Bankrecht

Individualisierung der Gläubigerforderungen bei Inanspruchnahme eines Kommanditisten

Aktenzeichen  4 U 3/18

Datum:
11.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43683
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 171, § 172 Abs. 4
InsO § 174 Abs. 2, § 175 Abs. 1 S. 1, § 178 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Nimmt der Insolvenzverwalter einen Kommanditisten auf Befriedigung von Gläubigerforderungen in Anspruch, genügt für die nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche Individualisierung dieser Forderungen eine Bezugnahme auf eine Tabelle, in der keine konkreten Rechnungen bzw. Titel oder Leistungszeiträume angegeben sind, nicht. (Rn. 25 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch die Feststellung der Gläubigerforderungen zur Tabelle ersetzt das Erfordernis der hinreichenden Individualisierung dieser Forderungen im Prozess nicht. (Rn. 32 – 36) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 U 3/18 2019-04-01 Hinweisbeschluss OLGBAMBERG OLG Bamberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 19.12.2017, Az. 24 O 107/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Schweinfurt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 21.700,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger, der mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 21.02.2013 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Schiffsfondsgesellschaft (A., im Folgenden: Schuldnerin) bestellt wurde, nimmt den Beklagten, der sich mit einer Einlage von 70.000,- € als Kommanditist an der Schuldnerin beteiligt hatte, unter dem Gesichtspunkt einer (teilweisen) Rückgewähr der Kommanditeinlage in Anspruch. Der Beklagte hatte in den Jahren 2004 bis 2008 von der Schuldnerin Zahlungen in Höhe von insgesamt 34.300,- € erhalten und seinerseits im Rahmen eines Sanierungsverfahrens im Jahr 2010 an die Schuldnerin Zahlungen in Höhe von 12.000,- € erbracht und in der Folgezeit weitere 600,- € geleistet.
Der Kläger behauptet, dass zum Zeitpunkt der entsprechenden Ausschüttungen an den Beklagten dessen Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Hafteinlage herabgemindert gewesen sei. Unter Vorlage einer „Tabelle nach § 175 InsO“ vom 22.02.2017 (Anlage K 2) hat der Kläger erstinstanzlich vorgetragen, dass 38 Gläubiger Insolvenzforderungen in einer Gesamthöhe von 18.865.059,18 € zur Tabelle angemeldet hätten, er auf den Insolvenzanderkonten „aktuell“ Beträge von 3.524.345,09 € bzw. 226.066,73 $ verwalte und somit die vorhandene Insolvenzmasse die Insolvenzforderungen nicht decke, weswegen die Inanspruchnahme des Beklagten gemäß §§ 171 Abs. 1 und 2, § 172 Abs. 1 und 4 HGB erforderlich sei.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.700,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass wegen der unzureichenden Darlegung der Klageforderung die Klage damit bereits unzulässig bzw. unschlüssig sei; ein Verweis auf die Insolvenztabelle reiche insoweit nicht. Diese lasse die von den Insolvenzgläubigern geltend gemachten Forderungen nicht ausreichend erkennen. Den Bestand der dort aufgelisteten Forderungen bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen, behauptet eine nicht ordnungsgemäß erfolgte Anmeldung der Forderungen und trägt in diesem Zusammenhang vor, dass ihm auch vom Kläger Akteneinsicht nicht gewährt worden sei. Er trägt ferner vor, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Insolvenzmasse bereits ausreiche, um die Drittgläubigerforderungen vollständig zu bedienen.
Mit Endurteil vom 19.12.2017 hat das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger als gesetzlicher Prozessstandschafter Einzelansprüche von Drittgläubigern geltend mache, ohne im vorliegenden Fall darzulegen, ob diese Forderungen festgestellt sind und auf welche konkreten Forderungen in welcher Reihenfolge die Klage gestützt werde. Damit liege eine Teilleistungsklage vor, ohne dass aus dieser ersichtlich werde, welche konkrete Gläubigerforderung in welcher Höhe zum Erlöschen gebracht werden solle, was zu deren Unzulässigkeit führe. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da der Kläger schon nicht dargelegt habe, dass die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen überhaupt bestehen bzw. er zur Erfüllung gewillt sei. Es lasse sich damit nicht feststellen, ob die Inanspruchnahme des Beklagten überhaupt erforderlich sei.
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung wendet sich der Kläger gegen das Ersturteil und verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiter.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass keine unzulässige Teilklage vorliege, da er den Beklagten auf den höchstmöglichen Betrag in Form der gesamten ausstehenden Hafteinlage in Anspruch nehme; die vom Landgericht zitierte Entscheidung des BGH betreffe die Haftung eines GbR-Gesellschafters und sei daher schon aus diesem Grund nicht übertragbar. Im Übrigen werde durch den BGH (Urteil vom 20.02.2018, Az. II ZR 272/16) bestätigt, dass bei einer Inanspruchnahme von Kommanditisten keine Teilleistungsklage vorliege. Im Übrigen genüge die Vorlage der Insolvenztabelle der Darlegungslast des Klägers, ohne dass dieser (zusätzlich) darlegen müsste – was im Übrigen auch unerheblich sei – ob die Gläubigerforderungen anerkannt oder sonst rechtskräftig festgestellt seien. Der Kläger als Insolvenzverwalter sei vielmehr hinsichtlich sämtlicher angemeldeter (auch bestrittener) Insolvenzforderungen einziehungsermächtigt.
Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2018 (Bl. 268 / 272 d.A.) und mit Schriftsatz vom 21.11.2018 (Anlage K 15) weitere Insolvenztabellen vorgelegt. Weitere Insolvenztabellen, die Vermerke des Insolvenzgerichts Hamburg über die Feststellung der dort aufgelisteten Forderungen enthalten, wurden mit Schriftsätzen vom 29.05.2019 (Anlage K 19) und 02.01.2020 (Anlage K 22) eingereicht.
Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt vor, dass der Kläger den nach § 253 ZPO notwendigen Sachvortrag nach wie vor nicht erbracht habe und die Klage damit weder zulässig noch schlüssig sei, daran ändere auch eine bestehende Einziehungsermächtigung nichts. Nachdem der Beklagte sämtliche Forderungen bestritten habe, hätte der Kläger diese im Einzelnen darlegen und beweisen müssen, was nicht erfolgt sei. Auch sei die Inanspruchnahme des Beklagten zur Deckung der Gläubigerforderungen nicht erforderlich. Ferner erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung, soweit nunmehr mit Vorlage der Insolvenztabellen mit entsprechenden Feststellungsvermerken des Insolvenzgerichts, von einer wirksamen Klage auszugehen wäre.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird ergänzend auf das angefochtene Ersturteil und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat am 22.10.2018 mündlich verhandelt (Protokoll Bl. 258 / 261 d.A.) und am 05.11.2018 einen Hinweis- und Auflagenbeschluss erlassen, woraufhin die Parteien weiter vorgetragen haben. Insoweit wird auf den Inhalt des Senatsbeschlusses und der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat daraufhin erneut mündlich verhandelt (Protokoll v. 18.02.2019, Bl. 338 / 341 d.A.), wobei der Kläger hilfsweise die Feststellung beantragt hat, dass der Beklagte zur Zahlung von 21.700,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger verpflichtet ist (Bl. 341 d.A.).
Weitere Hinweisbeschlüsse des Senats ergingen in der Folge am 01.04.2019, 24.06.2019 und in der Berufungsverhandlung vom 20.01.2020, auf die jeweils Bezug genommen wird.
Am 10.02.2020 hat der Senat einen weiteren Hinweisbeschluss erlassen, woraufhin der Kläger mit Schriftsatz vom 28.02.2020 unter Bezugnahme auf eine gerichtliche Insolvenztabelle (Anlage K 25) und weitere Anlagen (K 26 bis 49), welche die Anmeldungen der jeweiligen in dieser Insolvenztabelle festgestellten Forderungen nebst weitere Unterlagen (Rechnungen etc.) enthalten, weiter vorgetragen hat.
Beide Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Der Senat hat mit Beschluss vom 03.03.2020 Schriftsatzfrist bis 20.04.2020 und den Verkündungstermin auf den 11.05.2020 bestimmt.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat – auch in Form des zuletzt gestellten Hilfsantrags – in der Sache keinen Erfolg, da sie zwar nicht – wie das Landgericht – als unzulässig, jedoch im Ergebnis wegen der inzwischen eingetretenen Verjährung der geltend gemachten Forderungen als unbegründet abzuweisen war.
1) Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die Klage jedoch nicht deswegen unzulässig, weil eine unzulässige Teilklage vorliegen würde. Der Beklagte ist als Kommanditist gemäß §§ 171 Abs. 1 und 2, 172 Abs. 1 und 4 HGB begrenzt auf die Höhe der ausstehenden Haftsumme einstandspflichtig, die der Kläger insgesamt und nicht nur teilweise geltend macht. Auch bedarf es keiner Zuordnung der Klagesumme auf die geltend gemachten materiellen Ansprüche der einzelnen Gläubiger bzw. keiner Angabe einer Befriedigungsreihenfolge. Der Beklagte haftet nicht nur für einzelne, sondern für alle Gläubigerforderungen mit der Folge, dass der vom Kläger einzuziehende Betrag anteilig zur Befriedigung aller Gläubigerforderungen zu verwenden ist (BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16 -, Rn. 17, juris). Bei dieser Sachlage muss der Kläger nicht darlegen, welche der einzelnen Gläubigerforderungen seiner Klage nach § 171 Abs. 2 HGB in welcher Reihenfolge zugrunde liegen (OLG Koblenz, Urteil vom 06. November 2018 – 3 U 265/18 -, Rn. 4, juris).
2) Die Klage vom 23.02.2017 war unwirksam, da sie den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinsichtlich des Klagegrunds nicht genügte und damit nicht geeignet war, die Verjährung eventueller Ansprüche des Klägers gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu hemmen (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 204, Rn. 4).
Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB unterliegen der fünfjährigen Verjährung der §§ 159, 161 Abs. 2 HGB, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit der Auflösung der Gesellschaft. Gemäß § 159 Abs. 2 HGB beginnt die Verjährung mit dem Ende des Tages zu laufen, an welchen die Auflösung der Gesellschaft bzw. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in das Handelsregister eingetragen wird (BGH, Urteile vom 21.03.1983, Az. II ZR 113/82 bzw. 08.02.1982, Az. II ZR 235/81, jeweils juris). Im Hinblick auf die am 21.02.2013 erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens war die Verjährungsfrist bei Klageerhebung zwar noch nicht abgelaufen, vermochte die Verjährung, auf die sich der Beklagte auch berufen hat, jedoch mangels entsprechender Individualisierung nicht zu hemmen.
a) In einer Klageschrift ist gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (nur) so viel vorzutragen, dass der Klageanspruch eindeutig identifizierbar ist, wohingegen eine vollständige Beschreibung des Lebenssachverhalts, wie sie zur schlüssigen und substantiierten Darlegung des Klageanspruchs erforderlich sein kann, nicht verlangt wird. Eine entsprechende Individualisierung kann auch durch Bezugnahme auf Anlagen erfolgen (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 253, Rn. 11, 12).
aa) Eine hinreichende Individualisierung ergibt sich hier jedoch nicht aufgrund der Tatsache, dass der Kläger unter Anrechnung der von ihm zurückgezahlten Teilbeträge von 12.000,- € bzw. 600,- € die Erstattung der gesamten Restsumme der an den Beklagten geflossenen Ausschüttungen verlangt (so aber OLG Hamm, Urteil vom 11. Juni 2018, Az. I-8 U 124/17, Rn. 6 juris, OLG Bamberg, Urteil vom 07.05.2019, Az. 5 U 99/18, Rn. 12 juris). Streitgegenständlich im vorliegenden Verfahren sind vielmehr die Forderungen der Insolvenzgläubiger gegen die Insolvenzschuldnerin, die der Insolvenzverwalter gegenüber dem Kommanditisten gem. §§ 171, 172 HGB geltend macht und lediglich in der Höhe durch dessen Haftsumme begrenzt werden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vorgenannten Entscheidung des BGH vom 20.02.2018. Dort wird lediglich ausgeführt, dass für die Substantiierung bzw. Individualisierung die Angabe einer Reihenfolge der in der Insolvenztabelle enthaltenen Forderungen hinsichtlich ihrer Geltendmachung durch den Kläger nicht erforderlich sei. Auch kann aus dieser Entscheidung nicht entnommen werden, dass Streitgegenstand die „Haftsumme“ des Gesellschafters im Sinne seiner nicht geleisteten bzw. zurückbezahlten Einlage war. Soweit in dieser Entscheidung ausgeführt wird (Rn 18), dass „dessen Haftsumme insgesamt“ geltend gemacht wird, geschieht dies unter Bezugnahme auf die summenmäßig begrenzte Haftung des Kommanditisten gem. §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB und meint damit nicht den möglicherweise noch im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Kommanditisten bestehenden Anspruch auf Zahlung der Einlage, sondern die in das Handelsregister einzutragende summenmäßige Begrenzung der Kommanditistenhaftung (MüKoHGB/Karsten Schmidt, 4. Aufl. 2019, HGB §§ 171, § 172 Rn. 5). Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger ausdrücklich keine Ansprüche in Bezug auf die Einlage des Beklagten geltend, sondern ausdrücklich Haftungsansprüche der Gläubiger welche in Bezug auf den Beklagten als Kommanditist auf dessen Haftsumme beschränkt sind (siehe zur Abgrenzung MüKoHGB, a.a.O, Rn. 98). Die Haftsumme bestimmt damit nicht den Streitgegenstand, sondern begrenzt lediglich summenmäßig die vom Kommanditisten zu befriedigenden Gläubigerforderungen.
Die Tatsache, dass es Sinn und Zweck des § 171 Abs. 2 HGB ist, die Gläubigerforderungen gegen die Kommanditisten in der Hand des Insolvenzverwalters zu bündeln, damit dieser einen geordneten Forderungsausgleich zwischen den Gläubigern und Kommanditisten herbeiführen kann, was wiederum nur dann möglich ist, wenn der Insolvenzverwalter sämtliche Gläubigerforderungen in einem einheitlichen gerichtlichen Verfahren geltend machen kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.6.1989 – 6 U 218/88, BeckRS 1989, 02969 Rn. 17, OLG München, Beschluss vom 27.3.2018 – 7 W 282/18, juris), führt jedoch nicht dazu, dass die Anforderungen an die Darlegungen bzgl. der Gläubigerforderungen im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht einzuhalten sind. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb unterschiedliche Anforderungen an eine zulässige Klage gestellt werden sollten, je nachdem ob die Gläubigerforderungen durch die Gläubiger selbst oder durch den wegen § 171 Abs. 1 HGB hierzu ermächtigten Insolvenzverwalter, bzw. ob eine einzelne oder mehrere Gläubigerforderungen geltend gemacht werden.
bb) Diesen Anforderungen an die Darstellung der geltend gemachten Gläubigeransprüche genügt der Vortrag der Klägerseite jedoch im Hinblick auf deren Individualisierung nicht. In der Klageschrift und auch in den weiteren erst- und zweitinstanzlichen Schriftsätzen wird bzgl. der Gläubigeransprüche jeweils lediglich eine Gesamtsumme genannt, ohne dass jeweils Ausführungen in Bezug auf die Identität der Gläubiger, der Forderungshöhe und den zugrundeliegenden Sachverhalt erfolgten wären. Zwar kann grundsätzlich eine entsprechende Individualisierung auch durch Bezugnahme auf Anlagen erfolgen (Zöller, a.a.O., § 253, Rn. 12). Jedoch reichen auch die vom Kläger als Anlage eingereichten Insolvenztabellen nicht aus, um die Gläubigerforderungen im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO hinreichend zu individualisieren.
aaa) Die mit der Klage als Anlage K 2 vorgelegte „Tabelle nach § 175 InsO“, in der 38 Einzelforderungen in einem Gesamtvolumen von 18.865.059,18 € aufgeführt werden, enthält neben dem/der jeweiligen Namen/Firma des Gläubigers nebst Anschrift und der Forderungshöhe in der Spalte „Grund der Forderung“ lediglich Stichworte wie etwa „Warenlieferung“, „Darlehen“, „Dienstleistungsvertrag“, „Gewerbesteuer 2013“ ohne eine Bezugnahme auf eine konkrete Rechnung bzw. Titel oder einen Leistungszeitraum.
Zu den wesentlichen Formerfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gehört außer einem bestimmten Antrag die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substanziiert dargelegt worden ist. Vielmehr ist es im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist. Eine ohne jede Tatsachenangabe erhobene Klage ist indessen unzulässig. Die gebotene Individualisierung der Klagegründe kann grundsätzlich auch durch eine konkrete Bezugnahme auf der Klageschrift beigefügte Anlagen erfolgen, wobei die Gerichte nicht verpflichtet sind, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die Ansprüche zu konkretisieren. Anlagen können zudem grundsätzlich lediglich zur Erläuterung und Konkretisierung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht vollständig ersetzen (BGH, Urteil vom 17.3.2016, Az III ZR 200/15, Rn. 19 juris). Unbedenklich ist es, wenn zur Darlegung des Sachverhalts allgemein bekannte juristische Ausdrücke verwendet werden, wie „Kauf“ oder „Kaufvertrag“, falls durch zusätzliche Tatsachenangaben, zB Benennung des Zeitpunkts, die Identität des so gekennzeichneten Sachverhalts klargestellt wird (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl. 2016, ZPO § 253, Rn. 82).
Die vorgelegten Insolvenztabellen erreichen die vorgenannten Anforderungen an den darzulegenden Sachverhalt eindeutig nicht. Dies ergibt sich schon daraus, dass auch eine von einem Gläubiger der Gesellschaft eingereichte Klage, mit der er nach § 171 Abs. 1 HGB seine Forderungen gegenüber einem Kommanditisten geltend macht und die, wie letztlich die vorgelegten Insolvenztabellen, allein den Betrag der Forderung nebst einem Rechtsbegriff wie „Kapitalforderung“ oder „Darlehen“ bzw. einem Schlagwort wie „Warenlieferung“ oder „Dienstleistung“ enthielte, unzweifelhaft den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO an den dazulegenden Sachverhalt nicht genügen würde.
bbb) Etwas anderes gilt hier auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass bei der Geltendmachung von Gläubigerforderungen gegen den Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin keine höheren Anforderungen gestellt werden sollten, als bei der Anmeldung und Aufnahme einer Forderung in eine Insolvenztabelle.
Nach § 174 Abs. 2 InsO sind auch bei der Anmeldung einer Insolvenzforderung deren Grund und der Betrag der Forderung anzugeben. Hierbei entspricht der Grund demjenigen in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, bezeichnet also den Sachverhalt, aus dem die Forderung entspringt. Die Anmeldung ist zum einen Grundlage der Eintragung, aus welcher der Gläubiger nach Aufhebung des Verfahrens die Zwangsvollstreckung betreiben kann (§§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 InsO). Zum anderen soll die Anmeldung dem Verwalter und den übrigen Gläubigern eine Prüfung des Schuldgrunds ermöglichen. Die Forderung muss daher zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft eindeutig konkretisiert sein (BGH, Urteil vom 5.7.2018 – IX ZR 167/15, NZI 2018, 743, 744). Nach § 175 Abs. 1 S. 1 InsO hat der Insolvenzverwalter jede angemeldete Forderung mit den in § 174 Abs. 2 und 3 genannten Angaben, also auch den Grund der Forderung im oben genannten Sinne in eine Tabelle einzutragen. Der Grund ist stichwortartig, aber dennoch so individuell anzugeben, dass zum einen bei späteren Nachmeldungen sofort erkennbar ist, ob es sich um eine neue Forderung handelt oder eine Doppelanmeldung; zum anderen ist die Individualisierung im Hinblick auf ein nachfolgendes Feststellungsverfahren erforderlich (Uhlenbruck/Sinz, 15. Aufl. 2019, InsO § 175 Rn. 5). Hierbei soll der Verwalter im Wesentlichen wörtlich aus der Anmeldung zitieren und allenfalls offensichtlich überflüssige Angaben weglassen, nicht hingegen – wie offenbar in der Praxis durchaus üblich – die zur Konkretisierung der Forderung erforderliche Angaben (siehe BeckOK InsO/Zenker, 16. Ed. 15.10.2019, InsO § 175 Rn. 9).
Schon vor dem Hintergrund, dass damit die Anforderungen an den Inhalt einer Tabelle nach § 175 Abs. 1 S. 1 InsO denjenigen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechen, kann eine den insolvenzrechtlichen Anforderungen in diesem Sinne nicht entsprechende Tabelle nicht die nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Angaben der Klageschrift ersetzen, selbst wenn aufgrund der Unabhängigkeit und Geschäftskundigkeit des Insolvenzverwalters (§ 56 Abs. 1 InsO) eine Vermutung dafür bestünde, dass lediglich solche Forderungen in die Insolvenztabelle aufgenommen wurden, deren Anmeldung den Anforderungen des § 174 Abs. 2 S. 1 InsO entsprach.
b) Auch soweit der Kläger in der Berufungsverhandlung vom 22.10.2018 und mit Schriftsatz vom 21.11.2018 weitere Tabellen nach § 175 InsO vom 18.04.2013 (Bl. 268 / 272 d.A.) bzw. 19.11.2018 (Anlage K 15) vorgelegt hat, ergibt sich aus diesen Tabellen ein hinreichender Grund für die aufgelisteten Forderungen im Sinne von § 174 Abs. 2 S. 1 InsO bzw. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht. Wieder weist die Spalte „Grund der Forderung“, wie die bereits erstinstanzlich vorgelegte Tabelle keine ausreichende Individualisierung auf.
c) Eine hinreichende Individualisierung der vom Kläger geltend gemachten Gläubigerforderungen konnte letztlich auch nicht durch die mit Schriftsätzen vom 29.05.2019 (Anlage K 18) und 02.01.2020 (Anlage K 22) eingereichten Tabellen mit vom Insolvenzgericht festgestellten Forderungen im Sinne des § 178 Abs. 2 InsO ersetzt werden. Auch diese Tabellen enthalten hinsichtlich des Forderungsgrunds keine Angaben, welche über diejenigen, die bereits vorgelegt wurden, hinausgehen würden. Zwar setzt die Eintragung der Feststellung einer Forderung durch das Insolvenzgericht nach § 178 Abs. 2 S. 1 InsO voraus, dass die Forderung nach § 174 InsO formell ordnungsgemäß angemeldet, nach § 175 InsO in die Insolvenztabelle eingetragen und nach §§ 176, 177 InsO im allgemeinen oder besonderen Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren geprüft worden ist (BeckOK InsO/Zenker, 16. Ed. 15.10.2019, InsO § 178 Rn. 2) und damit, wie oben ausgeführt, hinreichend individualisiert ist.
Ob eine Forderung jedoch tatsächlich individualisiert angemeldet wurde, stand allein aufgrund der Eintragung jedoch nicht fest.
Die Eintragung der Feststellung einer Forderung in die Tabelle im Sinne des § 178 Abs. 2 InsO, vermag jedenfalls schon deshalb die im vorliegenden Verfahren nicht erfolgte Individualisierung nicht zu ersetzen bzw. zu „heilen“. Auch im Falle eines gravierenden inhaltlichen Mangels der Anmeldung, insbesondere hinsichtlich ihrer Bestimmtheit, der bei einer Klage dazu führen würde, dass das antragsgemäß ergehende Urteil nicht der materiellen Rechtskraft fähig ist, kann trotz erfolgter Feststellung der Forderung den Fehler der Anmeldung nicht heilen, mit der Folge, dass die Rechtskraftwirkung nicht eintritt. (BeckOK InsO/Zenker, a.a.O, § 174 Rn. 37, § 178 Rn. 2).
Entgegen der noch Hinweisbeschluss vom 24.06.2019 geäußerten Rechtsauffassung entfällt durch die insolvenzrechtliche Feststellung der Gläubigerforderungen die von Amts wegen durchzuführende Prüfung der hinreichenden Individualisierung im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO nicht. Da nicht feststeht, ob im Insolvenzverfahren eine Rechtskraftwirkung bzgl. der dort festgestellten Gläubigerforderungen erreicht wurde, kann auch nicht mit dem Argument des erforderlichen Gleichlaufs bzgl. der Rechtskraft der Gläubigerforderung in Bezug auf den Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 178 Abs. 3 InsO) und der Schuldnerin (§ 201 Abs. 2) einerseits und den Kommanditisten andererseits, von den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO abgesehen werden.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 20.02.2018 (a.a.O, Rn. 19, juris), wonach es zur Darlegung der Forderung ausreichend ist, wenn der Kläger die Insolvenztabelle mit festgestellten Forderungen vorlegt, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können. Aus der vorgenannten Entscheidung des BGH und der zugrundeliegenden Entscheidung des LG Ansbach (Urteil vom 30. September 2016, Az. 1 S 14/16 juris) ist nicht ersichtlich, welchen konkreten Inhalt die der Entscheidung zugrunde liegende Insolvenztabelle bzgl. des Grundes der dort aufgelisteten Forderungen hatte. Daher kann aus dieser Entscheidung nicht der zwingende Schluss gezogen werden, dass die Vorlage jeder Insolvenztabelle mit festgestellten Forderungen die Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erreicht. Der Senat geht damit im Ergebnis davon aus, dass zwar durch die Bezugnahme auf eine Insolvenztabelle gem. § 175 InsO, auch ohne dass Forderungen bereits gerichtlich festgestellt wurden, die Zulässigkeitsanforderungen an eine Klage gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfüllt werden können. Dies aber nur dann, wenn diese ihrerseits den Anforderungen d. §§ 174 Abs. 2, 175 Abs. 1 S. 1 InsO genügt, was im vorliegenden Fall – wie dargestellt – nicht der Fall ist.
3) Mittlerweile hat der Kläger zwar mit Schriftsatz vom 28.02.2020 eine hinreichende Konkretisierung der streitgegenständlichen Forderungen im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorgenommen. Allerdings ist anerkannt, dass eine erst nach bereits erfolgtem Verjährungseintritt nachgeholte Individualisierung der Klage keine rückwirkende Hemmung der bereits im Jahr 2018 abgelaufenen Verjährung bewirken kann (MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl., BGB, § 204, Rn. 23). Dagegen kann auch nicht der Einwand erhoben werden, dass aufgrund der nunmehr feststehenden Rechtskraftwirkung aufgrund der Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle (s.o. unter 2c), die Berufung des Beklagten auf die Verjährung nicht möglich wäre, denn die Rechtskraftwirkung gem. §§ 178 Abs. 3 bzw. 201 Abs. 2 InsO wirkt nicht unmittelbar gegen den Gesellschafter der Insolvenzschulderin. Die dem Beklagten individuell zustehende Einrede der Verjährung wird hierdurch nicht ausgeschlossen.
4) Der vom Kläger hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist bereits nicht zulässig. Die Zulässigkeit fehlt bereits deshalb, weil der Antrag allein auf die Feststellung einer Zahlungsverpflichtung des Beklagten gerichtet ist und es damit wegen der Möglichkeit einer Leistungsklage, die der Kläger ja auch erhoben hat, an einem Feststellungsinteresse fehlt. Soweit mit dem Antrag – bei wohlwollender Auslegung – die Feststellung beabsichtigt war, dass der Beklagte als Kommanditist der Schuldnerin im Sinne des § 172 Abs. 4 HGB Ausschüttungen (21.700,- €) erhalten hat, obwohl sein Kapitalanteil unter den Betrag der Einlage herabgemindert war, ergibt sich auch diesbezüglich kein Feststellungsinteresse, da dem Kläger als Insolvenzverwalter eine konkrete Darlegung der Gläubigerforderungen und des Bestands des Gesellschaftsvermögens, und damit auch eine Leistungsklage möglich und zumutbar ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 2. Fall ZPO zuzulassen. Eine Abweichung, die die Zulassung der Revision rechtfertigen kann, liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders entscheidet als eine relevante Vergleichsentscheidung. Ein solcher Fall ist hier hinsichtlich der Frage des Streitgegenstands gegeben. Substantiierungslast bzgl. der in das Verfahren eingeführten Tabellen gegeben. Das OLG Hamm (Urteil vom 11. Juni 2018, Az. I-8 U 124/17, Rn. 6 juris und der 5. Senat dieses Gerichts, Urteil vom 07.05.2019, Az. 5 U 99/18, Rn. 12 juris) gehen – anders als der Senat – davon aus, dass die Klage eines Insolvenzverwalters aufgrund der Geltendmachung der Haftsumme des Kommanditisten ausreichend individualisiert ist.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gem. § 47 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO bestimmt und entspricht demjenigen in erster Instanz. Der in der Berufungsinstanz zusätzlich erhobene Feststellungsantrag erhöht den Streitwert mangels einer gegenüber dem Hauptantrag eigenständigen wirtschaftlichen Identität nicht. … Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht


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