7 Abs. 3 S. 1 BurlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Vorschrift bindet den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr soweit keine abweichenden arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen, was vorliegend nicht der Fall ist, bestehen.
a) Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.12.2011 – 9 AZR 420/10 nochmals bestätigt, dass die Erhebung einer Kündigungsschutzklage regelmäßig nicht die Geltend-machung von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers zum Inhalt hat. Gleiches muss für den Fall einer wie hier vorliegenden Entfristungsklage nach § 17 TzBfG gelten. Die Beklagte musste vor dem Hintergrund dieser ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Entfristungsklage ebenso wenig wie bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht zugleich auch die Aufforderung zur Urlaubsgewährung sehen. Eine Mahnung war auch nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Der Kläger konnte es nicht als ernsthafte und endgültige Weigerung des Beklagten ansehen, ihre Urlaubsansprüche zu erfüllen, als die Beklagte sich ihm gegenüber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berufung auf eine Befristung auf Grundlage eines gerichtlichen Vergleich berufen hat. An die Annahme, der Schuldner verweigere ernsthaft und endgültig die Erfüllung einer ihm obliegenden Leistung, sind strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Es müssen deshalb Umstände vorliegen, die es ausgeschlossen erscheinen lassen, dass er sich von einer Fristsetzung hätte umstimmen lassen (BAG, 13.12.2011 – 9 AZR 420/10 mit Verweis auf BGH, 13. 07. 2011 – VIII ZR 215/10). Das ist regelmäßig nur anzunehmen, wenn er sich beharrlich weigert, die Leistung zu erbringen. Denn nur in diesem Fall entbehrt eine Mahnung ihres Sinnes, den Schuldner zu vertragsgerechtem Verhalten anzuhalten. Und der Arbeitgeber ist jedenfalls rechtlich nicht gehindert einem Arbeitnehmer in einem unwirksam gekündigten und deshalb fortbestehenden Arbeitsverhältnis Urlaub zu gewähren (BAG, 10.02.2105 – 9 AZR 455/13; 13.12.2011 – 9 AZR 420/10. In diesem Zusammenhang gibt es auch keinen triftigen Grund dies bei einer unwirksamen Befristung und deshalb fortbestehenden Arbeitsverhältnis anders zu sehen.
b) Das Bundesarbeitsgericht vertritt jedenfalls bislang die Auffassung, weder einer ordentlichen noch einer außerordentlichen Kündigungserklärung könne ohne Weiteres der Inhalt beigemessen werden, der Arbeitgeber werde, wenn der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend mache, die für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nötige Freistellung von der Arbeitspflicht verweigern. Denn der Arbeitgeber habe ein wirtschaftliches Interesse daran, einem Arbeitnehmer auf dessen Wunsch Urlaub zu erteilen, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (siehe zum Ganzen BAG, 13.12.2011 – 9 AZR 420/10). In der zitierten Entscheidung hat es das Bundesarbeitsgericht auch ausdrücklich offen gelassen, ob es an dieser überkommenen Rechtsprechung für die Zukunft festhalten wird, jedenfalls hat es sie aber auch nicht aufgegeben mit der Folge, dass es nicht zwingend ist, von ihr abzuweichen.
c) Der geltend gemachte Anspruch besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes (Abgeltung von Ersatzurlaub). Die tatbestandlichen Voraussetzungen, an die die § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB eine Entschädigungspflicht des Beklagten knüpfen, liegen nicht vor. Ist der Anspruch auf Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, weil die Leistung unmöglich ist, bestimmen sich die Rechte des Gläubigers gemäß § 275 Abs. 4 BGB ua. nach den §§ 280, 283 BGB. § 283 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Gläubiger in diesen Fällen unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Gläubiger Ersatz des Schadens verlangen, der dadurch entsteht, dass der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Ungeachtet dessen, dass § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB die Haftung des Schuldners an ein Verschulden knüpft, bestimmt
b) § 287 Satz 2 BGB, dass der Schuldner, der sich im Verzug mit der Leistung befindet, auch für Zufall einzustehen hat, es sei denn, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre. Der Schuldner befindet sich mit der geschuldeten Leistung in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Mahnung bedarf es nicht, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB) (siehe zum Ganzen BAG 13.12.2011 – 9 AZR 420/10. Ein Ersatzurlaubsanspruch des Klägers für den verfallenen Urlaub war aber nicht entstanden, weil sich die Beklagte zu dem Zeitpunkt, da der Urlaubsanspruch des Klägers infolge seiner gesetzlichen Befristung nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfiel, nicht mit der Urlaubsgewährung im Verzug befand. Der Kläger hat erstmals mit Schreiben vom 20.07.2016 Urlaubsansprüche geltend gemacht und zu diesem Zeitpunkt waren die Urlaubsansprüche mit Ausnahme für das Kalenderjahr 2016, die aber nicht Streitgegenstand sind, bereits verfallen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO, wonach der Kläger die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.
IV.
Gegen dieses Urteil wird gem. § 72 Abs. 2 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Im Einzelnen gilt:


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