Arbeitsrecht

Verfassungsbeschwerde gegen die gemeindliche Einziehung eines öffentlichen Feldwegs

Aktenzeichen  Vf. 87-VI-14

Datum:
16.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2017, 63
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 163
VfGHG Art. 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Wegen des Gebots der Rechtswegerschöpfung (Art. 51 Abs. 2 S. 1 VfGHG) ist es nicht möglich, sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Ausgangsentscheidung einer Behörde zu wenden, ohne zugleich auch die sie sachlich bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen anzugreifen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Durch den Inhalt der Beschwerdeschrift muss der Verfassungsgerichtshof in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfassungsverstoß nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zumindest möglich erscheint (Fortführung von BayVerfGH BeckRS 2014, 49976). (redaktioneller Leitsatz)
3 Beruht die angegriffene Entscheidung auf Bundesrecht, so muss der Beschwerdeführer substanziiert darlegen, dass die Entscheidung willkürlich ist und daher gegen Art. 118 Abs. 1 BV verstößt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

8 ZB 13.1119 2013-07-08 Bes VGHMUENCHEN VG München

Gründe

Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs
Vf. 87-VI-14
vom 16. März 2016
Stichwort:
Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen die gemeindliche Einziehung eines öffentlichen Feldwegs und den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, durch den der Antrag des Beschwerdeführers, die Berufung gegen das die Einziehung bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, abgelehnt wurde.

erlässt in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
des Herrn S. B. in M.,
gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Juli 2014 Az. 8 ZB 13.1119
Bevollmächtigte: Rechtsanwälte J. & K. in N.,
durch die Richterinnen und Richter Küspert, Lorbacher, Dhom, Koch, Prof. Dr. Buchner, Lauckner, Dr. Weiß M., Gloser, Brey ohne mündliche Verhandlung in der nichtöffentlichen Sitzung vom 16. März 2016 folgende Entscheidung:
1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Dem Beschwerdeführer wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.
Gründe:
I. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Verfügung der Gemeinde Mettenheim vom 13. Juli 2012, mit der diese einen öffentlichen Feldweg einzog, sowie gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Juli 2014 Az. 8 ZB 13.1119, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers abgelehnt wurde, die Berufung gegen das seine Klage abweisende Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München zuzulassen.
1. Die Gemeinde Mettenheim zog einen im Gebiet eines Flurbereinigungsplans gelegenen Feldweg mangels Verkehrsbedeutung gegen den Willen des Beschwerdeführers ein, der darauf hinwies, diesen Weg zur Bewirtschaftung seiner angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen zu benötigen.
2. Das Verwaltungsgericht München wies die Klage des Beschwerdeführers mit Urteil vom 16. April 2013 ab, weil dem Beschwerdeführer die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehle. Den Antrag des Beschwerdeführers, die Berufung zuzulassen, lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Juli 2014 ab, weil keine Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO vorlägen. Der Beschluss wurde den Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 17. Juli 2014 zugestellt.
II. 1. Mit Schriftsatz vom 17. September 2014, beim Verfassungsgerichtshof am selben Tag eingegangen, hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde mit folgenden Anträgen erhoben:
I.
Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Juli 2014 […] wird aufgehoben.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München […] vom 16. April 2013 wird zugelassen.
III.
Die Einziehungsverfügung der Beteiligten […] wird aufgehoben.
Zur Begründung, die er mit Schriftsätzen vom 24. Oktober 2014 und vom 24. April 2015 ergänzte, wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass die Einziehung des Wegs, dessen Benutzung zur Bewirtschaftung seiner Flächen erforderlich sei, gegen Art. 163 BV verstoße. Da der Weg durch einen Flurbereinigungsplan festgesetzt worden sei, bedürfe dessen Einziehung einer Änderungssatzung nach dem Flurbereinigungsgesetz. Die Entscheidung der Gemeinde sei willkürlich. Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof hätten seine Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen. Als Rechtsnachfolger eines der Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren sei er klagebefugt.
2. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und im Übrigen auch für unbegründet.
III. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Fraglich ist zunächst, ob mit der Verfassungsbeschwerde neben dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Juli 2014 auch die Einziehungsverfügung der Gemeinde Mettenheim vom 13. Juli 2012 förmlich angegriffen werden soll. Dafür spricht zwar der auf eine Aufhebung dieser Verfügung gerichtete Antrag zu Nr. III. Andererseits zeigt Nr. II der Anträge, dass die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. April 2013 das Ziel des Angriffs gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs (Nr. I der Anträge) ist. Dies wäre nicht erforderlich, wenn die Verfassungsbeschwerde unmittelbar auf die Aufhebung der gemeindlichen Verfügung gerichtet wäre. Diese Frage kann jedoch dahinstehen, da eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die Einziehungsverfügung unzulässig ist.
Will sich ein Beschwerdeführer gegen das inhaltliche Ergebnis des fachgerichtlichen Ausgangsverfahrens wenden, ist jedenfalls diejenige im Instanzenzug letzte Entscheidung anzugreifen, die eine umfassende materielle Prüfung vornimmt und damit die vom Beschwerdeführer beanstandete Beschwer enthält (VerfGH vom 9.2.2015 BayVBl 2015, 779 Rn. 55; vom 19.2.2015 BayVBl 2015, 410 Rn. 15; vom 27.1.2016 – Vf. 106-VI-14 – juris Rn. 21; vom 1.2.2016 – Vf. 75-VI-14 – juris Rn. 20). Das wäre hier, da der Verwaltungsgerichtshof nur noch mit der Zulassungsfähigkeit des Rechtsmittels der Berufung befasst war, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. April 2013. Dieses hat der Beschwerdeführer jedoch nicht angefochten, was sich daraus ergibt, dass er mit der Verfassungsbeschwerde lediglich die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil erstrebt (Antrag zu Nr. II). Wegen des Gebots der Rechtswegerschöpfung (Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG) ist es aber nicht möglich, sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Ausgangsentscheidung einer Behörde zu wenden, ohne zugleich auch die sie sachlich bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen anzugreifen (vgl. Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 120 Rn. 22).
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Juli 2014 gerichtet ist, ist sie ebenfalls unzulässig.
a) Sie genügt insoweit nicht den Anforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG. Danach setzt die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde voraus, dass nicht nur das verfassungsmäßige Recht, dessen Verletzung der Beschwerdeführer geltend macht, sondern auch die Handlung oder Unterlassung bezeichnet werden, durch die der Beschwerdeführer verletzt sein soll. Dazu gehört nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs der Vortrag des wesentlichen Sachverhalts, aus dem die Rechtsverletzung hergeleitet wird (VerfGH vom 19.7.1979 VerfGHE 32, 91/92 m. w. N.). Ein Beschwerdeführer darf hierfür auf Schriftstücke Bezug nehmen, die er der Verfassungsbeschwerde beilegt. Nimmt er auf Schriftstücke Bezug, die nicht vorgelegt werden und die auch in dem laufenden verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht schon vorher Bestandteil der Akten geworden sind, so muss er zumindest ihren wesentlichen Inhalt angeben, damit zu erkennen ist, inwiefern er sich in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlt (VerfGH vom 2.2.1966 VerfGHE 19, 14/15). Der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang muss vollständig und nachvollziehbar dargelegt werden, so dass der Verfassungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfassungsverstoß nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zumindest möglich erscheint (VerfGH vom 10.2.2014 – Vf. 53-VI-12 – juris Rn. 17 unter Bezugnahme auf die entsprechende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
Daran fehlt es vorliegend. Weder ist der Verfassungsbeschwerde der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Juli 2014 beigefügt noch wird der wesentliche Inhalt des Beschlusses wiedergegeben. Der Verfassungsbeschwerde ist lediglich zu entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof wie das Verwaltungsgericht die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig angesehen haben soll. Die Argumentation des Gerichts wird weder wiedergegeben, noch setzt sich die Verfassungsbeschwerde damit auseinander. Stattdessen wird, ohne an die für den Verwaltungsgerichtshof maßgeblichen Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO anzuknüpfen, lediglich die eigene Rechtsauffassung dargelegt. Bereits deshalb ist nicht erkennbar, inwiefern der Verwaltungsgerichtshof bei Anwendung der für ihn maßgeblichen Vorschrift des § 124 Abs. 2 VwGO ein Recht des Beschwerdeführers aus Art. 163 BV verletzt haben könnte.
b) Darüber hinaus ist die Verfassungsbeschwerde auch deshalb unzulässig, weil sie auf die vom Beschwerdeführer allein als verletzt bezeichnete Bestimmung des Art. 163 BV nicht gestützt werden kann.
Wird Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung eingelegt, so kann diese nur in engen Grenzen geprüft werden. Der Verfassungsgerichtshof ist kein Rechtsmittelgericht. Es ist nicht seine Aufgabe zu kontrollieren, ob die Fachgerichte den Sachverhalt zutreffend ermittelt oder die Gesetze richtig ausgelegt und angewandt haben. Vielmehr hat er nur zu prüfen, ob das Gericht gegen die vom Beschwerdeführer bezeichneten subjektiven Rechte der Bayerischen Verfassung verstoßen hat. Wenden die Fachgerichte Bundesrecht an, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, so beschränkt sich die Prüfung des Verfassungsgerichtshofs mit Blick auf materielle Grundrechte darauf, ob das Gericht willkürlich im Sinn des Art. 118 Abs. 1 BV gehandelt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.6.2013 VerfGHE 66, 94/96 ff. m. w. N.; vom 17.11.2015 – Vf. 12-VI-15 – juris Rn. 22).
Da der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs auf § 124 Abs. 2 VwGO und damit auf Bundesrecht beruht, hätte der Beschwerdeführer substanziiert darlegen müssen, dass die Entscheidung willkürlich sei und daher gegen Art. 118 Abs. 1 BV verstoße. Dieser Anforderung genügt die Verfassungsbeschwerde, die lediglich die Einziehungsverfügung der Gemeinde als willkürlich bezeichnet, nicht. Der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, die Gerichte hätten die willkürliche Entscheidung der Gemeinde nicht erkannt, vermag nicht zu belegen, dass die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ihrerseits gegen das Willkürverbot verstoßen hätte.
IV. Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).


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