Bankrecht

Anforderungen an Widerrufsinformation

Aktenzeichen  8 U 101/20

Datum:
21.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45123
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 314, § 356b Abs. 1, § 492 Abs. 1, Abs. 2
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3, § 7 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Die Angaben zum Widerrufsrecht in einem Verbraucherdarlehensvertrag müssen nicht in der Haupturkunde enthalten sein, weil von einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher erwartet werden kann, dass er den Text eines Darlehensvertrags sorgfältig durchliest und dabei auch hinreichend deutliche Bezugnahmen auf Anlagen zu dem Darlehensvertrag zur Kenntnis nimmt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Vor dem Hintergrund, dass durch den Bundesgerichtshof geklärt ist, dass der Darlehensgeber den Schaden, der ihm durch die Nichtabnahme oder durch die vorzeitige Ablösung eines Darlehens entsteht, sowohl nach der Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnen kann, bedarf es nicht der Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel.  (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Vereinbarung eines AGB-rechtlich zu beanstandenden Aufrechnungsverbotes führt zwar zu dessen Unwirksamkeit, aber nicht zugleich zur Fehlerhaftigkeit einer ansonsten ordnungsgemäßen Widerrufsinformation.  (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

13 O 293/19 Fin 2020-02-24 LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 24.02.2020, Az.: 13 O 293/19 Fin, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
II. Der Senat beabsichtigt weiter, dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 29.800,00 Euro festzusetzen.
III. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 14.10.2020.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Darlehensvertrags.
Der Kläger schloss als Verbraucher bei der Beklagten, einem Kreditinstitut, am 15.03.2018 einen Darlehensvertrag (Darlehensnummer 0001) über einen Nettodarlehensbetrag von 29.800,00 Euro.
Der Kredit diente der Finanzierung des Erwerbs eines Fahrzeugs Marke X.. Die Darlehensvaluta wurde an den Verkäufer des Fahrzeugs ausgezahlt. Durch den Kläger wurde am 01.04.2018 mit der Darlehensrückzahlung begonnen.
Mit Schreiben vom 30.07.2019 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf des Darlehensvertrags.
Die schriftlichen Darlehensunterlagen haben einen Umfang von acht fortlaufend durchnummerierten Seiten, bei denen sich auf Seite 1 der eigentliche Darlehensvertrag, auf Seite 2 die Widerrufsinformation und auf Seite 7 die Darlehensbedingungen befinden.
Unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ heißt es in den Widerrufsinformationen:
„Soweit das Darlehen bereits ausbezahlt wurde, hat es der Darlehensnehmer spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag i.H.v.
1,63 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde. “
Auf Seite 1 des Darlehensvertrags heißt es unter „Vorzeitige Rückzahlung des Darlehens“:
„Im Falle der vorzeitigen Rückzahlung kann der Darlehensgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Die Vorfälligkeitsentschädigung beträgt 1 Prozent beziehungsweise, wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung geringer als ein Jahr ist, 0,5 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrags. Ist die so ermittelte Vorfälligkeitsentschädigung höher als die Summe der noch ausstehenden Zinsen, wird diese Summe als Vorfälligkeitsentschädigung berechnet.“
Unter Ziff. IX „Allgemeine Bestimmungen“ finden sich folgende Textpassagen:
„2. Gegen Ansprüche des Darlehensgebers können der Darlehensnehmer und die Bürgen nur dann aufrechnen, wenn die Gegenforderung des Darlehensnehmers oder der Bürgen unbestritten ist oder ein rechtskräftiger Titel vorliegt. Ein Zurückbehaltungsrecht kann von den genannten Personen nur geltend gemacht werden, soweit es auf Ansprüchen aus diesem Darlehensvertrag beruht.

5. Widerruft der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung innerhalb der Widerrufsfrist, so hat er für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens keine Sollzinsen zu entrichten.“
Unter Ziff. VI der Darlehensbedingungen finden sich Ausführungen zu den Punkten „Vorzeitige Fälligkeit und außerordentliche Kündigung“, auf die Bezug genommen wird.
Auf den übrigen Inhalt des Vertragskonvoluts wird ebenfalls Bezug genommen.
Der Kläger meint, der erklärte Widerruf sei wirksam. Die Widerrufsfrist habe noch nicht zu laufen begonnen, sodass der Darlehensvertrag noch habe widerrufen werden können. Die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft gewesen, sodass die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt wurde. Die Darlehensbedingungen seien nicht wirksam einbezogen worden. Die verwendete Schriftgröße sei zu klein. Auch seien die einzelnen Punkte nicht drucktechnisch separiert worden. Es seien nicht alle Pflichtangaben gemäß Art. 247 EGBGB im Darlehensvertrag bzw. der Widerrufsbelehrungen enthalten gewesen.
Die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung seien lückenhaft. Auf § 314 BGB werde nicht verwiesen. Dies führe dazu, dass die Pflichtangaben nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB als fehlend anzusehen seien. Auch die Angaben zum Aufrechnungsverbot seien fehlerhaft.
Der Kläger beantragt erstinstanzlich:
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag vom 15.03.2018 mit der Darlehensnummer 0001 über ursprünglich 29.800,- € ab Zugang der Widerrufserklärung vom 30.07.2019 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vereinbarte Tilgung zusteht.
2. Es wird fesgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs Daimler, X. (FIN: …) in Verzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlich anfallenden Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 691,33 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von einem wirksamen Widerruf ausgeht, erhebt die Beklagte Widerklage und beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass die Klagepartei verpflichtet ist, an die Beklagte Wertersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Kraftfahrzeugs X., FIN: …, im Zeitpunkt der Übergabe an die Klagepartei nach dem Kauf und dem Verkehrswert des vorbezeichneten Kraftfahrzeugs zum Zeitpunkt der Herausgabe an die Beklagte im Rahmen der Rückabwicklung (Wertverlust) zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Klagepartei verpflichtet ist, an die Beklagte für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des streitgegenständlichen Darlehens zur Darlehnsnummer 0001 durch Rückgabe des in Antrag zu 1 bezeichneten Fahrzeugs, Nutzungsersatz in Höhe von 1,97% p. a. 8 U 101/20 – Seite 5 – auf den jeweiligen noch offenen Darlehenssaldo zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Hilfswiderklage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Widerruf sei unwirksam, da die Widerrufsfrist bereits seit längerer Zeit abgelaufen sei. Alle erforderlichen Pflichtangaben seien erfüllt worden, sodass die Widerrufsfrist zu laufen begonnen habe. Im Übrigen sei bei inhaltlichen Fehlern in den Pflichtangaben nicht ohne Weiteres von einem kompletten Fehlen der Pflichtangaben auszugehen. Hiervon könne man erst dann ausgehen, wenn ein Fehler so gewichtig sei, dass er einen verständigen Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abhalten könne.
Auf die weiteren Ausführungen der Beklagten wird Bezug genommen.
Mit Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 24.02.2020 wurde die Klage abgewiesen. Aus Sicht des Landgerichts sei der Kläger ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Daher sei die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen gewesen. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf die Entscheidungsgründe des Endurteils des Landgerichts Bamberg vom 24.02.2020 Bezug genommen.
Gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 24.02.2020, eingegangen bei den Klägervertretern am 19.03.2020, hat der Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 20.04.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht Bamberg am gleichen Tag, fristgerecht nach § 222 Abs. 2 ZPO Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 19.06.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht Bamberg am 22.06.2020, wurde die Berufung begründet und beantragt, das Urteil des Landgerichts Bamberg aufzuheben und die Beklagte entsprechend den bereits erstinstanzlich gestellten Anträgen, die wiederholt wurden, zu verurteilen.
Inhaltlich wiederholt und vertieft der Kläger vor allem seine bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumente. Zusätzlich rügt der Kläger, in den Widerrufsinformationen würden sich sogenannten „Kaskadenverweisungen“ befinden. Derartige Verweisungen seien aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht zulässig. Insoweit verweist der Kläger auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 (Az.: C-66/19). Auf die übrigen Ausführungen der Klägervertreter im Schriftsatz vom 19.06.2020 wird Bezug genommen.
Die Beklagtenvertreter haben mit Schriftsatz vom 31.07.08.2020 die Zurückweisung der Berufung des Klägers beantragt. Zudem wird der Antrag zur Hilfswiderklage erneut gestellt. Die Beklagtenvertreter wiederholen und vertiefen ihre erstinstanzliche Argumentation. Hinsichtlich der sogenannten „Kaskadenverweisung“ verweisen sie auf die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine richtlinienkonforme Auslegung nicht dem eindeutig geäußerten Willen des Deutschen Gesetzgebers entgegenstehen dürfe. Auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 31.07.2020 wird Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg. Aufgrund einer bereits abgelaufenen Widerrufsfrist konnte der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr wirksam widerrufen.
Dem Kläger stand bei Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags ein Widerrufsrecht zu, dieses war jedoch bei Erklärung des Widerrufs bereits verfristet, da dem Kläger bei Vertragsschluss eine wirksame Vertragsurkunde i.S.v. § 356 b Abs. 1 BGB zur Verfügung gestellt wurde und diese alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB enthielt. Damit lief die vierzehntägige Widerrufsfrist gemäß den §§ 355 Abs. 2 S. 2, 356 b Abs. 1, 2 BGB zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 15.03.2018 an und 14 Tage später aus. Der erst am 30.07.2019 erklärte Widerruf des Darlehensvertrags durch den Kläger war daher seit mehr als einem Jahr verfristet.
2. Die Darlehensbedingungen und Widerrufsinformationen des Vertragskonvoluts wurden Vertragsbestandteil, auch wenn sich Informationen nach der Unterschrift des Klägers auf dem Darlehensantrag (Seite 1) befinden.
Insoweit ist ausreichend, dass sich die Pflichtangaben an irgendeiner Stelle des Vertragskonvoluts wiederfinden. Aufgrund der fortlaufenden Nummerierung der Seiten stellt sich das Vertragskonvolut als Einheit dar. Die zur Wahrung der Schriftform des § 492 Abs. 1 BGB erforderliche Urkundeneinheit zwischen dem Vertrag und den übrigen Vertragsunterlagen wurde mittels fortlaufender Seitennummerierung sichergestellt (BGH, Urteil vom 05.11.2019, Az.: XI ZR 650/18, NJW 2020, 461, 465; OLG Bamberg, Urteil vom 10.06.2020, Az.: 8 U 176/19; OLG Bamberg, Beschluss vom 20.02.2020, Az.: 8 U 289/19). Daher brauchen die Angaben zum Widerrufsrecht in einem Verbraucherdarlehensvertrag nicht in der Haupturkunde enthalten zu sein, weil von einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher erwartet werden kann, dass er den Text eines Darlehensvertrags sorgfältig durchliest und dabei auch hinreichend deutliche Bezugnahmen auf Anlagen zu dem Darlehensvertrag zur Kenntnis nimmt. Mit dem Leitbild eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers wäre ein nur flüchtiges Hinweglesen über einen Darlehenstext schon aufgrund der mit einem solchen Vertrag regelmäßig verbundenen längeren Festlegungswirkung nicht vereinbar (BGH, Urteil vom 17.09.2019, Az.: XI ZR 662/18, NJW 2020, 434, 436; OLG Bamberg, Urteil vom 10.06.2020, Az.: 8 U 176/19). Dies entspricht auch den europarechtlichen Vorgaben. So hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 09.11.2016 ausgeführt, in der Verbraucherkreditrichtlinie finde sich kein Anhaltspunkt dafür, „dass die von dieser Vorschrift erfassten Kreditverträge in einem einzigen Dokument enthalten sein müssen“ (EuGH, Urteil vom 09.11.2016, Az.: C-42/15, NJW 2017, 45, 46).
Auch die Größe und die drucktechnische Verarbeitung der Darlehensbedingungen (Seite 7) ist nicht zu beanstanden. Auch aus Sicht des Senats ist das Formular ohne Hilfsmittel ausreichend lesbar. Dies wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als ausreichend, aber auch erforderlich angesehen (BGH, Urteil vom 22.05.2012, Az.: II ZR 2/11, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 04.06.2019, Az.: 6 U 137/18, juris). Maßgebend ist, dass die Angaben von einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher zur Kenntnis genommen werden können. Die Einhaltung einer bestimmten Mindestschriftgröße ist nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 11.02.2020, Az.: XI ZR 648/18, BeckRS 2020, 2755).
3. Die Widerrufsinformation ist auch nicht dadurch unrichtig oder unklar, dass dort unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ auf eine Verpflichtung des Klägers zur Zahlung eines Tageszinses in Höhe von 1,63 Euro hingewiesen wird, es jedoch in Ziffer IX. 5. der Darlehensbedingungen heißt, im Fall des Widerrufs habe der Darlehensnehmer für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens „keine Sollzinsen zu entrichten“.
Vorliegend wird für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, auf den abzustellen ist, aus der Zusammenschau der in der Widerrufsinformation gegebenen Hinweise und der Formulierung in Ziffer IX. 5 der Darlehensbedingungen ohne Weiteres deutlich, dass der Beklagten nach Widerruf von Gesetzes wegen ein Anspruch auf den vereinbarten Sollzins in Höhe des in der Widerrufsinformation genannten Tageszinses zustehen würde, wie sich aus der Widerrufsinformation ergibt, dass die Beklagte diesen Anspruch entsprechend Ziffer IX. 5. der Darlehensbedingungen aber nicht geltend machen werde. Für den verständigen Verbraucher ist daher erkennbar, dass er im Ergebnis keinen Zins zu zahlen hat. Irgendein Irreführungspotential ist insoweit aus Sicht des Senats nicht erkennbar. Der Verbraucher wird vielmehr klar und verständlich informiert (OLG Stuttgart, Urteil vom 28.05.2019, Az.: 6 U 78/18, juris; BGH, Urteil vom 28.07.2020, Az.: XI ZR 288/19, juris).
4. Auch die Angaben zur Kündigung des Vertrags durch den Darlehensnehmer im Vertragskonvolut sind nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es aus Sicht des Senats nicht erforderlich, auf § 314 BGB einzugehen (OLG Bamberg, Beschluss vom 20.02.2020, Az.: 8 U 289/19; OLG Bamberg, Urteil vom 10.06.2020, Az.: 8 U 176/19).
Der Darlehensnehmer ist nicht über sämtliche Kündigungsmöglichkeiten, die das nationale Recht kennt, zu informieren (BGH, Urteil vom 05.11.2019, Az.: XI ZR 650/18, NJW 2020, 461, 463). Vielmehr ist die Informationspflicht hinsichtlich der den Darlehensnehmer zustehenden Kündigungsrechte nach Systematik, Sinn und Zweck auf das nur bei unbefristeten Darlehensverträgen anwendbare verbraucherdarlehensspezifische Kündigungsrecht aus § 500 Abs. 1 BGB beschränkt. Eine erschöpfende Darstellung aller auch nur theoretisch in Betracht kommenden Kündigungsrechte trägt zur angestrebten „Klarheit“ und „Verständlichkeit“ bzw. „Prägnanz“ der Pflichtinformationen wenig bei. Entsprechendes gilt auch für die Darstellung, ab wann ein zur Kündigung berechtigender wichtiger Grund nach § 314 BGB vorliegt. Dies lässt sich kaum sinnvoll generalisierend umreißen, wobei sich dies – was der Gesetzeswortlaut zeigt – nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen bestimmen lässt. Die Angaben müssten sich entweder in kasuistischen – auf die konkrete Vertragssituation regelmäßig nicht übertragbaren – Einzelfallbeispielen verlieren oder es bei der Wiedergabe des abstrakten Gesetzestextes bewenden lassen (BGH, Urteil vom 05.11.2019, Az.: XI ZR 650/18, NJW 2020, 461, 464).
Auf Seite 1 des Darlehensvertrags wird klar und verständlich auf ein Recht zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens hingewiesen. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher versteht die dortigen Angaben zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens dahin, dass ihm ein solches Recht dem Grunde nach voraussetzungslos zusteht (BGH, Urteil vom 28.07.2020, Az.: XI ZR 288/19, juris).
5. Auch die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens entsprechen den rechtlichen Erfordernissen.
Nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBG gehört zu den vorgeschriebenen Pflichtangaben, von deren Erteilung der Beginn der Widerrufsfrist abhängt, die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch im Falle der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens durch den Darlehensnehmer geltend zu machen. Hierbei hat der nationale Gesetzgeber Art. 10 Abs. 2 Verbraucherkreditrichtline-RL umgesetzt, wonach in „klarer, prägnanter Form“ im Kreditvertrag „das Recht auf vorzeitige Rückzahlung, das Verfahren bei vorzeitiger Rückzahlung und gegebenenfalls die Information zum Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung sowie zur Art der Berechnung dieser Entschädigung“ anzugeben sind. Die Reichweite der Informationspflicht findet ihren Ausgangs- und Bezugspunkt in den materiellrechtlichen Vorgaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. § 502 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, dass der Darlehensgeber im Falle der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen kann, wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet. Weitergehende Vorgaben zur Berechnungsmethode lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen. Entsprechend weist die Gesetzesbegründung zu § 502 BGB darauf hin, dass der Anspruch als ein nach den §§ 249 ff. BGB zu berechnender Schadensersatzanspruch ausgestaltet ist (BT-Drucksache 16/11643, 87). Diese Anbindung an allgemeine schadensrechtliche Grundsätze steht im Einklang mit Art. 16 Abs. 2 Verbraucherkreditrichtline-RL, die in vergleichbarer Allgemeinheit bestimmt, der Darlehensgeber könne eine „angemessene und objektiv gerechtfertigte Entschädigung für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten“ verlangen (BGH, Urteil vom 05.11.2019, Az.: XI ZR 650/18, NJW 2020, 461, 464). Durch den Bundesgerichtshof ist geklärt, dass der Darlehensgeber den Schaden, der ihm durch die Nichtabnahme oder durch die vorzeitige Ablösung eines Darlehens entsteht, sowohl nach der Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnen kann (BGH, Urteil vom 05.11.2019, Az.: XI ZR 650/18, NJW 2020, 461, 465). Vor diesem Hintergrund bedarf es nicht der Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel. Dies trüge nicht zur Klarheit und Verständlichkeit bei (BGH, Urteil vom 05.11.2019, Az.: XI ZR 650/18, NJW 2020, 461, 465).
Soweit der Kläger rügt, die Klausel zur Vorfälligkeitsentschädigung stelle eine gemäß § 309 Nr. 5 BGB AGBrechtlich unwirksame Pauschalierung von Schadensersatz dar, kann offen bleiben, ob das zutrifft. Denn auch bei unterstellt fehlerhaften Angaben zur Methode der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung besteht nach dem gesetzlichen System die Sanktion nicht darin, dass die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wird; vielmehr gilt insoweit (nur) § 502 Abs. 2 BGB, wonach bei unzutreffenden Angaben in diesem Punkt (nur) kein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung besteht (OLG Stuttgart, Urteil vom 28.05.2019, Az.: 6 U 78/18, juris).
Die Frage einer Fehlerhaftigkeit der Angaben kann aber dahinstehen, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechende fehlerhafte Angaben nur zum Ausschluss eines Anspruchs auf eine Vorfälligkeitsentschädigung führen, ohne dass das Anlaufen der 14tägigen Widerrufsfrist berührt wird. Dies ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers, ohne dass dem Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie entgegenstehen. Nach Art. 23 Verbraucherkreditrichtlinie legen die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die aufgrund der Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften Sanktionen fest, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen (BGH, Urteil vom 28.07.2020, Az.: XI ZR 288/19, juris).
6. Aus Sicht des Senats wird das Widerrufsrecht auch nicht durch ein in den allgemeinen Darlehensbedingungen enthaltenes Aufrechnungsverbot unzulässig erschwert.
Die Vereinbarung eines AGBrechtlich zu beanstandenden Aufrechnungsverbotes führt zwar zu dessen Unwirksamkeit, aber nicht zugleich auch zur Fehlerhaftigkeit einer ansonsten ordnungsgemäßen Widerrufsinformation (OLG Stuttgart, Urteil vom 28.05.2019, Az.: 6 U 78/18, juris; Knops in BeckOGK, Kommentar zum BGB, Stand: 01.03.2020, § 495 BGB, Rn. 75). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen an anderer Stelle enthaltene Aufrechnungsbeschränkung die Wirksamkeit einer Widerrufsinformation nicht berührt (BGH, Beschluss vom 12.11.2019, XI ZR 88/19, BeckRS 219, 31547). Gleiches gilt für ein Leistungsverweigerungsrecht.
7. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29.03.2020 zu einer Europarechtswidrigkeit einer „Kaskadenverweisung“ in den Widerrufsbelehrungen führt im vorliegenden Fall nicht zur Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist Art. 10 Abs. 2 p der RL 2008/48/EG dahingehend auszulegen, dass zu den Informationen, die nach dieser Bestimmung in einem Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form anzugeben sind, die in Art. 14 Abs. 1, 2 dieser Richtlinien vorgesehenen Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist gehören (EuGH, Urteil vom 26.03.2020, Az.: C-66/19, BKR 2020, 248 ff.). Art. 10 Abs. 2 p der RL 2008/48/EG ist zudem dahingehend auszulegen, dass diese Vorschrift dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedsstaates verweist (EuGH, Urteil vom 26.03.2020, Az.: C-66/19, BKR 2020, 248 ff.). Im vorliegenden Fall verweist sowohl die Musterinformation als auch der konkrete Kreditvertrag auf § 492 Abs. 2 BGB, der wiederrum auf Art. 247 §§ 6-12 EGBGB verweist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 31.03.2020 steht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 einer Kaskadenverweisung in Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion des EGBGB aber nicht entgegen. Eine richtlinienkonforme Auslegung der in Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB (a.F.) angeordneten Gesetzlichkeitsfiktion scheide aus. Die Auslegung des nationalen Rechts dürfe nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt werde (BGH, Urteil vom 31.03.2020, XI ZR 198/19, BKR 2020, 253, 254). Richterliche Rechtsfortbildung berechtigt einen Richter nicht dazu, seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen. Die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungsweg findet ihre Grenze an dem nach der innerstaatlichen Rechtstradition methodisch Erlaubten. Durch die gesetzliche Regelung im EGBGB und die Schaffung eines (fakultativen) Musters für die Information über das Widerrufsrecht sollte nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei den Anwendern erzeugt und der Rechtsverkehr vereinfacht werden. Dieses gesetzgeberische Ziel würde aber verfehlt, würde man der Verwendung des Musters die Gesetzlichkeitsfiktion absprechen, weil etwa der Verweis in den Widerrufsinformationen auf § 492 Abs. 2 BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 EGBGB nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 nicht richtlinienkonform sei. Das nationale Gesetz beziehe seine Geltungskraft aus der demokratischen Legitimation des Gesetzgebers, dessen artikulierter Wille den Inhalt des Gesetzes daher mitbestimme. Der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers dürfe insoweit nicht übergangen oder verfälscht werden. Daran könne das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 nichts ändern. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfe die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung „contra legem“ des nationalen Rechts dienen (BGH, Beschluss vom 31.03.2020, Az.: XI ZR 198/19, BKR 2020, 253, 255). Eine richtlinienkonforme Auslegung der in Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB (a.F.) angeordneten Gesetzlichkeitsfiktion scheidet damit aus Sicht des Bundesgerichtshofs aus. Die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts könne nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt werde. Richterliche Rechtsfortbildung berechtigt den Richter nicht dazu, seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen (BVerfG, Beschluss vom 26.09.2011, Az.: 2 BvR 2216/06, NJW 2012, 669 f.).
Aufgrund der vom Bundesgerichtshof dargestellten Grundsätze, denen der Senat folgt, kommt einer Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie im vorliegenden Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Daher war eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof im vorliegenden Rechtsstreit nicht veranlasst. 8.
Der weitere Feststellungsantrag und der Zahlungsantrag des Klägers haben in der Sache ebenfalls keinen Erfolg, da der Darlehensvertrag vom 15.03.2018 aufgrund der bereits abgelaufenen Widerrufsfrist nicht mehr wirksam widerrufen werden konnte. Das Darlehensverhältnis hat sich damit nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, welches zu Rückzahlungsansprüchen des Klägers hätte führen können. Auch ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht aus den genannten Gründen nicht.
III.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil sie keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hätte.
Die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1ZPO), weil der Fall keine Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen.
Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ZPO), weil dies nur der Fall ist, wenn es zu vermeiden gilt, dass Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat. Der Senat hat sich an den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sowie weiterer Oberlandesgerichte orientiert, ohne von diesen abzuweichen.
Auch aus sonstigen Gründen ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
Die beabsichtigte Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Auf die bei einer Berufungsrücknahme erfolgende Gerichtsgebührenermäßigung (vgl. GKG KV Nr. 1220, 1222) wird hingewiesen.
Die Streitwertfestsetzung orientiert sich am Wert des mit der Berufung weiter verfolgten Ziels.


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