Baurecht

5 U 52/21

Aktenzeichen  5 U 52/21

Datum:
29.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG Zweibrücken 5. Zivilsenat
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:POLGZWE:2022:0329.5U52.21.00
Normen:
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend LG Landau (Pfalz), 11. März 2021, 2 O 239/19anhängig BGH, kein Datum verfügbar, VII ZR 94/22

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 11.03.2021, 2 O 239/19, abgeändert, und die Klage abgewiesen
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird für die Klägerin zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Stellung einer Sicherheit für eine Werklohnforderung.
Die Klägerin erbringt als Unternehmerin Maler- und Stuckateurarbeiten. Die Beklagten ließen als private Bauherren einen Neubau auf dem Grundstück K…, 6… A… errichten. Hierbei vergaben sie die erforderlichen Gewerke an einzelne Bauunternehmer. Nach Errichtung des Rohbaus in der Zeit von Januar 2018 bis August 2018 folgten die übrigen Arbeiten in der Zeit von August 2018 bis Januar 2019. Die Klägerin erbrachte hierbei in dem Zeitraum von November 2018 bis Januar 2019 die Maler- und Stukkateurarbeiten im Außenbereich.
Nach Ausführung der Arbeiten stellte die Klägerin die Abschlagsrechnung über insgesamt 29.574,80 € brutto. Die Beklagten leisteten hierauf insgesamt 20.337,61 €. Weitere Zahlungen erbrachten die Beklagten zunächst nicht und rügten Mängel.
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 30.10.2019 (Anlage K 4, Bl. 21 d. A.) wurden die Beklagten unter Fristsetzung bis zum 15.11.2019 zur Zahlung des Betrages in Höhe von 8.981,86 € sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 679,10 € netto aufgefordert.
Mit Schreiben vom 25.11.2019 (Anlage K 6, Bl. 26 d. A.) wurden die Beklagten zur Leistung der hier gegenständlichen Sicherheit im Sinne von § 650f Abs. 1 S. 1 BGB in Höhe von 9.880,05 € bis zum 05.12.2019 aufgefordert.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Stellung der geforderten Sicherheit für die noch nicht bezahlte Vergütung gefordert. Die Beklagten haben die Stellung der Sicherheit u. a. unter Hinweis auf Mängel der Werkleistung verweigert.
Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 11.03.2021 (Bl. 166 ff. d. A.) in der Hauptsache stattgegeben und die Nebenforderung abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagten ein Anspruch auf Sicherheitsleistung für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung aus § 650f Abs. 1 S. 1 BGB zustehe.
Der Anspruch der Klägerin sei nicht nach § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Das Tatbestandsmerkmal „zum Bau eines neuen Gebäudes” sei bei Errichtung eines Gebäudes durch Vergabe von Einzelleistungen an verschiedene Handwerker nicht erfüllt. Dieses erfordere nach Auffassung der Kammer einen Vertrag, der im Sinne eines Generalunternehmervertrags alle Leistungen zur Errichtung eines Gebäudes in einem Unternehmer vereine. Eine Fristsetzung nach § 650f Abs. 5 BGB sei nicht erforderlich gewesen und die Sicherheit in der beantragten Höhe von 8.981,86 € zu stellen. Zur Berücksichtigung von Nebenforderungen seien pauschal 10 % zuzuschlagen, § 650f Abs. 1 S. 1 BGB. Das streitige Vorbringen der Beklagten, das Werk sei mangelhaft, greife nicht durch. Etwaige Gegenansprüche seien gemäß § 650i Abs. 1 S. 4 BGB bei der Berechnung der Vergütung nicht zu berücksichtigen.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung und führen zur Begründung im Wesentlichen aus:
Die Schlussrechnung sei nicht prüffähig, die Arbeiten der Klägerin seien mangelhaft und nicht abgenommen. Die Klägerin habe die Arbeiten vertragswidrig durch einen Subunternehmer erbracht. Die Klägerin habe einen lösungsorientierten Vorschlag der Beklagten zur gütlichen Einigung abgelehnt habe, weshalb kein Sicherungsbedürfnis der Klägerin mehr bestehe.
Das Gericht habe sich rechtsfehlerhaft bei der Auslegung von § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB nicht mit der Alternative des Gesetzestextes „zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude“ auseinandergesetzt. Weiter sei die Anwendung des § 650f BGB wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen, da die Klägerin die Mängelbeseitigung ausweislich ihrer eigenen Schreiben verweigere. Ein Zuschlag von pauschal 10 % sei nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin die Werkleistung bereits vollständig erbracht habe.
Die Beklagten beantragen:
1. Das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz 2 O 315/19 wird in Hinblick auf den Tenor Ziffer 1 abgeändert und die Klage wird abgewiesen.
2. Unter Aufhebung des Urteils Tenor Ziffer 1 wird der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt zunächst,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 21.07.2021 (Bl. 43 d. E-Akte) hat die Klägerin den Rechtsstreit wegen einer am 29.03.2021 erfolgten Zahlung der Beklagten an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin i.H.v. 9.880,05 € für erledigt erklärt. Die Beklagten haben der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 03.09.2021 (Bl. 56 d. A.) widersprochen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil und auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Mit Schriftsatz vom 21.07.2021 hat die Klägerin ausdrücklich den Rechtsstreit und nicht lediglich das Berufungsverfahren für erledigt erklärt. Diese Erledigungserklärung der Klägerin ist dahin auszulegen, dass sie die Feststellung begehrt, dass die Hauptsache erledigt ist und die Klage ursprünglich zulässig und begründet gewesen war. Diese Klageänderung ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO eine zulässige Beschränkung des Klageantrags.
Es liegt keine übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien vor, da die Beklagte der Erledigungserklärung der Klägerin widersprochen hat und die Voraussetzungen des § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Nach § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO gilt ein Schweigen der beklagten Partei als Zustimmung zur Erledigungserklärung der Klägerseite, wenn der beklagten Partei die schriftsätzlich erfolgte klägerische Erledigungserklärung verbunden mit einem Hinweis auf die gesetzliche Zustimmungsfiktion und die daraus folgende Möglichkeit einer Kostenentscheidung gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 2. Hs ZPO bei fehlendem Widerspruch innerhalb der gesetzlich normierten Notfrist von 2 Wochen ab Zustellung des Schriftsatzes samt Hinweises zugestellt wird (vgl. BGH, NJW 2009, 1973; OLG Hamm Beschluss vom 06.12.2013 – 9 W 60/13, BeckRS 2013, 22612, beck-online).
Die gesetzliche Fiktion des § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO greift nicht, da die Belehrung des Senats in der Verfügung vom 03.09.2021 nicht in der erforderlichen Form des § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO erfolgte. Es fehlte jedenfalls die vollständige Angabe der Vorschrift des § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO (vgl. hierzu OLG Hamm Beschluss vom 06.12.2013, Az. 9 W 60/13, BeckRS 2013, 22612, beck-online).
2. In der Sache ist die Feststellungsklage unbegründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Klage auf Stellung der Bauhandwerkersicherheit ursprünglich zulässig und begründet war und sich dann erledigt hat. Die Klage war von Anfang an unbegründet.
a) Die Voraussetzungen für die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB liegen im Grundsatz vor. Insoweit wird auf die erstinstanzlichen Feststellungen und Ausführungen in dem angegriffenen Urteil Bezug genommen.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Berufungsangriffe der Beklagten ins Leere gehen. Der Beklagte zu 1) ist ebenfalls Vertragspartner geworden, da er mit Schreiben vom 17.11.2019 (Anlage K 5, Bl. 24 d. A.) den Vertragsschluss der Beklagten zu 2) mit der Klägerin jedenfalls genehmigt hat. Zudem sind Streitigkeiten zwischen den Parteien über die Prüffähigkeit der Schlussrechnung, über die Abnahme, über die Mangelfreiheit der erbrachten Werkleistungen und die Befugnis zur Ausführung der Arbeiten durch ein Subunternehmen für die Frage, ob der Unternehmer einen Anspruch auf Sicherheitsleistung wegen einer offenen Werklohnforderung hat, ohne Bedeutung, § 650f Abs. 1 S. 3 und 4 BGB (vgl. hierzu auch Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 15.04.2015, Az. 5 W 24/15, Rn. 11, juris). Bedenken gegen die Höhe der Sicherheitsleistung bestehen nicht, § 650 f Abs. 1 Satz 1 BGB.
b) Es kann dahinstehen, ob durch die erfolgte Zahlung der Beklagten am 29.03.2021 der Vergütungsanspruch der Klägerin durch Erfüllung erloschen ist oder ob diese die Zahlung lediglich auf die Forderung nach einer Sicherheit geleistet haben. Jedenfalls besteht der Sicherungszweck einer noch nicht gezahlten Vergütung i.S.d. § 650f BGB nicht mehr.
c) Dem Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 650f Abs. 1 BGB stand aber von Anfang an § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 1. Alt BGB entgegen. Die Beklagten als Besteller sind Verbraucher und haben mit der Klägerin einen Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1 1. Alt. BGB geschlossen, so dass der Ausnahmetatbestand erfüllt ist.
In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob bei einer – wie hier – gewerkeweisen Vergabe von Bauleistungen ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1 1. Alt. BGB anzunehmen ist.
aa) Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht ist ein Bauvertrag nur dann als Verbraucherbauvertrag zu qualifizieren, wenn sich der Unternehmer zum Bau des gesamten Gebäudes in einem Vertrag verpflichtet (vgl. z. B. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 1167; Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, Langen/Berger/Dauner-Lieb, Kommentar zum Bauvertragsrecht, 2. Auflage 2022, § 650i BGB, Rn. 17a.). Begründet wird dies u. a. damit, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes nur die Errichtung eines neuen Gebäudes oder erhebliche Umbaumaßnahmen aus einer Hand, nicht jedoch die gewerkeweise Vergabe von Aufträgen unter § 650i BGB falle und nur in diesem Falle eine Kumulation der Risiken für den Verbraucher in einem Vertrag eintrete.
bb) Nach einer weiteren in der Literatur vertretenen Auffassung steht einem Verbraucherbauvertrag nicht entgegen, dass der Verbraucher das Bauvorhaben in mehrere Bauverträge aufspaltet, die er mit mehreren Unternehmern isoliert abschließt (vgl. Koeble, in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 9 Rn. 121; Merkle in BeckOGK, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 37; Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 20). Diese Ansicht beruft sich u. a. darauf, dass im Hinblick auf den Verbraucherschutz nur schwer zu vermitteln sei, warum dieser Bauherr weniger schutzwürdig sein soll, als der Bauherr, der sein Haus aus einer Hand errichten lasse
cc) Auch in der Rechtsprechung ist die Auslegung des Begriffs des Verbraucherbauvertrages umstritten. Das Kammergericht fordert bei der Frage des Vorliegens von erheblichen Umbaumaßnahmen gemäß § 650i Abs. 1 2. Alt. BGB aufgrund einer engen Auslegung der Norm, dass der Verbraucher jedenfalls mit sämtlichen der von ihm geplanten Baumaßnahmen nur einen einzigen Unternehmer beauftragt hat (KG Berlin, Urteil vom 16.11.2021, Az. 21 U 41/21, juris).
Das Oberlandesgericht Hamm hingegen vertritt die Ansicht, dass ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1 1. Alt. BGB jedenfalls dann vorliegt, wenn die Beauftragung zeitgleich oder in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Gebäudes erfolgt, die Erstellung eines neuen Gebäudes für den Unternehmer ersichtlich ist und die Gewerke zum Bau des neuen Gebäudes selbst beitragen (OLG Hamm, Urteil vom 27.04.2021, Az. 24 U 198/20, NZBau 2021, 664).
Zur Begründung seiner im Rahmen eines obiter dictum geäußerten Rechtsansicht führt das Oberlandesgericht Hamm aus, dass der Wortlaut des § 650i BGB zunächst gegen die Einbeziehung von Einzelgewerken spreche und unter den Wortlaut somit lediglich Verträge des Generalübernehmers, des Generalunternehmers und des Fertighausherstellers zu subsumieren seien, die jeweils das gesamte Gebäude aus einer Hand errichten. Dass der Gesetzgeber in § 650i BGB einen engeren Begriff als in § 650a BGB verwendet habe, könne jedoch auch als unbeabsichtigte gesetzgeberische Lücke zu werten sein. Der Bauherr, der sein Haus durch eine gewerkeweise Vergabe errichten lasse, sei ebenso schutzwürdig wie ein Bauherr, der sich für einen Bau aus einer Hand entscheide, da es bei einer Einzelvergabe – mit Ausnahme des Insolvenzrisikos – dieselben sachlichen Probleme wie bei einer Gesamtvergabe geben könne. Ziel des Gesetzes sei es zudem gewesen, den Verbraucherschutz zu verbessern und – im Vergleich zum alten Recht – bei einer Einzelvergabe nicht zu verschlechtern. Letztlich spreche auch die Gefahr von Umgehungen, z. B. durch Herausnahme einzelner Leistungen oder Aufspaltung der Gesamtleistung in mehrere Einzelverträge für eine erweiterte Auslegung des § 650i BGB.
dd) Der Senat schließt sich der vorgenannten Ansicht des OLG Hamm und den dort genannten Gründen an.
Der unter II. 2 c) aa) genannten Auffassung ist zuzugestehen, dass der Wortlaut des § 650i BGB „eines neuen Gebäudes“ zunächst nicht mit der Vergabe von Einzelgewerken in Einklang zu stehen scheint. Dieser Umstand lässt sich in Übereinstimmung mit Motzke (NZBau 2017, 515 (518f.)) jedoch auch mit einer sprachlichen Ungenauigkeit des Gesetzgebers erklären.
Für eine erweiterte Auslegung der Vorschrift spricht, dass durch die Vergabe von Einzelgewerken letztlich ebenso das vom Wortlaut des Gesetzes geforderte Ziel der Errichtung „eines neuen Gebäudes“ erreicht wird (NK-BGB/Adam Polkowski, 4. Aufl. 2021, BGB § 650i Rn. 12; Messerschmidt/Voit/Lenkeit, 4. Aufl. 2022, BGB § 650i Rn. 22a-23). Auch im Rahmen des unzweifelhaft vom Gesetz erfassten Vertrags mit einem Generalübernehmer führt dieser in aller Regel keine eigene Bauleistung aus, sondern vergibt die auszuführende Gewerke wiederum an andere Unternehmen (Messerschmidt/Voit/Lenkeit, 4. Aufl. 2022, BGB § 650i Rn. 23; Zehner, NZBau 2021, 584, beck-online). Bei der Einzelvergabe wird dies sachlich ähnlich ausgeführt, bis auf den Unterschied, dass der Verbraucher die Gewerke vergibt (Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 650i BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 20). Unterschiede, die eine abweichende Behandlung rechtfertigen würden, sind nach Ansicht des Senats nicht ersichtlich.
Nur mit einer erweiterten Auslegung des Gesetzeswortlauts lässt sich auch das gesetzgeberische Ziel des Verbraucherschutzes erreichen (Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 650i BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 20). Fiele unter das Verbraucherbauvertragsrecht nur der „Bau aus einer Hand“, kämen sämtliche Schutzvorschriften zugunsten des Verbrauchers nach §§ 650i ff. BGB, insbesondere das Widerrufsrecht, die Baubeschreibungspflicht, der Anspruch auf die Übergabe von Unterlagen, nicht zur Anwendung. Bei einer solchen Auslegung wäre es den bauausführenden Unternehmen durch die Herausnahme von Einzelleistungen – in welchem Umfang auch immer – oder die Aufspaltung in mehrere Verträge möglich, so z. B. den Ausschlussgrund des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 1. Alt BGB zu umgehen (Messerschmidt/Voit/Lenkeit, 4. Aufl. 2022, BGB § 650i Rn. 24). Nachdem der Verbraucher die Beweislast für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts gemäß § 650o BGB trägt (BeckOGK/Merkle, 1.1.2022, BGB § 650o Rn. 24), ist er insoweit nicht ausreichend geschützt.
Da das finanzierende Kreditinstitut bei einer Einzelvergabe die Voraussetzungen für eine Finanzierung ebenso geprüft haben wird wie bei einer Gesamtvergabe (bzw. noch strenger, Messerschmidt/Voit/Lenkeit, 4. Aufl. 2022, BGB § 650i Rn. 23) und nicht zwingend anzunehmen ist, dass eine Einzelvergabe schlechter finanziert sein wird als die Gesamtvergabe, besteht auch auf der Seite des Unternehmers kein erhöhtes Risiko welches die Forderung nach einer Sicherheitsleistung im Sinne des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 1. Alt. BGB rechtfertigen würde (Vogel, BauR 2020, 388 (395). Es besteht folglich auch kein Anlass, den Verbraucherbauvertrag im Rahmen des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 1. Alt BGB anders auszulegen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der abgeschlossene Vertrag als Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1 1. Alt. BGB anzusehen. Nachdem die Beklagten in dem Schriftsatz vom 19.11.2021 (Bl. 86 ff. der E-Akte) unbestritten vorgetragen haben, dass und auf welche Weise der Neubau innerhalb eines Jahres errichtet wurde (s.o.), steht die Beauftragung der Klägerin in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung des Neubaus. Dies war für die Klägerin auch erkennbar.
Der Anspruch auf Stellung der Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB ist damit ausgeschlossen, § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 1. Alt BGB .
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ZPO findet aufgrund der Zulassung der Revision keine Anwendung.
5. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Frage der Auslegung des § 650i Abs. 1 ZPO bei einer einzelnen Vergabe von Bauleistungen von einem Verbraucher an einen Unternehmer in Rechtsprechung und Literatur umstritten und die Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Diese Rechtsfrage hat auch grundsätzliche Bedeutung, da ihre Beantwortung von allgemeiner, über den zu entscheidenden Einzelfall hinausgehender Bedeutung, u. a. für die Anwendbarkeit der §§ 650i ff BGB ist.
6. Der Streitwert ist bei der einseitigen Erledigungserklärung auf das Kosteninteresse in Höhe der bis zum erledigenden Ereignis angefallenen Kosten reduziert (BGH WuM 2016, 632). Dies sind vorliegend unter Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsfähigkeit der Klägerin Gerichts- und Rechtsanwaltskosten der 1. Instanz und 2. Instanz in Höhe von ca. 9.700,00 €, berechnet aus einem Gegenstandswert von bis 10.000,00 €


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