Arbeitsrecht

Versorgung nachgeheirateter Witwe eines emeritierten Professors

Aktenzeichen  M 12 K 16.3064

Datum:
11.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG BayBeamtVG Art. 35, Art. 113

 

Leitsatz

1 Die Ehefrau eines Professors hat keinen Anspruch auf Witwengeld, wenn er im Zeitpunkt der Eheschließung bereits emeritiert war (Art. 35 Abs. 2 Nr. 2, Art. 113 Abs. 2 BayBeamtVG). Eine vorübergehende Beschäftigung als Professor in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis nach der Emeritierung schiebt den Eintritt in den Ruhestand nicht hinaus. (Rn. 35 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Ausschluss der sog. nachgeheirateten Witwe verstößt weder gegen den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) oder den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG), noch liegt hierin eine europäisches Unionsrecht verletzende Diskriminierung. (Rn. 42 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Zusicherungen einer höheren als der gesetzlich zustehenden Versorgung ist unwirksam (Art. 3 Abs. 2 BayBeamtVG). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwengeld (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 4. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Auf die vorliegende Verpflichtungsklage ist das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) vom 5. August 2010 (GVBl S. 410, 528, berichtigt S. 764), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 20. Dezember 2016 (GVBl. S. 399) anzuwenden.
Gemäß Art. 35 Abs. 2 Nr. 2 BayBeamtVG besteht kein Anspruch auf Witwengeld, wenn der Versorgungsurheber sich zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits im Ruhestand befand und die Altersgrenze nach Art. 62 Satz 1, Art. 143 Abs. 1 BayBeamtVG erreicht hatte.
Gemäß Art. 113 Abs. 2 BayBeamtVG gelten entpflichtete Professoren und Professorinnen als Ruhestandsbeamte im Sinne des Art. 34 BayBeamtVG mit der Maßgabe, dass sich die Bemessung des den Hinterbliebenenbezügen zugrunde zu legenden Ruhegehalts sowie des Sterbe-, Witwen- und Waisengeldes nach dem vor dem 1. Januar 1977 geltenden Recht bestimmt.
Der Kläger wurde mit Bescheid vom 5. Mai 1988 emeritiert und somit von seinen amtlichen Verpflichtungen entbunden. Erst danach – am … … 1989 – heiratete er.
Entgegen dem klägerischen Vortrag bezieht sich Art. 113 Abs. 2 BayBeamtVG nicht nur auf die Bemessung des Ruhegehalts. Dies zeigt sich aus der Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drs. 15/3200 S. 535). Dort heißt es, die Regelung des Art. 113 Abs. 2 BayBeamtVG betreffe die Versorgung der Hinterbliebenen von emeritierten Professoren und Professorinnen. Sie gewährleiste, dass Witwen und Witwer von emeritierten Professoren und Professorinnen entsprechend § 91 Abs. 2 Nr. 3 BeamtVG weiterhin nach dem vor dem 1. Januar 1977 geltenden Recht versorgt werden. § 91 Abs. 2 Nr. 3 BeamtVG legt in seinem Satz 2 ausdrücklich fest, dass für die Anwendung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG die entpflichteten Professoren als Ruhestandsbeamte gelten. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG entspricht Art. 35 Abs. 2 Nr. 2 BayBeamtVG. Darüber hinaus sprechen auch gesetzeshistorische Gründe für eine Anwendung von Art. 35 Abs. 2 Nr. 2 BayBeamtVG auf emeritierte Professoren. Gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BayHSchPG i.V.m. Art. 38 Abs. 3 BayHschLG 1978 i.V.m. Art. 21 Abs. 2 HSchLG 1974 galten für die Witwe eines entpflichteten Hochschullehrers, wenn die Ehe erst nach der Entpflichtung geschlossen worden war, Art. 136 Satz 2 Nr. 2 BayBG 1960. Gemäß Art. 136 Satz 2 Nr. 2 BayBG 1960 erhielt die Witwe eines Beamten kein Witwengeld, wenn die Ehe erst nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden war und der Ruhestandsbeamte zur Zeit der Eheschließung das fünfundsechzigste Lebensjahr bereits vollendet hatte. Die Vorschrift entspricht somit Art. 35 Abs. 2 Nr. 2 BayBeamtVG.
Der Ruhestand wurde auch nicht durch die fortlaufende zweijährige Tätigkeit im Dienste des Beklagten hinausgeschoben.
Gemäß Art. 63 BayBG bzw. Art. 58 Abs. 5 BayBG 1960 kann der Eintritt in den Ruhestand über die gesetzlich festgesetzte Altersgrenze hinausgeschoben werden. Vorliegend ist dies nicht durch die Dienstverträge vom … September 1988 und … April 1989 geschehen. Zum einen kann der Eintritt des Ruhestands nur durch einen Verwaltungsakt hinausgeschoben werden (Vgl. Baßlsperger in Weiß / Niedermaier / Summer / Zängl, BayBeamtR. 188. Auflage, Stand: Dezember 2014, Art. 63 BayBG Rn. 5). Dies ist vorliegend nicht geschehen. Dabei ist unerheblich, dass der Ehemann der Klägerin den ersten Dienstvertrag nicht unterschrieben hatte. Zum anderen kann der Eintritt in den Ruhestand nicht mehr rausgeschoben werden, wenn der Beamte bereits in den Ruhestand versetzt wurde. Mit Eintritt des Ruhestands ist ein Hinausschieben rechtlich nicht mehr möglich (st. Rspr. BayVGH, B.v. 30.8.2007 – 3 CE 07.2028 – juris Rn. 14). Vorliegend wurde der Ehemann der Klägerin vor dem Abschluss des ersten Dienstvertrages am 5. Mai 1988 emeritiert.
Weiter hatte der Ehemann der Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits die Altersgrenze erreicht. Dabei kann dahinstehen, ob auf den Ehemann der Klägerin die Altersgrenze von 68 Jahren gemäß Art. 38 Abs. 3 BayHschLG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 HSchlG 1974 oder die Altersgrenze von 65 Jahren gemäß Art. 143 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m. Art. 62 Satz 1 BayBeamtVG a. F. Anwendung findet. Der Ehemann der Klägerin war zum Zeitpunkt 69 Jahre alt.
Art. 35 Abs. 2 BayBeamtVG verstößt weder gegen Art. 3 GG, Art. 6 GG noch ist er europarechtswidrig.
Art. 6 Abs. 1 GG ist in seiner individualen rechtlichen Ausrichtung primär ein Freiheitsrecht, das gegen störende staatliche Eingriffe schützt (vgl. BVerfGE 6, 76; 30, 67), darüber hinaus aber auch eine wertentscheidende Grundsatznorm für das die Ehe und die Familie betreffende Recht (BVerfGE 6, 55/72 f.; 62, 62 323/329; 80, Jahr 81/ 92 f.). Ferner beinhaltet diese Grundrechtsnorm ein spezielles Diskriminierungsverbot, wonach keine rechtlichen Nachteile gerade an Ehe und Familie geknüpft werden dürfen (BVerfGE 76, 1/72). Hiernach liegt jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin – auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG – keine Diskriminierung vor. Denn für den Gesetzgeber bestanden durchaus einleuchtende Gründe, die Witwe eines Beamten oder Soldaten, die diesen erst nach Eintritt in den Ruhestand, d.h. als Pensionär, geheiratet hat, anders zu behandeln als die Ehefrau eines öffentlich Bediensteten, die diesen durch sein aktives Berufsleben begleitet und durch ihre Mitarbeit in dessen häuslichen Bereich zu dessen Lebensleistung für den Dienstherrn mit beigetragen hat. So trägt die Anrechnung des Erwerbs(ersatz) einkommens der nachgeheirateten Witwe der Annahme Rechnung, dass diese bis zur Eheschließung erfahrungsgemäß einen vom Beamten unabhängigen beruflichen Werdegang absolviert hat oder noch weiter absolviert und sich dabei eine eigene Altersversorgung aufbaut bzw. aufgebaut hat, weshalb sie einer Hilfestellung durch den Dienstherrn in der Regel nur noch ergänzend bedarf (vgl. zur Vorgängernorm BayVGH, U.v. 18.11.1999 – 3 B 96.4216 – juris Rn. 21).
Von einer europäisches Unionsrecht verletzenden Diskriminierung nachgeheirateter Witwen von Beamten oder einer Altersdiskriminierung kann ebenso wenig die Rede sein (vgl. BVerwG B.v. 3.3.2000 – 2 B 600 – juris). Denn das maßgebliche und zulässige Unterscheidungskriterium ist der Zeitpunkt der Eheschließung. Es ist ein die Unterscheidung rechtfertigender Grund, ob die Versorgung einer Witwe von einem verstorbenen Beamten herrührt, den sie im aktiven Dienst oder erst geheiratet hat, als er bereits Altersruhegeld bezogen hat (so auch BVerfG, B.v. 1.3.2010 – 1 BvR 2584/06 .- juris m. w. N. zum Ausschluss einer sog. nachgeheirateten Witwe von der Witwenrente eines ärztlichen Versorgungswerks). Der Dienstherr darf seine Pflicht zur Gewährung eines Unterhaltsbeitrags durch eine bestimmte anderweitige wirtschaftliche Sicherung (Unterhaltsbeitrag) der nachgeheirateten Witwe als erfüllt ansehen. Das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 4. August 2015, (3 AZR 137/13 – juris) ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da es im dortigen Fall um eine betriebliche Hinterbliebenenversorgung ging, die dortige Regelung den vollständigen Ausschluss von Versorgungsleistungen zum Gegenstand hatte und die Regelung zudem im Gegensatz zu Art. 35 Abs. 2 Nr. 2 BayBeamtVG an eine bloße Altersgrenze anknüpfte. Auch aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich kein Hinweis darauf, dass gegen die hier zur Anwendung gekommenen Rechtsvorschriften verfassungs- oder unionsrechtliche Bedenken bestehen könnten (vgl. BayVGH, B.v. 30.07.2015 – 14 ZB 14.1891 – juris). Vielmehr ist der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Fall der Argumentation des Berufungszulassungsantrags, welche mit der Argumentation im vorliegenden Fall wörtlich übereinstimmt, nicht gefolgt.
Die Klägerin kann auch keinen Anspruch auf Witwengeld aus einem etwaigen Gespräch zwischen ihrem Ehemann und dem Beklagten geltend machen, in dem diesem für die Klägerin ein Anspruch auf Witwengeld zugesagt worden sein soll.
Gemäß Art. 3 Abs. 2 BayBeamtVG sind Zusicherungen, die eine höhere als die gesetzlich zustehende Versorgung verschaffen sollen, unwirksam. Darüber hinaus bedarf eine Zusicherung gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG der Schriftform.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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