Bankrecht

Rückzahlung der Prämien einer abgeschlossenen Kapital-Lebensversicherung

Aktenzeichen  25 O 5978/17

Datum:
8.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 144382
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 5a
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Beginn der  Widerspruchsfrist „ab Erhalt der Unterlagen“ ist nicht zu beanstanden, wenn sich aus dem Begleitschreiben eindeutig ergibt, welche Unterlagen gemeint sind (Abgrenzung zu BGH BeckRS 2016, 16643). (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei Abschluss einer Lebensversicherung im sog. Policenmodell erfolgt die Belehrung über das Widerspruchsrecht gem. § 5a VVG aF bereits dann „in drucktechnisch deutlicher Form“, wenn sie, anders als der Rest eines insgesamt überschaubaren Begleitschreibens, umrahmt ist. (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei einer Versicherung, bei der Beiträge und Leistungen jährlich automatisch angepasst werden, ist ein Widerspruch 8 Jahre nach Kündigung und 16 Jahre nach Vertragsschluss missbräuchlich (Abgrenzung zu BGH BeckRS 2014, 10269). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 13.754,77 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, da der Klägerin kein Rückzahlungsanspruch gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1. Alt., 818 Abs. 1 BGB oder aus einem anderen Grunde zusteht.
1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist auf Grundlage des § 5 a VVG a.F. wirksam zustande gekommen.
a) Auf den vorliegenden Versicherungsvertrag ist § 5 a VVG in seiner Fassung vom 21.07.1994, die bis zum 31.07.2001 Gültigkeit hatte, anzuwenden, da es sich um einen sogenannten Altvertrag handelt, Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVV.
b) Der Vertrag ist wirksam zustande gekommen. § 5 a Abs. 1 VVG a.F. bestimmt für den Fall, dass der Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG unterlassen hat, dass der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen gilt, wenn nicht der Versicherungsnehmer innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen in Textform widerspricht. Nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt die Frist erst zu laufen, wenn der Versicherungsschein und die sonstigen in Absatz 1 genannten Unterlagen vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
c) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin zusammen mit dem zweiseitigen Anschreiben vom 04.11.1999 (Anlage K 3) der Klägerin der Versicherungsschein sowie die Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung, die Besonderen Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erbeute Gesundheitsprüfung, Informationen zum Euro, Informationen über die garantierten Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen, die Bescheinigung für die Einhaltung des Mindesttodesfallschutzes, Informationen über die derzeit geltende Steuerregelung sowie das Merkblatt zur Datenverarbeitung (vgl. Anlagenkonvolut K 4) von der Beklagten erhalten hat. Demzufolge hat die Klägerin zusammen mit dem zweiseitigen Anschreiben vom 04.11.1999 (Anlage K 3) die nach § 5 a VVG a.F. erforderlichen Unterlagen mit dem Versicherungsschein und entsprechendem Anschreiben erhalten. Des weiteren hat die Klägerin unstreitig nicht binnen 14 Tagen nach Erhalt der vorstehenden Unterlagen den Widerspruch erklärt.
d) Die streitgegenständliche im Policen-Begleitschreiben vom 04.11.1999 (Anlage K 3) enthaltene Widerspruchbelehrung erfüllt die Anforderungen des § 5 a VVG a.F. und ist folglich ordnungsgemäß.
aa) ausreichend drucktechnisch hervorgehoben
Die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung, die sich in dem streitgegenständlichen Policen-Anschreiben vom 04.11.1999 (Anlage K 3) auf der zweiten Seite dieses Anschreibens befindet, ist gemäß § 5 a VVG a.F. ausreichend drucktechnisch hervorgehoben.
Der die Widerspruchsbelehrung betreffende Absatz ist hierbei anders als der restliche Text durch 4 Striche umrahmt und somit drucktechnisch deutlich hervorgehoben ist. Damit wurde die Klägerin in der erforderlichen drucktechnischen hervorgehobenen Form über ihr Widerspruchsrecht belehrt. Denn die Belehrung erfolgte in einem zweiseitigen und damit in einem für den Versicherungsnehmer überschaubaren Schreiben, wobei die Widerspruchsbelehrung als einziges durch Striche umrahmt und damit im Vergleich zum restlichen Text auf der Seite deutlich hervorgehoben ist und hervorsticht.
bb) inhaltlich ausreichend
Die streitgegenständliche Belehrung ist auch inhaltlich ausreichend und zutreffend. Der Inhalt der Belehrung muss nicht nur zutreffen, sondern auch unmissverständlich sein, um den Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht klar und eindeutig zu belehren. Hierbei dürfen aber keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.
Zum notwendigen Inhalt der Widerspruchsbelehrung gehört auch die Angabe des Fristbeginns, was im vorliegenden Fall erfolgt ist. Dabei ist jedoch nicht erforderlich, den Beginn der Widerspruchsfrist durch konkrete Kalenderdaten und/oder Wochentage zu bezeichnen. Es reicht aus, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, nämlich den Erhalt der Versicherungsunterlagen, die mit dem genannten Schreiben vollständig versandt wurden, so dass die Formulierung „ab Erhalt dieser Unterlagen“ korrekt ist. Die Grundsätze der Fristberechnung brauchen in der Belehrung nicht angegeben zu werden (vgl. BGH NJW 94, 1800).
Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen insbesondere des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 07.09.2016, Az. IV ZR 306/14, auf das die Klägerin in diesem Zusammenhang verweist, ist die streitgegenständliche Belehrung, die hinsichtlich des Fristbeginnes auf den „Erhalt der Unterlagen“ abstellt, nicht fehlerhaft. Zu beachten ist insoweit, dass der Bundesgerichtshof in diesem Urteil insbesondere Folgendes ausführt:
„Die Widerspruchsbelehrung in dem maßgeblichen Policenbegleitschreiben genügt diesen inhaltlichen Anforderungen nicht, weil sie den Fristbeginn nur an die „Überlassung der Unterlagen“ knüpft. Es fehlt eine eindeutige Benennung der nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. fristauslösenden Unterlagen. Danach beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach § 5 a Abs. 1 VVG a.F. vollständig vorliegen; zu diesen Unterlagen gehören die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation nach § 10 a VAG. Diese werden nicht benannt und entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich für d. VN auch nicht unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes des Policenbegleitschreibens, welche Unterlagen ihm überlassen worden sein müssen, damit die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt wird. Denn auch dort werden sie nirgends aufgeführt.“
Entgegen dem Sachverhalt, der dem vorstehenden Urteil des Bundesgerichtshofes zugrunde gelegen ist, ergeben sich vorliegend aus dem streitgegenständlichen Policenbegleitschreiben (Anlage K 3) eindeutig und für den Versicherungsnehmer zweifelsfrei, welche konkreten Unterlagen ihm überlassen sein müssen, damit die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt wird. Denn die relevanten Unterlagen werden auf der ersten Seite des Policenbegleitschreibens (Anlage K 3) folgendermaßen aufgelistet:
„(…) Mit diesem Schreiben erhalten Sie den Versicherungsschein und die für ihren Vertrag geltenden
•Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung
•Besonderen Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erbeute Gesundheitsprüfung
Sie erhalten ebenfalls:
•Informationen zum Euro
•Informationen über die garantierten Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen
•Bescheinigung für die Einhaltung des Mindesttodesfallschutzes
•Informationen über die derzeit geltende Steuerregelung
•Das Merkblatt zur Datenverarbeitung
(…)“
Damit ist der Klägerin als Versicherungsnehmerin hinreichend verdeutlicht worden, dass mit dem „Erhalt der Unterlagen“ (vgl. entsprechende Formulierung in der Widerspruchsbelehrung auf der S. 2 des Policenbegleitschreibens) diejenigen gemeint sind, die auf der S. 1 des Begleitschreibens genannt waren und dem Versicherungsschein und dem Begleitschreiben auch unstreitig beigefügt waren. Eine konkrete Aufzählung der entsprechenden Unterlagen in der Belehrung selbst war angesichts dessen nicht erforderlich und wird auch nicht von dem Bundesgerichtshof gefordert (vgl. hierzu insbesondere Urteil des Bundesgerichtshofes vom 07.09.2016, Az. IV ZR 306/14). Ausreichend ist, dass alle maßgeblichen Unterlagen im streitgegenständlichen Policenbegleitschreiben ausdrücklich benannt wurden.
Etwas andere folgt auch nicht darauf, dass das Policenbegleitschreiben bzw. die im Policenbegleitschreiben enthaltene Belehrung nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich bei den genannten Unterlagen um eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG a.F. handelt. Denn für den Versicherungsnehmer ist hinreichend deutlich, dass die genannten und übersandten Unterlagen die maßgeblichen Verbraucherinformationen enthalten müssen. Entgegen der klägerischen Auffassung ist der explizite Hinweis auf die Vorschrift des § 10 a VAG a.F. bzw. die konkrete Nennung des Wortes „Verbraucherinformation“ gerade nicht erforderlich; dies ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der Vorschrift des § 5 a VVG a.F.
e) Der Widerspruch der Klägerin in dem Schreiben vom 04.04.2016 (Anlage K 7) ist somit verfristet, da er nicht innerhalb der in § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. normierten Frist erfolgte.
2. Unabhängig von den Ausführungen in vorstehender Ziffer 1. ist das streitgegenständliche Widerspruchsrecht der Klägerin darüber hinaus auch verwirkt, selbst wenn die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 5 a VVG a.F. erfolgt wäre.
a) Zwar hat der BGH mit Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11 zu § 5 a VVG a.F. und zur dortigen Fallgestaltung ausgeführt, dass es hinsichtlich einer Verwirkung am Umstandsmoment fehle, da sich die Beklagte mangels ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Im Ausüben des Bereicherungsanspruchs liege aus demselben Grund auch keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung. Widersprüchliches Verhalten sei nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen ließen (BGH vom 07.05.2014, a.a.O., Rn. 39, 40 bei juris).
Der BGH hat allerdings nicht ausdrücklich ausgesprochen, dass generell ein Rechtsmissbrauch bzw. Verstoß gegen Treu und Glauben immer dann ausscheidet, wenn ein Informations- oder Belehrungsverstoß vorliegt. Daher kann auch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung eine Verwirkung bzw. unzulässige Rechtsausübung durch den Versicherungsnehmer in Betracht kommen, soweit besondere Umstände vorliegen. Es ist daher eine konkrete Einzelfallprüfung erforderlich, da die Rechtsinstitute nicht per se alleine wegen des Belehrungsverstoßes zwingend ausscheiden.
b) Vorliegend sind solche beachtlichen Einzelumstände gegeben, die sowohl das Umstandsmoment einer Verwirkung begründen als auch die Geltendmachung des Widerspruchsrechts bzw. des Bereicherungsanspruchs nach so langer Zeit als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, so dass dem Klageanspruch der Einwand von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegensteht.
In zeitlicher Hinsicht ist dabei zu beachten, dass die Klägerin ihren Widersprüche gegen ihre Vertragserklärungen erst nach rund 8 Jahre nach Kündigung und Abrechnung des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages und nach über 16 Jahren nach Vertragsschluss ausgesprochen hat. Darüber hinaus ist zu beachten, dass hinsichtlich des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages eine sogenannte Dynamik zwischen den Parteien vereinbart war, so dass die Beiträge und Leistungen jährlich automatisch angepasst wurden.
In der Gesamtschau der vorstehenden Umstände hat die Klägerin folglich bei der Beklagten den Eindruck erweckt, den Versicherungsvertrag durchführen zu wollen. Damit ist der von der Klägerin im Jahr 2016 ausgesprochene Widerspruch rechtsmissbräuchlich und die Klägerin hat ihre entsprechende Rechte verwirkt, ohne dass es darauf ankommt, ob die damals erteilte Widerspruchsbelehrungen ordnungsgemäß war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.


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