Bankrecht

Abtretung, Widerruf, Darlehensvertrag, Widerrufsrecht, Streitwert, Kommanditist, Darlehen, Vollstreckung, Zustimmung, Verbraucherdarlehen, Verbraucher, Schuldbeitritt, Zeitpunkt, Haftung, Kosten des Rechtsstreits, analoge Anwendung, vorformulierte Klausel

Aktenzeichen  3 O 7237/20

Datum:
3.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49595
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.100.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2020 zu zahlen.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss.
Der Streitwert wird auf 1.100.000,00 € festgesetzt

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Der klägerische Anspruch folgt aus dem von der Beklagten abgegebenen und an die Klägerin abgetretenen Garantieerklärung in Verbindung mit § 311 I BGB.
A.
I.
1. Bei der streitigen Vereinbarung handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts um den Abschluss eines selbstständigen Garantievertrages. Die Haftung, die dem Beklagten auferlegt ist, ist in den als Anlage K 1 und K 5 vorgelegten Verträgen jeweils als Garantie respektive Garantievertrag unter Nennung von § 311 BGB bezeichnet. Der zweite Vertrag vom 22.12.2017 enthält in Ziffer 1 sogar eine Definition des Garantievertrages (“Garantievertrag meint den zwischen, unter anderem, dem Garantiegeber und der Begünstigten abgeschlossenen Garantievertrag vom 9. November 2017“). Dem einheitlich auf eine Garantie hindeutenden Wortlaut kommt deshalb eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Bei dieser Sachlage bedürfte es gewichtiger Umstände, um ein vom Wortlaut abweichendes Verständnis der Erklärung, etwa als Bürgschaft oder als Schuldbeitritt, zu rechtfertigen (BGH NJW 2006, 996). Solche sind hier nicht erkennbar. Die Parteien gehen in ihren Schriftsätzen im Übrigen selbst vom Vorliegen eines Garantievertrages beziehungsweise einer Garantieverpflichtung aus (vgl. etwa Klageschrift Bl. 7 d.A., Klageerwiderung, Bl. 32 d.A.).
2. Der Eintritt des Garantiefalls ist zwischen den Parteien unstreitig, ebenso die wirksame Forderungsabtretung im Wege Übertragungsvereinbarung vom 05.12.2017 an die Klägerin.
II.
Ob es sich bei der gegenständlichen Garantieerklärung um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt und der Beklagte Verbraucher im Sinne von § 310 III, 13 BGB ist, konnte an dieser Stelle offen bleiben. Selbst wenn man insoweit von allgemeinen Geschäftsbedingungen und einer Verbrauchereigenschaft ausgehen wollte, ist die streitgegenständliche Garantieklausel nicht gemäß § 307 I, II BGB unwirksam.
1. Gemäß § 307 I 1 BGB sind AGB-Klauseln unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Für die Beurteilung der Angemessenheit von AGB kommt es in erster Linie auf eine sorgfältige und alle Umstände des Falles in Betracht ziehende Ermittlung der Interessen an. Zu prüfen ist also zunächst, welches Interesse der Verwender an der Aufrechterhaltung der AGB-Klausel hat und welches die Gründe sind, die umgekehrt aus Sicht des Kunden für den Wegfall der Klausel und deren Ersetzung durch die nach § 306 II BGB maßgebliche Regelung bestehen (MüKo BGB/Wurmnest 8. Aufl. 2019 § 307 BGB Rn. 34 f.). Der gesamte Vertragsinhalt einschließlich der Individualvereinbarung ist bei der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen; eine Kompensation von Vor- und Nachteilen ist jedenfalls dann zulässig, wenn es sich um sachlich zusammengehörende Regelungen handelt, die zueinander in einem Wechselverhältnis stehen (BGH NJW 2003, 889).
Bei der Festlegung von Art und Umfang des gesetzlich nicht geregelten Garantieversprechens ist der Vertragspartner des Klauselverwenders zudem in besonderem Maße darauf angewiesen, dass ihm der Vertrag ein vollständiges und wahres Bild des Inhalts seiner Verpflichtung vermittelt und ihn so zu einer sachgerechten Wahrnehmung seiner Verhandlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten befähigt (BGH NJW 2006, 996).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen benachteiligt die gegenständliche Garantieerklärung den Beklagten weder unangemessen noch vermittelt sie ihm ein unvollständiges oder unwahres Bild des Inhalts seiner Verpflichtung.
a) Der Beklagte bringt in diesem Zusammenhang vor, dass er auf der einen Seite als Privatperson für mehr als eine Million Euro haften solle, im Gegenzug selbst aber nichts erhalte. Dem ist insoweit zu folgen, als dass die von ihm übernommene Garantieverpflichtung ohne jeden Zweifel infolge der drohenden finanziellen Belastung für ihn nachteilhaft ist. Es verbietet sich jedoch nach dem soeben Ausgeführten eine isolierte Betrachtung der Garantieverpflichtung. Vielmehr ist die Garantieverpflichtung im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung an die … zu betrachten. Nach Überzeugung des Gerichts wird der „isoliertbetrachtete“ Nachteil für den Beklagten durch das der … gewährte Darlehen kompensiert.
Dabei ist zunächst folgender Umstand zu berücksichtigen: Der Beklagte räumt selbst ein, dass „seinem Unternehmen“ Mittel zur Verfügung gestellt worden sind (Bl. 74 d.A.). Wenn er im selben Zug darauf abstellt, dass dieses Unternehmen mittlerweile nicht mehr sein Unternehmen sei, verkennt er, dass für die Feststellung der unangemessenen Benachteiligung oder deren Fehlen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist (BGH NJW 2010, 2041, NJW-RR 2012, 1312). Dass er – wenn auch nur mittelbar – womöglich nachträglich nicht mehr von der Darlehensgewährung profitiert haben mag, ist deshalb ohne Belang. Dass er jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mittelbar von dem Darlehen profitiert hat, ergibt sich aber schon aus seinem eigenen Vorbringen, seinem Unternehmen seien Mittel zur Verfügung gestellt worden. Hierfür spricht weiter, dass der Beklagte selbst im Rahmen der gegenständlichen Verträge (Anlage K 1, unter Vorbemerkungen (D), Anlage K 5 unter Vorbemerkungen €) als „ultimativer wirtschaftlicher Eigentümer“ von … und damit der Darlehensnehmerin bezeichnet wird. Unter diesem Gesichtspunkt vermag das Gericht dem Vortrag des Beklagten, ihm selbst seien keine Vorteile zugeflossen, nicht zu folgen. Wird dem ultimativen, wirtschaftlichen Eigentümer einer Gesellschaft oder Gruppe ein Darlehen in Höhe eines zweistelligen Millionenbereichs zur Verfügung gestellt, stellt dies nach Auffassung des Gerichts ohne jeden Zweifel eine angemessene Kompensation für die persönlich übernommene Garantie dar. Dass der Beklagte selbst unmittelbar keine Kompensation erhalten hat oder – wie er im Rahmen der mündlichen Verhandlung angab – jahrelang unentgeltlich in der Gesellschaft tätig gewesen sei (Bl. 111 dA) ist vor diesem Hintergrund unschädlich: Folgte man dieser engen Argumentation, wäre die fomularmäßige Übernahme einer jeden Bürgschaft im Zweifel unangemessen im Sinne von § 307 I BGB, da ein Bürge in der klassischen Konstellation regelmäßig selbst nie unmittelbare Vorteile aus seiner Verpflichtung zieht. Die Vereinbarung von Drittsicherheiten im Rechtsverkehr würde dadurch nahezu unmöglich gemacht.
Hinzu kommt, dass die Finanzierung des von dem Beklagten entwickelten Geschäftsmodells ohne die Darlehensgewährung nach unbestrittenem Vortrag unter keinen Umständen möglich gewesen wäre. Diesem Vortrag der Klagepartei (Bl. 47 d.A.) ist der Beklagte nicht entgegengetreten. Der Beklagte hat demnach zumindest mittelbar insoweit einen Vorteil erlangt, als die Darlehensgewährung an die … die Finanzierung des von ihm entwickelten Geschäftsmodells erst möglich gemacht oder jedenfalls wesentlich dazu beigetragen hat. Die Erweiterung der ursprünglich übernommenen Garantie in Höhe von 500.000 € auf 1,1 Mio. € trug dabei dem Umstand Rechnung, dass auch der Kreditrahmen erhöht worden war Wägt man die Interessen der Parteien ab, überwiegt hier das Interesse der Klägerin am Fortbestand der Garantieerklärung: Die Erklärung diente nach unbestrittenem Klagevortrag der Abfederung des Insolvenzrisikos bei der Kreditgewährung an die haftungsbeschränkte …. Bei der Gewährung eines Darlehens in Höhe von bis zu 35 Mio. € erscheint dies als legitimer Zweck und die Höhe der Garantiesumme (1.1 Mio. €) im Verhältnis hierzu als überschaubares Risiko auf Seiten des Beklagten. Dabei verkennt das Gericht selbstredend nicht, dass eine Summe von 1.1 Mio. € für eine Privatperson eine erhebliche Belastung darstellt. Für den Darlehensgeber stellt dies im vorliegenden Fall jedoch lediglich eine minimale Kompensation für den Forderungsausfall dar (3,4% der Darlehenssumme), der im Übrigen tatsächlich eingetreten ist. Für den Beklagten stellte die Garantieerklärung nach dem beiderseitigen Parteivorbringen zumindest mittelbar die Möglichkeit dar, der … das großvolumige Darlehen zu ermöglichen und damit das vom Beklagten entwickelte Geschäftsmodell zu finanzieren. Dass dieses Geschäftsmodell – mit dem der Beklagte nach seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung einen Beitrag im Rahmen der erneuerbaren Energien leisten wollte – sich nachträglich womöglich nicht so entwickelt hat, wie der Beklagte dies vorgesehen hatte, darf nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Dies entspricht dem allgemeinen Risiko im geschäftlichen Verkehr.
Eine Konnexität zwischen Garantieübernahme und Darlehensgewährung ist angesichts dieser Umstände zu bejahen.
Für das bislang gefundene Ergebnis lässt sich zuletzt noch folgender Aspekt anführen: Der BGH (NJW 2006, 996 Rn. 31) hat im Rahmen der AGBrechtlichen Angemessenheitsbeurteilung einer Garantieabrede entschieden, dass diese bestimmen könne, dass der Gläubiger auch für den Fall schadlos gehalten werden solle, dass die Forderung, für die sie bestellt ist, nicht zur Entstehung gelangt oder untergegangen ist. Wenn sogar für diesen Fall kein Haftungsungleichgewicht im Sinne von § 307 I BGB gegeben ist, muss dies erst recht im hiesigen Rechtsstreit gelten: Denn hier wurde der durch die Garantieübernahme isoliert betrachtete Nachteil des Garantiegebers nach dem soeben Ausgeführten kompensiert.
b) Der Garantievertrag vermittelt dem Beklagten ein vollständiges und wahres Bild des Inhalts seiner Verpflichtung. Bedenken wurden insoweit seitens des Beklagten nicht vorgebracht. Der Inhalt der Garantie ist klar umschrieben. Ferner wird der Sachverhalt genannt, der die Garantieverpflichtung auslöst und als „Garantiefall“ definiert. Auch die Modalitäten des Garantiefalls, wie etwa der Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung sind klar und verständlich bestimmt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Transparenzbedarf im Hinblick darauf, dass der Beklagte Geschäftsführer und mittelbarer Gesellschafter der Darlehensnehmerin … im Zeitpunkt der Garantieübernahme war, nicht so hoch anzusetzen ist, wie bei demjenigen anderer Sicherungsgeber. Denn die Interessenlage bei Gesellschaftern, die eine Garantie für Gesellschaftsschulden übernehmen, ist anders als bei sonstigen Privatpersonen, die als Garantiegeber auftreten. Für den Gesellschafter stehen typischerweise nicht einzelne Verbindlichkeiten der Gesellschaft, sondern die Sicherung des Gesamtengagements gegenüber dem Gläubiger, hier dem Darlehensgeber im Vordergrund. Er kennt jedenfalls die bestehenden Gesellschaftsverbindlichkeiten, für die er einstehen soll oder kann sich Kenntnis davon verschaffen (BGH NJW 2006, 996 Rn. 24).
III.
Der Anspruch ist nicht infolge des vom Beklagten erklärten Widerrufs erloschen, da dem Beklagten weder ein vertragliches noch ein gesetzliches Widerrufsrecht zusteht.
1. Ein vertragliches Widerrufsrecht ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Parteien haben ausdrücklich eine unwiderrufliche Garantie vereinbart (vgl. Anlagen K 5 Ziff. 3.2, K 1 Ziff. 2.1).
2. Ein gesetzliches Widerrufsrecht gemäß §§ 491, 495, 355 BGB ist nicht gegeben, da im Fall der selbstständigen Garantie der Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB weder direkt noch analog eröffnet ist.
a) Das Widerrufsrecht nach § 495 I BGB setzt einen Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne von § 491 I, II BGB voraus. Die vom Beklagten übernommene Garantie unterfällt hingegen nicht dem sachlichen Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensvertrages. Als einseitig verpflichtender Vertrag eigener Art stellt er weder einen entgeltlichen Darlehensvertrag im Sinne von § 491 I BGB noch eine dem Verbraucher vom Unternehmer gewährte, sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe gemäß § 506 I BGB dar. Eine direkte Anwendung von §§ 495, 491 BGB scheidet demnach aus.
b) Ob im Fall der gesetzlich nicht geregelten Garantie der Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB im Wege der Analogie eröffnet ist, ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden worden. Der BGH befürwortet eine (analoge) Anwendung der §§ 491 ff. BGB im Fall eines Schuldbeitritts, lehnt eine solche hingegen für den Fall der Bürgschaft ab (BGH NJW 1998, 1939).
Im Hinblick auf den gegenständlichen selbstständigen Garantievertrag schließt sich das Gericht der überzeugenden Literaturauffassung an, nach der die §§ 491 ff. BGB für diesen Vertragstyp keine analoge Anwendung finden (MüKo/BGB 8. Aufl. 2019 § 491 Rn. 68; BeckOGK/Madaus BGB § 765 Rn. 518; jedenfalls für die Schriftform und die inhaltlichen Pflichtangaben nach § 492 I, II BGB: Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankRHdb. 5. Aufl. 2017 § 92 Rn. 4). Es besteht keine vergleichbare Interessenlage zwischen Schuldbeitritt und Garantievertrag, der eine analoge Anwendung im Sinne der oben genannten BGH-Rechtsprechung rechtfertigt.
Erstens besteht das Wesen der Garantie darin, eine Verpflichtung zur Schadloshaltung zu übernehmen für den Fall, dass der garantierte Erfolg nicht eintritt; immanent ist der Garantie mithin die Vereinbarung eines Garantiefalls, der regelmäßig – wie auch im vorliegenden Fall – in dem Ersatz des Schadens liegt, der dem Gläubiger aus der Nicht- oder der nicht rechtzeitigen Erfüllung seiner Forderung erwächst (BGH NJW 1985, 2941). Die Haftung des Garantiegebers tritt demnach erst im Zeitpunkt des Garantiefalles ein. In diesem Bewusstsein wird regelmäßig im Geschäftsverkehr auch erst eine Garantie übernommen. Der Garantiegeber kann daher stets darauf vertrauen, dass der Garantiefall nicht eintritt.
Anders stellt sich die Situation im Fall des Schuldbeitritts dar: Hier tritt der Beitretende als Gesamtschuldner mit in das Schuldverhältnis ein, seine Schuld richtet sich nach dem Wesen, Inhalt und der Beschaffenheit der Hauptschuld im Zeitpunkt des Beitritts (BGH NJW 2015, 3782). Der Beitretende wird folglich Schuldner der Forderung aus dem der Gläubiger kann die (Haupt-) Leistung mithin nach seinem Belieben von jedem der beiden Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern (§ 421 S. 1 BGB). Der Beitretende übernimmt daher das Risiko, unmittelbar als Schuldner der Hauptforderung herangezogen zu werden und muss jederzeit damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden, so dass seine Schutzbedürftigkeit und die Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB überwiegend zu Recht angenommen wird. Der Garantiegeber unterliegt allerdings wie soeben ausgeführt keinem solchen unmittelbaren Risiko. Es entsteht in seinem Fall lediglich eine Eventualverbindlichkeit für den Eintritt des Garantiefalls.
Zweitens unterscheiden sich Schuldbeitritt und Garantie in einem weiteren, gewichtigen Aspekt: Während sich die Schuld beim Schuldbeitritt nach dem Inhalt der Hauptschuld richtet, bestimmt sich der Inhalt der Garantie nach der getroffenen Vereinbarung (Palandt 80. Aufl. 2021 Einf v § 765 BGB Rn. 18). Welche enormen praktischen Auswirkungen dies haben kann, zeigt der vorliegende Fall eindrücklich: Hätte der Beklagte anstelle der übernommenen Garantie einen Schuldbeitritt zu dem gegenständlichen Darlehensvertrag in Höhe von bis zu 35 Mio. € erklärt, beliefe sich seine etwaige Haftung auf eben diesen Betrag. Die Garantienehmerin beziehungsweise nach der erfolgten Abtretung die Klägerin hätte den Beklagten folglich auf Rückzahlung des gesamten Darlehens in Anspruch nehmen können. Stattdessen ist die Haftung des Beklagten infolge des Garantievertrages auf 1.1 Mio. € und damit einen Bruchteil der Rückzahlungsforderung aus dem Darlehen beschränkt. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Haftung bei der Garantie der getroffenen Garantievereinbarung folgt und gerade nicht der Hauptschuld. Die Pflichten des Garantiegebers stimmen deshalb – anders als beim Schuldbeitritt – nicht mit den Pflichten des Hauptschuldners überein. Damit unterscheidet sich der Garantievertrag strukturell wesentlich von einem Schuldbeitritt.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Garantiegeber weniger schutzbedürftig als der Schuldbeitretende. Eine vergleichbare Interessenlage zwischen Schuldbeitritt und Garantievertrag ist daher abzulehnen. Folglich steht dem Beklagten als Garantiegeber, selbst wenn er Verbraucher gewesen sein sollte, kein Widerrufsrecht im Sinne von §§ 495, 491 BGB (analog) zu
B.
Der Anspruch auf Zinsen folgt aus Verzugsgesichtspunkten (§§ 286, 288 I BGB). Der Beklagte befand sich ab 04.01.2020 in Verzug. Allerdings ist die Geldschuld nur in Höhe von 5%-Punkten zu verzinsen, weshalb die Klage insoweit im übrigen abzuweisen war. Die von der Klagepartei begehrte Verzinsung in Höhe von 9% setzt nach § 288 II BGB voraus, dass bei dem gegenständlichen Rechtsgeschäft kein Verbraucher beteiligt ist. Der Beklagte ist im Hinblick auf die streitgegenständliche Garantievereinbarung nach Auffassung des Gerichts Verbraucher im Sinne des § 13 BGB.
Er ist als natürliche Person unstreitig im Zeitpunkt der Garantievereinbarung Geschäftsführer und mittelbarer Gesellschafter der … als Darlehensnehmerin gewesen. Seine Garantieerklärung ist nach dem Inhalt des Vertrags nicht für seine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit bestimmt. Insbesondere sind das Halten eines GmbH-Geschäftsanteils keine gewerbliche Tätigkeit, sondern Vermögensverwaltung und die Geschäftsführung einer GmbH keine selbständige, sondern eine angestellte berufliche Tätigkeit (BGH NJW 1996, 2156, 2158; BGH NJW 2000, 3133, 31335; BGH NJW 2007, 759 Rn. 17 ff).
Da es sich bei dem Zinsantrag um eine Nebenforderung handelt, war ein Hinweis insoweit entbehrlich (BGH NJW 2017, 1823 Rn. 37).
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 II Nr. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 711 ZPO. Die Entscheidung erging durch Einzelrichter (§ 348 a ZPO). Der Streitwert richtet sich nach der Hauptsacheforderung.


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