Bankrecht

Zur Richtigkeitsfiktion einer Widerrufsbelehrung gem. Art. 247 § 6 ABs. 2 Satz 3 EGBGB a.F.

Aktenzeichen  17 U 366/20

Datum:
30.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27469
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3
BGB § 492 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Richtigkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. i.V.m. Anlage 7 zum EBGB a.F. ist einer unionsrechtskonformen Auslegung entgegen ihrem Wortlaut nicht zugänglich; sie entfällt im Übrigen weder durch die Eintragung eines Tageszinses von 0,00 EUR noch durch einen bloßen Verweis auf eine gesetzliche Vorschrift.Rn. 6 und 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 O 11434/19 2019-12-17 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17.12.2019, Aktenzeichen 3 O 11434/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 36.250,00 festgesetzt.

Gründe

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der Klägerin vom 15.03.2019 (Klägeranlagen, ohne Nummer) betreffend den Darlehensvertrag der Parteien vom 16.03.2016 (Klägeranlagen, ohne Nummer), mit dem die Beklagte der Klägerin den Kauf eines PKW am gleichen Tag finanzierte (Klägeranlagen, ohne Nummer).
Hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf das klageabweisende Endurteil des LG München I vom 17.12.2019 (Bl. 115/130 d. A.), hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und bezüglich der Berufungsanträge auf den Schriftsatz der Klägerin vom 05.02.2020 (Bl. 151/152 d. A.) sowie den Schriftsatz der Beklagten vom 23.01.2020 (Bl. 150 d. A.) verwiesen.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17.12.2019, Aktenzeichen 3 O 11434/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 522 Abs. 2 ZPO hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats im Beschluss vom 27.02.2020 (Bl. 166/168 d. A.) Bezug genommen.
Der Schriftsatz der Klägerin vom 12.03.2020 und das Urteil des EuGH vom 26.03.2020 (C-66/19) veranlassen folgende Anmerkungen:
1. Eine Vereinbarung des Tageszinses von € 0,00 führt nicht zum Wegfall der Richtigkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a. F.: In der Anmerkung 3 Satz 1 zur Anlage 7 zum EGBGB a. F. heißt es wörtlich: „Hier ist der genaue Zinsbetrag in Euro pro Tag einzufügen.“ Das kann nur bedeuten, dass der Zinssatz einzutragen ist, den die Parteien vereinbaren, und nur mangels einer solchen Vereinbarung der rechnerische Tageszinssatz einzutragen ist. Wenn die Parteien, wie hier, einen Tageszinssatz von € 0,00 vereinbaren, ist dieser auch einzutragen und enthält keine Abweichung vom Formular der Anlage 7 zum EGBGB a. F.
2. Soweit die Klägerin jetzt (neu) rügt, die Ratenschutzversicherung und der Darlehensvertrag stellten keine verbundenen Verträge dar, so stellt dies neuen Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz dar (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO), von dem nicht ersichtlich ist, inwieweit dieser nicht bereits in der ersten Instanz hätte gehalten werden können. Im Darlehensvertrag findet sich nämlich nichts von einer Ratenschutzversicherung, und zwar weder bei den Preis- und Kostenvereinbarungen des Darlehensvertrags selbst noch (richtigerweise mangels Vereinbarung) in der Widerrufsinformation. Was also die Klägerin für eine Ratenschutzversicherung abgeschlossen haben sollte, ist dem Senat mangels bisherigen Vortrags nicht bekannt und auch aus dem Schriftsatz vom 12.03.2020 nicht ersichtlich.
3. Ausreichend sind jeweils die Angaben zu Kündigungsrechten der Klägerin (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2019, XI ZR 650/18, WM 2019, 2353, 2355ff., Randziffern 26 bis 39), zur Vorfälligkeitsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2019, XI ZR 650/18, WM 2019, 2353, 2358, Randziffer 47) und zur Art und Weise der Anpassung des Verzugszinssatzes (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2019, XI ZR 650/18, WM 2019, 2353, 2358, Randziffer 52).
4. Das Urteil des EuGH vom 26.03.2020 (C-66/19 – nach juris) steht dem nicht entgegen:
a) Die Richtigkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. in Verbindung mit Anlage 7 zum EBGB a.F. ist einer unionsrechtskonformen Auslegung entgegen ihrem Wortlaut (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 05.09.2019, C-331/18, WM 2019, 2008, 2011, Randziffer 56) nicht zugänglich. Ob also das deutsche Gesetzesrecht Art. 10 Abs. 2 p der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102/EWG des Rates (künftig: RLEG 48/08) entspricht oder nicht, ist für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht entscheidungserheblich. Jedenfalls genügt Anlage 7 zum EGBGB a.F. den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und bleibt daher selbst dann wirksam, wenn sie gegen Unionsrecht verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Randziffer 114 – nach juris).
b) Darüber hinaus ergibt sich aus Anlage 7 zum EGBGB a.F., dass der Gesetzgeber davon ausging, dass ein Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB ausreichend ist. Mehr als der Gesetzeswortlaut vorsieht, braucht die Beklagte in Hinblick auf die Widerrufsinformation nicht zu leisten (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017, XI ZR 586/15, WM 2017, 1258, 1260, Randziffer 23). Auch insoweit ist eine unionsrechtskonforme Auslegung aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils und dieses Beschlusses erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 708 Nr. 10 analog, § 711 ZPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13.11.2014, NJW 2015, 77, 78, Randziffer 16).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der § 63 Abs. 2 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 4 Abs. 1 ZPO bestimmt.


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