Bankrecht

Keine richtlinienkonforme Auslegung der Musterwiderrufsbelehrung entgegen Wortlaut

Aktenzeichen  17 U 1912/20

Datum:
19.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36302
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Richtigkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. in Verbindung mit Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. ist einer unionsrechtskonformen Auslegung entgegen ihrem Wortlaut nicht zugänglich (Rn. 11). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 O 11795/19 2020-02-28 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.02.2020, Aktenzeichen 3 O 11795/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 31.383,92 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Senat nimmt gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts.
Zum Sachvortrag im Berufungsrechtszug verweist der Senat ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und bezüglich der Berufungsanträge auf die Schriftsätze des Klägers vom 05.05.2020 (dort S. 1/2, Bl. 253/254 d.A.) und der Beklagten vom 06.04.2020 (dort S. 2, Bl. 252 d.A.).
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.02.2020, Aktenzeichen 3 O 11795/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
III.
Auf die Gründe des Beschlusses des Senats vom 20.05.2020 (Bl. 272/276 d.A.), den Klägervertretern zugestellt am 26.05.2020, wird Bezug genommen. Der Schriftsatz des Klägers vom 05.06.2020 (Bl. 278/286 d.A.) enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
1. Hinsichtlich der Kündigung gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 27.07.2011 (gültig ab 04.08.2011 bis 12.06.2014, im Folgenden: a.F.) sind die erforderlichen Angaben in Ziffer 6 der Informationen zu ihrem Darlehensvertrag und in Ziffer 4 und 5 der Allgemeinen Darlehensbedingungen, auf die noch in den wichtigen Hinweisen hingewiesen wird (Darlehensvertrag S. 4, 5, 9 und 10, Anlage K 1a und Muster Anlage B 15), enthalten. In Ziffer 6 der Informationen zum Darlehensvertrag und in Ziffer 4.4 der Allgemeinen Darlehensbedingungen wird auf die Kündigung aus wichtigem Grund hingewiesen. Dies übertrifft sogar die Anforderungen, der Benennung der Vorschrift (§ 314 BGB in der hier maßgeblichen aktuellen Fassung vom 02.01.2002, gültig ab dem 01.01.2002 bis zum 12.06.2014) bedurfte es unter keinem Gesichtspunkt (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18, NJW 2020, 461 Rn. 33).
2. Der Senat hält daran fest, dass der streitgegenständliche Verbraucherdarlehensvertrag die gesetzlich vorgesehenen Angaben gemäß Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 29.07.2009 (gültig ab 11.06.2010 bis 20.03.2016, im Folgenden: a.F.) enthält. Bezüglich der Vorfälligkeitsentschädigung genügt die Umschreibung der Grundsätze der Berechnung (vgl. Münscher in Schimanski/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 81 Rn. 118; BGH, Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18, NJW 2020, 461 Rn. 45). Dieser Anforderung wird der streitgegenständliche Darlehensvertrag gerecht. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung ergibt sich aus den Seiten 3 und 9 des streitgegenständlichen Darlehensvertrags (dort Ziffer 4 der Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite und Ziffer 4.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten, Anlage K 1a und Muster Anlage B 15): Aus der gesamten Formulierung folgt auch für einen durchschnittlichen Darlehensnehmer eindeutig, dass es sich bei der Pauschale von 50 EUR um einen Höchstbetrag handelt, der gegebenenfalls auf einen geringeren Schaden oder auf 1,0% bzw. 0,5% des zurückgezahlten Betrags bzw. die nachfolgenden Sollzinsen – je nachdem, welcher Betrag der geringste ist – reduziert wird; dabei wird sowohl § 502 Abs. 1 S. 2 BGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 24.07.2010 (gültig ab 30.07.2010 bis 20.03.2016, im Folgenden: a.F.) umgesetzt als auch § 309 Nr. 5 BGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 23.10.2008 (gültig ab 01.01.2009 bis 25.02.2016, identisch mit der aktuellen Fassung) Rechnung getragen. Die Pauschale ist zudem deshalb unbedenklich, weil der durchschnittliche Verbraucher ohne weiteres den 1,0%-Betrag und den 0,5%-Betrag selbst berechnen bzw. die nachfolgenden Sollzinsen berechnen lassen kann.
3. Der Bundesgerichtshof hat die Widerrufsinformationen der Beklagten mit Urteil vom 05.11.2019 einer Überprüfung unterzogen (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18, NJW 2020, 461). Danach sind die Widerrufsinformationen vollständig und beanstandungsfrei.
Da der Bundesgerichtshof ohne konkrete Rügen eine Widerrufsinformation in einem Verbraucherdarlehensvertrag in vollem Umfang zu überprüfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2017 – XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 unter II 2 c insb. juris Rn. 28), kommt es zudem auf einzelne Rügen des Klägers hierzu nicht an.
Für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 1 b AEUV sieht der Senat unter diesen Voraussetzungen ebenfalls keinen Anlass, da sonst der Bundesgerichtshof seinerseits dem Europäischen Gerichtshof die von ihm entschiedenen Verfahren hätte vorlegen müssen (Art. 267 Abs. 3 AEUV).
4. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 (C-66/19, NJW 2020, 1423) steht einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen.
a. Die Richtigkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. in Verbindung mit Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. ist einer unionsrechtskonformen Auslegung entgegen ihrem Wortlaut (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 05.09.2019 – C-331/18, WM 2019, 2008 Rn. 56) nicht zugänglich (BGH, Beschluss vom 19.03.2019 – XI ZR 44/18, NJW-RR 2019, 867 unter II 2 b insb. juris Rn. 16 und 17; bestätigt nunmehr durch BGH, Beschluss vom 31.03.2020 – XI ZR 198/19, WM 2020, 838 unter II insb. juris Rn. 11/14). Ob also das deutsche Gesetzesrecht Art. 10 Abs. 2 p der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102/EWG des Rates (künftig: RLEG 48/08) entspricht oder nicht, ist für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht entscheidungserheblich. Jedenfalls genügt Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und bleibt daher selbst dann wirksam, wenn sie gegen Unionsrecht verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.02.2020 – 2 BvR 739/17, EuZW 2020, 324 unter B II 3 insb. juris Rn. 114/115).
b. Darüber hinaus ergibt sich aus Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F., dass der Gesetzgeber davon ausging, dass ein Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 24.07.2010 (gültig ab 30.07.2010 bis 12.06.2014, im Folgenden: a.F.) ausreichend ist. Mehr als der Gesetzeswortlaut vorsieht, braucht die Beklagte in Hinblick auf die Widerrufsinformation nicht zu leisten (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017 – XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 unter II 2 b insb. juris Rn. 23). Auch insoweit ist eine unionsrechtskonforme Auslegung aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich.
5. Insgesamt hält der Senat deshalb nach nochmaliger Überprüfung an seiner im Beschluss vom 20.05.2020 dargelegten Auffassung fest.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 708 Nr. 10 analog und 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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