Baurecht

15 m-Höchstmaß, Ausreichende Besonnung und Belichtung

Aktenzeichen  M 9 SN 21.4956

Datum:
30.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45991
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 6 Abs. 7 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller als Gesamtschuldner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Eilantrag gegen eine für das Nachbargrundstück erteilte Baugenehmigung zum Neubau von zwei Doppelhaushälften mit je einer Garage und einem Stellplatz.
Die Baugenehmigung bezieht sich auf das Grundstück Fl.Nr. 995/7 der Gemarkung … (i.F. Vorhabengrundstück). Die Antragsteller sind Eigentümer des direkt nördlich angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. 997/3 (* …*), auf welchen sich ein Reiheneckhaus der Antragsteller befindet. Das Reiheneckhaus hat einen Abstand von ca. 4 m zur südlichen Grundstücksgrenze mit dem Vorhabengrundstück. Beide Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes. Zum Zeitpunkt der Baugenehmigung lagen die Grundstücke auch nicht im Geltungsbereich einer Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe.
Am 22. Februar 2021 beantragte der Beigeladene eine Baugenehmigung zum Neubau von zwei Doppelhaushälften mit je einer Garage und einem Stellplatz. Die Gemeinde erteilte aufgrund des Beschlusses des Gemeinderates vom 2. März 2021 ihr Einvernehmen.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2021 wurde die beantragte Baugenehmigung erteilt. Das Vorhaben sei nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftig. Es entspreche den öffentlichrechtlichen im Genehmigungsverfahren zu prüfenden Vorschriften (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Nach den genehmigten Eingabeplänen ist jeweils in der nordöstlichen und nordwestlichen Grundstücksecke eine Fertiggarage mit den Maßen 3,48 m x 7,00 m grenzständig vorgesehen. Nach Norden hat das Doppelhaus eine nach Norden vorspringende Außenwand in einem Teilbereich (ca. 7 m breit) des 1. OG. Diese vorspringende Außenwand hat einen Abstand von 3 m zur Grundstücksgrenze und eine Wandhöhe von 6,31 m bis 6,32 m. Die restliche Außenwand nach Norden eine Wandhöhe von 6,73 m bis 6,70 m und einen Abstand von ca. 3,80 m zur Grundstücksgrenze. Nach Norden und Süden befindet sich die Traufseite des Satteldaches mit einer Dachhöhe von 2,82 m und einer Neigung von 27°. Auf den genehmigten Eingabeplänen ist die geplante neue Grundstücksgrenze zwischen den Doppelhaushälften eingezeichnet.
Mit Schriftsatz vom … Juni 2021 haben die Antragsteller Klage gegen die Baugenehmigung erhoben (M 9 K 21.3204). Im Eilverfahren beantragen sie:
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. Juni 2021, Az.: des VG München M 9 K 21.3204, gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Miesbach vom 17. Mai 2021, Az.: … … wird angeordnet.
II. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller (M 9 K 21.3204) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Mai 2021, Az. … … wird vorläufig bis zur Entscheidung über den Antrag der Antragsteller im Verfahren nach § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet und die Vollziehung der genannten Baugenehmigung wird ausgesetzt und dem Antragsgegner aufgegeben, die Baustelle vorläufig stillzulegen.
Hilfsweise: Dem Beigeladenen wird einstweilig, bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung die weitere Bauausführung untersagt.
Die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze die Antragsteller in ihren Rechten. Es liege eine Verletzung des Abstandsflächenrechts vor, da insgesamt eine Grenzbebauung von ca. 21 m genehmigt worden sei. Nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 BayBO sei ein Höchstmaß von 15 m zulässig. Die deswegen unprivilegierte Grenzbebauung habe deswegen eine Abstandsfläche von mindestens 3 m einzuhalten. Die Abstandsflächen der unprivilegierten Grenzbebauung überschnitten sich auch mit den Abstandsflächen des Wohnhauses. Im Ergebnis seien deswegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, Abs. 5 Satz 1 BayBO verletzt. Die aus der Akte ersichtliche Rechtsauffassung des Landratsamtes, dass keine Grenzbebauung von mehr als 15 m vorliege sei objektiv falsch. Der Anbau an die bestehenden Grenzgaragen auf den Grundstücken Fl.Nr. 995/3 und Fl.Nr. 995/6 sei für die Berechnung des 15 m-Höchstmaß unbeachtlich. Ein anderes Verständnis von Art. 6 Abs. 7 BayBO widerspreche dessen Zweck, eine Einmauerung oder Abriegelung der Nachbargrundstücke zu unterbinden. Eine Abweichung nach Art. 63 BayBO sei weder beantragt noch erteilt. Eine Abweichung könne auch nicht erteilt werden, da keine atypische Grundstückssituation vorliege. Außerdem führe das geplante Vorhaben zu einer erheblichen Einschränkung von Besonnung und Belüftung des Grundstücks der Kläger. Die Einhaltung der Abstandsflächen alleine reiche nicht um eine ausreichende Besonnung sicherzustellen. Nach der Verkürzung auf 0,4 H habe dies keine indizielle Bedeutung mehr. Neben dem Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht durch die Grenzbebauung führe das Doppelhaus schon alleine dazu, dass der Lichteinfallswinkel von 45° zur Waagerechten überschritten wird. Das Belichtungsmindesterfordernis sei drittschützend. Im Erdgeschoss des Gebäudes der Kläger befinde sich der Essbereich mit einem notwendigen bodentiefen Fenster. Durch den 7,26 m hohen Vorbau des Vorhabens in einer Entfernung von nur 7 m werde der Lichteinfallswinkel von 45° unterschritten. Des Weiteren führe das Vorhaben zur Unterschreitung der von der DIN EN 17037 geforderter Mindestbesonnungsdauer der Wohnräume der Kläger. Die Anforderungen der DIN EN 17037 seien wohnhygienische Mindestanforderungen. Ein Wohnraum gelte danach als hinreichend besonnt, wenn am 1. Februar eine Besonnung im Umfang von mindestens 1,5 Stunden vorliege. Bezugspunkt dafür sei in einer Höhe von 30 cm über der Fensterbrüstung, jedoch mindestens 1,2 m über dem Fußboden. Eine Anrechnung auf die erforderliche Dauer erfolge nur ab einer Mindestsonnenhöhe von 14°. Am 1. Februar betrage die maximale Sonnenhöhe 25°. Damit werde das Sonnenlicht am First des geplanten Wohnhauses gebrochen. Diese habe eine Dachneigung von 27°. Das gesamte Erdgeschoss und das Obergeschoss bis 10:50 Uhr werde einer Besonnung gemäß DIN EN 17037 entzogen. Eine Besonnung sei nur an dem geplanten Vorhaben vorbei möglich. Das Esszimmer im Erdgeschoss werde am 1. Februar zwischen 203° und 221° Sonnenazimut besonnt. Dies entspreche der Zeit zwischen 13:56 und 15:10 Uhr. Dies seien 16 Minuten weniger als die vorgeschriebene Mindestbesonnungsdauer. Für das Wohnzimmer im Erdgeschoss ergeben sich auch nur 88 Minuten (Sonnenazimut von 190° bis 212°). Bei den Ermittlungen seien nur das geplante Wohnhaus und dessen Dachüberstände berücksichtigt worden. Die Garagen, Bäume und die übrige Bebauung sei zugunsten der Bauherren bereits unberücksichtigt geblieben. Insgesamt sollten 75% der gemeinsamen Grundstücksgrenze ohne bzw. mit dem abstandsflächenrechtlichen Mindestabstand bebaut werden. Dies führe zu einer gravierenden Verschlechterung in Bezug auf den Sozialabstand und Einsichtsmöglichkeiten. Der Altbestand auf dem Vorhabensgrundstück habe einen Grenzabstand von 10 m gehabt. Über den Abstand von bloß 7 m könnten über die vollbefensterten Gebäudewände mehrere Räume der Kläger direkt eingesehen werden. Eine Abwehr dieser Einblicke führe zu einer weiteren nicht zumutbaren Verdunkelung. Die Kläger hätten diese Einwendungen auch bereits beim Landratsamt erhoben. Dennoch habe das Landratsamt sehenden Auges eine rechtswidrige Baugenehmigung erlassen und im Bescheid sei keine nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG ausreichende Begründung gegen die Einwendungen der Kläger erfolgt. Des Weiteren sei das Bauvorhaben nicht wie genehmigt zu realisieren, da ein gemeinsamer Grenzzaun entfernt werden müsse. Eine Zustimmung zur Entfernung würden die Antragsteller aber nicht erteilen. Versuche einer gütlichen Einigung zwischen den Antragstellern und dem Bauherrn seien gescheitert. Der beigeladene Bauherr setze die Bauarbeiten ungeachtet der Klage und des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage fort. Zur Sicherung der Rechte der Antragsteller sei eine Zwischenentscheidung ein sog. Hängeoder Schiebebeschluss notwendig, da mit Vollendung des Rohbaus der Eilantrag sein Rechtsschutzbedürfnis verlieren würde und Tatsachen geschaffen würden.
Der Antragsgegner und der beigeladene Bauherr haben keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte im Eil- und Klageverfahren Bezug genommen.
II.
1. Der Zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg, da er unbegründet ist.
Nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212a Abs. 1 BauGB ganz oder teilweise anordnen. Es trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung dahingehend, ob das öffentliche und das private Vollzugsinteresse der Bauherrin oder das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiegt. Die vorzunehmende Interessenabwägung orientiert sich maßgeblich an den summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs.
Die Drittanfechtungsklage wird nach summarischer Prüfung erfolglos bleiben, sodass das Vollzugsinteresse überwiegt. Die Antragsteller werden durch die Baugenehmigung vom 17. Mai 2021 voraussichtlich nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die den Antragstellern als Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (vgl. statt aller z. B. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris).
a) Die Abstandsflächenvorschriften sind durch das Vorhaben nicht verletzt. Insbesondere wird durch die beiden genehmigten Grenzgaragen nicht das Höchstmaße von 15 m nach Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO überschritten. Danach darf auf einem Grundstück die Länge der die Abstandsflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltende Bebauung nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BayBO insgesamt 15 m nicht überschreiten. Nach der streitgegenständlichen Baugenehmigung sind die beiden Grenzgaragen auf zwei unterschiedlichen Grundstücken zu errichten. In den genehmigten Eingabeplänen ist die neue Grundstücksgrenze zwischen den Doppelhaushälften eingezeichnet. Des Weiteren ist auch ausdrücklich ein Doppelhaus genehmigt worden. Ein Doppelhaus i.S.d § 22 Abs. 2 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei selbstständig benutzbare Gebäude an einer gemeinsamen Grundstücksgrenze derart zusammengebaut werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden und als bauliche Einheit erscheinen (Hornmann in: BeckOK BauNVO, 26. Ed. 15.7.2021, BauNVO § 22 Rn. 35). Eine Summierung der Längen der beiden Grenzgaragen, welche sich nach der Grundstücksteilung auf zwei Grundstücken befinden, hat nicht zu erfolgen. Die einzelne Grenzgarage hat nur eine maßgebliche Länge i.S.v. Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO von ca. 10.48 m. Die Grenzbebauung durch die Doppelhaushälfte selbst bleibt außer Betracht, da es sich nicht um eine Bebauung i.S.d. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr.1 und Nr. 2 BayBO handelt. Nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO dürfen die Grenzgaragen auch in den Abstandsflächen des Doppelhauses errichtet werden.
b) Die Antragsteller sind auch nicht wegen eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme in ihren Rechten verletzt.
Dem Gebot der Rücksichtnahme, das vorliegend jedenfalls über den Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung findet, kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – BVerwGE 148, 290 ff. = juris Rn. 21 m.w.N.). Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht von jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung und Besonnung oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Nach gefestigter Rechtsprechung scheidet eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung in aller Regel aus, wenn – wie hier – die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2015 – 1 CS 14.2763 – juris Rn. 3; B.v. 16.8.2012 – 1 CS 12.1498 – juris Rn. 13; B.v. 25.3.2013 – 1 CE 13.332 – juris Rn. 5; B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 22.11.1984 – 4 B 244.84 – ZfBR 1985, 95; B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – NVwZ 1999, 879). Das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme ist insoweit vom Landesgesetzgeber mit diesen Belangen in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften konkretisiert worden (BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 7).
Die Indizwirkung der landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften gilt auch nach der Reduzierung der Abstandsflächentiefe auf 0,4 H und greift nur in Ausnahmesituationen nicht. Zur Widerlegung der Indizwirkung ist es nicht ausreichend, dass nach einer von den Antragstellern selbst vorgenommenen Berechnung der Lichteinfallswinkel von 45° nicht eingehalten wird und die Besonnungsdauer nach deren eigenen Berechnung unterhalb des Standards der DIN EN 17037 liegen soll. Die Antragsbegründung zeigt keinerlei Besonderheiten der Grundstückssituation auf, z.B. eine besondere Topographie, Hanglage o.Ä. Vielmehr handelt es sich lediglich um den typischen Fall, dass das Vorhabensgrundstück südlich zum Nachbargrundstück liegt. Auch für diesen Fall stellen die Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO eine zutreffende Konkretisierung des Gebots der Rücksichtnahme dar. Das Doppelhaus, mit einer Firsthöhe von ca. 9,45 m, einer Dachneigung von 27° und einer Grundfläche von ca. 11 m x 13,80 m, ist nicht übermäßig groß bzw. hoch. Die Antragsteller haben nicht vorgetragen und nach Aktenlage ist nichts dafür ersichtlich, dass sich das Doppelhaus nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die nähere Umgebung einfügt. Das Doppelhaus ist nicht geeignet eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung auf das Gebäude der Antragsteller zu haben. Der Abstand zwischen den Gebäuden beträgt im Bereich der vorspringenden Außenwand ca. 7 m im Übrigen ca. 7,80 m.
Die Berechnung des Lichteinfallswinkels durch die Antragsteller ist dabei offensichtlich unzutreffend. Weder die bei der Berechnung berücksichtigen Abstände noch die Wandhöhe entsprechen den genehmigten Plänen. Nach den genehmigten Plänen hat die nördliche Wand des Doppelhauses eine maximale Höhe von 6,73 m. Die Antragsteller legen in ihrer Berechnung dagegen eine Wandhöhe von 7,26 m zugrunde. Dabei haben sie für die Berechnung des Lichteinfallswinkels offensichtlich noch unzutreffend 1/3 der Dachhöhe berücksichtigt. Außerdem beträgt der Abstand außerhalb des Bereichs der hervortretenden Außenwand ca. 7,80 m und nicht nur 7 m, sodass es für die Berechnung des Einfallswinkels auf die genaue Position der Fenster in Relation zum genehmigten Doppelhaus ankäme. Zuletzt kann bei bodentiefen Fenstern nicht auf die Unterkante des Fensters abgestellt werden. Maßgeblich ist grundsätzlich eine Fensterbrüstung (Hahn in: Busse/Kraus, 142. EL Mai 2021, Art. 6 BayBO Rn. 321).
Des Weiteren ist zu beachten, dass eine Regelung zum Lichteinfallswinkel in der BayBO nicht enthalten ist (vgl. Hahn in: Busse/Kraus, 142. EL Mai 2021, Art. 6 BayBO Rn. 321) und die Reduzierung der Abstandsfläche auf 0,4 H bei bloßer Einhaltung der Mindestabstandsfläche auf zwei aneinanderlegenden Grundstücken häufiger zu einer Unterschreitung des Lichteinfallswinkels von 45° führen kann. Der Gesetzgeber hat nach seiner Gesetzesbegründung aber auch bei einer Mindestabstandstiefe von 0,4 H eine ausreichende Belichtung angenommen. Nach der Gesetzesbegründung sei dies als Mindeststandard ausreichend, da dies mit der DIN 5034 – Tageslicht in Innenräumen – in Einklang stehe: Durch die Festlegung der Regelabstandsflächentiefe von 0,4 H ergebe sich zwischen den Gebäuden ein Gesamtabstand, der der Summe der beiderseitigen Tiefen der Abstandsflächen entspricht. Er betrage bei gleich hohen Gebäuden 0,8 H, was einem Verbauungswinkel von etwa 50° entspreche und eine lichte Raumhöhe von 2,40 m und eine dazugehörige Fensterhöhe von 1,35 m voraussetze (LT-Drs. 18/8547 S.14). Auch im Rahmen des bundesrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme ist dieser landesrechtlich geregelte nachbarliche Interessenausgleich zu berücksichtigen. Die für beide Nachbarn mögliche stärkere bauliche Ausnutzung des Grundstücks kompensiert einen Verlust im Hinblick auf Belichtung, Belüftung, Besonnung und Sozialabstand. Es besteht ebenfalls keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die Abstandsflächenvorschriften in Fällen einer in Nordsüdrichtung gegenüberliegenden Bebauung und Aufenthaltsräumen im Erdgeschoss nicht als interessensgerechte Regelung betrachtet hat. Es handelt sich nicht ansatzweise um eine ungewöhnliche Situation, die der Gesetzgeber ggf. nicht bedacht haben könnte. Aufgrund der gesetzgeberischen Wertung sind den Antragstellern die Einbußen in Bezug auf die Belichtung in ihrem Gebäude im Regelfall und auch hier zumutbar.
Die Berechnungen der Antragsteller zur Ermittlung der Besonnungsdauer und Einhaltung der DIN EN 17037 sind nicht nachvollziehbar, sodass diese schon deswegen nicht zur Widerlegung der Indizwirkung geeignet sind. Wie sich aus den dem Antrag angehängten Luftbildern die Sonnenazimute ergeben sollen, aus denen eine Besonnung des Gebäudes der Antragsteller möglich ist, bleibt gänzlich unklar. Eine Berechnung dieser Winkel dürfte nur anhand eines 3D-Modells der vorhandenen und genehmigten Bebauung möglich sein. Die Abschätzung von Winkeln anhand eines alten Luftbildes der Bestandsgebäude (Anlagen K 4 und K 5 der Antragsschrift) ist nicht geeignet für derartige Berechnungen. Aufgrund der Indizwirkung und der grundsätzlichen Wertung des § 212a BauGB ist es dabei unbeachtlich, dass im Hauptsacheverfahren die Antragsteller ggf. noch ein berücksichtigungsfähiges und nachvollziehbares Verschattungsgutachten mit Simulation der tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort vorlegen können. Im Rahmen der summarischen Prüfung ist jedenfalls aufgrund der nicht widerlegten Indizwirkung der Abstandsflächenvorschriften von fehlenden Erfolgsaussichten der Klage auszugehen.
Nach der Rechtsprechung gibt es zudem keine Rechtsvorschriften, welche für den Fall einer Verschattung die Grenze des Zumutbaren konkretisieren. Auch die DIN 5034 ist hierfür nicht geeignet. Mangels anderer Maßstäbe beurteilt sich die Zumutbarkeit der Verschattung deswegen nach den Umständen des Einzelfalls (OVG Saarl, U.v. 17.12.2020 – 2 C 309/19 – juris) Ebenso wenig wie die Einhaltung der DINVorschriften ohne weiteres die Zumutbarkeit einer Verschattung begründet‚ ergibt sich im umgekehrten Fall allein aus ihrer Nichteinhaltung bereits die Unzumutbarkeit einer Verschattung. Eine Unterschreitung des geforderten Maßes an Tageslicht oder Besonnung führt nicht im Sinne eines absoluten Maßstabs zu ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen (BayVGH, U.v. 18.7.2014 – 1 N 13.2501 – juris Rn. 35). Darüber hinaus ist äußerst fraglich, in welchem Umfang die DIN EN 17037 überhaupt im Rahmen der Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden kann, da sie nicht wie die DIN 5034 ausdrückliche Mindestwerte regelt, sondern lediglich die Versorgung mit Tageslicht als „gering“, „mittel“ oder „hoch“ bestimmt. Im Ergebnis bleib es dabei, dass aufgrund der Einhaltung der Abstandsflächen und dem Fehlen von Besonderheiten im vorliegenden Einzelfall nach summarischer Prüfung die Einbußen bei der Besonnung zumutbar sind. Im Übrigen fehlen auch nach den nicht nachvollziehbaren Berechnungen der Antragsteller nur wenige Minuten für eine Einstufung der Besonnung als „gering“ i.S.d. DIN EN 17037.
Etwaige Möglichkeiten der Einsichtnahme in ihr Grundstück haben die Antragsteller nach summarische Prüfung ebenfalls hinzunehmen. Das Gebot der Rücksichtnahme bietet in der bebauten Ortslage in der Regel keinen Schutz vor Einsichtsmöglichkeiten (z.B. BayVGH, B.v. 5.9.2012 – 15 CS 12.23 – juris). Ein Nachbar hat keinen generellen Anspruch darauf, dass sein Grundstück von unerwünschten Einblicken freigehalten wird. Maßnahmen der (Nach-) Verdichtung, auch in ländlich geprägten Bereichen, sind hinzunehmen, solange sie baurechtlich zulässig sind. (VG München, B.v. 26.10.2017 – M 9 S 17.3585 – juris Rn. 33). Nach den genehmigten Plänen enthält das genehmigte Doppelhaus nach Norden keine übergroßen Fenster, Balkone o.Ä. Den Antragstellern ist es zuzumuten unerwünschte Einblicke zu bestimmten Zeiten durch Jalousien etc. zu verhindern. Ein dauerhafter zusätzlicher Verlust von Belichtung und Besonnung tritt hierdurch nicht ein, sondern nur in den Zeiten in denen ein Einblick verhindert werden soll.
c) Eine Nach Ansicht der Antragsteller unzureichend Begründung der Baugenehmigung aufgrund des fehlenden Eingehens auf ihre Einwendungen während des Genehmigungsverfahren kann der Nachbarklage nicht zum Erfolg verhelfen. Nach Art. 68 Abs. 3 Satz 2 BayBO ist eine Baugenehmigung zwar zu begründen, soweit ein Nachbar gegen das Bauvorhaben in Textform Einwendungen erhoben hat. Eine unzureichende Begründung ist vorliegend aber nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich, da die fehlende Begründung keine Auswirkung auf die Entscheidung in der Sache hatte und im Übrigen im Hauptsacheverfahren nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG noch nachgeholt werden könnte.
d) Die Baugenehmigung verletzt die Antragsteller auch nicht insoweit in ihren Rechten als nach ihrem Vortrag zur Errichtung des Vorhabens eine Entfernung des gemeinschaftlichen Grenzzauns notwendig wäre. Die Baugenehmigung wird nach Art. 68 Abs. 5 BayBO unbeschadet der privaten Rechter Dritter erteilt. Selbst wenn der Grenzzaun dauerhaft einer Errichtung des Vorhabens zivilrechtlich entgegenstehen würde, würde ein dadurch entfallendes Sachbescheidungsinteresse des Beigeladenen der Nachbarklage nicht zum Erfolg verhelfen. Das Sachbescheidungsinteresse ist nach ständiger Rechtsprechung nicht drittschützend (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 26.4.2021 – 15 CS 21.1081 – juris Rn. 30).
2. Die übrigen Anträge haben schon deswegen keinen Erfolg, da der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage keinen Erfolg hat. Durch die Entscheidung über den Eilantrag hat sich der Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (sog. „Hängebeschluss“) im Übrigen erledigt (BayVGH, B.v. 9.12.2016 – 15 CS 16.1417 – juris Rn. 23).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt. Damit entspricht es nicht der Billigkeit seine außergerichtlichen Kosten den Antragstellern aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung fußt auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.


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