Bankrecht

Finanzierten Eigentumswohnungskauf im Steuersparmodell: Arglistige Täuschung des Kaufinteressenten durch Angaben im Verkaufsprospekt mit Verschleierung der Höhe einer Innenprovision; Auslegung eines formularmäßigen Vermittlungsauftrags und vorformulierter Angaben in einem Berechnungsbeispiel

Aktenzeichen  XI ZR 173/11

Datum:
5.6.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 123 BGB
§ 5 AGBG vom 09.12.1976
Spruchkörper:
11. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 10. März 2011, Az: 8 U 53/10vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 8. März 2010, Az: 9 O 4267/04nachgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 5. Juni 2014, Az: 8 U 53/10, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 10. März 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 1 erkannt worden ist.  
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Ausgenommen hiervon sind die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 in den Rechtsmittelverfahren. Diese hat die Beklagte zu 2 selbst zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich aus “eigenem und abgetretenem Recht” seiner Ehefrau gegen die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden, die im Zusammenhang mit dem von der Beklagten zu 2 finanzierten Erwerb zweier Eigentumswohnungen errichtet wurden. Die Beklagte zu 1 ist Rechtsnachfolgerin der Beklagten zu 2.
2
Der Kläger und die Zedentin (im Folgenden: die Anleger) wurden 1992 von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis zwei noch zu errichtende Eigentumswohnungen in der Wohnanlage M.                in O.      zu erwerben. Das Auftragsformular des Vermittlers und das von ihm verwendete Berechnungsbeispiel weisen eine an den Vermittler zu zahlende Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3% des kalkulierten Gesamtaufwandes zzgl. Umsatzsteuer aus. Im Vermittlungsauftrag heißt es außerdem:
“Die Vertriebsbeauftragte hat ihrerseits verschiedene Vermittler beauftragt, die als Nachweismakler für diese und als Vermittlungsmakler für den/die Erwerber tätig werden. Der jeweilige Vermittler ist berechtigt, vom Auftraggeber eine Bearbeitungsgebühr von 3% des kalkulierten Aufwandes zzgl. Umsatzsteuer in jeweiliger Höhe auf eigene Rechnung zu vereinnahmen.”
3
In den auf der Rückseite des Vermittlungsauftrags abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird unter “IV. Vergütung, Provision” unter anderem ausgeführt:
“Der Vermittler hat in der Regel einen Vergütungsanspruch gegenüber den vorgenannten Prospektanbietern, Beteiligungs- oder Betriebsgesellschaften auf der Grundlage der mit diesen geschlossenen Verträgen.”
4
Des Weiteren verwendete der Vermittler einen Verkaufsprospekt, der hinsichtlich des kalkulierten Gesamtaufwandes folgende Angaben enthält:
VIII. Aufteilung (in %) des kalkulierten Gesamtaufwandes, der sich aufgrund der vorgesehenen Konzeption ergibt:
        
        
100,00
a) 
Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing
        
76,70
b)
Technische Baubetreuung
        
 0,25
c)
Konzeption, Aufbereitung, Prospektgestaltung               
        
1,50
d)
Finanzierungsvermittlung
        
4,00
davon für:- Zwischenfinanzierung- Endfinanzierung- EK-Vorfinanzierung
1,802,000,20
        
e)
Nebenkostengarantie
        
0,50
f)
Zinsgarantie
        
     2,00
davon für Leistungen:- gem. Ziff. II. des  Zinsgarantievertrages- gemäß Ziff. III. des  Zinsgarantievertrages
  1,50 0,50
        
g)
Mietvermittlung
        
0,20
h)
Mietgarantie
        
0,50
i)
Steuerberatungdavon für Leistungen:- gem. Ziff. II.2., 5.,  des Stb.-Vertrages- gem. Ziff. II. 1., 3., 4., 6.  des Stb.-Vertrages
   0,58 1,72
2,30
j)
Abwicklungsauftrag
        
2,30
k)
Bauzeitzinsen
        
5,50
l)
Notar, Gewerbesteuer und sonstiges            
        
             4,25
5
In die Position a) “Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing” waren Provisionen an Dritte in Höhe von 18,24% brutto des Gesamtaufwands eingepreist.
6
Die von den Anlegern bevollmächtigte C.   Steuerberatungsgesellschaft mbH (im Folgenden: Treuhänderin), schloss namens der Anleger mit der Bauträgerin am 28. Dezember 1992 einen notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag über die Eigentumswohnungen Nr. .. und Nr. .. der Wohnanlage. Darin übernahmen sie einen Anteil der auf dem Gesamtgrundstück lastenden Grundschuld, die der Beklagten zu 2 zuvor von der Bauträgerin durch notarielle Urkunde vom 9. Dezember 1992 bewilligt worden und gegen den jeweiligen Eigentümer sofort vollstreckbar war. Zugleich übernahmen die Anleger in Höhe der anteiligen Grundschuldbeträge, insgesamt 285.844 DM, die persönliche Haftung und unterwarfen sich der persönlichen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
7
Darüber hinaus schloss die Treuhänderin namens der Anleger in den Jahren 1992 und 1993 mit der Beklagten zu 2 mehrere Darlehensverträge, deren Valuta in Höhe von insgesamt 310.206 DM zur Finanzierung des Gesamtaufwands zuzüglich Disagio und Bearbeitungsgebühr (Agio) verwandt wurde. Nachdem die Anleger die Bedienung der Finanzierungsdarlehen im Mai 2002 eingestellt hatten, kündigte die Beklagte zu 1 die Darlehen mit Schreiben vom 30. August 2002 und betrieb die Zwangsvollstreckung.
8
Mit der Klage wendet sich der Kläger – gestützt unter anderem auf Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung – gegen die Zwangsvollstreckung in das persönliche Vermögen aus dem notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag sowie aus der Grundschuldbestellungsurkunde. Er begehrt außerdem die Feststellung, dass er zu Leistungen aus den Darlehensverträgen nicht verpflichtet ist und dass er Anspruch auf Schadensersatz aus der Verwertung von Sicherheiten hat.
9
Der Kläger hat die Klage zunächst gegen die Beklagte zu 2 erhoben. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2005 hat er beantragt, das Rubrum zu berichtigen, da die Beklagte zu 1 die richtige Beklagte sei. Das Landgericht hat durch sein nur die Beklagte zu 1 im Rubrum aufführendes Urteil die Zwangsvollstreckung aus den notariellen Urkunden für unzulässig erklärt. Im Übrigen hat es die Klage als unzulässig sowie die erhobene Hilfswiderklage wegen des restlichen Darlehensanspruchs als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zu 1 hat das Berufungsgericht zurückgewiesen, die Berufung der Beklagten zu 2 hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Beklagten. Die Beklagte zu 2 hat ihre Revision in der Revisionsverhandlung zurückgenommen.


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