Aktenzeichen M 24 M 15.5389
BRAGO § 122 Abs. 1
Leitsatz
Bei § 58 Abs. 2 RVG hat (im Hinblick auf § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) eine Anrechnung von empfangenen Zahlungen (insbesondere der Gegenseite des Ausgangsverfahrens anlässlich der Kostenfestsetzung) auf die Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und PKH-Vergütung dergestalt zu erfolgen, dass dies jeweils nur auf Grundlage des (sich aus der Teilbewilligung ergebenden) fiktiven Teilgegenstandswertes erfolgt, und zwar nicht nur hinsichtlich derjenigen PKH-Vergütung, sondern auch hinsichtlich der Wahlanwaltsgebühren (sog. Teil-Differenz-Auslegung). (Rn. 61 – 64)
Tenor
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Erinnerungsverfahren betrifft die Höhe des Vergütungsanspruchs eines beigeordneten Rechtsanwaltes gegen die Staatskasse.
Im ausländerrechtlichen Ausgangsverfahren M 24 K 15.2455 war ein Bescheid einer staatlichen Ausländerbehörde vom 8. Mai 2015 streitgegenständlich, mit dem (1.) mehrere Anträge des dortigen Klägers (Kl.) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (AE) abgelehnt worden waren, (2.) der Kl. mit einer Sperrfrist von 5-Jahren ausgewiesen worden, (3.) dem Kl. eine Ausreisefrist von 30 Tagen ab Zustellung gesetzt und (4.) ihm die Abschiebung nach Ghana oder einen anderen aufnahmeverpflichteten oder -bereiten Staat angedroht worden sowie (5.) eine Verwaltungsgebühr von 100,- Euro festgesetzt worden war.
Mit Klageschrift (M 24 K 15.2455) vom 12. Juni 2015, bei Gericht per Telefax eingegangen am gleichen Tag, beantragte der bevollmächtigte Rechtsanwalt – der Antragsteller (ASt.) des vorliegenden Verfahrens – (I.) den sgB aufzuheben und (II.) den Bekl. zu verpflichten, dem Kl. eine AE, hilfsweise eine Duldung zu erteilen.
In einer mündlichen Kammerverhandlung vom 24. September 2015 wurde das Klageverfahren M 24 K 15.2455 zusammen mit zwei parallelen Eilverfahren (M 24 S 15.2456 und M 24 E 15.3611) gemeinsam verhandelt. Für die genannten drei Verfahren (M 24 K 15.2455, M 24 S 15.2456 und M 24 E 15.3611) hatte die Klagepartei jeweils die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Bevollmächtigten (Bev.) beantragt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. September 2016 hat die Kammer die drei Verfahren (M 24 K 15.2455, M 24 S 15.2456 und M 24 E 15.3611) zur gemeinsamen Entscheidung über die PKH verbunden, und in diesem Beschluss sodann für das Klageverfahren M 24 K 15.2455 hinsichtlich des Klageantrags auf Aufhebung der Ausweisung einschließlich ihrer kürzeren Befristung PKH unter Beiordnung des Bev. gewährt, im Übrigen aber die PKH-Anträge abgelehnt (Sitzungsprotokoll S. 2).
Im Zuge der mündlichen Verhandlung, in der die drei Verfahren (M 24 K 15.2455, M 24 S 15.2456 und M 24 E 15.3611) zur gemeinsamen Verhandlung verbunden wurden (Sitzungsprotokoll S. 4), nahm der Bev. die Eilanträge (M 24 S 15.2456 und M 24 E 15.3611) zurück (Sitzungsprotokoll S. 5), woraufhin diese Eilverfahren jeweils mit Kammerbeschluss eingestellt, die Kosten insoweit jeweils dem damaligen Antragsteller auferlegt und jeweils die zugehörigen Streitwerte festgesetzt wurden (Sitzungsprotokoll S. 6). Nachdem der im Klageverfahren M 24 K 15.2455 streitgegenständliche Bescheid von der Ausländerbehörde im Zuge der mündlichen Verhandlung aufgehoben worden war (Sitzungsprotokoll S. 5, zweiter Absatz), erklärten die damaligen Parteien die Klage in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt und schlugen dem Gericht zur Kostenentscheidung vor, die Kosten zu teilen (Sitzungsprotokoll S. 5), woraufhin mit Kammerbeschluss das Klageverfahren M 24 K 15.2455 einstellt, die Kosten insoweit hälftig geteilt und ein Streitwert von 10.000,- € festgesetzt wurde (Sitzungsprotokoll S. 6).
Mit Schriftsatz vom 27. September 2015 gab der Bev. im Rahmen der PKH die entstandenen Gebühren und Auslagen zur Festsetzung bekannt und gab zugleich im eigenen Namen die gesetzlichen Gebühren zur Ausgleichung gegen den Beklagten bekannt.
Dabei stellte der Bev. hinsichtlich der PKH-Vergütung folgende Berechnung auf:
VV
Gebühr
RVG
Wert
Satz
PKH/VKH
3100
Verfahrensgebühr
§ 49
5.000,00 €
1,3
334,10 €
3104
Terminsgebühr
§ 49
5.000,00 €
1,2
308,40 €
1000
Einigungsgebühr
§ 49
5.000,00 €
1,0
257,00 €
7002
Post/Tele-kommunikation
– pauschal –
„
„
„
20,00 €
7003
Fahrkosten, 0,30 €/km
„
gefahrene km:
124
„
37,20 €
7005
Tage- und Abwesenheitsgeld netto
„
Stunden:
5
„
40,00 €
netto
„
„
„
„
996,70 €
7008
MWSt
„
„
19%
189,37 €
Summe
„
„
„
„
1.186,07 €
Hinsichtlich der Kostenausgleichung stellte der Bev. folgende Berechnung auf:
VV
Gebühr
RVG
Wert
Satz
Vergütung
3100
Verfahrensgebühr
§ 13
10.000,00 €
1,3
725,40 €
3104
Terminsgebühr
§ 13
10.000,00 €
1,2
669,60 €
1003
Einigungsgebühr
§ 13
10.000,00 €
1,0
558,00 €
7002
Post/Tele-kommunikation
– pauschal –
„
„
„
20,00 €
7003
Fahrkosten, 0,30 €/km (24.09.2015)
„
gefahrene km:
124
„
37,20 €
7005
Tage- und Abwesenheitsgeld netto (24.09.2015)
„
Stunden:
5
„
40,00 €
netto
„
„
„
„
2.050,20 €
7008
MWSt
„
„
19%
389,54 €
Summe
„
„
„
„
2.439,74 €
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. Oktober 2015 setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts (VG) München (Urkundsbeamtin) (I.) antragsgemäß die dem Kl. entstandenen notwendigen Aufwendungen auf 2.439,74 € fest, bestimmte (II.), dass der Beklagte davon die Hälfte (1.219,87 €) zu tragen habe, und ordnete an (III.), dass dieser zu II. festgesetzte Betrag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sei.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 wies die Urkundsbeamtin den Bev. darauf hin, dass bei teilweiser PKH-Bewilligung die Gebühren zunächst aus dem vollen Streitwert zu ermitteln und anschließend verhältnismäßig zu kürzen sei („Quotelungslösung“). Vorliegend ergebe sich bei einem Streitwert von 10.000,- EUR eine PKH-Vergütung in Höhe von 1.394,32 EUR. Anteilsgemäß sei diese auf ½ zu kürzen, so dass sich der Anspruch gegen die Staatskasse auf 697,16 EUR belaufe.
Mit Schriftsatz vom 12. November 2015 teilte der Bev. mit, er erachte die Anwendung der „Quotelungslösung“ nicht für zutreffend. Der Vergütungsanspruch sei nach der Differenzmethode zu bemessen und so zu berechnen, als ob nur der von der Bewilligung umfasste Betrag geltend gemacht worden wäre.
Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 16. November 2015 (VFB) setzte die Urkundsbeamtin die Bev. als im Wege der PKH beigeordnetem Rechtsanwalt zustehende gesetzliche Vergütung auf 697,15 € fest.
Dabei stellte der VFB unter anderem folgende Berechnung auf:
„
Wahlanwaltsvergütung Streitwert 10.000 €
PKH-Anwaltsvergütung Streitwert 10.000 €
1,3 Verfahrensgebühr
725,40
399,10
1,2 Terminsgebühr
669,60
368,40
1,0 Einigungsgebühr
558,00
307,00
Fahrtkosten
37,20
37,20
Abwesenheitsgeld
40,00
40,00
Pauschale gem. VV 7002
20,00
20,00
Zwischensumme
2.050,20
1.394,32 (Fussnote:Anmerkung: rechnerisch beläuft sich diese Zwischensumme richtig auf 1.171,70 €.)
19% MwSt gem. VV 7008
389,54
222,62 (Fussnote:Anmerkung: 222,62 € sind 19% von 1.171,70 €.)
Summe
2.439,74
1.394,62 (Fussnote:Anmerkung: rechnerisch beläuft sich diese Summe richtig auf 1.394,32 €.)
teilweise PKH, Anteil: ½
„
697,16
Hinsichtlich § 58 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) stellte der VFB folgende Rechnung auf:
Differenz
1.742,58
„
tatsächlich geleistete Zahlungen:
aufgrund KFB vom 27.10.2015
1.219,87
„
Anrechnung auf die Differenz
– 522,71
„
Der VFB hielt sodann im Hinblick auf § 58 Abs. 2 RVG fest, der Anspruch gegen die Staatskasse reduziere sich nicht, da die Differenz durch die geleistete Zahlung nicht gedeckt sei.
Der VFB wurde dem Bev. am 18. November 2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 19. November 2015, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, legte der Bev. (und ASt. des vorliegenden Erinnerungsverfahrens) gegen den VFB Erinnerung ein und beantragte die gerichtliche Entscheidung über die Einwände gegen die Kostenfestsetzung, soweit darin die beantragte Kostenfestsetzung der PKH-Gebühren abgelehnt wird. Die Erinnerung wurde umfangreich begründet.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte mit Schreiben vom 25. November 2015 den Vorgang der Kammer zur Entscheidung vor.
Im Vorlageschreiben vom 25. November 2015 nahm die Urkundsbeamtin folgende Vergleichsberechnung vor:
„
Berechnungsweise Anwalt
PKH-Gebühren SW 5.000 €
Berechnungsweise Urkundsbeamtin
PKH-Gebühren SW 10.000 €
1,3 Verfahrensgebühr
334,10
399,10
1,2 Terminsgebühr
308,40
368,40
1,0 Einigungsgebühr
257,00
307,00
Fahrtkosten
20,00
37,20
Abwesenheitsgeld
37,20
40,00
Pauschale gem. VV 7002
40,00
20,00
Zwischensumme
996,70
1.171,70
19% MwSt gem. VV 7008
189,37
222,62
Summe
1.186,07
1.394,32
„
„
(davon ½) 697,16
Weiter nahm die Urkundsbeamtin im Hinblick auf § 58 Abs. 2 RVG folgende Vergleichsberechnung zur Ermittlung der Differenz vor:
„
Berechnungsweise Anwalt
Berechnungsweise Urkundsbeamtin
Wahlanwaltsgebühren
2.439,74
2.439,74
PKH-Gebühren
1.186,07
697,16
Differenz
1.253,67
1.742,58
– geleistete Zahlung
1.219,87
1.219,87
Anrechnung auf Differenz
– 33,80
– 522,71
Die Urkundsbeamtin wies auf der Basis dieser Vergleichsberechnung im Hinblick auf § 58 Abs. 2 RVG unter anderem darauf hin, in beiden Fällen reduziere sich der Anspruch gegen die Staatskasse nicht, weil die Differenz durch die geleistete Zahlung nicht gedeckt sei.
Aus dieser Gegenüberstellung werde deutlich, dass bei der Berechnungsweise des Anwalts die Wahlanwaltsgebühren nahezu vollständig durch die geleistete Zahlung und den ermittelten Anspruch gegen die Staatskasse gedeckt seien. Die Vorgabe, dass einer teilweisen PKH-Bewilligung bei der Vergütungsfestsetzung Rechnung zu tragen sei, werde so unterlaufen. Es stelle sich sogar die Frage, ob sich nicht mit der Zahlung der Gegenseite der Anspruch des Anwalts gegenüber der Staatskasse erübrige.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten M 24 M 15.5389 und M 24 K 15.2455 Bezug genommen.
II.
1. Die Erinnerung ist zwar zulässig, hat aber im Hinblick auf § 58 Abs. 2 RVG keinen Erfolg.
Streitgegenständlich ist eine Erinnerung des nach teilweiser PKH-Bewilligung (teilweise) beigeordneten Rechtsanwalts gemäß § 56 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) gegen eine Vergütungsfestsetzung gemäß § 55 RVG.
Die Kammer ist als Spruchkörper aufgrund des Übertragungsbeschlusses des Einzelrichters vom 2. Dezember 2016 zur Entscheidung berufen. Zwar war nach der Nichtabhilfe seitens der Urkundsbeamtin im Ausgangspunkt der Berichterstatter zuständig (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Dieser hatte allerdings gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG den Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Kammer zu übertragen, weil das Verfahren sowohl im Hinblick auf die Frage der Berechnungsmethode (Quotelung oder Teilstreitwert) als auch im Hinblick auf die Auslegung des § 58 Abs. 2 RVG grundsätzliche Bedeutung hat. Die zu klärenden Fragen können für eine Vielzahl von Fällen relevant werden.
Dabei sind die Beteiligten des Erinnerungsverfahrens gemäß § 56 RVG nicht die Beteiligten des zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens, sondern die beigeordnete Rechtsanwältin als Antragstellerin einerseits und die Landeskasse als Antragsgegner andererseits (OVG Nordrhein-Westfalen B.v. 6.3.2012 – 17 E 1204/11 – juris Rn. 1).
2. Die zulässige Erinnerung hat in der Sache keinen Erfolg.
2.1. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei § 48 Abs. 1 RVG, wonach sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen bestimmt, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist. Der demnach maßgebliche – in mündlicher Kammerverhandlung gefasste – Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsbeschluss vom 24. September 2015 hat dem damaligen Kläger PKH unter Beiordnung des Bev. lediglich für das Klageverfahren M 24 K 15.2455 gewährt, und zwar auch insoweit nur teilweise hinsichtlich des Klageantrags auf Aufhebung der Ausweisung einschließlich ihrer kürzeren Befristung. In der mündlichen Verhandlung wurde für das gesamte Klageverfahren M 24 K 15.2455, das auch eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis betraf, ein Streitwert von 10.000,- € festgesetzt.
Nicht ausdrücklich vorgegeben ist durch den PKH- und Beiordnungs-Beschluss vom 24. September 2016 die Art und Weise, wie der erfolgreiche und der erfolglose Teil des Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsantrags quantitativ voneinander abzugrenzen sind. Vielmehr beschreibt der Tenor des Beschlusses vom 20. Februar 2014 nur den inhaltlichen Aspekt, für den die teilweise PKH-Bewilligung und Beiordnung erfolgte, nämlich die Aufhebung der Ausweisung einschließlich ihrer kürzeren Befristung.
Diese abstrakte Vorgabe des PKH- und Beiordnungs-Beschlusses lässt sich im Kostenfestsetzungsverfahren mit verschiedenen Berechnungsmethoden umsetzen; mitumfasst wäre sowohl ein Ansatz, der die sich gesetzlich aus dem Gesamtgegenstandswert der Klage (10.000 €) ergebenden Kostenpositionen teilt (sog. Quotelungslösung), als auch ein Ansatz, der die Gebühren aus einem (hypothetischen, nur auf die Ausweisung entfallenden) Teil-Streitwert bzw. -Gegenstandswert (bei der Ausweisung über 5.000,-€) berechnet.
2.2. Aus Sicht der Kammer ist es sachgerecht, die Gebührenberechnung auf der Grundlage eines Teilgegenstandswertes durchzuführen.
2.2.1. Aus Sicht der Kammer spricht für eine Kalkulation mittels besonderer (prozesskostenhilfebezogener) Teilgegenstandswerte zunächst der Umstand, dass dadurch der beigeordnete Rechtsanwalt genauso gestellt wird, wie wenn er von vornherein nur den Teil des Streitgegenstandes gerichtlich verfolgt hätte, für den der Partei Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Das Gericht schließt sich insoweit folgenden Ausführungen des Thüringer Finanzgerichts an (Thüringer Finanzgericht B.v. 29.11.2007 – 4 Ko 542/07 – EFG 2008, 410, juris Rn. 20-23):
„20 Der Vergütungsanspruch der als Prozessbevollmächtigte beigeordneten Erinnerungsführer bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet wurden, die zu vergütenden Gebühren werden also auf Grund der Beschränkung der Gebührenfestsetzung in § 48 Abs. 1 RVG auf den durch den Prozesskostenbewilligungsbeschluss festgesetzten Umfang begrenzt. Für die Ermittlung dieser aus der Staatskasse zu vergütenden und durch den Prozesskostenhilfebeschluss nur begrenzten Gebühren sind vor allem zwei Berechnungsmethoden denkbar.
21 Nach der von den Erinnerungsführern begehrten Berechnungsmethode, die Gebühren nach dem vollen, im Streitwertbeschluss festgesetzten Streitwert von 1.540 € zu berechnen und die Vergütung entsprechend dem Verhältnis der Gewährung bzw. der Ablehnung der Prozesskostenhilfe festzusetzen, wären eine 1,6 Verfahrensgebühren in Höhe von 212,80 €, eine Pauschale für Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20 € sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 44,23 €, insgesamt 277,03 € an Gebühren angefallen, die den Erinnerungsführern entsprechend dem Umfang ihrer Beiordnung zu 90 Prozent oder 249,33 € zu vergüten wären. Diese Berechnungsmethode wird allerdings heute nicht (mehr) vertreten (so noch das Oberlandesgericht – OLG – München im Beschluss vom 18. Januar 1988 – 11 WF 1490/87, zitiert nach Juris, Hinweis in Zöller, Kommentar zur ZPO, Rdn. 45 zu § 121 ZPO, allerdings mit einer diese Methode ablehnenden Begründung).
22 Nach heute praktisch einhelliger Meinung sind die zu vergütenden Gebühren des beigeordneten Prozessbevollmächtigten aus dem Teilstreitwert des insgesamt streitigen Betrags zu berechnen, für den Prozesskostenhilfe gewährt und für den er beigeordnete wurde (z. B. Beschlüsse der OLG München vom 28. Oktober 1994 – 11 W 979/94 und vom 6. Dezember 1996 11 W 3197/96, Schleswig-Holstein vom 11. Mai 2005 – 15 WF 90/05, Stuttgart vom 26. April 1984 – 8 W 517/83, und des Landgerichts Osnabrück vom 16. Februar 1989 9 T 13/89, alle zitiert nach Juris, Zöller, Kommentar zur ZPO, Rdn. 45 zu § 121 ZPO, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hart-mann, Kommentar zur ZPO, Rdn. 22 zu § 121, Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/ Müller-Rabe, Kommentar zum RVG, Rdn. 11 zu § 48 RVG, Hartmann, KostG, Kommentar, Rdn. 65 zu § 48 RVG). Die meisten Entscheidungen beziehen sich auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 2. Juni 1954 (V ZR 99/53, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1954, 1406). Darin hatte der BGH ausgeführt, dass eine Partei, der Prozesskostenhilfe (damals Armenrecht) nur für einen Teil des Streitgegenstandes bewilligt sei, die aber trotzdem ihre Rechtsverfolgung wegen des übrigen Teils auf eigene Kosten durchführe, Anspruch darauf habe, von der Zahlungspflicht der Gebühren in der Höhe einstweilen verschont zu bleiben, die sich für den Umfang der Prozesskostenhilfebewilligung (Armenrechtsbewilligung) bei Berechnung der Gebühren ergebe. Demgemäß sind die oben genannten Gerichte der Auffassung, dass bei einer Beschränkung der Prozesskostenhilfe auf einen Teil des Anspruchs der beigeordnete Rechtsanwalt die Prozesskostenhilfegebühren nur aus eben diesem Teilstreitwert erhalte. Nur diese Auffassung entspreche § 122 Abs. 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) bzw. jetzt § 48 Abs. 1 RVG, wonach sich der Anspruch des Rechtsanwalts nach den Beschlüssen bestimme, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordneten worden sei. Beziehe sich der Prozesskostenhilfebeschluss nur auf einen Teil des Streitgegenstandes, dann könne die Vergütung nur aus diesem Teil berechnet werden (siehe OLG München vom 28. Oktober 1994, a. a. O.). Nur in diesem Umfange könne der beigeordnete Rechtsanwalt gegenüber der Partei Vergütungsansprüche nicht geltend machen (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Gleichzeitig habe die Partei Anspruch darauf, dass die Staatskasse aus dem von der Prozesskostenhilfe umfassten Streitwertteil die Anwaltskosten ungeschmälert trage, sodass durch die Gebührendegression sie und nicht die Staatskasse begünstigt werde.
23 Der hier entscheidende Richter schließt sich der letzteren, nahezu einheitlich vertretenen Auffassung an. Bei dieser Entscheidung ist auch zu berücksichtigen, dass der durch die Prozesskostenhilfe Begünstigte durch diese Aufteilung bzw. durch diesen Ansatz der Gebühren genau so gestellt wird, als wenn er nur den Teil des Streitgegenstandes gerichtlich verfolgt hätte, für den ihm Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Demgemäß ist auch für die Berechnung der zu vergütenden Gebühren des nur teilweise beigeordneten Prozessbevollmächtigten bzw. für die Berechnung der Freistellung von den Gerichtsgebühren eine separate und vollständige Ermittlung der Gebühren für den Teil des Gesamtstreitwertes durchzuführen, für den Prozesskostenhilfe bewilligt wurde.“
2.2.2. Unabhängig davon gewährleistet auch nur die Rechenmethode mittels Teilstreitwerten eine sachgerechte Abschichtung der dem Rechtsanwalt gegen die Staatskasse einerseits und gegen seinen Mandanten andererseits zustehenden Ansprüche – die Kammer schließt sich insoweit folgenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Bremen (OVG Bremen B.v. 23.6.2004 – 2 S 1873/04 – juris Rn. 13-17 unter ausdrücklicher Aufgabe früherer abweichender Rechtsprechung dieses Oberverwaltungsgerichts) an:
„13 Soweit der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und das Verwaltungsgericht meinen, als Erstattungsbetrag seien 1/5 der Anwaltskosten nach einem (Gesamt-) Streitwert von 850,00 Euro festzusetzen – vorliegend 49,88 Euro – vermag der Senat dem nicht zu folgen. Nach der gesetzlichen 14 Regelung in § 122 Abs. 1 BRAGO ist – wie erwähnt – für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts der Prozesskostenhilfebeschluss maßgebend. Dieser enthält keine Quotelung, sondern kennzeichnet den Teil des Streitgegenstandes, für den das Gericht nach summarischer Prüfung eine hinreichende Erfolgsaussicht annimmt (vgl. § 114 ZPO). In Höhe dieses Teil soll die bedürftige Partei von der Zahlung der Anwaltskosten befreit sein. Diesem Anspruch der bedürftigen Partei wird nur entsprochen, wenn die anwaltliche Vergütung nach dem Streitwert des Teils, für den Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, ermittelt und der aus der Staatskasse zu zahlende Betrag entsprechend festgesetzt wird (vgl. Philippi in Zöller, ZPO, 24. Auflage, § 121 Rdnr. 45 m.w.N.).
15 Für den Teil des Streitgegenstandes, für den Prozesskostenhilfe nicht bewilligt worden ist, verbleibt dem Rechtsanwalt ein Anspruch gegen die Partei selbst. Dieser Anspruch besteht nur noch in Höhe eines Ergänzungsbetrages, welcher in dem Unterschied der Gebühr nach dem Gesamtstreitwert und derjenigen nach seinem von der Prozesskostenhilfe erfassten Teil besteht.
16 Diese Sichtweise entspricht der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Auflage, Rdnr. 683 m.w.N.; Zöller, ZPO, 24. Auflage, § 121 ZPO Rdnr. 45 m.w.N.; Riedel/Sußbauer, BRAGO, Kommentar, 8. Auflage, § 13 Rdnr. 31 f.; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, Kommentar, 15. Auflage, § 122 Rdnr. 8 m.w.N.; grundlegend BHG, B. v. 02.06.1954 – Az. V ZR 99/53 – = NJW 1954, Seite 1406; OLG Oldenburg OLG-Report 1998, 184 m.w.N.; OLG München JurBüro 95, 203).
17 Soweit der 1. Senat des OVG Bremen im Beschluss vom 14. Juli 1989 (Az. 1 B 47/89 = JurBüro 1989, 1689) eine abweichende Auffassung vertreten hat, wird dem nicht gefolgt.“
2.2.3. Zwar finden sich auch in der jüngeren Judikatur nach wie vor Entscheidungen, die unter Abweichung von der klar herrschenden Teilstreitwertlösung bei teilweiser Prozesskostenhilfebewilligung die dem Rechtsanwalt gegen die Staatskasse zustehende Gebühr auf der Basis des vollen, im Streitwertbeschluss festgesetzten, Streitwertes mittels rechnerischer Quoten kalkulieren, und zwar nach dem Verhältnis von Gewährung einerseits und Ablehnung von PKH andererseits (vgl. etwa VG Ansbach B.v. 28.12.2011 – AN 11 M 11.30558 – juris Rn. 12; VG Regensburg B.v. 21.2.2012 – RN 5 M 12.30005 – juris Rn. 9 (dort am Schluss). Die Kammer schließt sich diesen Judikaten aber angesichts der unter 2.2.1. und 2.2.2. dargestellten Argumente nicht an.
2.2.4. Dabei ergibt sich jedenfalls im vorliegenden Fall nichts anderes aus dem von der Kostenbeamtin zitierten Judikat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 17.8.2006 – 24 C 06.1404 – juris) BayVGH-Judikatur.
Dort findet sich unter anderem folgende Passage:
„12 Der geltend gemachte Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse aus §§ 45 ff. RVG steht dem Bevollmächtigten des Klägers nicht (mehr) zu. Soweit dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt worden war, also für die Klage gegen Nr. 2 des angefochtenen Bescheides vom 9. Februar 2005, hatte der Klägerbevollmächtigte ein Wahlrecht zwischen einem Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nach §§ 45 ff. RVG und dem Erstattungsanspruch von einem Viertel der Kosten gegen die Beklagte. Mit Antrag vom 23. August 2005 beantragte der Rechtsanwalt Kostenausgleichung gemäß § 106 ZPO und Festsetzung gemäß § 126 ZPO, d.h. er machte seinen Anspruch gegen die Beklagte aufgrund des Urteils vom 22. April 2005 geltend; er machte dagegen damals nicht seinen Vergütungsanspruch nach § 45 RVG geltend. Nach dem daraufhin erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Oktober 2005 bezahlte die Beklagte den Betrag von 239,34 Euro. Damit sind die Ansprüche des Klägerbevollmächtigten befriedigt. Bei Geltendmachung seiner Ansprüche nach § 45 RVG aufgrund der Prozesskostenhilfegewährung und seiner Beiordnung hätte er gegenüber der Staatskasse keinen höheren Betrag geltend machen können; insoweit ist anzumerken, dass ein entsprechender Antrag nach § 55 Abs. 1 RVG erstmals mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 gestellt wurde, als die Kostenausgleichung mit der Beklagten längst abgewickelt war. Darüber hinaus wäre die Prozesskostenhilfevergütung wegen der insoweit gemäß § 49 RVG niedrigeren Gebühren ohnehin niedriger gewesen als der mit Beschluss vom 12. Oktober 2005 festgesetzte Betrag. Hierzu ist noch anzumerken, dass dem Klägerbevollmächtigten auch im Prozesskostenhilfeverfahren in Anlehnung an die sachgerechte Quotelung aus dem Urteil vom 22. April 2005 nur ein Viertel der Gebühren aus einem Streitwert von 5.000 Euro zugestanden hätte. Die Gebühren wären nicht etwa aus einem fiktiven Streitwert von 1.250 Euro zu errechnen gewesen. Der Rechtsanwalt ist deshalb nicht dadurch benachteiligt, dass er seine Kosten gegenüber der dem Prozess teilweise unterlegenen Beklagten geltend gemacht hat. Für die Anwendung des § 59 RVG ist bei der vorliegenden Konstellation kein Raum. Im übrigen wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.“
Unzweifelhaft hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in diesem Judikat tatsächlich gegen eine Teilstreitwertrechnung und für eine Quotelungsberechnung ausgesprochen. Allerdings sind diese Erwägungen in dem Judikat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes nicht tragend, sondern nur ein „obiter dictum“. Denn entscheidendes Argument des BayVGH war letztlich, dass im dortigen Fall der Rechtsanwalt bereits im Rahmen seines Wahlrechts alles, was ihm zugestanden hat, von der damaligen Gegenpartei im Rahmen der Kostenfestsetzung erhalten hatte. Für ein bloßes obiter dictum spricht auch, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in besagtem Judikat auf die klar überwiegende Gegenansicht (auch der oberverwaltungsgerichtlichen Judikatur) nicht ansatzweise eingegangen ist.
2.2.5. Für die Rechnung mit einem fiktiven PKH-Streitwert spricht auch, dass nur so ein Gleichklang mit § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erzielt werden kann. Nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass beigeordnete Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können. Dabei gilt diese Forderungssperre allerdings nach soweit ersichtlich unstreitiger Auffassung nur „soweit“ die Bewilligung reicht – im Falle bloßer Teilbewilligung behält der Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten den Vergütungsanspruch, soweit PKH nicht bewilligt worden ist (OLG Düsseldorf, B.v. 27.1.2005 – II-10 WF 38/04, 10 WF 38/04 – JurBüro 2005, 321, juris Rn. 2 m.w.N.; Schneider, NJW-Spezial 2015, 475 (476); Kratz, in: BeckOK-ZPO, Stand: 1.9.2016, § 122 Rn. 28).
Würde man im Falle einer Teilbewilligung die dem Rechtsanwalt gegen die Staatskasse zustehenden Gebühren durch eine Quotelung aus dem Gesamtstreitwert errechnen, wäre dies ein gegenüber dem von § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorgegebenen Regelungsmechanismus gänzlich unterschiedliches Verfahren.
2.3. Im vorliegenden Fall ergeben sich aus dem Gesagten folgende Ausgangsberechnungen:
Die Wahlanwaltsvergütung hätte für den Fall, dass die Klagepartei seinerzeit von vornherein nur eine gegen die Ausweisung gerichtete Klage (mit einem Streitwert von 5.000,-€) erhoben hätte 1.377,66 € betragen:
„
„
VV
Gebühr
RVG
Wert
Satz
Vergütung (nach RVG-Anlage 2)
3100
Verfahrensgebühr
§ 13
5.000,00 €
1,3
393,90 €
3104
Terminsgebühr
§ 13
5.000,00 €
1,2
363,60 €
1000
Einigungsgebühr
§ 13
5.000,00 €
1,0
303,00 €
7002
Post/Tele-kommunikation
– pauschal –
„
„
„
20,00 €
7003
Fahrkosten, 0,30 €/km
„
gefahrene km:
124
„
37,20 €
7005
Tage- und Abwesenheitsgeld netto
„
Stunden:
5
„
40,00 €
netto
„
„
„
„
1.157,70 €
7008
MWSt
„
„
19%
219,96 €
Summe
„
„
„
„
1.377,66 €
Demgegenüber beträgt die PKH-Vergütung auf Basis des hypothetischen PKH-Teil-Streitwertes – also nur hinsichtlich desjenigen Teil des Streitgegenstandes, für den PKH bewilligt wurde – wie vom Rechtsanwalt im Schriftsatz vom 27. September 2015 zutreffend errechnet: 1.186,07 €.
3. Mit der beschriebenen Ausgangsüberlegung ist der dem Rechtsanwalt letztlich gegen die Staatskasse zustehende Anspruch aber noch nicht abschließend bestimmt. Vielmehr ist (aufbauend auf dem aufgrund eines fiktiven Teilstreitwertes ermittelten Zwischenergebnis – hier: 1.186,07 €) in einem zweiten Schritt die von § 58 Abs. 2 RVG vorgesehene Anrechnung vorzunehmen.
3.1. § 58 Abs. 2 RVG lautet wie folgt:
„(2) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen, sind Vorschüsse und Zahlungen die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 besteht.“
3.2. § 58 Abs. 2 RVG ist auslegungsbedürftig; der Wortlaut dieser Vorschrift lässt verschiedene Auslegungen zu.
3.2.1. Nach herrschender zivilrechtlicher Judikatur und Literatur setzt die Anwendung dieser Vorschrift eine dreifache Rechnung voraus: In einem ersten Schritt ist die Summe der anrechenbaren Beträge (erhaltene Vorschüsse und Zahlungen) zu ermitteln, wobei hierunter insbesondere auch die Zahlungen durch die Gegenseite des Ausgangsrechtsstreits fallen (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage (2013), § 58 Rn. 25). In einem zweiten Schritt sind diese insgesamt anrechenbaren Beträge „zunächst“ auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung, die der rechtsanwaltlichen Vertretung gegen seine Mandantschaft an sich zugestanden hätte, wenn § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (i.V.m. § 166 VwGO) nicht eingriffe, einerseits und der im Rahmen der Prozesskostenhilfe und Beiordnung im Ausgangspunkt zu zahlenden Vergütung (PKH-Ausgangsvergütungsanspruch) andererseits anzurechnen; dabei ist diese Differenz i.S.v. § 58 Abs. 2 RVG diejenige „Vergütung, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht“ (vgl. Kießling in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage (2013), § 58 Rn. 2). In einem dritten Schritt wird dann der PKH-Ausgangsvergütungsanspruch im Wege weiterer Anrechnung (des verbliebenen anrechenbaren Restbetrages) gekürzt, und zwar nur soweit „erhaltene Vorschüsse und Zahlungen“ nicht schon beim zweiten Schritt zur Anrechnung gekommen sind (vgl. Kießling in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage (2013), § 58 Rn. 2); wenn die im Ausgangspunkt insgesamt anrechenbaren Beträge kleiner waren als die „Differenz“ (zwischen Wahlvergütungs- und PKH-Ausgangsvergütungsanspruch), entfällt der dritte Schritt (vgl. die Berechnungsbeispiele bei Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage (2013), § 58 Rn. 12 und Rn. 13).“
Dieser herrschenden Auffassung der zivilgerichtlichen Judikatur und Literatur (ebenso auch VG München, B.v. 1.12.2014 – M 24 M 14.31118 – AGS 2015, 293, juris Rn. 33-45; mit zustimmender Anmerkung insoweit Mayer, Fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht – FD-RVG [beck-online] – 2015, 368115; vgl. hierzu auch Schneider, NJW-Spezial 2015, 475) liegt letztlich in etwa folgende Auslegung zugrunde („Differenz-Auslegung“):
(2) (…), sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse ganz oder teilweise nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 besteht.
3.2.2. Dieser herrschenden Ansicht explizit entgegengesetzt ist ein vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg vertretener Auslegungsansatz, wonach eine vorgezogene Anrechnung nicht auf den „Differenzbetrag“ zwischen Wahlanwalts- und PKH-Gebühren bezogen wird, sondern lediglich auf solche Zahlungen für die „von vornherein“ – also von der Art der Zahlung her – kein Anspruch auf eine Zahlung im Rahmen von PKH (und Beiordnung) besteht.
Das OVG Lüneburg begründet das unter anderem wie folgt (OVG Lüneburg, B.v. 3.4.2013 – 13 OA 276/12 – NJW 2013, 1618, juris Rn. 5 und 7 – Hervorhebungen nicht im Original): 5- (…) § 58 Abs. 2 RVG verhält sich demgegenüber weder zur Höhe der dem Anwalt insgesamt zustehenden Vergütung noch dazu, wie mit Anrechnungsbeträgen im Sinne des § 15a RVG zu verfahren ist, sondern beschäftigt sich nur mit der Zuordnung von Vorschüssen und Zahlungen auf die zustehende Vergütung. Diese zu trennenden Regelungsbereiche vermengt die in der Zivilrechtsprechung vordringende Auffassung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Oktober 2012 – 14 W 88/12 – juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 1. September 2011 – 13 W 29/11 -, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 22. März 2011 – 2 W 18/11 -, juris; jew. m.w.N.), derzufolge der anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr nach § 58 Abs. 2 RVG zunächst auf die Differenz zwischen der – jeweils insgesamt im gerichtlichen Verfahren entstandenen – Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfevergütung zu verrechnen sei. Aus welchem Grunde eine geleistete Zahlung des Mandanten schon bei der Entstehung und nicht erst im Rahmen der Tilgung Einfluss auf die Höhe des Anspruchs seines Prozessbevollmächtigten gegen die Staatskasse haben sollte, erschließt sich dem Senat nicht. § 58 Abs. 2 RVG betrifft die Tilgung, nicht die Entstehung und die Berechnung der zustehenden Höhe des Vergütungsanspruchs. Darüber hinaus führt diese Vorgehensweise regelmäßig zu einer Deckung der Wahlanwaltsgebühren durch die Staatskasse über die in § 49 RVG geregelte Prozesskostenhilfevergütung hinaus. Dass ein Rechtsanwalt aufgrund dieser Differenzberechnung unter Berücksichtigung der weiteren im gerichtlichen Verfahren anfallenden Gebühren neben einer vorprozessual entstandenen und vom Mandanten beglichenen Geschäftsgebühr im Ergebnis aus Mitteln der Staatskasse eine nur geringfügig oder ungekürzte Verfahrensgebühr und damit aus diesen beiden Gebühren einen höheren Gesamtbetrag erhalten würde, als ihm nach § 15a Abs. 1 RVG zusteht, ist mit dem Zweck des § 58 Abs. 2 RVG als Tilgungsvorschrift nicht vereinbar.
(…)
7 Der Regelung des § 58 Abs. 2 RVG ist Genüge getan, wenn der vom Kläger auf die Kostennote seines Prozessbevollmächtigten vom 11. April 2012 gezahlte Betrag von 188,67 auf die in gleicher Höhe nach der Tabelle in § 13 RVG entstandene Geschäftsgebühr in voller Höhe angerechnet wird. Ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht insoweit von vornherein nicht.
Zwar hat das OVG Lüneburg die zitierten Ausführungen im Kontext der Auslegung von § 15a RVG und des Verhältnisses dieser Bestimmung zu § 58 Abs. 2 RVG, also eines kostenrechtlichen Spezialfalles, entwickelt. Der zitierten Passage lässt sich aber eine ganz grundlegende Abweichung vom Auslegungsansatz der zivilgerichtlichen Judikatur entnehmen. Das OVG Lüneburg lehnt hinsichtlich der Auslegung des in § 58 Abs. 2 RVG enthaltenen Terminus „Vergütungen (…), für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht“ nämlich gerade eine Differenzbetrachtung ausdrücklich ab (Rn. 5) und stellt statt dessen insoweit darauf ab, ob ein Anspruch „von vornherein“ (Rn. 7) nicht besteht, wie es im Fall des OVG Lüneburg hinsichtlich der „Geschäftsgebühr“ (einer Gebühr aus der „außergerichtlichen“ Vertretung) der Fall war (ebenso auch OVG Lüneburg, B.v. 17.5.2013 – 4 OA 306/12 – JurBüro 2013, 421, juris Rn. 3 m.w.N.).
Letztlich wäre § 58 Abs. 2 RVG in der Auslegung des OVG Lüneburg damit in etwa wie folgt zu lesen („Kategorie-Auslegung“):
(2) (…) sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse von vornherein nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 besteht.
Diese Auslegung bewirkt, dass nur für die von der PKH „von vornherein“ nicht erfassten Vergütungs-Kategorien (insbesondere der außergerichtlichen Vertretung) eine Voraus-Anrechnung erfolgt, während hinsichtlich aller anderen Vergütungs-Kategorien vom Rechtsanwalt empfangene Zahlungen auf den PKH-Vergütungsanspruch angerechnet werden.
3.2.3. Beide Auslegungen sind mit dem Wortlaut des § 58 Abs. 2 RVG vereinbar, wobei sich die Kammer im Ansatz der herrschenden zivilrechtlichen Judikatur und Literatur (in allerdings modifizierter Form) anschließt.
3.2.3.1. Zwar spricht für die Auslegung des OVG Lüneburg die systematische Auslegung. Auffällig ist, dass der Gesetzgeber bei der in unmittelbarer Nähe zu § 58 RVG stehenden Anspruchsüberleitungsvorschrift des § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG die Vokabel „soweit“ verwendet hat, während dies in § 58 Abs. 2 RVG gerade nicht der Fall ist. Die Formulierung „… auf die Vergütung … anzurechnen, für die ein Anspruch … nicht … besteht“ spricht deshalb eher dafür, auf die jeweilige Vergütungs“kategorie“ abzustellen und nur solche Vergütungsansprüche einer „vorgezogenen“ Anrechnung („…zunächst…“) nach § 58 Abs. 2 RVG zu unterwerfen, für die (kategorisch) kein PKH-Vergütungsanspruch besteht, wie es im Fall des OVG Lüneburg etwa für die (außergerichtliche) Geschäftsgebühr der Fall war.
3.2.3.2. Gegen die Auslegung des OVG Lüneburg (und im Ansatz für die herrschende zivilrechtliche Judikatur und Literatur) spricht jedoch die historische Auslegung. Die amtliche Begründung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (KostRMoG, Bundestags-Drs. 15/1971 S. 89/90 und S. 203) begnügte sich hinsichtlich § 58 Abs. 2 RVG mit einem Verweis auf den inhaltsgleichen § 129 der früheren Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung – BRAGO), der „übernommen“ werde. Dabei war aber gerade auch zum alten Recht soweit ersichtlich die Differenz-Auslegung klar herrschend (vgl. LAG Düsseldorf, B.v. 8.7.1985 – 7 Ta 230/85 – LAGE § 129 BRAGO Nr. 1, juris; OLG Stuttgart, B.v. 30.4.1998 – 8 WF 120/96 – FamRZ 1999, 390, juris Rn. 8).
Die zum altem Recht herrschende Auslegung des § 129 BRAGO, an die die amtliche Begründung des § 58 Abs. 2 RVG anknüpft, lässt sich mit dem VG Koblenz wie folgt zusammenfassen (VG Koblenz, B.v. 13.7.1998 – 8 K 2489/95.KO – juris Rn. 6):
6 Lediglich die Vorschrift des § 129 BRAGO gewährt die Möglichkeit, die von anderer Seite an den Prozeßbevollmächtigten erbrachten Leistungen von der an diesen auszuzahlenden Prozeßkostenhilfe-Vergütung abzuziehen. Hiernach sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber oder einem Dritten vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Bundes- oder Landeskasse nicht besteht. Mit anderen Worten sind bereits erbrachte Leistungen des Mandanten oder Dritter zunächst auf den Teil des Vergütungsanspruchs anzurechnen, den der Rechtsanwalt noch gegen seinen Mandanten geltend machen kann, mithin auf den Vergütungsanspruch, der nicht durch Prozeßkostenhilfe-Bewilligung gedeckt ist (vgl. § 122 Abs. 1 Nr. 3 der Zivilprozeßordnung – ZPO -). Nicht von der Prozeßkostenhilfe-Bewilligung gedeckt ist zum einen der Unterschiedsbetrag zwischen den Wahlanwaltskosten und den Gebühren des § 123 BRAGO und zum anderen der Vergütungsanspruch des Prozeßbevollmächtigten, für den die Staatskasse im Rahmen der Prozeßkostenhilfe-Bewilligung überhaupt nicht haftet, die Partei aber unbeschränkt zahlungspflichtig ist. Letzteres ist der Fall, soweit der Rechtsanwalt entweder schon vor seiner Beiordnung oder über den Rahmen seiner Beiordnung hinaus auftragsgemäß für die Partei tätig geworden ist (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Mardert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 12. Auflage, § 129 Rdnr. 2).
3.2.3.3. Aus der im zitierten Judikat des VG Koblenz betonten Regelung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ergibt sich allerdings ein letztlich entscheidender Hinweis für eine vermittelnde Auslegung, die die Kammer bevorzugt.
Die Regelungen der §§ 48 ff. RVG und insbesondere die Anrechnungsvorgaben des § 58 Abs. 2 RVG dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr ist die wirtschaftliche Gesamtsituation des Anwalts zu berücksichtigen, und zwar nicht nur im Verhältnis zur Gegenseite und zur Staatskasse, sondern auch im Verhältnis zu seinem Mandanten, wo die bereits oben erwähnte sog. Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO maßgebliche Bedeutung erlangt. Nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können. Angesichts dieser Forderungssperre ergibt sich ein Schutzbedarf für den beigeordneten Rechtsanwalt, dem ein Rückgriff gegen seinen Mandanten im Umfang der Beiordnung gesetzlich verwehrt wird.
Allerdings besteht dieser Schutzbedarf auch nur im jeweiligen Umfang der Beiordnung. Denn nach unstreitiger Auffassung gilt die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur „soweit“ die Bewilligung reicht – im Falle bloßer Teilbewilligung behält der Rechtsanwalt folglich gegenüber seinem Mandanten den Vergütungsanspruch, soweit PKH nicht bewilligt worden ist (OVG Bremen B.v. 23.6.2004 – 2 S 1873/04 – juris Rn. 15; OLG Düsseldorf, B.v. 27.1.2005 – II-10 WF 38/04, 10 WF 38/04 – JurBüro 2005, 321, juris Rn. 2 m.w.N.; Schneider, NJW-Spezial 2015, 475 (476); Kratz, in: BeckOK-ZPO, Stand: 1.9.2016, § 122 Rn. 28).
Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, bei der Auslegung von § 58 Abs. 2 RVG im Falle bloß teilweiser PKH-Bewilligung zwar methodisch von der Differenz-Auslegung auszugehen, dabei aber die Wertung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu berücksichtigen, und zwar dergestalt, dass die in § 58 Abs. 2 RVG vorgesehene Reihenfolge-Vorgabe (…zunächst…) nur für diejenigen Vergütungen gilt, die von der (teilweisen) PKH-Bewilligung überhaupt erfasst sind, weil dem Anwalt der Rückgriff gegen seinen Mandanten auch nur insoweit (gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) verwehrt ist. Soweit dagegen dem Rechtsanwalt ein Rückgriff gegen seine Partei nicht verwehrt ist (also soweit PKH nicht bewilligt wurde), ist nicht einzusehen, warum anderweitig empfangene Zahlungen, insbesondere solche der jeweiligen Gegenpartei, nicht vollumfänglich auf den Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse anzurechnen sein sollten.
Rechnerisch lässt sich dies wie folgt umsetzen: In einem ersten Schritt sind die (zur Anrechnung anstehenden) empfangenen Beträge festzustellen. Im zweiten Schritt ist die von § 58 Abs. 2 RVG vorgeschriebene „Vorab-Anrechnung“ vorzunehmen, indem auf der Basis des hypothetischen PKH-Teilstreitwertes (für den PKH bewilligt wurde) eine „Teil-Differenz“ zwischen den (teilstreitwert-bezogenen) PKH-Gebühren einerseits und den (teilstreitwert-bezogenen) Wahlanwaltsgebühren andererseits gebildet wird – also auch hinsichtlich dieser Wahlanwaltsgebühren nur hinsichtlich eben dieses hypothetischen (PKH-)Teilstreitwertes. Nur hinsichtlich dieser so gebildeten „Teil-Differenz“ ist „zunächst“ eine Vorab-Anrechnung vorzunehmen. Schließlich ist in einem dritten Schritt der nach dieser Vorab-Anrechnung verbleibende Rest(anrechnungs) Betrag auf den (von vornherein nur auf der Basis des hypothetischen Teilstreitwertes ermittelten) PKH-Vergütungsanspruch anzurechnen.
Für diesen – nur auf die sich im Hinblick auf den (fiktiven) PKH-Teilstreitwert ergebende „Teil-Differenz“ abstellenden – Auslegungsansatz (nachfolgend: Teil-Differenz-Auslegung) spricht unabhängig von § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch die Wertung des § 48 Abs. 1 Satz 1 RVG. Wie bereits gezeigt (und auch vom OVG Lüneburg [dort Rn. 5] zu Recht festgehalten), führt die auf die Wahlanwaltsgebühren aus dem „vollem“ (eingeklagten) Streitwert abstellende „Differenz-Auslegung“ des § 58 Abs. 2 RVG nämlich dazu, dass in nicht wenigen Fällen letztlich keine Anrechnung erfolgt und somit die bloß teilweise PKH-Bewilligung des PKH-Beschlusses im wirtschaftlichen Ergebnis unterlaufen würde, wofür der vorliegende Fall ein anschauliches Beispiel darstellt, was aus der von der Kostenbeamtin aufgestellten Vergleichsberechnung deutlich erkennbar wird.
Schließlich spricht gerade der in § 58 Abs. 2 RVG enthaltene Hinweis auf § 50 RVG, der in unmittelbarem Zusammenhang zu § 49 RVG steht, dafür, bei der Auslegung von § 58 Abs. 2 RVG den Terminus „für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht“ im Lichte der Wertung auch des § 49 RVG auszulegen. Denn die in § 49 RVG vorgesehenen (gegenüber Wahlanwaltsgebühren niedrigeren) PKH-Gebühren stellen eine eigenständige Ursache dafür dar, dass die PKH-Gebühren hinter den Wahlanwaltsgebühren zurückbleiben, und zwar auch bei PKH-Teilbewilligungen und Teil-Beiordnungen „im Rahmen“ deren jeweiligen Umfangs. Die von der Kammer vertretene Teil-Differenz-Auslegung trägt sowohl § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO also auch § 49 RVG Rechnung. Aufgrund dieses Zusammenhangs bleibt im Rahmen der Teil-Differenz-Auslegung für die Anwendung des § 58 Abs. 2 RVG auch ein hinreichender Anwendungsbereich bestehen, nämlich schon wegen der in § 49 RVG vorgesehenen (deutlich geringeren) PKH-Gebührensätze.
Bei Zugrundelegung der Teil-Differenz-Auslegung lässt sich § 58 Abs. 2 RVG danach im Ergebnis etwa wie folgt lesen:
(2) (…), sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst im Rahmen von § 48 Abs. 1 auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 besteht.
3.3. Auf den vorliegenden Fall bezogen ergibt sich aus der beschriebenen Teil-Differenz-Auslegung folgende Rechnung:
(1) empfangene Beträge
1.219,87 €
(2) Vorab-Anrechnung hinsichtlich des „Teil-Differenz-Betrages“, nämlich (nur) auf denjenigen Betrag, der dem Anwalt zugestanden hätte, wenn er von vornherein nur denjenigen Teil eingeklagt hätte, für den PKH-Bewilligung und Beiordnung erfolgt sind]
(2.a) Wahlanwaltsgebühren hinsichtlich hypothetischem Teilstreitwert
1.377,66 €
(2.b) PKH-Gebühren hinsichtlich hypothetischem Teilstreitwert
1.186,07 €
(2.c) „Teil-Differenz-Betrag“ zwischen (2.a) und (2.b), auf den nach § 58 Abs. 2 RVG „vor-angerechnet“ wird
191,59 €
(3) Anrechnung des Rest(anrechnungs) betrags auf die PKH-Forderung:
(3.a) Bestimmung des Rest(anrechnungs) betrags:
(1) – (2.c), hier also: 1.219,87 € – 191,59 € = 1.028,28 €
1.028,28 €
(3.b) Anrechnung des Rest(anrechungs) betrags (3.a) auf die Ausgangs-PKH-Gebührenforderung (2.b), also (2.b) abzüglich (3.a), hier also: 1.186,07 € – 1.028,28 € = 157,79 €
157,79 €
Nach der Zahlung durch die Gegenpartei hätte der Bev. (und ASt. des vorliegenden Verfahrens) somit im Ergebnis nur noch einen Anspruch von 157,79 € gehabt, der durch den streitgegenständlichen VFB (mehr als) vollumfänglich erfüllt worden ist.
4. Der Umstand, dass es Fälle geben kann, in denen (anders als vorliegend) das Obsiegen in der Hauptsache zu einem höheren Kostenanspruch der Klagepartei gegen den Prozessgegner führt als es aus der Perspektive der PKH-Bewilligung zu erwarten war, stellt den dargestellten Lösungsansatz nicht in Frage.
Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass keineswegs in allen Streitigkeiten die letztlich in der Hauptsache erfolgende Kostenentscheidung (als Abbildung des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten) inhaltlich dem Ergebnis der PKH-Teilbewilligung entsprechen muss, wie es im vorliegenden Fall geschehen ist. Vielmehr kann sich trotz zunächst teilweise erfolgter PKH-Bewilligung später ein vollständiges Unterliegen (wie auch ein vollständiges Obsiegen) der Antragspartei ergeben. Ebenso denkbar ist ein Teilobsiegen in anderem Umfang als bei der PKH-Teilbewilligung zugrunde gelegt. Möglich ist auch, dass ein Anwalt von vornherein nur für einen Teil der von ihm eingeklagten Ansprüche Prozesskostenhilfe beantragt (und bewilligt bekommen) hat und im Rahmen der Hauptsache schließlich vollständig obsiegt (oder unterliegt).
All diese Variationsmöglichkeiten sprechen aber letztlich nicht gegen die von der Kammer vertretene Berechnungsmethode. Vielmehr erweist sich das gefundene Ergebnis auch und gerade bei einer Gesamtbetrachtung der Verantwortlichkeiten aller an der Tragung der anwaltlichen Kosten beteiligten Personen – nämlich des Mandanten, des Beklagten und der Staatskasse – als sachgerecht.
Ausgangspunkt der Überlegungen hat zwar zu sein, dass der Rechtsanwalt im wirtschaftlichen Ergebnis die Rechtsanwaltsvergütung hinsichtlich des von ihm eingeklagten Streitgegenstandes auf der Basis des Gesamtstreitwertes und der vollständigen gesetzlichen Gebühren und Auslagen zusteht. Allerdings ist damit nicht gesagt, welchen Anteil jeder einzelne der für die Tragung der anwaltlichen Kosten Verantwortlichen hieran zu übernehmen hat. So steht dem Rechtsanwalt im vorliegenden Fall hinsichtlich des von ihm eingeklagten Streitgegenstandes (Anfechtungsklage gegen Ausweisung; Verpflichtungsklage hinsichtlich Aufenthaltstitel) im Ergebnis eine Gesamtvergütung über 2.439,74 € zu (vgl. die insoweit zutreffende Berechnung des Rechtsanwalts vom 27.9.2015). Damit ist aber nur gesagt, dass der Rechtsanwalt in der Summe von sämtlichen Zahlungsverantwortlichen nicht mehr als 2.439,74 € beanspruchen kann; nichts lässt sich daraus aber ableiten für die Frage, welcher Zahlungsverantwortliche welchen Anteil an diesem Betrag zu zahlen hat.
Die Frage des Anteils der Staatskasse an dieser Gesamtzahlungslast entscheidet sich allein aus den §§ 48, 49, 58 Abs. 2 RVG i.V.m. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO heraus, und zwar auch in Fällen, in denen (anders als vorliegend) im Verhältnis der Klagepartei zum Prozessgegner (im Kostenfestsetzungsbeschluss aufgrund der Kostengrundentscheidung) ein Zahlungsbetrag festgesetzt wird, der höher ist als es nach der PKH-Bewilligung zu erwarten gewesen wäre. Angenommen, im vorliegenden Fall wäre (bei unveränderter PKH-Teil-Bewilligung) die im Hauptsacheverfahren ergehende Kostengrundentscheidung (anders als vorliegend) stärker zugunsten der Klagepartei ausgefallen, derart dass im Kostenfestsetzungsbeschluss ein Anspruch von 1.800,- € festgesetzt worden wäre. Dann würde sich (bei unverändert hälftiger PKH-Teil-Bewilligung) an der oben dargestellten „Vorab-Anrechnung“ gemäß § 58 Abs. 2 RVG nichts ändern. Es wären auch in diesem Fall im Hinblick auf § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO von (jeweils auf Basis eines hypothetischen Teilstreitwertes errechneten) hypothetischen Teil-Wahlanwaltsgebühren die hypothetischen Teil-PKH-Gebühren abzuziehen, so dass von dem Gesamtanrechnungsbetrag (im Beispiel 1.800,- €) wiederum nur 191,59 € auf den Anspruch des Rechtsanwalts gegen den Mandanten anzurechnen wären (s.o.), während die verbleibende Differenz von 1.608,41 (1.800 – 191,59) € auf die PKH-Forderung (1.186,07 €) anzurechnen wäre, so dass im Beispiel kein Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse verbliebe.
Dieses durch die hier vertretene Auslegung des § 58 Abs. 2 RVG vorgezeichnete Ergebnis des Beispielsfalles erscheint auch vom wirtschaftlichen Ergebnis her sachgerecht. Insbesondere würde der Umstand, dass in Fällen wie dem Beispielsfall letztlich auch die Staatskasse davon profitieren würde, dass (anders als vorliegend) nachträglich eine höhere Zahlung des Prozessgegners als aufgrund der PKH-Teilbewilligung zu vermuten gezahlt wird, keine ungerechtfertigte Privilegierung der Staatskasse darstellen. Vielmehr sollen die arme Partei und auch der bevollmächtigte Rechtsanwalt der armen Partei jeweils so stehen, als wenn von vornherein nur derjenige Teil des Streitgegenstandes gerichtlich verfolgt worden wäre, für den PKH bewilligt worden ist (vgl. auch BGH, B.v. 2.6.1954 – V ZR 99/53 – NJW 1954, 1406 (1407)). Weder der Wortlaut des § 58 Abs. 2 RVG noch Sinn und Zweck dieser Vorschrift unter Berücksichtigung der nur begrenzten Sperrwirkung einer PKH-Teilbewilligung gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (s.o.) verlangen, eine spätere (im Vergleich zum Ansatz der PKH-Teil-Bewilligung) erfolgende Erhöhung der Kostenforderung gegen den Prozessgegner ausschließlich dem Mandanten zugutekommen zu lassen. Ganz im Gegenteil spricht gerade der Umstand, dass eben nur eine PKH-„Teil“-Bewilligung erfolgt ist, die gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur einen „Teil“ des Rechtsanwaltsanspruchs gegen den Mandanten sperrt (s.o.), dafür, dass auch hinsichtlich der Staatskasse stets diese Wertungen der PKH-Teil-Bewilligung relevant bleiben. Hierfür spricht auch § 48 Abs. 1 RVG.
Dabei würde sich die „Quotelungslösung“ gerade auch für diese Problematik nicht als geeignetes Instrument erweisen, um der Wertung des § 48 RVG Genüge zu tun. Erst eine Berechnung auf der Basis eines (in der PKH-Teil-Bewilligung fußenden) hypothetischen Teilstreitwerts ermöglicht die im Hinblick auf § 48 RVG und § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gebotene Auslegung der Anrechnungsvorschrift des § 58 Abs. 2 RVG (s.o.).
5. Vor diesem Hintergrund ist die Erinnerung im Hinblick auf § 58 Abs. 2 RVG in der vorliegend vorgenommenen Auslegung unbegründet, weil der dem Rechtsanwalt gegen die Staatskasse zustehende Anspruch durch die bereits geleisteten Zahlungen der Staatskasse aufgrund des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses (mehr) als erfüllt worden ist.
Hinsichtlich des restlichen Forderungsteils der Wahlanwaltsgebühren hat sich der Bev. (und ASt.) dagegen an seinen Mandanten (den Kl. des Ausgangsverfahrens) zu halten, zumal insoweit die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (wie gezeigt) nicht eingreift.
6. Das Erinnerungsverfahren, dessen Gegenstand vorliegend den Wert von 200,- € übersteigt, ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 RVG gebührenfrei; auch eine Kostenerstattung ist insoweit nicht vorgesehen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 RVG). Deshalb hat der vorliegende Beschluss eine Kostenentscheidung hinsichtlich des Erinnerungsverfahrens nicht zu enthalten (vgl. Pukall in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Auflage 2013, § 56 Rn. 20).