Bankrecht

Geltendmachung der Resthaftungseinlage durch den Insolvenzverwalter

Aktenzeichen  7 U 2429/19

Datum:
18.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19547
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 129 Abs. 1, § 171 Abs. 1, Abs. 2, § 172
InsO § 41 Abs. 1, § 175, § 178

 

Leitsatz

1. Der Insolvenzverwalter, der gegenüber einem Kommanditisten Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger geltend macht, genügt bereits dann seiner Substantiierungslast, wenn er eine durch ihn selbst erstellte, aktualisierte Insolvenztabelle in das Verfahren einführt (entgegen OLG Bamberg BeckRS 2019, 11223). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Kommanditist kann der Feststellung einer Gläubigerforderung zur Insolvenztabelle nicht widersprechen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Kommanditist haftet auch für eine nach § 41 Abs. 1 InsO als fällig geltende Forderung (Abgrenzung zu BGH BeckRS 2013, 1962 und OLG Karlsruhe BeckRS 2013, 2966).  (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Kommanditist wird durch die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht von seiner Haftung befreit. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

14 HK O 3229/18 2019-04-05 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I 05.04.2019, Az. 14 HK O 3229/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Reederei … Ansprüche auf Zahlung der Resthaftungseinlage in Höhe von 17.000,00 Euro geltend.
Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts, Insolvenzgerichts, Bremen vom 03.11.2015 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gesellschaft bestellt. Der Beklagte ist im Handelsregister des Amtsgerichts Tostedt mit einer Haftsumme von 140.000,00 Euro als Kommanditist bei dieser Gesellschaft eingetragen. Auf die Haftsumme hat der Beklagte unstreitig einen Betrag von 123.000,00 Euro geleistet.
Der Kläger hat erstinstanzlich eine Tabelle „nach § 175 InsO“ vorgelegt, aus der sich Gläubigerforderungen in einer Höhe ergeben, die den offenen Kommanditbeitrag von 17.000,00 Euro bei Weitem übersteigen, vgl. Anlage K 9.
Der Kläger begehrte erstinstanzlich die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der ausstehenden Hafteinlage von 17.000,00 Euro nebst Zinsen sowie Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 924,80 Euro nebst Zinsen.
Der Beklagte, der die Abweisung der Klage beantragte, hat erstinstanzlich Einwände gegen den Klägervortrag, wonach die Haftsumme in Höhe von 140.000,00 Euro bestehe, erhoben. Außerdem machte der Beklagte insbesondere geltend, dass durch die Anzeige der Masseunzulänglichkeit der Kläger nicht mehr für fremde Gläubiger, sondern für ein anderes Verteilungsverfahren die Forderung eintreibe. Das stehe ihm nicht zu. Die Klägerseite habe auch Gläubigerforderungen, für die der Beklagte haften solle, nicht konkret und substantiiert dargetan.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat dem Kläger den geltend gemachten Anspruch aus § 171 Abs. 1, 2 HGB in voller Höhe zuerkannt. Es ging zunächst davon aus, dass das Haftungsversprechen des Beklagten tatsächlich in Höhe von 140.000,00 Euro bestehe (§ 15 HGB) und sah es durch Vorlage der Tabelle gem. § 175 InsO als hinreichend substantiiert dargetan an, dass und für welche Fremdforderungen der Schuldnerin die Bezahlung der Haftsumme des Beklagten benötigt werde. Der Beklagte hätte gegen einzelne Positionen konkrete Angriffe vorbringen müssen, dies habe er nicht getan. Die von Beklagtenseite vorgebrachte Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch die Klägerseite spreche dafür, dass bei weiten nicht alle Gläubiger befriedigt werden könnten und daher von der Erforderlichkeit der Zahlung des Beklagten auszugehen sei.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Der Beklagte wendet unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Bamberg (vom 07.05.2019, Az: 5 U 99/18) insbesondere ein, dass entgegen der Auffassung des Erstgerichts der Kläger seiner Substantiierungspflicht hinsichtlich der Gläubigerforderungen durch die Vorlage der „Eigen “Tabelle nach § 175 InsO nicht nachgekommen sei. Erforderlich sei vielmehr, dass die gerichtliche Tabelle nach § 178 InsO vorgelegt werde. Der Beklagte bestreitet, dass der vorgelegte Eigenbeleg den Sachstand der Insolvenzmasse korrekt wiedergebe. Außerdem sei das Landgericht auch verfehlt davon ausgegangen, dass die eingeklagten 17.000,00 Euro zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger noch, d.h. zum maßgeblichen Stichtag der letzten mündlichen Verhandlung, erforderlich zur Befriedigung der Gläubiger seien. Es fehle auch an der Darlegung, in welcher Höhe bereits Kommanditbeiträge eingezogen worden seien. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht angenommen, dass der Kläger trotz angezeigter Masseunzulänglichkeit weiter einziehungsbefugt und aktivlegitimiert sei. Im weiteren Schriftsatz vom 20.01.2020 sieht der Beklagte in den Ziffern 4, 5, 9, 10 und 12 der Tabelle unzulässige Sammelanmeldungen und hinsichtlich der Forderung der Volksbank … eine fiktive Fälligkeit nach § 41 InsO, für die Kommanditisten nicht haften würden. Das Vorbringen des Klägers in den mit Schriftsatz vom 28.10.2019 vorgelegten Anlagen K 13 und 14 rügt er als verspätet.
Der Beklagte beantragt,
Das Urteil des Landgerichts München I vom 05.04.2019, hier zugestellt am 15.04.2019, Az: 14 HK O 3229/18, wird aufgehoben und abgeändert wie folgt:
„Die Klage wird abgewiesen.“
Hilfsweise wird beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts München I vom 05.04.2019, hier zugestellt am 15.04.2019, Az: 14 HK O 3229/18, aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurückzuverweisen.
Der Beklagte regt weiter hilfsweise die Zulassung der Revision an.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Er lässt vortragen, dass durch die Vorlage der Insolvenztabelle nach § 175 InsO die Gläubigerforderungen hinreichend und substantiiert dargelegt worden seien. Die Klägerseite hat nach Aufforderung des Senats vom 16.01.2020 mit Anlage K 15 eine aktuelle Gläubigerliste des Amtsgerichts Bremen in Fotokopie der beglaubigten Abschrift vom 22.01.2020 vorgelegt.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Kläger hat unwidersprochen dargelegt, dass über das Vermögen der Reederei … das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und er zum Insolvenzverwalter bestellt ist, ferner, dass der Beklagte Kommanditist der Schuldnerin ist mit einer im Handelsregister des AG Tostedt eingetragenen Hafteinlage von 140.000,00 Euro. Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung keine Einwände gegen die Feststellung des Erstgerichts, wonach gem. § 15 HGB von einem Haftungsversprechen des Beklagten in Höhe von 140.000,00 Euro auszugehen sei, erhoben.
Unstreitig ist ebenfalls, dass der Beklagte einen Betrag in Höhe von 123.000,00 Euro geleistet hat, mithin eine offene Kommanditeinlage in Höhe von 17.000,00 Euro besteht, die mit der vorliegenden Klage geltend gemacht wird.
Damit ist die Grundkonstellation der §§ 171 Abs. 1, 2, 172 HGB gegeben. Der Beklagte haftet den Gläubigern der Schuldnerin grundsätzlich persönlich und diese Haftung kann (und muss) der Kläger als Insolvenzverwalter geltend machen.
2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klagepartei ihrer Substantiierungspflicht bezüglich der Gläubigerforderungen nachgekommen. Der Kläger hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass Forderungen von Gesellschaftsgläubigern mindestens in Höhe der Klageforderung bestehen.
a) Soweit der Beklagte in der Berufungsbegründung geltend machte, dass das Landgericht fehlerhaft in der vom Kläger vorgelegten “Eigentabelle“ nach § 175 InsO eine hinreichende Substantiierung der Gläubigerforderungen sah und unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Bamberg (vom 07.05.2019, Az: 5 U 99/18) es als erforderlich erachtete, dass eine Tabelle nach § 178 InsO vorgelegt werde, kann er damit nicht durchdringen. Der Senat ist der Auffassung, dass die Klägerseite mit den vorgelegten Anlagen und den als Anlagen K 7 und K 9 vorgelegten Tabellen, die als „Tabellen nach § 175 InsO“ bezeichnet werden, den Substantiierungsanforderungen genügte. Entgegen der Ansicht des Beklagten genügt der Kläger nämlich bereits dann seiner Substantiierungslast, wenn er eine durch ihn selbst erstellte (aktualisierte) Tabelle im Sinne von § 175 ZPO in das Verfahren einführt. Es bedarf keines beglaubigten Tabellenauszugs, da es maßgeblich auf die inhaltlichen Bestandteile der (Forderungs-) Aufstellung ankommt, nicht aber auf einen etwaigen Beglaubigungsvermerk seitens des Insolvenzgerichts. Der Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist nämlich bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Für die Begründung der Ansprüche der Gläubiger kommt etwaigen Beglaubigungsvermerken seitens des Insolvenzgerichts keinerlei eigenständiger Aussagegehalt zu (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 27.11.2018 – 5 U 65/18). Auch der aktuellen Entscheidung des BGH, wonach es zur Darlegung der Forderung ausreichend ist, wenn der Kläger die Insolvenztabelle vorlegt mit festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können (BGH, Urteil vom 20.02.2018 – II ZR 272/16), lag ausweislich des vorangegangenen Urteils des LG Ansbach (Urteil vom 30.09.2016 – 1 S 14/16) „die Tabelle i.S.d. § 175 InsO“ zugrunde. Dabei bezieht sich die vorgenannte Entscheidung auf frühere höchstrichterliche Entscheidungen (BGH Beschluss vom 18.10.2011 – II ZR 37/10, Urteile vom 22.03.2011 – II ZR 100/09 und vom 11.12.1989 – II ZR 78/89, NJW 1990, 1111). Es bedarf daher nicht von vornherein der Vorlage von Beglaubigungsvermerken gem. § 178, 179 InsO zur substantiierten Darlegung der festgestellten Forderungen.
b) Letztlich kann diese Frage vorliegend jedoch dahinstehen, denn die Klägerseite hat nach Aufforderung durch den Senat, eine aktuelle Insolvenztabelle vorzulegen, mit Schriftsatz vom 24.01.2020 die aktuelle Gläubigerliste des Amtsgerichts Bremen – Insolvenzgericht – in Fotokopie der am 20.01.2020 beglaubigten Abschrift, die mit dem Original der Gläubigerliste der Insolvenzakte übereinstimmt als Anlage K 15 vorgelegt. Die Gläubigerliste nennt als Prüfungstermin den 17.03.2016. Einwände gegen die Authentizität hat die Beklagtenseite nicht erhoben.
Aus dieser als Anlage K 15 vorgelegten gerichtlichen Insolvenztabelle ergibt sich, dass Gläubigerforderungen festgestellt sind (ca. 2,49 Mio. Euro), die bei weitem die ausstehende Haftsumme und geltend gemachte Forderung übersteigen.
aa) Der Beklagte kann diesbezüglich mit seinem Verspätungseinwand nicht durchdringen. Das Landgericht hatte zur Substantiierung der Gläubigerforderungen die Vorlage der Tabelle nach § 175 InsO als ausreichend erachtet. Damit bestand für die Klägerseite kein Anlass eine gerichtliche Tabelle nach §§ 178 Abs. 2 S. 1 InsO vorzulegen. Die Vorlage der Tabelle im Schriftsatz vom 24.01.2020 erfolgte nach Aufforderung des Senats, eine aktuelle Gläubigerliste spätestens zum Termin zur mündlichen Verhandlung mitzubringen.
bb) Soweit der Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegen einzelne zur Tabelle festgestellte Forderungen Einwände erhoben hat, hat er damit keinen Erfolg. Der Beklagte wendet insbesondere ein, dass es sich bei den unter Ziffer 4, 5, 9, 10 und 12 festgestellten Forderungen um „unzulässige Sammelanmeldungen“ handle und dass es sich zudem bei der Forderung der Volksbank … (Ziffer 9) um eine fingiert fällige Forderung handle, für die er nicht hafte (§ 41 InsO). Die Feststellung zur Insolvenztabelle wirkt gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern gem. § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil (vgl. BGH NJW 2014, 391). Für den Schuldner ergibt sich die Rechtskraftwirkung nicht aus § 178 Abs. 3 InsO, weil dieser dort nicht genannt ist. Sie folgt mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2018 – II ZR 272/16). Nach diesem Urteil des BGH wirkt die widerspruchslose Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle auch zu Lasten des Kommanditisten. Aufgrund widerspruchsloser Feststellung der Forderungen in der Insolvenztabelle sind dem Kommanditisten Einwendungen nach §§ 129 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB abgeschnitten.
Die Rechtskraftwirkung eines Titels gegenüber der Gesellschaft beschränkt grundsätzlich die Einwendungsmöglichkeiten für den persönlich haftenden Gesellschafter. Gegen die aus § 128 HGB begründete persönliche Haftung eines Gesellschafters einer OHG kann ein Gesellschafter gemäß § 129 Abs. 1 HGB abgesehen von persönlichen Einwendungen nur die Einwendungen geltend machen, die auch von der Gesellschaft erhoben werden können. Ein rechtskräftiges Urteil gegenüber der Gesellschaft nimmt auch dem persönlich haftenden Gesellschafter die Einwendungen, die der Gesellschaft abgesprochen wurden (BGH, a.a.O, Tz. 23). Diese Grundsätze gelten gemäß § 161 Abs. 2 HGB auch für die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB (BGH, a.a.O, Tz. 24). Eine einschränkende Auslegung der § 161 Abs. 2, § 129 Abs. 1 HGB zu Gunsten der Kommanditisten in der Insolvenz ist nicht geboten. Die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter nehmen die Rechte der Schuldnerin im Insolvenzverfahren wahr. Der Kommanditist hat die Möglichkeit, sich im Insolvenzverfahren hinsichtlich der gegen die Gesellschaft bestehenden Forderungen zu informieren und sich im Hinblick auf die Feststellung zur Insolvenztabelle bzw. wegen der Erhebung eines Widerspruchs an den vertretungsberechtigen Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin bzw. an den Insolvenzverwalter zu wenden (BGH, a.a.O, Tz. 28).
Die Grundsätze für die Anwendung von § 129 Abs. 1 HGB gegenüber Gesellschaftern einer OHG im Hinblick auf widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellte Gesellschaftsgläubigerforderungen sind nicht auf die Kommanditisten übertragbar (BGH, a.a.O, Tz. 29). Gesellschafter einer OHG können eine angemeldete Forderung im Prüfungstermin bestreiten. Die Ausübung dieses Rechts verhindert die Rechtskraftwirkung der Feststellung einer Forderung zur Konkurstabelle gegenüber dem Bestreitenden (BGH, a.a.O, Tz. 30). Diese Grundsätze sind nicht auf den Kommanditisten übertragbar, da dessen Stellung anders ausgestaltet ist als die des persönlich haftenden Gesellschafters. Die Kommanditisten sind von der Führung der Geschäfte ausgeschlossen und müssen vom vertretungsberechtigten Gesellschafter eingegangene Verpflichtungen und auch dessen Prozessführung hinnehmen. Dafür kann der Kommanditist mit der Erbringung seiner Einlage seine Haftung ausschließen, § 171 Abs. 1 HGB, und haftet auch gegenüber Gläubigern bei Entnahme der Hafteinlage nach § 172 HGB nur begrenzt bis zur Höhe des noch offenen Einlagebetrags (BGH, a.a.O, Tz. 31, 31). Im Insolvenzverfahren steht das Widerspruchsrecht nach § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO der Kommanditgesellschaft zu. Widerspruchsberechtigt ist daher das vertretungsberechtigte Organ. Der Kommanditist hat kein Widerspruchsrecht (BGH, a.a.O, Tz. 33).
Der Eröffnungsbeschluss mit dem darin nach § 29 Abs. 1 InsO enthaltenen Prüfungstermin ist nach § 30 Abs. 2 InsO dem Schuldner, d.h. dem vertretungsberechtigten Gesellschafter, nicht aber dem Kommanditisten zuzustellen. Daher steht eine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Hinblick auf die Möglichkeit zur Teilnahme am Prüftermin und Erhebung eines Widerspruchs im Gegensatz den persönlich haftenden Gesellschaftern nicht in Rede. Der Kommanditist ist gehalten, auf einen Widerspruch des vertretungsberechtigten Gesellschafters oder des Insolvenzverwalters hinzuwirken (BGH, a.a.O, Tz. 34).
Nach diesen Grundsätzen ist dem Beklagten infolge der widerspruchslosen Feststellung der Forderungen in Ziffern 4, 5, 9, 10 und 12 der Einwand, es handle sich um unzulässige Sammelanmeldungen verwehrt. Hinsichtlich der unter Ziffer 12 dargestellten Forderungen ist bereits nicht ersichtlich, dass es sich um eine „Sammelanmeldung“ handelt. Die Forderung in Höhe von insgesamt 970,11 Euro setzt sich aus acht Einzelforderungen zusammen für Warenlieferungen unter Angabe der jeweiligen Rechnungsnummer.
Aber auch soweit die Beklagtenseite sich gegen den Darlehensrückzahlungsanspruch der Volksbank … nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, der in Höhe von 2.256.863,02 Euro zur Tabelle festgestellt ist, wendet, hat sie keinen Erfolg. Im vorliegenden Fall hat der Beklagtenvertreter erstmals im Schriftsatz vom 20.01.2020 und auch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der inmitten stehende Darlehensvertrag aufgrund der Insolvenzeröffnung gekündigt worden sei und es sich deshalb um eine nach § 41 InsO fingiert fällige Forderung handle, für die der Kommanditist nicht hafte. Dem ist der Klägervertreter entgegengetreten und hat ausgeführt, dass die Darlehenskündigung aufgrund Vermögensverschlechterung erfolgt sei, wie vertraglich vereinbart. Festzuhalten ist zunächst, dass der Beklagte eine derartige Rüge in der Berufungsbegründung nicht erhoben hat, sondern erstmals im Schriftsatz vom 20.01.2020. Damit hat der Vortrag als verspätet unberücksichtigt zu bleiben. Unabhängig davon, kann der Beklagte auch in der Sache nicht durchdringen. Nach Auffassung des Senats ergeben sich auch aus dem Vortrag des Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die unzweifelhaft erfolgte Kündigung des Darlehensvertrags unwirksam ist und es sich damit um eine nicht fällige Forderung handelt, für die die Fiktion des § 41 Abs. 1 InsO zum Tragen kommt. Im Übrigen ergibt sich aus den vom Beklagten zitierten Entscheidung auch nicht, dass ein Kommanditist für eine nach § 41 Abs. 1 InsO als fällig geltende Forderung nicht hafte. Das Urteil des BGH vom 15.11.2012, IX ZR 169/11 betrifft die anders gelagerte Frage, ob insolvenzabhängige Lösungsklauseln bei Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie wirksam sind. Das OLG Karlsruhe hat in dem zitierten Urteil vom 04.02.2013 (1 U 168/12) entschieden, dass die insolvenzrechtliche Fiktion der Fälligkeit nach § 41 Abs. 1 InsO nur das Verhältnis zwischen Insolvenzschuldner und -gläubiger, aber nicht die Beziehung des Insolvenzgläubigers zu Dritten, wie Bürgen, betrifft. Die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB ist mit der eines Bürgen jedoch nicht vergleichbar.
3. Der Beklagte hat auch nicht nachgewiesen, dass die eingeklagten 17.000,00 Euro zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht erforderlich wären. Richtig ist, dass der Anspruch aus §§ 172, 171 Abs. 2 HGB nicht begründet ist und der Kommanditist vom Insolvenzverwalter nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn sein Beitrag zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht (mehr) erforderlich ist, BGH Urteil vom 22.03.2011, II ZR 271/08, BGH Urteil vom 18.10.2011, II 37/10. Insoweit ist zu beachten, dass der Insolvenzverwalter nur die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darlegen muss, aber der in Anspruch genommene Kommanditist die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass seine Inanspruchnahme nicht notwendig ist (BGH Urteil vom 11.12.1989, II ZR 78/89). Vorliegend ist der Kläger seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem er die angemeldeten und festgestellten Forderungen (s.o.) und die verfügbare Insolvenzmasse (vgl. Anlage K 14) vorgetragen hat. Hieraus ergibt sich schlüssig die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme der Kommanditisten zur Befriedigung der Gläubiger.
Die mit Schriftsatz vom 28.10.2019 vorgelegte Anlage K 14, der 8. Sachstandsbericht vom 23. August 2019, ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht verspätet vorgelegt.
Danach ergibt sich, dass 20 Gläubiger Forderungen in Höhe von 2.569.120,98 Euro angemeldet haben, wovon in Höhe von 2.490.274,00 Euro Forderungen festgestellt wurden. Auf den Treuhandkonten befanden sich zum Stichtag 23.08.2019 Guthaben in Höhe von 12.018,51 Euro und 112.499,09 Euro, insgesamt 124.570,60 Euro. Aus dem Sachstandsbericht ergibt sich des Weiteren, dass Ansprüche gegen Gesellschafter in Höhe von 114.400,00 Euro realisiert wurden und lediglich ein Kommanditist (der Beklagte) mit einer offenen Nachschussverpflichtung in Höhe von 17.000,00 Euro der Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen ist. Im Schriftsatz vom 17.01.2020 hat der Klägervertreter unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 28.10.2019 die Insolvenzforderungen und den mitgeteilten Bestand als aktuell bestätigt und erklärt, dass bis zum Termin am 29.01.2010 Änderungen nicht eintreten würden. Damit ist von Klägerseite der sekundären Darlegungslast hinreichend nachgekommen und dargetan, dass zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Einlagezahlung des Beklagten erforderlich ist.
Der Beklagte hätte daher darzulegen und zu beweisen gehabt, dass seine Inanspruchnahme nicht erforderlich ist. Dies ist ihm nicht gelungen, er kann insbesondere nicht damit durchdringen, dass er vortragen lässt, der Kläger habe nichts dazu erklärt, in welcher Höhe er bereits Kommanditistenforderungen eingezogen habe, da hierzu eine Erklärung abgegeben wurde und danach bis auf den Beklagten alle Kommanditisten ihrer Einlagepflicht nachgekommen sind. Vor diesem Hintergrund kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, dass seine Inanspruchnahme zur Befriedigung der Gläubiger nicht notwendig sein soll.
Auch der pauschale Verweis auf §§ 54, 55 InsO durch den Beklagten führt nicht zum Erfolg. In der Anlage K 14 hat die Klägerseite dezidiert die Kosten des Verfahrens und sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO dargestellt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben fehlerhaft sind und eine abweichende Beurteilung veranlasst ist, ergeben sich – auch aus dem Vortrag des Beklagten – nicht.
Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die Inanspruchnahme nicht erforderlich war, weil sich nach voller Befriedigung der Gläubiger ein Überschuss ergibt, wofür angesichts der oben dargestellten Sachlage derzeit nichts spricht, hat der Insolvenzverwalter diesen an die Gesellschafter nach den Regeln über eine Liquidation außerhalb des Insolvenzverfahrens herauszugeben.
4. Auch die Anzeige der Masseunzulänglichkeit gibt zu keiner abweichenden Beurteilung Anlass. Nach gefestigter Rechtsprechung bleibt der Insolvenzverwalter trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Einleitung und Durchführung aussichtsreicher Prozesse berechtigt und verpflichtet (vgl. Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage, § 208 Rdnr. 38). An der Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters ändert auch die Tatsache nichts, dass vorliegend die Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§§ 208 ff. InsO) erfolgte, denn die uneingeschränkte Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters besteht grundsätzlich bis zum förmlichen Verfahrensabschluss, sei es durch Einstellung des Insolvenzverfahrens oder durch Aufhebung des Insolvenzverfahrens, fort. Eine Einstellung des Insolvenzverfahrens nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Jahr 2015 ist unstreitig bislang nicht erfolgt (§§ 26, 207,211 InsO).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Insolvenzverwalter bei der Geltendmachung der Kommanditistenhaftung nach § 171 Abs. 2 HGB lediglich mit treuhänderischer Einziehungsbefugnis als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig, so dass der in Anspruch genommene Gesellschafter durch Zahlung an den Insolvenzverwalter konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen bringt (BGH, Urteil vom 09.10.2006 – II ZR 193/05; BGH Beschluss vom 18.10.2011 – II ZR 37/10; BGH, Urteil vom 17.12.2015 – IX ZR 143/13; BGH, Beschluss vom 12.07.2012 – IX ZR 217/16). Mit jeder Zahlung eines in Anspruch genommenen Kommanditisten erlischt demzufolge jeweils ein entsprechender Anteil aller zur Tabelle festgestellten Forderungen aller Gläubiger. Dies wird regelmäßig zur Folge haben, dass der Insolvenzverwalter – um seinen Verpflichtungen aus seiner Stellung als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger gerecht zu werden – gezwungen ist, Sondermassen zu bilden und die eingezogenen Beträge treuhänderisch für die einzelnen Gläubiger zu verwalten und sie dann gemäß § 187 ff. InsO quotal auszuschütten (vgl. BGH Urteil vom 17.12.2015 – IX ZR 143/13).
Dahinstehen kann vorliegend, ob der Insolvenzverwalter (noch) befugt ist, (auch) wegen der Masse- und Verfahrenskosten oder im Hinblick auf den Innenausgleich der Gesellschafter offene Einlagebeträge einzufordern. Denn in jedem Fall kann der Einforderung der (ausstehenden) Hafteinlage nicht entgegen gehalten werden, dass aufgrund der angezeigten Masseunzulänglichkeit eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter grundsätzlich entfällt.
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite hat allein die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nämlich nicht zur Folge, dass aufgrund der Rechtsfolge (§§ 208, 209 InsO), wonach erst die Kosten und dann die Gläubigerforderungen bedient werden, der Beklagte als Kommanditist von seiner Einlagepflicht bezüglich der unzweifelhaft noch ausstehenden Haftungseinlage frei wird bzw. der Insolvenzverwalter die Einlageforderung nicht mehr geltend machen kann. Dies würde letztlich zu dem nicht tragbaren Ergebnis führen, dass trotz bestehender Einlagepflicht der Kommanditisten und bestehender Gläubigerforderungen gegen die Schuldnerin während des laufenden Insolvenzverfahrens eine Haftung der Kommanditisten allein aufgrund der angezeigten Masseunzulänglichkeit ausscheiden würde und eine Befriedigung der Gläubiger aus der Haftungssumme der Kommanditisten nicht erfolgen könnte. Im vorliegenden Fall ist zudem festzuhalten, dass ausweislich des von Klägerseite vorgelegten 8. Sachstandsberichts (vgl. Anlage K 14) den noch offenen Verfahrenskosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO in Höhe von insgesamt 43.000,00 Euro Guthaben auf Treuhandkonten in Höhe von ca. 124.000,00 Euro sowie Erlöse aus der Rechtsverfolgung von Gesellschafterhaftungsansprüchen in Höhe von 114.400,00 Euro, die in voller Höhe freie Masse darstellen, gegenüber stehen.
Die im nichtnachgelassenen Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 09.03.2020 erfolgten Ausführungen geben zu keiner abweichenden Beurteilung Anlass. Soweit sie bisherigen Vortrag der Beklagtenseite lediglich wiederholen, ist hierauf in der vorliegenden Entscheidung eingegangen. Neuer Sachvortrag ist nicht mehr zu berücksichtigen.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
6. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Senat hat sich bei seiner Entscheidung an der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert.
Im Hinblick auf die Frage, ob zur Substantiierung der Klageforderung eine amtliche gerichtliche Tabelle nach § 178 InsO vom Insolvenzverwalter vorgelegt werden muss oder eine „Eigentabelle nach § 175 InsO“ ausreicht, hatte im vorliegenden Fall eine Zulassung der Revision zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht zu erfolgen, da – wie oben ausgeführt – die Klageseite im Berufungsverfahren eine beglaubigte Abschrift der gerichtlichen Insolvenztabelle in Kopie vorgelegt hat.
Die vom Senat vertretene Auffassung zur Rechtsfolge der vorliegend angezeigten Masseunzulänglichkeit rechtfertigt ebenfalls eine Revisionszulassung nicht. Die Frage, ob Kommanditisten gem. §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB auch wegen Masseverbindlichkeiten und -kosten in Anspruch genommen werden können, die zwar vom BGH bislang nicht entschieden ist und von verschiedenen Oberlandesgerichten unterschiedlich beurteilt wird, stand vorliegend nicht zur Entscheidung. Der Senat hatte zu entscheiden, ob die Anzeige der Masseunzulänglichkeit dazu führt, dass der Insolvenzverwalter die ausstehende Einlage nicht mehr geltend machen kann.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben