Arbeitsrecht

Zins- und Tilgungsraten sind kein nachehelicher Unterhalt, der für einen Familienzuschlag berechtigt

Aktenzeichen  AN 1 K 19.00948

Datum:
7.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 11993
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 69 Abs. 1
BayBesG Art. 36 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
BGB § 1585, § 1585c

 

Leitsatz

Eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt „aus der Ehe“ ist nicht anzunehmen, wenn die konkrete Unterhaltsverpflichtung durch eine Kapitalabfindung abgelöst wurde, da mit Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung die Unterhaltspflichten des Ehegatten erloschen sind. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid vom 11. März 2019 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 11. April 2019 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, da dem Kläger kein Anspruch auf Familienzuschlag der Stufe 1 wegen der Zahlung nachehelichen Unterhaltes zusteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Die Voraussetzungen der Art. 69 Abs. 1 BayBeamtVG, Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBesG liegen nicht vor, da der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 31. August 2021 aus der Ehe nicht zum Unterhalt verpflichtet ist.
Der Kläger bezieht ein Ruhegehalt. Nach Art. 69 Abs. 1 BayBeamtVG finden auf den Familienzuschlag die für Beamte und Beamtinnen geltenden Vorschriften des Bayerischen Besoldungsgesetzes Anwendung.
Zur Stufe 1 des Familienzuschlages gehören geschiedene Beamte und Beamtinnen sowie Beamte und Beamtinnen, deren Ehe oder Lebenspartnerschaft aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, wenn sie gegenüber dem früheren Ehegatten oder dem früheren Lebenspartner im Sinn des § 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes aus der letzten Ehe oder Lebenspartnerschaft zum Unterhalt verpflichtet sind und diese Unterhaltsverpflichtung mindestens die Höhe des Betrags der Stufe 1 der maßgebenden Besoldungsgruppe erreicht, Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBesG. Die Gewährung von Familienzuschlag hat die Funktion, eine Kompensation der laufenden Unterhaltsbelastung des Beamten sicherzustellen.
Was unter der gesetzlichen Formulierung „aus der letzten Ehe oder Lebenspartnerschaft zum Unterhalt verpflichtet“ zu verstehen ist, richtet sich mangels eigenständiger Regelung im Besoldungsrecht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (BVerwG, U.v. 12.3.1991 – 6 C 51/88 – juris Rn. 25).
Es kann letztlich dahinstehen, ob die geschiedene Ehefrau des Klägers für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Unterhaltsanspruch gegen ihn hat, §§ 1569 ff. BGB, da eine etwaige Unterhaltspflicht mit Abschluss des Anwaltsvergleiches erloschen ist.
In der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 12.3.1991 – 6 C 51/88 – juris Rn. 29; BVerwG, U.v. 30.1.2003 – 2 C 5 /02 – NJW 2003, 1886; VG Ansbach, U.v. 11.3.2015 – AN 11 K 14.00768 – juris Rn. 25), der sich die erkennende Kammer anschließt, ist anerkannt, dass eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt „aus der Ehe“ nicht anzunehmen ist, wenn die konkrete Unterhaltsverpflichtung durch eine Kapitalabfindung abgelöst wurde (BVerwG, U.v. 30.1.2003 – 2 C 5/02 – NJW 2003, 1886), da mit Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung, wovon vorliegend auch der Kläger Gebrauch gemacht hat, die Unterhaltspflichten des Ehegatten erloschen sind, §§ 1585 Abs. 1 und 2, 1585c BGB.
Die in § 2 des Anwaltsvergleiches vorgesehene Kapitalabfindung in Höhe von 12.000,00 EUR sollte nach dem Willen der Vertragsparteien einen möglichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau des Klägers zum Erlöschen bringen (§ 1585 Abs. 2 BGB). Das ist mit der unbestrittenen Zahlung des Betrags durch den Kläger an seine geschiedene Ehefrau geschehen (§ 362 Abs. 1 BGB).
Die Unterhaltspflicht ist außerdem dadurch weggefallen, dass die geschiedene Ehefrau in § 3 des Anwaltsvergleiches auch auf jeglichen nachehelichen Unterhalt ausdrücklich verzichtet hat. Da der Kläger nach dem bürgerlichen Recht nicht zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet ist, hat er keinen Anspruch auf den Familienzuschlag der Stufe 1.
Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die vorliegende Fallgestaltung eine Abweichung zu der zuvor zitierten Rechtsprechung dahingehend aufweist, dass der Kläger neben einer einmaligen Abfindungszahlung zusätzlich monatlich zu zahlende Zins- und Tilgungsraten eines Darlehens zu tragen hat. In den zuvor genannten Entscheidungen leistete der Kläger jeweils lediglich eine einmalige Abfindungszahlung, ohne darüber hinaus weitere Zahlungen an den geschiedenen Ehegatten oder einen Dritten zu erbringen.
Die in dem Anwaltsvergleich getroffenen Regelungen sind nach Auffassung der Kammer insgesamt einer einmaligen Kapitalabfindung gleichzusetzen.
Die geschiedene Ehefrau des Klägers haftete als Gesamtschuldnerin gemeinsam mit dem Kläger für die Verbindlichkeiten aus dem Darlehen vom 9. September 2013. Mangels abweichender Regelungen waren die geschiedene Ehefrau des Klägers und der Kläger sowohl im Außen- (§ 420 BGB) als auch im Innenverhältnis (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu gleichen Teilen verpflichtet, d.h. sie hatten die Darlehenssumme je zur Hälfte zu tragen. Hierfür spricht auch, dass in § 1 des Anwaltsvergleiches davon ausgegangen wird, dass die Beteiligten die Zins- und Tilgungsrate je zur Hälfte zu tragen hatten.
Die Kammer folgt jedoch der Auffassung des Klägers nicht, dass in dem Anwaltsvergleich vereinbart worden sei, dass jedenfalls die monatlich zu zahlenden Zins- und Tilgungsleistungen als Unterhaltsleistung anzusehen seien. Hierfür könnte sprechen, dass gemäß der Vorbemerkung des Anwaltsvergleiches dieser zur Beilegung eines Streites über nacheheliche Unterhaltsansprüche abgeschlossen wurde. Zudem wurden die Regelungen zur Darlehensübernahme durch den Kläger in § 1 des Anwaltsvergleiches und die einmalige Abfindungszahlung in § 2 des Anwaltsvergleiches voneinander getrennt geregelt und in § 3 des Anwaltsvergleiches vereinbart, dass darüber hinaus auf jedweden nachehelichen Unterhalt verzichtet wird.
Trotz dieser Ausgestaltung stellen die monatlichen Zahlungen des Klägers bezüglich des Darlehens jedoch keine monatlichen Unterhaltsleistungen dar. Aufgrund des Anwaltsvergleiches erfolgte letztlich eine Haftungsentlassung für die geschiedene Ehefrau des Klägers bezüglich des Darlehens vom 9. September 2013. Demnach sind die vertraglichen Zahlungspflichten der geschiedenen Ehefrau des Klägers aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB erloschen. Zwar wurde an die geschiedene Ehefrau des Klägers keine tatsächliche Geldleistung in Form einer Abfindungszahlung erbracht, jedoch ist das Erlöschen der Zahlungsverpflichtung der geschiedenen Ehefrau aus Sicht der Kammer mit einer Abfindungszahlung gleichzusetzen. Grund hierfür ist, dass eine Inanspruchnahme der geschiedenen Ehefrau des Klägers bezüglich des Darlehens nicht mehr in Betracht kommt, da der Kläger alleine in sämtliche Rechte und Pflichten des Darlehensvertrages, sei es im Wege einer Vertragsübernahme gem. §§ 398 ff. und 414 ff. BGB entsprechend (Heinig in BeckOGK/BGB, Stand: 1.3.2020, § 414 Rn. 40) oder einer Schuldübernahme gem. §§ 414 ff. BGB, eingetreten ist. Die darlehensgebende Bank hat in Folge der getroffenen Vereinbarung die geschiedene Ehefrau des Klägers mit Schreiben vom 23. Januar 2019 aus der gesamtschuldnerischen Mithaft für das Darlehen entlassen. Dies ist aus Sicht der Kammer mit einer Abfindungszahlung gleichzusetzen, auch wenn diese in Form einer atypischen Leistung durch die Befreiung der Ehefrau des Klägers von weiteren Zahlungsverbindlichkeiten erbracht worden ist.
Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kläger die Darlehensraten weiterhin monatlich zu zahlen hat. Zwar kann ein Dritter schuldbefreiend an den Gläubiger Leistungen bewirken, §§ 362 Abs. 2, 185 BGB, jedoch ist die Zahlungsverpflichtung der Ehefrau des Klägers zum 1. Januar 2019 erloschen. Diese Zahlungen stellen somit lediglich den tatsächlichen Vollzug einer alleine den Kläger treffenden Zahlungsverpflichtung dar und können daher nicht als monatliche Unterhaltsleistung angesehen werden.
Weiterhin spricht gegen die Behandlung der monatlichen Zins- und Tilgungsratenzahlungen des Klägers als monatliche Unterhaltsleistung, dass der Kläger deren Dauer durch die in Ziffer 14 des Darlehensvertrages vom 9. September 2013 für zulässig erklärten Sondertilgungen bzw. eine sofortige Ablöse, gegebenenfalls gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB, verkürzen könnte. Dadurch könnte der Kläger jedoch die Dauer der Unterhaltsleistung beeinflussen, was ebenfalls gegen eine Anerkennung als Unterhaltsleistung spricht.
Letztlich steht dem Kläger auch kein Anspruch aus einer vorhergehenden Beratung bzw. einer Zusicherung zu. Aus den beiden Schreiben vom 9. März 2017 (Bl. 153 der Behördenakte) und 27. März 2018 (Bl. 230 der Behördenakte) geht nicht hervor, dass der Beklagte dem Kläger zum Abschluss des Anwaltsvergleiches geraten habe, vielmehr enthalten die Schreiben lediglich allgemeine rechtliche Hinweise. Insbesondere ergibt sich aus den vorgelegten Behördenakten nicht, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger erklärt habe, dass die Regelungen in dem Anwaltsvergleich einen Anspruch auf Gewährung des Familienzuschlages der Stufe 1 begründen könnten.
Eine Zusicherung scheitert vorliegend jedenfalls daran, dass eine solche nicht schriftlich erteilt wurde, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, zumal sich in den vorgelegten Behördenakten hierzu nichts findet. Inwieweit dem Kläger daher seitens eines Sachbearbeiters weitergehende Auskünfte erteilt worden sein mögen, ist daher nicht von Entscheidungsrelevanz.
Zudem wurde der Anwaltsvergleich dem Beklagten vor Abschluss offensichtlich nicht zur Prüfung vorgelegt, so dass auch diesbezüglich keine Ansprüche hergeleitet werden können.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


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