Arbeitsrecht

Zeitpunkt der rentenerhöhenden Berücksichtigung eines Versorgungsausgleichs

Aktenzeichen  L 13 R 88/20

Datum:
29.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40808
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 40, § 45
SGB VI § 101 Abs. 3, § 52 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1. Die sich aus dem Versorgungsausgleich ergebenden Zuschläge oder Abschläge sind von dem Kalendermonat an zu berücksichtigen, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist.
2. Abzustellen ist dabei auf die Rechtskraft der Entscheidung über die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den Regelungen des FamFG.
3. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich kann auch im Falle einer Teilanfechtung nur insgesamt wirksam werden und in Rechtskraft erwachsen.
Ist nach Beginn einer Altersrente ein Versorgungsausgleich zugunsten des Rentenberechtigten zu berücksichtigen, wird die Rente von dem Kalendermonat an erhöht, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. (redaktioneller Leitsatz)
Ein Versorgungsausgleich ist erst dann durchgeführt, wenn die Entscheidung des Familiengerichts rechtskräftig ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 10 R 197/19 2019-12-16 Urt SGREGENSBURG SG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 16. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat kann vorliegend mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Der Sachverhalt ist vollständig geklärt. Die Beteiligten haben ihre rechtliche Einschätzung mitgeteilt.
Die Berufung ist gemäß §§ 143,151 SGG zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist aber unbegründet. Die Neuberechnung der Altersrente des Klägers mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 30.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2019 sowie in der Fassung der Änderungsbescheide vom 25.03.2019 und 27.03.2019 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, vor dem 01.08.2018 eine Rente unter Berücksichtigung von Entgeltpunkten aus dem Versorgungsausgleich zu erhalten.
Der Kläger ist vorliegend durch Beschluss des Amtsgerichtes – Familiengericht – C-Stadt vom 28.08.2017 (Az.: 003 F 24/17) geschieden worden. Die Entscheidung über die Scheidung der Ehe (Ziffer 1 des Beschlusses) ist nach der Feststellung des Familiengerichts seit 09.01.2018 rechtskräftig, die Entscheidung über den Versorgungsausgleich (Ziffer 2 des Beschlusses) seit 17.07.2018. Die sich aus dem Versorgungsausgleich ergebenden Zuschläge oder Abschläge waren beim Kläger, der seit 01.12.2017 Altersrentner ist, daher erst von dem Kalendermonat an zu berücksichtigen, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist (§ 101 Abs. 3 Satz 1 SGB VI), das war vorliegend der 01.08.2018.
1. Die Entscheidung über die Durchführung des Versorgungsausgleichs beruht im Wesentlichen auf der Regelung in § 1587 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.d.F. vom 03.04.2009. Danach findet zwischen den geschiedenen Ehegatten nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge. Dabei ist im Fall des Klägers, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, mit Endbeschluss vom 28.08.2017 im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der geschiedenen Ehefrau des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund (Vers. Nr. …) zugunsten des Klägers ein Anrecht in Höhe von 19,3601 Entgeltpunkten (EP) auf das vorhandene Konto … bei der beklagten DRV Bayern-Süd, bezogen auf den 28.02.2017, übertragen worden. Umgekehrt ist zu Lasten des Anrechts des Klägers bei der Beklagten und zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 15,9260 EP auf deren Konto bei der DRV Bund, ebenfalls bezogen auf den 28.02.2017, übertragen worden. Das bedeutet, dass der Kläger im Ergebnis mit einem Anwartschaftsrecht in Höhe von 3,4341 EP Begünstigter des Ausgleichs der Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung war. An diese Entscheidung ist die Beklagte gebunden.
Allerdings waren im weiteren auch andere Anwartschaften auszugleichen, wobei das Familiengericht zunächst ein Teil des Anrechts des Klägers bei der C. -Lebensversicherung zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau übertragen hat (Endbeschluss vom 28.08.2017). Auf die Beschwerde des Klägers und nachdem hinsichtlich der Lebensversicherung eine gütliche Regelung zwischen den Eheleuten getroffen worden ist, ist schließlich anstelle dieser Regelung eine Regelung getroffen worden, wonach vom Anrecht der geschiedenen Ehefrau des Klägers bei der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden ein Anrecht in Höhe von 42,48 Versorgungspunkten übertragen worden ist (Beschluss vom 04.06.2018). Auch hieran ist die Beklagte jedenfalls insoweit gebunden, als damit der Versorgungsausgleich insgesamt erst mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 04.06.2008 wirksam geworden ist.
1.1. Wann eine gerichtlich getroffene Entscheidung über die Durchführung eines Versorgungsausgleichs wirksam wird, bestimmt sich nach den Regelungen des FamFG, hier insbesondere §§ 40 und 45 FamFG. Gemäß § 40 Abs. 1 FamFG wird ein Beschluss wirksam mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmt ist. Gemäß § 45 FamFG tritt die Rechtskraft eines Beschlusses nicht ein, bevor die Frist für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels oder des zulässigen Einspruchs, des Widerspruchs oder der Erinnerung abgelaufen ist. Der Eintritt der Rechtskraft wird dadurch gehemmt, dass das Rechtsmittel, der Einspruch, der Widerspruch oder die Erinnerung rechtzeitig eingelegt wird. Das VersAusglG regelt demgegenüber in §§ 7, 8 lediglich die Wirksamkeit außergerichtlich getroffener Regelungen und Vergleiche.
Vorliegend sind die Regelungen über den Versorgungsausgleich in Ziffer 2 des Beschlusses vom 28.08.2017 in der Fassung der weiteren Beschlüsse vom 28.11.2017 und 04.06.2018 insgesamt und nicht nur hinsichtlich des zunächst unterbliebenen Ausgleichs der Anwartschaften der Ehefrau des Klägers bei der Zusatzversorgung erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses vom 04.06.2018 wirksam geworden. Das war ausgehend von einer Bekanntgabe an die Beteiligten bis spätestens 15.06.2018 erst im Laufe des Juli 2018 der Fall. Ein Beschluss ist nach den Regelungen des FamFG erst dann formell rechtskräftig, wenn die Frist zur Einlegung eines ordentlichen Rechtsbehelfs abgelaufen ist. Auch wenn ein Rechtsmittel der Zulassung bedarf, wird der Beschluss erst dann rechtskräftig, wenn die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels abgelaufen ist (Feskorn in Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 45 FamFG, Rn. 2; BGH, Beschluss vom 06.08.2008 – XII ZB 25/07 -). Es ist daher vorliegend unerheblich, dass das OLG im Beschluss vom 04.06.2018 die Rechtsbeschwerde, die binnen eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses einzulegen gewesen wäre, nicht zugelassen hat.
Eine Teilanfechtung der Entscheidung in Ziffer 2 des Beschlusses vom 28.08.2017 hinsichtlich der Regelung zur internen Teilung des Anrechts aus der Lebensversicherung bei der C. Lebensversicherung AG ist weder vom Amtsgericht noch vom OLG Nürnberg angenommen worden. Andernfalls wäre der Ausspruch über die Durchführung des Versorgungsausgleichs in dem das Beschwerdeverfahren abschließenden Beschluss vom 04.06.2018 nicht insgesamt neu gefasst worden.
1.2. Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht bereits hieraus eine Bindungswirkung für die Beklagte und den Senat folgt. Dahingestellt bleiben kann auch, ob die Auslegung ergibt, dass der Kläger selbst seine Beschwerde gegen den Beschluss vom 28.08.2017 in der Fassung des klarstellenden weiteren Beschlusses vom 28.11.2017 auf die Regelung zur internen Teilung des Anrechts aus der Lebensversicherung bei der C. Lebensversicherung AG beschränkt hat (zu Möglichkeit und Grenzen der Teilanfechtung, vgl. etwa BGH, Beschluss vom 03.02.2016 – XII ZB 629/13 -, juris mwH und Norpoth/Sasse in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1587 BGB Rn. 25f, ebenfalls mwH). Denn auch in diesem Fall wäre die Entscheidung über den Versorgungsausgleich hinsichtlich des nicht angefochtenen Teils nicht vorzeitig in Rechtskraft erwachsen. Dies wird damit begründet, dass sich zumindest die Ehegatten grundsätzlich mit einer zeitlich unbefristeten Anschlussbeschwerde nach § 66 FamFG gegen alle Teile der erstinstanzlichen Entscheidung zum Versorgungsausgleich wenden können, durch die sie beschwert sind, auch wenn sich das Hauptrechtsmittel nicht darauf bezieht (BGH, a.a.O., vgl. auch Feskorn in Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 66 FamFG, Rn. 4). Teilweise wird sogar die Auffassung vertreten, dass das Beschwerdegericht auch im Falle einer Teilanfechtung ohnehin zu einer umfassenden Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Versorgungsausgleich nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist (OLG Oldenburg, Beschluss vom 29.08.2012 – 14 UF 22/11 -, juris). Vorliegend ist mit dem Beschluss vom 04.06.2018 erstmals eine Regelung zur Aufteilung der Versorgungsbezüge der geschiedenen Ehefrau des Klägers zu deren Lasten getroffen worden, gegen den diese bis zur Rechtskraft noch hätte Rechtsmittel einlegen können. Damit konnte auch die Entscheidung über den Versorgungsausgleich nur insgesamt wirksam werden und in Rechtskraft erwachsen.
2. Der Rentenbescheid war daher mit Beginn des Folgemonats aufzuheben, in dem die Rechtskraft eingetreten ist. Das war vorliegend ab dem 01.08.2018 der Fall. Die Einschränkungen der Regelungen in §§ 24 und 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) finden dabei keine Anwendung.
Die Ausführungen zur Bindung der Beklagten an die Umsetzung des Versorgungsausgleichs durch die Bayerische Versorgungskammer sind schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil diese dem Kläger mit Schreiben vom 26.09.2018 mitgeteilt hat, dass seine Rente aus dem bei der Bayerischen Versorgungskammer bestehenden Versicherungsverhältnis ebenfalls mit dem auf die Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung folgenden Monat, also dem 01.08.2018 zu erhöhen ist. Allerdings trifft jeder Versorgungsträger die Entscheidung über die Umsetzung des Versorgungsausgleichs aufgrund der jeweils geltenden Rechtsvorschriften in eigener Verantwortung.
Dass die Beklagte die sich aus der Durchführung des Versorgungsausgleichsausgleichs ergebenden Zuschläge unzutreffend umgesetzt hat, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Gleiches gilt für die Neuberechnung aufgrund des nachgezahlten Arbeitslosengeldes (Änderungsbescheide vom 25.03.2019 und 27.03.2019).
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.


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