Bankrecht

Schadensersatzansprüche wegen der Beteiligung an einer Fondsgesellschaft

Aktenzeichen  32 O 12071/15

Datum:
9.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 199 Abs. 1, Abs. 3, § 204, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, Abs. 3
KapMuG KapMuG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1
StBerG StBerG § 68
ZPO ZPO § 32b

 

Leitsatz

1 Die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss trifft denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließt. Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter, hier ein Direktkommanditist und den Altgesellschaftern geschlossen (ebenso BGH BeckRS 2012, 13717). (Rn. 35) (red. LS Andy Schmidt)
2 Bei einer Publikumsgesellschaft ist eine Haftung nur insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richtet, die nach Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch beigetreten sind und auf die Vertragsgestaltung und die Beitrittsverhandlungen und -abschlüsse erkennbar keinen Einfluss haben (ebenso BGH BeckRS 2013, 14006). (Rn. 37) (red. LS Andy Schmidt)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.12.2014 zu zahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die …  Rechtsschutzversicherung zu der Schadensnr. … auf deren Konto bei der … Bank AG (IBAN: …) 1.348,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.08.2015 zu zahlen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von sämtlichen Verpflichtungen und steuerlichen Nachteilen freizustellen, die diesem durch die Zeichnung seiner Kommanditbeteiligung an der … vom 06.12.2004, Anleger-Nr. …, entstanden sind und noch entstehen werden.
IV. Die Verurteilung zu den Ziffern I bis III erfolgt Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte des Klägers aus der Beteiligung an der … vom 06.12.2004, Anleger-Nr. …
V. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in Ziff. IV bezeichneten Beteiligung seit dem 05.12.2014 in Annahmeverzug befindet.
VI. Der Antrag der Beklagten vom 08.04.2016 auf Durchführung eines Kapitalanlegermusterverfahrens mit dem Feststellungsziel:
„Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin weder Gründungsgesellschafterin noch Treuhandgesellschafterin mit eigenen Anteilen ist, sondern in bloßer Verwaltungstreuhandschaft gehandelt hat.“
wird zurück gewiesen.
VII. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
VIII. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A:
Der Antrag auf Durchführung eines Kapitalanlegermusterverfahrens vom 12.05.2016 ist zurück zu weisen.
1. Es kann hier offen bleiben, ob der Antrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden kann. Zwar handelt es sich weder um ein Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne vom § 296 a ZPO, noch um einen Sachantrag gemäß § 297 ZPO. Eine entsprechende Anwendung wäre jedoch zu prüfen. Es wird auch die Auffassung vertreten, dass die Antragsstellung nach Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG zurückzuweisen ist (vgl. Kölner Kommentar/Kruis, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn 19 m.w.N.). Hier kommt es darauf jedoch nicht an, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines KapMuG-Verfahrens ohnehin nicht gegeben sind. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist folglich auch gemäß § 156 ZPO nicht veranlasst.
2. Zwar ist gemäß § 1 Abs. 1 KapMuG der Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet. Jedoch ist der Antrag gemäß § 3 Abs. 1 KapMuG zurück zu weisen, da die Entscheidung nicht von der begehrten Feststellung abhängt.
So ist nicht entscheidungserheblich, ob die Beklagte Gründungsgesellschafterin ist. Zwar beruft sich die Klagepartei in der Klageschrift auch darauf, die Beklagte sei Gründungsgesellschafterin. Für die Entscheidung ist jedoch nur relevant, dass die Beklagte jedenfalls seit 02.11.2005 wirksam der Fondsgesellschaft als Kommanditistin beigetreten ist, da hier der Zeichnungszeitpunkt danach erfolgt ist. Die Frage, ob die Beklagte zuvor bereits Gründungsgesellschafterin war, ist in diesem Verfahren daher nicht feststellungsfähig.
Auch die Feststellung, dass die Beklagte keine eigenen Anteile hält, ist nicht entscheidungserheblich. Die Kammer hat für die Entscheidung unterstellt, dass die Beklagte keine eigenen Anteile hält, dies jedoch als nicht erheblich behandelt. Diese Rechtsprechung war der Beklagten aus den zuletzt am 31.03.2016 in Parallelverfahren verkündeten Urteilen, z.B. 32 O 19925/15, bekannt. In der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2016 wurde auf diese Rechtsprechung Bezug genommen. Gleiches gilt für den Halbsatz des Antrages:
„sondern in bloßer Verwaltungstreuhand gehandelt hat“.
Insofern wird bereits nicht deutlich, ob es sich um ein eigenständiges Feststellungsziel hat. Zur Feststellung einer „bloße Verwaltungstreuhand“, ist auch deshalb kein Musterfeststellungsverfahren durchzuführen, da es sich hierbei weder um einen klar definierten Rechtsbegriff handelt, noch eine solche Qualifizierung für die Frage der Haftung entscheidungserheblich wäre. Auch insoweit wird auf die Urteilsgründe, die der schon verkündeten Rechtsprechung der Kammer folgen, Bezug genommen.
Schließlich mangelt es den Feststellungszielen an der Bezugnahme auf eine öffentliche Kapitalmarktinformation. Nicht ausreichend ist, dass im Hauptverfahren auch Fehler eines Emissionsprospektes geltend gemacht werden.
B:
Die zulässige Klage ist begründet.
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 30.07.2013 – X ARZ 320/13) ist das Landgericht München I gemäß § 32 b ZPO n.F. ausschließlich örtlich zuständig, da die Fondsgesellschaft ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts München I hat. Der besondere ausschließliche Gerichtsstand war bei Klagen gegen Gründungsgesellschafter oder diesen gleichstehende Gesellschafter vor der Reform des § 32 b ZPO a.F. am Sitz der Fondsgesellschaft begründet. Nach der Auslegung, die der Bundesgerichtshof der Neufassung gegeben hat, gilt dies weiterhin, ohne dass es darauf ankommt, dass die Klage zugleich auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft gerichtet sein muss.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 10.600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz 05.12.2014 wegen Aufklärungspflichtverletzungen bei Zeichnung seiner Beteiligung an der … vom 06.12.2004 aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (vgl. BGH, Urteil v. 23.04.2012 – II ZR 75/10, Urteil v. 23.04.2012 – II ZR 211/09 m.w.N.). Die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss trifft denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließt (BGH, Urteil v. 23.04.2012 – II ZR 211/09). Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter, hier ein Direktkommanditist und den Altgesellschaftern geschlossen (BGH, Urteil v. 23.04.2012 – II ZR 75/10).
a) Die Beklagte haftet aufgrund ihrer Stellung als Altgesellschafterin und Treuhandkommanditistin seit dem Zeitpunkt ihres Beitritts zu der Gesellschaft. Insoweit schuldete die Beklagte dem Kläger als neu beitretendem Gesellschafter eine vollständige und zutreffende Aufklärung über alle wesentlichen Fragen der Beteiligung bzw. über regelwidrige Auffälligkeiten (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH, Urteil v. 14.01.2002 – II ZR 40/00 m.w.N.; BGH, Urteil v. 01.12.1994 – III ZR 93/93) im Zeitpunkt der Zeichnung vom 08.11.2005.
Die Beklagte war jedenfalls unbestritten mit Handelsregistereintragung vom 02.11.2005 Kommanditistin der Fondsgesellschaft. Einem Treuhandkommanditisten obliegen – unabhängig davon, ob er zu den Gründungsgesellschaftern der Fondsgesellschaft gehört – als aufnehmendem Gesellschafter nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB Schutz- und Aufklärungspflichten betreffend alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände gegenüber den beitretenden Kommanditisten, wenn sich seine Tätigkeit nicht lediglich in dem Halten der Beteiligung erschöpft und er aus Sicht der Anleger Einfluss auf die Konzeption habe konnte (BGH, Urteil v. 09.07.2013 – II ZR 9/12). Bei einer Publikumsgesellschaft wie der vorliegenden Fondsgesellschaft ist eine solche Haftung nur insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richtet, die nach Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch beigetreten sind und auf die Vertragsgestaltung und die Beitrittsverhandlungen und -abschlüsse erkennbar keinen Einfluss haben (vgl. BGH, Urteil v. 20.03.2006 – II ZR 326/04; BGH, Urteil v. 09.07.2013 – II ZR 9/12 m.w.N.).
Die Gesellschafterstellung der Beklagten erschöpfte sich nicht in dem treuhänderischen Halten von Beteiligungen der Treugeber. Auf den Vortrag der Beklagten, sie habe keine eigenen Anteile an der Gesellschaft gehalten, sondern sei lediglich fremdnützig tätig gewesen, kommt es dabei nicht an. Zwar hat der Bundesgerichtshof die Frage, ob ein Treuhandgesellschafter, der ausschließlich als solcher beteiligt ist und keine eigenen Anteile hält, einem geringeren Pflichtenkatalog unterliegt, in der Entscheidung vom 09.07.2013 – II ZR 9/12, Tz. 29 – ausdrücklich offen gelassen. Eine solche Differenzierung wurde in älteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (z.B. Urteil vom 15.07.2010 – III ZR 322/08 –; Urteil vom 12.02.2009 – III ZR 90/08) nicht vorgenommen. Unter anderem war hier maßgeblich, dass der Beitritt zwingend über die Treuhandkommanditistin als Vertragspartnerin erfolgte – wobei die Wahlmöglichkeit des Beitritts als Direktkommanditistin dem nicht entgegen stand. Aus der Gesamtschau der Vertragsgestaltung und der Rolle der Beklagten folgt, dass ihr die Haftungserleichterungen für rein kapitalistische Anleger nicht zugute kommen. Anders als jene verfolgt sie nicht ausschließlich Anlageinteressen. Ihre gegenüber rein kapitalistischen Anlegern herausgehobene Stellung ergibt sich aus der Zusammenschau folgender Punkte:
Zwar war die Beklagte bei Gründung der Gesellschaft nicht Gründungskommanditistin. Allerdings war bereits von Beginn an vorgesehen, dass die Beklagte die Stellung einer Kommanditistin aufnehmen würde. Darauf wird im Prospekt und in den Verträgen mehrfach hingewiesen. Dies wurde darüber hinaus auch bereits beim Vorgängerfonds entsprechend praktiziert. Insoweit hatte die Beklagte gegenüber einem rein kapitalmäßig beitretenden Gesellschafter eine im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes herausgehobene Stellung.
Zwar behauptet die Beklagte, dem Fonds auf der Basis des bereits fertiggestellten Prospektes und der ausgefertigten und im Prospekt abgebildeten Verträge ohne Möglichkeit der Einflussnahme beigetreten zu sein. Auf die Gestaltung des Fonds bzw. des Fondsprospekts habe die Beklagte keinen Einfluss gehabt. Dies wird auch durch die in Bezug genommene Aussage des Zeugen … im Verfahren 22 O 16253/15 am 31.03.2016 (Anlage A 23) untermauert. Hierauf kommt es jedoch nicht maßgeblich an.
Eine Haftung nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nur insoweit ausgeschlossen, als die Vertragsgestaltung und die Beitrittsverhandlungen und -abschlüsse erkennbar nicht beeinflusst werden konnten. Unabhängig von einer tatsächlichen Einflussnahme war die Beklagte aus Sicht der Anleger gerade nicht erkennbar von der Gestaltung ausgeschlossen. Nach den Darstellungen im Prospekt war die Beklagte in die Gesellschaftsstruktur eingebunden. Die Anleger mussten nicht davon ausgehen, dass die Beklagte zu ihrem Gesellschaftsbeitritt und ihrer Tätigkeit als Treuhänderin ausschließlich mit den Informationen gewonnen worden war, die sich aus dem Prospekt ergaben.
Gemäß § 14 des Treuhandvertrags erhielt die Beklagte für die Übernahme der Treuhandschaft eine laufende Vergütung von 0,03 % der Summe der von den Kommanditisten geleisteten Pflichteinlagen.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte ausweislich §§ 5 Ziff. 3 und 6 Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrages jedenfalls die Möglichkeit hatte, eigene Anteile zu halten. Darauf, ob sie hiervon zum Zeitpunkt des Beitritts des einzelnen Anlegers Gebrauch gemachte hatte oder nicht, kann es ersichtlich nicht ankommen.
Es erschiene insgesamt unbillig, wenn der Beklagten die Haftungserleichterungen für rein kapitalistisch beteiligte Anleger zugute kämen. Dies gilt insbesondere auch in Hinblick darauf, dass bereits konzeptionsgemäß die Möglichkeit bestand, dass sich Anleger über die Beklagte als Treuhänderin an der Fondsgesellschaft beteiligten und diese bereits namentlich im Prospekt benannt war, sodass der Beitritt der Beklagten als Treuhandkommanditistin von vornherein konzeptionsgemäß zwingend vorgesehen war. Schließlich hat sie diese Konzeption auch durch ihren tatsächlichen Beitritt gebilligt.
b) Die Beklagte hatte somit jedenfalls ab dem 02.11.2005 als aufnehmende Gesellschafterin die Pflicht, einem Beitrittsinteressenten für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären.
Vorliegend war die Beklagte im Verhältnis zur Klagepartei mithin bei deren Zeichnung am 08.11.2005 aufnehmende Gesellschafterin. Die Beklagte ist ihrer Pflicht, den Kläger als Anleger zutreffend aufzuklären nicht nachgekommen.
2. Die Beklagte kann sich zur Aufklärung der beitrittswilligen Anleger eines Prospekts bedienen, wenn dieser geeignet ist, den Anlegern die für ihre Beteiligung wesentlichen Informationen verständlich und wahrheitsgemäß zu vermitteln (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil v. 05.03.2009 – III ZR 17/08; BGH, Urteil v. 21.03.2005 – II ZR 140/03; BGH, Urteil v. 07.04.2003 – II ZR 160/02).
Dieser Pflicht ist die Beklagte nicht nachgekommen, da der Kläger die im Prospekt enthaltenen Informationen weder durch Übergabe des Prospektes noch durch mündliche Information des Vermittlers vor seiner Beitrittsentscheidung erhalten hat.
Dies hat die Anhörung des Klägers sowie die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen … ergeben. Der Kläger konnte sich nicht daran erinnern, dass er einen Prospekt erhalten hat. Er zeigte sich bei seiner Anhörung unbedarft in Finanzanlagesachen. Er hatte ersichtlich keinen Überblick über die Anlageform und den üblichen, ordnungsgemäßen Ablauf einer Anlagevermittlung oder -beratung. Der Zeuge … hatte zwar keine Erinnerung an Einzelheiten des Gesprächs mit dem Kläger. Er sagte jedoch aus, dass er die Gespräche mit den Kunden in der Regel mit dem Flyer und anderen Verkaufsmaterialien der …, nicht dagegen mit dem Prospekt geführt habe. Dieser sei in der Regel bei Zeichnung übergeben worden. Der Zeuge … gab weiter an, die Risiken nicht im Einzelnen besprochen zu haben.
Diese Angaben sind glaubwürdig und passen zu dem Eindruck, den die Kammer von der Persönlichkeit des Zeugen und seiner Beratungsleistung gewonnen hat.
Auf die Frage, ob zwischen der Beklagten und dem Vermittler ein Vertragsverhältnis durch eine Kette von Untervermittlungsaufträgen bestand, kommt es nicht an. Es geht nicht um die Zurechnung einer Pflichtverletzung oder eines Verschuldens des Vermittlers, sondern um die Nichterfüllung einer Aufklärungspflicht durch die Beklagte. Dass sie zur Erfüllung dieser Pflicht einen anderen Weg als über den Vermittler gewählt hätte, behauptet die Beklagte nicht. Hat der Vermittler den Prospekt nicht rechtzeitig übergeben, hat die Beklagte folglich ihre – eigenen – Pflichten nicht erfüllt.
3. Das Verschulden der Beklagten für die fehlerhafte Aufklärung wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Umstände, die zur Wiederlegung der Verschuldensvermutung führen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
4. Die fehlerhafte Aufklärung war auch kausal für den Erwerb der Beteiligungen durch den Kläger. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte (vgl. BGH, Urteil v. 8.5.2012 – XI ZR 262/10 m.w.N.). Es wird vermutet, dass ein Kapitalanleger im Falle einer pflichtgemäßen Aufklärung von der Zeichnung seiner Beteiligung Abstand genommen hätte. Den Gegenbeweis hat die Beklagte nicht erbracht. Sie hat schon nicht substantiiert vorgetragen, dass der Kläger die Beteiligung auch bei einer zutreffenden Aufklärung über die Risiken der Beteiligung erworben hätte.
5. Die Beklagte ist gemäß § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet, den Kläger so zu stellen, als habe sich der Kläger nicht an der Fondsgesellschaft beteiligt.
Die Beklagte hat dem Kläger daher die geleistete Einlagezahlung in Höhe von 10.600,00 EUR zu ersetzen. Substantiierte Einwände gegen die Schadensberechnung hat die Beklagte hiergegen nicht erhoben. Soweit sie geltend macht, der Kläger habe auch Verlustzuweisungen erhalten, ist dies zum einen bereits kein konkreter Vortrag. Zum anderen sind etwaige steuerliche Vorteile nach ständiger Rechtsprechung auf einen Schadensersatzanspruch nicht anzurechnen.
Die Beklagte hat den Kläger darüber hinaus von sämtlichen Verpflichtungen und steuerlichen Nachteilen freizustellen, die diesem durch die streitgegenständliche Zeichnung entstanden sind und noch entstehen werden. Die erhobene Feststellungsklage ist gemäß § 256 ZPO insoweit zulässig, als sie sich auf zukünftige Schäden bezieht bzw. auf solche, die noch nicht bezifferbar sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass aus der Beteiligung noch weitere Schäden, etwa aufgrund der Einlagenrückgewähr entstehen können, die derzeit nicht zu beziffern sind.
Aus Verzug sind die Ansprüche zu verzinsen seit 05.12.2014 soweit unter Fristsetzung zur Zahlung aufgefordert wurde (Schreiben vom 03.12.2014 Anlage K 20 mit Zurückweisung vom 04.12.2014 Anlage K 21), im Übrigen seit Rechtshängigkeit ab 25.08.2015.
Die Ansprüche stehen der Klagepartei jeweils Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers auf das Auseinandersetzungsguthaben an die Beklagte zu (vgl. OLG München, Urteil v. 12.07.2010 – 17 U 2366/10. Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 03.12.2014 (Anlage K 20) wirksam in Annahmeverzug gesetzt.
6. Die Ansprüche sind nicht verjährt.
Die steuerrechtliche Verjährungsfrist gemäß § 68 StGB a.F. ist nicht anwendbar. Die Ansprüche beruhen nicht auf einer Verletzung des Treuhandvertrages, des Mittelverwendungskontrollvertrages oder sonst einem der steuerberatenden Berufstätigkeit zuzuordnenden Pflichtenkreis der Beklagten. Grundlage der Haftung ist vielmehr die allgemeine Schadensersatzpflicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Stellung der Beklagten, die allgemeine vertragliche Pflichten gegenüber dem neu beitretenden Anleger-Gesellschafter auslöst.
Die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB ist nicht abgelaufen. Für eine die Verjährungsfrist auslösende Kenntnis hat die Beklagte nichts vorgetragen. Die absolute 10-jährige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB wurde durch Einleitung des Güteverfahrens am 05.12.2014 gemäß § 204 Nr. 4 BGB gehemmt (Anlage K 22). Klageerhebung erfolgte entsprechend § 204 Abs. 2 BGB innerhalb von sechs Monaten nach Ausstellung der Erfolglosigkeitsbescheinigung durch die Gütestelle vom 21.01.2015 (Anlage K 23) am 10.07.2015 und damit vor Eintritt der Verjährung.
Der Einwand der Beklagten, der Antrag an die Gütestelle bezeichne die Pflichtverletzungen der Beklagten nicht hinreichend bestimmt, greift nicht. Sowohl die Zeichnungssituation als auch die konkreten Aufklärungspflichtverletzungen sowie die Schadenshöhe und die Art des geltend gemachten Schadensersatzes werden hier im Einzelnen beschrieben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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