Arbeitsrecht

Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz

Aktenzeichen  L 1 RS 5/14

Datum:
16.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 113081
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
AAÜG § 1, § 8 Abs. 3 S. 1
GG Art. 12

 

Leitsatz

Die fiktive Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz setzt die kumulative Erfüllung der persönlichen, der sachlichen und der betrieblichen Voraussetzungen zum Stichtag 30.06.1990 voraus. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 14 R 196/14 2014-08-27 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.08.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage zutreffend als unbegründet abgewiesen.
Die Klage ist zulässig, insbesondere hat der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses wird nicht durch das parallel anhängige Berufungsverfahren L 1 R 4/16 ausgeschlossen. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist nicht die Gewährung einer höheren Rente aufgrund der Anerkennung von Ansprüchen nach dem AAÜG, sondern aufgrund eines anderen Sachverhalts (behauptete Bindungswirkung eines Schreibens der DRV Bund als Rentenversicherungsträger vom 5. September 1999).
Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Hiermit hat die Beklagte zu Recht festgestellt, dass der Kläger bei Inkrafttreten des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes hatte.
Regelungsinhalt des Bescheids vom 18. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2014 ist die zutreffende Feststellung, dass für den Kläger keine Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG als Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG festzustellen sind, weil dieses Gesetz für ihn nicht anwendbar ist.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 8 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 Nr. 1 AAÜG. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger dem Kläger durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG mitzuteilen. Diese Mitteilung hat u. a. die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem sowie das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zur enthalten. Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Es kann dahinstehen, ob – wie die Beklagte geltend gemacht hat – das AAÜG auf den Kläger schon deshalb „schlechterdings“ nicht anwendbar ist, weil er vor dem 18. Mai 1990 seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen hatte, ohne in ein Versorgungssystem der DDR einbezogen gewesen zu sein (vgl. ausdrücklich BSG, Beschluss vom 19. Oktober 2006, B 4 RA 238/05 B; Beschluss vom 24. April 2008, B 4 RS 120/07 B; Beschluss vom 25. April 2008, B 4 RS 25/08 B; BSG, Urteil vom 30. Januar 1997, Az. B 4 RA 6/95, alle in juris). Hieran bestehen Zweifel, weil der Kläger – anders als die Klägerin in dem vom BSG mit Urteil vom 30. Januar 1997 entschiedenen Fall – zu diesem Zeitpunkt noch keine Rente bezogen hat.
Jedenfalls ist das AAÜG auf den Kläger nicht anwendbar, da er am 1. August 1991, also zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG, keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG hatte.
Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG gilt das Gesetz für Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei dem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG als nicht eingetreten. Nach § 1 Abs. 2 AAÜG sind Zusatzversorgungssysteme die in der Anlage 1 zum Gesetz genannten Systeme. Nach deren Ziff. 1 ist hier die gesetzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz maßgeblich.
Der Kläger ist nicht Inhaber einer am 1. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Aufgrund der Angaben des Klägers im Formblattantrag und in der mündlichen Verhandlung steht für den Senat fest, dass bis zum Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 beim Kläger kein Versorgungsfall (Alter/Invalidität) eingetreten ist. Auch eine Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelvertrag, Einzelfallentscheidung), durch die zu seinen Gunsten zu diesem Zeitpunkt eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden wäre, ist nicht ergangen. Der Kläger ist auch nicht durch eine spätere Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. Zwar hat der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 16. November 2016 insoweit einen Antrag gestellt. Über diesen ist jedoch noch nicht entschieden worden. Von einer Aussetzung des Verfahrens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde (vgl. § 114 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) hat der Senat Abstand genommen, da der Kläger dessen ungeachtet ausdrücklich eine Entscheidung des Senats gewünscht und die Beklagte zudem eine Überprüfung bei Vorlage einer Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde zugesichert hat.
Schließlich gilt für den Kläger auch nicht § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG. Denn er hatte vor dem 30. Juni 1990 keine Versorgungsanwartschaft erlangt, die er bei einem Ausscheiden aus einem Beschäftigungsverhältnis hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG fingiert (BSG, SozR 3-8750 § 1 Nr. 2 S. 15, Nr. 3 S. 20f).
Der Kläger hatte auch nach dem am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht und aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände aus bundesrechtlicher Sicht keinen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage im Sinne der vom Bundessozialgericht (BSG) vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nrn. 2, 4, 5, 6, 8).
Die fiktive Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG die kumulative Erfüllung der persönlichen, der sachlichen und der betrieblichen Voraussetzungen zum Stichtag 30. Juni 1990 voraus. Erforderlich ist, dass der Betreffende berechtigt war, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, er die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat und dies in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einer gleichgestellten Einrichtung erfolgt ist (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 3/02 R, in juris).
Es fehlt hier an der Erfüllung der sachlichen und betrieblichen Voraussetzung, da der Kläger zum Stichtag 30. Juni 1990 nicht mehr als Ingenieur bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einer gleichgestellten Einrichtung tatsächlich im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis eine seiner persönlichen Qualifikation als Ingenieur entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat.
Bei der Feststellung, ob am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden ist, ist auf das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften des DDR-Rechts abzustellen. Anders als bei der Auslegung des Ausdrucks „Beschäftigung“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sind Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob die sachliche Voraussetzung der VO-AVI-tech auch vorliegt, wenn am 30. Juni 1990 das Arbeitsverhältnis zwar fortbesteht, eine Arbeit jedoch nicht verrichtet wird, ist nicht § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i. V. m. § 7 Abs. 1 SGB IV, sondern die zu Bundesrecht gewordenen, am 1. August 1991 geltenden leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme und die sonstigen zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen Regelungen, die von den zuständigen Rechtsetzungsorganen der DDR in der vorgesehenen Form getroffen worden sind, wobei für das Sprachverständnis dieser Texte auf den staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 abzustellen ist (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, Az. B 4 RA 3/05 R, in juris Rn. 21).
Während der Dauer eines Arbeitsrechtsverhältnisses waren alle „Werktätigen“ bei der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten pflichtversichert (§ 278 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977, GBl I 185). Das Sozialpflichtversicherungsverhältnis begann demnach mit der Aufnahme der Arbeit und endete, wenn sämtliche Rechtsbeziehungen des Werktätigen zur Sozialpflichtversicherung erloschen waren, in der Regel mit dem Tod. Aus den zu Bundesrecht gewordenen, am 1. August 1991 geltenden Bestimmungen der Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten (SVO) vom 17. November 1977 (GBl I 373; Art. 9 Abs. 2 i. V. m. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 3 Einigungsvertrag) lässt sich jedoch entnehmen, dass auch im Sprachgebrauch der DDR bei einer Nichtverrichtung der Arbeit zwischen sozialpflichtversicherungsschädlichen und sozialpflichtversicherungsunschädlichen Tatbeständen unterschieden wurde (vgl. BSG, a. a. O.).
Wurde am Stichtag 30. Juni 1990 keine Arbeit verrichtet, ist eine nachträgliche Erteilung einer Versorgungszusage und damit eine Einbeziehung in die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz nach der erweiternden Auslegung des BSG also dann möglich, wenn ein Fortsetzungstatbestand für die Sozialpflichtversicherung nach § 3 SVO vorliegt. Wurde hingegen am 30. Juni 1990 keine Arbeit verrichtet, ohne dass ein Fortsetzungstatbestand im Sinne des § 3 SVO erfüllt war, bestand auch am 1. August 1991 kein fiktiver Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage (BSG, a. a. O., Leitsatz 2; vgl. auch Hauck/Noftz, SGB VI, § 259b, Rn. 89a).
Für den Senat steht aufgrund der Angaben des Klägers fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem VEB W. U. G-Stadt am 30. Juni 1990 nicht förmlich aufgelöst war und damit tatsächlich noch als „ruhendes Arbeitsverhältnis“ aufgrund einer unbezahlten Freistellung von der Arbeit weiter bestanden hat. Hierfür spricht auch, dass im Sozialversicherungsausweis kein Beendigungsdatum in Bezug auf die zuletzt vom Kläger ausgeübte Beschäftigung genannt ist.
Für den Senat steht ebenfalls aufgrund der Angaben des Klägers fest, dass dieser am Stichtag 30. Juni 1990 keine Arbeit im VEB als Ingenieur mehr verrichtet hat, da er zu diesem Zeitpunkt bereits die ehemalige DDR verlassen und eine Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland (West) aufgenommen hatte. Damit bestand zum Stichtag 30. Juni 1990 kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mehr zwischen dem VEB und dem Kläger. Denn ein Fortsetzungstatbestand für die Sozialpflichtversicherung nach dem zu Bundesrecht gewordenen § 3 SVO ist nicht gegeben. Vielmehr ist gemäß § 4 Satz 1 SVO von einer Unterbrechung der Pflichtversicherung ab Beginn der Freistellung auszugehen.
Nach § 3 SVO wird die Sozialpflichtversicherung nicht unterbrochen durch Zeiten a) der Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, b) der Durchführung einer prophylaktischen Kur bzw. einer Heil- oder Genesungskur der Sozialversicherung, c) der Quarantäne, d) der Freistellung von der Arbeit zur Pflege erkrankter Kinder bzw. zur Betreuung der Kinder wegen vorübergehender Quarantäne für die Kinderkrippe oder den Kindergarten (nachfolgend Kindereinrichtungen genannt), e) der Freistellung von der Arbeit zur notwendigen Betreuung der Kinder bei Erkrankung des Ehegatten f) des Schwangerschafts- und Wochenurlaubs, g) des Bezugs einer Mütterunterstützung, h) der vereinbarten unbezahlten Freistellung von der Arbeit bis zur Dauer von 3 Wochen.
Die Fallgestaltungen der Bst. a)- g) scheiden beim Kläger ersichtlich aus. In Betracht kommt nur die vom Kläger behauptete und vom Senat auch angenommene vereinbarte unbezahlte Freistellung von der Arbeit. Insoweit liegt eine unschädliche Unterbrechung der Sozialpflichtversicherung aber nur vor, als die Dauer von 3 Wochen nicht überschritten wird. Nachdem der Kläger jedoch ab 1. November 1989 von der Arbeit unbezahlt freigestellt worden ist – er hat nach seinen Angaben nur bis Oktober 1989 noch seinen Lohn erhalten – ist am 30. Juni 1990 die Dreiwochenfrist deutlich überschritten.
§ 4 S. 1 SVO ordnet an, dass bei vereinbarter unbezahlter Freistellung für länger als 3 Wochen und damit im Fall des Klägers ab Beginn der Freistellung und damit ab 1. November 1989 die Pflichtversicherung unterbrochen ist. Der Umstand, dass gemäß § 4 Satz 2 SVO ein Anspruch auf Sachleistungen für den Werktätigen und seine Familienangehörigen erhalten bleibt, ändert an der Unterbrechung des Vorliegens eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nichts. Zum Stichtag 30. Juni 1990 lag somit kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mehr vor mit der Folge, dass die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung des Klägers in die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz nicht erfüllt ist.
Für die Entscheidung unerheblich ist, ob der Kläger im Wege der Flucht oder der Übersiedlung die ehemalige DDR verlassen und wann er die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland erlangt hat. Unerheblich ist auch, wann sich der Kläger bei der Stadtverwaltung G-Stadt förmlich abgemeldet hat. Für die Frage, ob zwischen dem Kläger und dem VEB zum Stichtag 30. Juni 1990 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hat oder dieses unterbrochen wurde, ist der Umstand, wann und wo der Kläger seinen Wohnort angemeldet hatte, ohne jeden Belang. Die maßgeblichen, zu Bundesrecht gewordenen Bestimmungen der §§ 3, 4 SVO stellen auf alle diese Umstände nicht ab.
Schließlich steht auch die vom Kläger zur Stützung seiner Auffassung herangezogene Entscheidung des BSG vom 24. September 2008, Az. B 12 KR 27/07 R, in juris, dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Danach setzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus. Ausreichend ist auch, dass der Dienstverpflichtete bei Fortbestand des rechtlichen Bandes aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von seiner – damit jeweils als grundsätzlich weiterbestehend vorausgesetzten – Leistungspflicht befreit wird. Diese Rechtsprechung ist nicht einschlägig, da sie zu § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ergangen ist, der hier allerdings – wie ausgeführt – nicht anwendbar ist.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen hat der Senat nicht. Wegen der den gesamten Anwendungsbereich der Norm umfassenden Stichtagsregelung gilt auch im Rahmen des erweiternden Verständnisses des BSG, dass die genannten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Einbeziehung in die Zusatzversorgung gerade am 30. Juni 1990 erfüllt sein müssen. Personen, die wie der Kläger irgendwann einmal vor Schließung der Zusatzversorgungssysteme die damals geltenden Regeln für die Einbeziehung in Zusatzversorgungssysteme erfüllt hatten, tatsächlich aber nie rechtsgültig einbezogen wurden, sind bundesrechtlich ohne Gleichheitsverstoß nicht als Zugehörige der Zusatzversorgung anzusehen. Gesetzgebung und Rechtsprechung durften ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich an der zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundenen Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR anknüpfen und waren nicht etwa gehalten, die sich hieraus ergebende Ungleichheiten zulasten der heutigen Steuer- und Beitragszahler zu kompensieren (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. B 5 RS 5/09 R; BSG, Urteil vom 8. Juni 2004, Az. B 4 RA 56/03 R, beide Entscheidungen in juris).
Einen Verstoß gegen das in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Grundrecht auf Berufsfreiheit vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Der Schutzbereich dieser Norm ist bereits nicht verletzt. Der Kläger wird durch die Regelungen des AAÜG weder in seiner Befugnis, einen (konkreten) Arbeitsplatz nach eigener Wahl anzunehmen, beizubehalten und aufzugeben (BverfGE 85, 360/372 f.; 97,169/175; 108,150/165) noch in der Ausübung des Berufs, die die gesamte berufliche Tätigkeit (Form, Mittel, Umfang und Inhalt) umfasst, negativ tangiert. Schließlich ist dem Senat nicht einmal ansatzweise erkennbar, warum der Kläger durch die angefochtenen Bescheide in sonstigen Grundrechten verletzt sein könnte.
Die angefochtenen Bescheide sind damit rechtmäßig.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.


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