Arbeitsrecht

Zeitpunkt des Versorgungsfalleintritts

Aktenzeichen  3 B 18.2496

Datum:
19.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9579
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 71 Abs. 3
BayBeamtVG Art. 11 Abs. 1 S. 2, Art. 23 Abs. 1

 

Leitsatz

Tritt eine Beamtin/ein Beamter mit dem Ende des Monats in den Ruhestand, so tritt der Versorgungsfall am letzten Tag dieses Monats ein (entgegen BVerwG, B.v. 7.12.2015 – 2 B 79.14 – juris). (Rn. 13)

Verfahrensgang

RN 1 K 15.1304 2016-01-20 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), hat in der Sache keinen Erfolg. Der Festsetzung der Ruhestandbezüge des Klägers ist die Rechtslage am 31. Dezember 2014 zugrunde zu legen, weil dieser an diesem Tag in den Ruhestand getreten ist. Die Festsetzung des Ruhegehalts mit Feststellungsbescheid vom 4. Februar 2015 und Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2015 ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Im Beamtenversorgungsrecht ist grundsätzlich das bei Eintritt des Versorgungsfalls geltende Recht maßgeblich (stRspr, BVerwG, U.v. 12.11.2009 – 2 C 29.08 – juris Rn. 9; B.v. 19.8.2010 – 2 C 34.09 – juris Rn. 16 f.; U.v. 25.8.2011 – 2 C 22.10 – juris Rn. 8 und B.v. 5.3.2019 – 2 B 36.18 – juris Rn. 8 m.w.N.). Dementsprechend schreibt Art. 11 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG vor, dass der Anspruch auf Ruhegehalt mit dem Beginn des Ruhestands entsteht, und normiert damit nicht nur den Ruhegehaltsanspruch, sondern erklärt zugleich auch die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Ruhestands für die Berechnung des Ruhegehaltsanspruchs für maßgeblich (vgl. OVG LSA, B.v. 18.10.2018 – 1 L 112/18 – juris Rn. 5 u.a. zu der gleichlautenden bundesrechtlichen Bestimmung des § 4 Abs. 2 BeamtVG).
a. Wann der Ruhestand beginnt, ergibt sich aus den statusrechtlichen Regelungen des Bayerischen Beamtengesetzes (Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Oktober 2019, Art. 11 BayBeamtVG Rn. 18). Danach beginnt der Ruhestand bei Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit gemäß Art. 71 Abs. 3 BayBG (von – hier allerdings nicht einschlägigen – Ausnahmen abgesehen) mit dem Ende des Monats, in dem die Verfügung über die Versetzung in den Ruhestand zugestellt worden ist. Hier also mit Ende des 31. Dezember 2014 um 24:00 Uhr (Thomsen in BeckOK Beamtenrecht, Stand: Feb. 2019, § 25 BeamtStG Rn. 13).
Der Versorgungsfalleintritt ist damit zwar im Übergang von einem Tag zum nächsten angesiedelt. Gleichwohl ist das Ereignis des Versorgungsfalls einem bestimmten Tag, dem Monatsletzten oder dem Monatsersten zuzuordnen, weil zwischen 24:00 Uhr bzw. 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde existiert (BGH, B.v. 8.5.2007 – VI ZB 74/06 – juris Rn. 12).
b. Die erforderliche Zuordnung hat nach Auffassung des Senats zum Monatsletzten zu erfolgen. Durch die Formulierung „mit dem Ende“ hat der bayerische Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass der Versorgungsfall rechtlich noch dem abgelaufenen Monat zurechnet werden soll. Davon geht auch die zivilrechtliche Rechtsprechung aus. Der Bundesgerichtshof hat im Falle einer Ruhestandsversetzung „mit Ablauf des 30. November 2012“ entschieden, dass der Zeitpunkt des Ablaufs eines Tages noch zu diesem Tag gehört und damit rechtlich dem abgelaufenen Monat und nicht dem ersten Tag des Folgemonats zuzurechnen ist (U.v. 16.11.2016 – IV ZR 356/15 – juris Rn. 20 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 26.8.1968 – VI C 3.68 – juris Rn 9). Auch das Bundesarbeitsgericht geht von diesem Verständnis aus. Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis am 30. Juni eines Kalenderjahres endet, scheidet noch in der ersten Jahreshälfte aus (stRspr, U.v. 16.6.1966 – 5 AZR 521/65 – juris; zuletzt: U.v. 27.6.2018 – 10 AZR 290/17 – juris Rn. 45; zustimmend: Ellenberger in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Aufl. 2020, § 188 Rn. 5; Grothe in Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 188 Rn. 2). Dies entspricht auch der Fristenregelung der §§ 186, 188 BGB.
Dieser Auffassung steht nicht entgegen, dass der Kläger damit in einem Monat – wenn auch nur punktuell am 31. Dezember 2014 um 24:00 Uhr – sowohl aktiver Beamter als auch Ruhestandsbeamter war. Es gibt keinen Rechtssatz, der dem entgegensteht. Auch das Besoldungsrecht verlangt keine andere Beurteilung. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayBesG endet der Anspruch auf Besoldung grundsätzlich mit Ablauf des Tages, an dem das Dienstverhältnis endet. Der Beamte bezieht also für diesen letzten Tag noch Besoldung, erst im nächsten Monat Ruhegehalt (zum Bundesrecht: Heid in BeckOK Beamtenrecht, Stand: August 2019, § 47 BBG Rn. 19). Damit wird die durch Art. 71 Abs. 3 BayBG vorgegebene Statusänderung zum Ende des Monats nachvollzogen.
Auch Sinn und Zweck verlangen nicht eine Behandlung des Versorgungsfalls nach den vom Ersten des nachfolgendes Monats an geltenden Gesetzen. Denn der innere Grund für den Versorgungsfall (das Erreichen der Altersgrenze bzw. das Auftreten von Dienstunfähigkeit) ist schon im vorausgegangenen Monat eingetreten (Heydemann, NVwZ 2016, 394/395). Die Änderung des Art. 23 Abs. 1 BayBeamtVG durch Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaats Bayern für die Haushaltsjahre 2015/2016 vom 17. Dezember 2014 (GVBl. S. 511) sollte die im Rentenrecht zum 1. Juli 2014 erfolgte Verbesserung der Zurechnungszeit bei Erwerbsminderungsrenten auf die bayerische Beamtenversorgung übertragen und für alle Beamten und Richter gelten, die nach dem 1. Januar 2015 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden (Kazmaier a.a.O. Art. 23 Rn. 4 unter Hinweis auf LT-Drs. 17/2871). Auch wenn die Drucksache nicht mehr auf der Homepage des Bayerischen Landtags aufgerufen werden kann, kann ihr Inhalt anhand des Bayerischen Rechts- und Verwaltungsreports vom 17. September 2014
(abrufbar unter https://.de/…-eingebracht/, zuletzt aufgerufen am 17.3.2020)
nachvollzogen werden: „Bei Ruhestandsversetzungen wegen Dienstunfähigkeit nach dem 31. Dezember 2014 soll die Zurechnungszeit vom 60. auf das 62. Lebensjahr ausgedehnt werden.“) Der bayerische Gesetzgeber wollte also ersichtlich die Personengruppe der zum 31. Dezember 2014 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand tretenden Beamten von der Rechtsänderung noch nicht erfassen.
c. Demgegenüber vertritt der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung, dass das Ereignis des Versorgungsfalls dem Monatsersten zuzuordnen ist (vgl. zuletzt: BVerwG, B.v. 7.12.2015 – 2 B 79.14 – juris; Reich, Beamtenversorgungsgesetz, 2. Aufl. 2019, § 4 Rn. 13).
Er sei zwar in seinem Urteil vom 9. Februar 1961 (II C 142.59 – BVerwGE 12, 46) davon ausgegangen, dass der Versorgungsfall regelmäßig mit dem Ende des Monats und vor dem Ersten des folgendes Monats eintrete. Die dortige Klägerin war auf ihren Antrag wegen Dienstunfähigkeit „mit Ende des Monats Juni 1937 in den Ruhestand“ versetzt worden. Zu entscheiden war, ob der Versorgungsfall „nach dem 30. Juni 1937“ [vgl. § 21 Abs. 2 des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni 1954 (GV. NRW. S. 162/165) ] eingetreten war. Diesem Urteil sei jedoch durch nachfolgende Entscheidungen (U.v. 25.6.2009 – 2 C 47.07 – juris Rn. 12; U.v. 12.11.2009 – 2 C 29.08 – juris Rn. 9; B.v. 19.8.2010 – 2 C 34.09 – juris Rn. 17) die Grundlage entzogen worden. Das Urteil aus dem Jahre 1961 habe dem eindeutigen Wortlaut der damals streitentscheidenden Norm (s.o.) nicht die gebührende Bedeutung beigemessen und der in ihm vertretene Ansatz sei auch deswegen nicht tragfähig, weil er eine logische Sekunde zwischen den Monaten fingiere. Diese Einwände sind insoweit nachvollziehbar, als sich das Bundesverwaltungsgericht seinerzeit nicht am Wortlaut der Bestimmung („Versorgungsberechtigte, bei denen der Versorgungsfall nach dem 30. Juni 1937 eingetreten ist“) orientierte, sondern einen nicht näher begründeten allgemeinen Rechtsgrundsatz bemühte, wonach die Versetzung in den Ruhestand und die Höhe des Ruhegehalts sich nach dem Recht regeln, das dem Beamtenverhältnis unmittelbar vor, also bis zu dem Eintritt des betroffenen Beamten in den Ruhestand zugrunde lag. Richtig ist auch, dass das Bild der „logischen Sekunde“ hier nicht weiterhilft (Heydemann a.a.O. S. 395) Damit steht aber nur fest, dass die Begründung seinerzeit nicht tragfähig war. Eine Begründung, warum die erforderliche Zuordnung zum Monatsersten erfolgen muss, geben jedoch weder die als ständige Rechtsprechung des 2. Senats zitierten Entscheidungen aus den Jahren 2009 und 2010 noch die Entscheidung vom 7. Dezember 2015 (a.a.O.). Der Senat vermag sich daher der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den hier zu entscheidenden Fall nicht anzuschließen.
c. Es verbleibt somit bei der Zuordnung zum Monatsletzten, die sich in erster Linie am Wortlaut der Bestimmung orientiert (siehe 1.b.).
2. Der Beklagte hat dem Versorgungsfeststellungsbescheid vom 4. Februar 2015 zutreffend die Rechtslage zum 31. Dezember 2014 zugrunde gelegt. Die zum 1. Januar 2015 mit Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaats Bayern für die Haushaltsjahre 2015 und 2016 (Haushaltsgesetz 2015/2016 – HG 2015/2016) vom 17. Dezember 2014 (GVBl. S. 511) geänderte Fassung des Art. 23 Abs. 1 BayBeamtVG kommt nicht zur Anwendung. Dass die ihm derzeit gewährten Versorgungsbezüge formal und rechnerisch der Rechtslage zum 31. Dezember 2014 entsprechen, stellt der Kläger nicht in Abrede. Auch für den Senat sind keine Rechtsanwendungsfehler ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
4. Die Revision war zuzulassen, weil das Urteil im Hinblick auf den Zeitpunkt des Versorgungsfalleintritts von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht (B.v. 7.12.2015 – 2 B 79.14 – juris) und auf dieser Abweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).


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