Baurecht

Abgrenzung Außenbereich, Innenbereich, Rücksichtnahmegebot, Drittschutz, schädliche Umwelteinwirkungen (Lärm), Interessenabwägung

Aktenzeichen  9 CS 22.259

Datum:
5.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10663
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5
BauGB § 34, § 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
TA Lärm Nr. 6, Nr. 7.4 und Anhang Nr. A.2.5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 17 S 21.1511 2022-01-10 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Nr. 1. und 2. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Januar 2022 werden aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts Weißenburg-Gunzenhausen vom 16. Juli 2021 wird angeordnet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner und der Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …4 der Gemarkung B … (R …gasse ), auf dem er den Erlebnisbauernhof „F …hof“ betreibt, den er auch bewohnt. Er wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung und teilweise Nutzungsänderung seines Zimmereibetriebs auf dem östlich gelegenen, nur durch die in Nord-Süd-Richtung verlaufende R …gasse getrennten Grundstück FlNr. …4.
Südlich des Vorhabengrundstücks schließen sich ein in West-Ost-Richtung verlaufender Feldweg (FlNr. …5), der in die R …gasse mündet, sowie das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück FlNr. …6 (R …gasse ) an und im Anschluss daran eine unbebaute Fläche, die als Reitplatz genutzt wird, sowie in etwa 90 m Entfernung ein dazugehöriges Hofgebäude (Reiterhof … … …, FlNr. …7). Im Süden des Hofgrundstücks des Antragstellers befindet sich ein von der R …gasse (etwa auf Höhe der südlichen Grenze des Grundstücks FlNr. …6) nach Westen abzweigender Weg (FlNr. …1/10). Weiter südlich verläuft parallel zu diesem die M H. Straße, die auf beiden Seiten mit Wohnhäusern bebaut ist. Nördlich der Zimmerei des Beigeladenen und westlich von dieser schließen sich unbebaute Flächen an.
Das Landratsamt erteilte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 16. Juli 2021 die beantragte Genehmigung. Sie enthält zahlreiche immissionsschutzrechtliche Auflagen, darunter die Vorgabe, dass die Beurteilungspegel aus dem Betrieb des Vorhabens am Erlebnisbauernhof des Antragstellers (Immissionsort IO 1) sowie am Wohnhaus R …gasse … (Immissionsort IO 2) die Immissionsrichtwerte von tags 57 dB(A) und nachts 42 dB(A) nicht überschreiten dürfen. Zudem werden lärmintensive Tätigkeiten im Freien auf bestimmte Zeiträume und Bereiche beschränkt. Bestandteile der Genehmigung sind neben den geprüften Bauvorlagen unter anderem die schalltechnische Untersuchung vom 17. April 2019, die Betriebsbeschreibung vom 14. Oktober 2019 sowie der Maschinenaufstellungsplan mit Angaben zum Fahrverkehr vom 11. Oktober 2019. Aus diesem ergibt sich, dass die betrieblichen „Fahrwege für Lkw/Pkw/Stapler“ nicht nur auf dem Betriebsgrundstück selbst, sondern auch auf dem geschotterten Feld- und Waldweg südlich des Betriebsgrundstücks (FlNr. …5) verlaufen. In der schalltechnischen Untersuchung wird dazu ausgeführt, dass dieser Weg nicht dem Betriebsgrundstück zugerechnet worden sei. Dem entsprechend wurden die dort vom Betrieb verursachten Geräusche im Gutachten nur bei der Beurteilung anlagenbezogener Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Straßen berücksichtigt, allerdings ohne Einbeziehung des Staplerbetriebs. Laut schalltechnischer Untersuchung werden die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV (tags 64 dB(A), nachts 54 dB(A)) sowohl am IO 1 (tags 52 dB(A), nachts 37 dB(A)) als auch am IO 2 (tags 55 dB(A), nachts 46 dB(A)) um mindestens 8 dB(A) unterschritten. Zusammenfassend kommt der Gutachter zum Ergebnis, dass die berechneten Beurteilungspegel die in der Auflage enthaltenen Immissionsrichtwerte zur Tages- und zur Nachtzeit (von tags 57 dB(A), nachts 42 dB(A)) einhalten bzw. unterschreiten (IO 1 tags 55 dB(A), nachts 42 dB(A); IO 2 tags 54 dB(A), nachts 35 dB(A)). Als maßgebliche Schallquellen wurden zur Tageszeit die Kettensäge im Freibereich sowie der Rückfahrwarner eines Dieselstaplers und in der Nacht die Fahrgeräusche (vor allem am IO 1) identifiziert.
Am 10. August 2021 erhob der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage mit dem Antrag, den Baugenehmigungsbescheid vom 16. Juli 2021 aufzuheben. Seinen am 16. August 2021 gestellten Eilantrag (§ 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO), die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Januar 2022 abgelehnt. Zur Begründung führte es aus, der Antrag sei unbegründet, weil die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht gegen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfende nachbarschützende Vorschriften verstoße. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beurteile sich nach § 35 Abs. 2 BauGB. Mangels Bebauungszusammenhangs mit den umliegenden Baugebieten liege kein Fall des § 34 BauGB vor. Sowohl der R …gasse als auch dem Wegegrundstück (FlNr. …1/10) komme trennende Wirkung zu. Der Reitplatz vermittle ebenfalls keinen Bebauungszusammenhang. Das Betriebsgrundstück bilde daher mit dem Erlebnisbauernhof des Antragstellers, dem Wohngebäude auf FlNr. …6 (R …gasse ) sowie einem weiteren Anwesen (FlNr. …4/1) einen Außenbereichssplitter, der selbst keinen bebauten Ortsteil (im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB) darstelle. Es fehle am erforderlichen städtebaulichen Gewicht und an einer organisch gewachsenen Siedlungsstruktur. Das streitgegenständliche Vorhaben verstoße nicht gegen das Rücksichtnahmegebot, weil aller Voraussicht nach gewährleistet sei, dass es keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufe. Dabei sei für das Grundstück des Antragstellers (IO 1) sowie das Wohngebäude auf FlNr. …6 (R …gasse …, IO 2) aufgrund der Außenbereichslage zu Recht auf die Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete zurückgegriffen worden. Diese würden laut schalltechnischer Untersuchung eingehalten. Die dagegen vom Antragsteller erhobenen Einwände griffen nicht durch. So sei insbesondere der betrieblich veranlasste Verkehr nicht allein der zu beurteilenden Anlage zuzurechnen. Die R …gasse sei dem Betrieb des Beigeladenen nicht faktisch zugeordnet. Sie diene nicht nur der Erschließung der Zimmerei, sondern auch der übrigen Anlieger. Entsprechendes gelte für den südlich des Vorhabengrundstücks verlaufenden Feld- und Waldweg (FlNr. …5). Die betriebsbedingten Fahrten auf diesem seien zu Recht (nur) am Maßstab der 16. BImSchV beurteilt worden. Der vom Antragsteller geltend gemachte Belang der gesicherten Erschließung eines Vorhabens sei grundsätzlich nicht drittschützend und die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall seien nicht gegeben. Es liege bei Abwägung aller Umstände keine für den Antragsteller unzumutbare Verkehrssituation vor.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er macht unter anderem geltend, dass das Vorhabengrundstück dem Bebauungszusammenhang des Ortsteils B … zuzurechnen sei. Der Betrieb führe zu unzumutbaren Lärmbelastungen für den Antragsteller. Betriebsbeschreibung und schalltechnische Untersuchung seien unzureichend. So habe die Lärmentwicklung beim Verladen von Gerüstteilen im südlichen Bereich des Betriebsgeländes keine ausreichende Berücksichtigung gefunden. Vor allem sei der Verkehr auf dem landwirtschaftlichen Weg (FlNr. …5), der nicht gewidmet sei, zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Dieser werde als Zu- und Ausfahrt sowie als innerbetriebliche Erschließung für Betriebsfahrzeuge genutzt und solle auch künftig diesen Zwecken dienen, obwohl er laut Beschilderung nur für land- und forstwirtschaftlichen Verkehr freigegeben sei. Daher sei durch das Gutachten nicht gewährleistet, dass die maßgeblichen Lärmrichtwerte eingehalten seien.
Aus der vom Antragsteller vorgelegten Stellungnahme eines Gutachterbüros zur Prüfung des schalltechnischen Nachweises auf Plausibilität im Hinblick auf erhebliche Lärmbelästigungen für die Wohngebäude in der R …gasse … und … (Immissionsorte IO 1 und IO 2) vom 10. Februar 2022 ergibt sich, dass die Berücksichtigung der Betriebsgeräusche als unvollständig einzustufen sei. Darin wird unter anderem kritisiert, dass die Staplerbetriebsflächen aus den Unterlagen nicht hinreichend detailliert hervorgingen. Die berücksichtigten Schallquellen seien in den Anlagen nicht nachvollziehbar gekennzeichnet. Nicht nachvollziehbar sei auch, wie die Geräusche auf dem im südlichen Betriebsgelände befindlichen Gerüstlager berücksichtigt worden seien, vor allem, ob die notwendigen Zuschläge für die Impulshaltigkeit von Geräuschen (Klapper- und Schlaggeräusche) einbezogen worden seien. Aufgrund der Nähe zum Immissionsort IO 2 sei dieser Aspekt als relevant einzustufen. Darüber hinaus seien auch die durch den Betrieb verursachten Geräusche auf dem südlich vorbeiführenden Wirtschaftsweg, vor allem die Zu- und Abfahrt, Rangiergeräusche durch Lkw, Ladetätigkeiten sowie Staplerverkehr, zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Sie hätten den Anlagegeräuschen zugerechnet werden müssen. Aufgrund der Unvollständigkeit der Schallquellen könne aus fachtechnischer Sicht eine Überschreitung der anzustrebenden Immissionsrichtwertabteile und des Spitzenpegelkriteriums, vor allem für den Immissionsort IO 2, nicht ausgeschlossen werden.
Er hat beantragt,
I. unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Januar 2022 die aufschiebende Wirkung der Klage, Az. AN 17 K 21.01462, gegen den Bescheid des Landratsamtes Weißenburg-Gunzenhausen vom 16. Juli 2021, Az. 41-602/1-18/0033, anzuordnen sowie
II. unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Januar 2022 dem Beigeladenen einstweilen aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und alle Maßnahmen zum Ausführen des Bauvorhabens zu unterlassen.
Antragsgegner und Beigeladener haben beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde ist begründet, soweit mit ihr unter I. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung begehrt wird.
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Unrecht abgelehnt. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind als offen anzusehen (1.1). Die demnach unabhängig von den Erfolgsaussichten vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen fällt zugunsten des Antragstellers aus (1.2).
1.1 Ob die Anfechtungsklage des Antragstellers wegen einer im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Verletzung seiner Rechte aus dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme Erfolg haben wird, kann ohne eine weitere, im Hauptsacheverfahren durchzuführende Sachverhaltsaufklärung nicht prognostiziert werden. Insbesondere lässt sich derzeit nicht verlässlich einschätzen, ob das Gebot der Rücksichtnahme hinsichtlich der Lärmbelastung in Bezug auf das Wohnhaus des Antragstellers („F …hof“) hinreichend gesichert ist. Zwar spricht nach Aktenlage aus den vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss genannten Gründen Überwiegendes dafür, dass das Vorhabengrundstück (ebenso wie die Immissionsorte IO 1 und IO 2) dem bauplanungsrechtlichen Außenbereich im Sinn des § 35 BauGB zuzuordnen ist (1.1.1), aus der vom Antragsteller vorgelegten fachlichen Stellungnahme ergeben sich aber erhebliche Zweifel daran, dass die im Bescheid festgesetzten Immissionsrichtwerte im regelmäßigen Betrieb auch eingehalten werden können (1.1.2), was der Senat im Eilverfahren nicht abschließend zu beurteilen vermag.
1.1.1 Soweit das Verwaltungsgericht einen Bebauungszusammenhang (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) des Baugrundstücks mit dem Ortsteil B … verneint hat, begegnet dies bei summarischer Prüfung auf der Grundlage der fristgerecht dargelegten Gründe keinen durchgreifenden Bedenken.
Maßgeblich ist dafür, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung – trotz etwa vorhandener unbebauter, aber bebauungsfähiger Grundstücke (Baulücken im engeren Sinne) oder freier Flächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung einer Bebauung entzogen sind – den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 23.4.2013 – 9 B 11.2375 – juris Rn. 21). Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 2.66 – juris Rn. 17; U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – a.a.O.). Geländehindernisse, Erhebungen, aber auch Einschnitte im Landschaftsbild, wie etwa ein Fluss oder ein Graben, unterbrechen hierbei jedenfalls im Regelfall einen Bebauungszusammenhang. Ebenfalls anerkannt ist, dass sich mit wachsender Größe einer Freifläche deren trennender Eindruck verstärken kann und dass eine Straße nicht immer oder auch nur regelmäßig eine verbindende Funktion hat (vgl. zu alledem zusammenfassend BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – a.a.O. Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen daran sprechen gute Gründe dafür, dass aufgrund der sich an das Grundstück FlNr. …6 (R …gasse ) im Süden anschließenden Freiflächen auf dem Grundstück FlNr. …7 kein Bebauungszusammenhang zum Innenbereich des Ortsteils B … besteht. Das Verwaltungsgericht hat insofern auf den erheblichen Abstand zwischen dem südlich gelegenen Hofgebäude und dem dort befindlichen Wohnhaus (rund 90 m) verwiesen und darauf abgestellt, dass der dazwischenliegende Reit- und Grünbereich einerseits selbst keine maßstabsbildende Kraft entfaltet (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – juris Rn. 13 m.w.N.) und andererseits der optische Eindruck der Geschlossenheit durch diesen unterbrochen wird, so dass es an einer maßstabsbildenden Wirkung fehlt. Es spricht nach Aktenlage vieles dafür, dass die Gebäude nicht geschlossen bzw. zusammengehörig, sondern vielmehr deutlich voneinander abgesetzt wirken und dass die Freifläche in die im Westen angrenzenden Außenbereichsflächen eingebunden sein dürfte. Der insofern vom Antragsteller erhobene Einwand, es handle sich um keinen gewöhnlichen Reitplatz, sondern um eine Betriebsfläche des angrenzenden Reiterhofs, greift nicht durch. Dass die unbebauten Bereiche dem Hofgebäude als typische Bestandteile der Anlage erkennbar zugeordnet wären, so dass sich daraus der Eindruck der Geschlossenheit ergeben könnte (vgl. BVerwG, B.v. 17.6.1993 – 4 C 17.91 – juris Rn. 11 f.), ist nicht ersichtlich. Ein befestigter Reitplatz stellt grundsätzlich keine Bebauung dar (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.1992 – 4 B 35.92 – juris Rn. 5; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 34 Rn. 19). Daher erscheint es nachvollziehbar, dass die Fläche nach außen als unbebauter Bereich erscheint und nicht geeignet ist, an der Entstehung eines Bebauungszusammenhangs mitzuwirken (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.2019 – 1 B 17.2077 – juris Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt für die Freifläche zwischen dem F …hof des Antragstellers (FlNr. …4) und den südlich, in etwa 60 m Entfernung gelegenen Wohngebäuden (M H. Straße … …, FlNr. …1/8, …1/9). Sie dient nach seinen Angaben zwar ebenfalls dem von ihm verfolgten Betriebskonzept, dürfte aber auch aufgrund der teilweisen Bewaldung die Wirkung eines unbebauten Bereichs nach außen entfalten. Schließlich vermittelt die Bebauung im Bereich der R …gasse und der M H.- Straße keinen stark aufgelockerten, sondern eher einen engen bzw. aneinandergereihten Eindruck, was ebenfalls dafür spricht, dass die größeren Lücken durch den Reit- und Grünbereich (FlNr. …7) sowie die teils bewaldete landwirtschaftliche Fläche südlich des F …hofs (FlNr. …4) den jeweiligen Zusammenhang entscheidend unterbrechen (vgl. BVerwG, B.v. 13.9.2012 – 4 C 4.12 – juris Rn. 6). Dies steht im Übrigen – neben der insofern trennenden Wirkung der R …gasse – auch einem Bebauungszusammenhang zwischen den Häusern in der M H. Straße und dem Wohnhaus auf FlNr. …6 entgegen. Maßgeblich ist dabei auf die rein äußerlichen Verhältnisse abzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2000 – 4 B 39.00 – juris Rn. 7). Entgegen der Einwendung des Antragstellers kommt es dagegen nicht entscheidend darauf an, aus welchen Gründen sich die jeweilige bauliche Entwicklung so vollzogen haben mag. Der Umstand, dass die Wohnbebauung entlang der M H. Straße im Unterschied zur Bebauung auf bestimmten Grundstücken östlich der R …gasse städtebaulich geordnet verlaufen sein dürfte, führt nicht dazu, dass die tatsächlichen Verhältnisse ganz oder teilweise auszublenden wären. Der Eindruck der Geschlossenheit ist nicht von der Einhaltung eines bestimmten Ordnungsbildes abhängig (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.1972 – 4 C 121.68 – juris Rn. 17). Ebenso wenig spielen Grundstücksgrenzen bei der Beurteilung eine entscheidende Rolle (vgl. Söfker a.a.O., § 34 Rn. 21 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat auch in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass die Bebauung auf dem Vorhabengrundstück (FlNr. …4) sowie auf den umliegenden Grundstücken (FlNr. …4, …4/1 und …6) sowohl in quantitativer, als auch in qualitativer Hinsicht keinen Ortsteil im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet. Dabei ist es zu Recht davon ausgegangen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Bebauungskomplex dafür nicht nur nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzen, sondern auch Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 31.66 – BVerwGE 31, 20/26 f. = juris Rn. 23; B.v. 2.4.2007 – 4 B 7.07 – juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 23.4.2013 – 9 B 11.2375 – juris Rn. 20 m.w.N.). Daran kann es bei einer völlig regellosen und in dieser Anordnung geradezu funktionslosen Bebauung fehlen, wobei auch eine historisch gewachsene Bebauung eine unorganische Splittersiedlung darstellen kann, wenn die Fortführung der Siedlungsstruktur eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs nicht zulässt (vgl. BVerwG, B.v. 19.02.2014 – 4 B 40.13 – juris Rn. 5 m.w.N.; OVG ST, U.v. 26.8.2015 – 2 K 174/13 – juris Rn. 29). Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, entgegen dem Verwaltungsgericht von einem Ortsteil auszugehen. Soweit die Einwendungen so zu verstehen sind, dass jedenfalls die Bebauung auf den Grundstücken FlNr. …4, …4, …4/1 und …6 einen Ortsteil darstellen soll, hätte es einer Auseinandersetzung mit der Frage der fehlenden organischen Siedlungsstruktur bedurft.
Vor allem weist das Verwaltungsgericht aber zutreffend darauf hin, dass ein derartiger Ortsteil jedenfalls nicht als faktisches allgemeines Wohngebiet einzuordnen sein dürfte, sondern eher als Dorf- oder Mischgebiet, in dem das Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich zulässig wäre.
1.1.2 Ob die Baugenehmigung gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt, kann im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht abschließend beurteilt werden.
Dem hier über § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB anwendbaren bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 23 m.w.N.; B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – juris Rn. 27).
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss in Bezug auf Geräuschimmissionen zu Recht geprüft, ob eine Beeinträchtigung drittschützender Belange vorliegt (§ 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB), weil das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) hervorrufen kann, und bei der Maßstabsbildung zutreffend die Technische Anleitung Lärm (TA Lärm) herangezogen. Soweit es auf der Grundlage der vom Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten schalltechnischen Untersuchung vom 17. April 2019 (die auch Genehmigungsbestandteil ist) und unter Berücksichtigung der immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen unter Nr. II.5. des Baugenehmigungsbescheids zu dem Schluss gekommen ist, dass vom streitgegenständlichen Betrieb voraussichtlich keine derartigen schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, kann dem nicht ohne Weiteres gefolgt werden. Zwar gibt der Baugenehmigungsbescheid konkret einzuhaltende Immissionsrichtwerte vor, die zutreffend an den Richtwerten der TA Lärm für Kern-, Dorf und Mischgebiete (Nr. 6.1 Buchst. c der TA Lärm) orientiert sind, wobei eine Unterschreitung um 3 dB(A) aufgrund fehlender Vorbelastungen festgelegt wurde. Voraussetzung wäre aber, dass deren Einhaltung im regelmäßigen Betrieb durch zielorientierte Nebenbestimmungen gewährleistet ist (BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 15 CS 17.2061 – juris Rn. 30 m.w.N.). Dass dies der Fall ist, vermag der Senat anhand der schalltechnische Untersuchung vom 17. April 2019 nicht festzustellen.
Der Antragsteller zieht die dort getroffenen Feststellungen, wonach die im Baugenehmigungsbescheid für sein Anwesen (IO 1) festgesetzten Immissionsrichtwertanteile sowie das Spitzenpegelkriterium sicher eingehalten werden, zu Recht in Zweifel. Zwar werden nach der schalltechnischen Untersuchung, die Bestandteil der Genehmigung ist, die Richtwerte – teilweise deutlich – unterschritten, die betrieblich verursachten Geräusche auf dem öffentlichen Feld- und Waldweg (FlNr. …5) wurden aber bei der Ermittlung des anlagenbezogenen Lärms wohl zu Unrecht nicht einbezogen. Nach den insofern zugrunde zu legenden Regelungen der TA Lärm, denen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, soweit sie den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkung konkretisieren, eine auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 8.1.2013 – 4 B 23.12 – ZfBR 2013, 739 = juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 7.8.2018 – 10 A 2185/16 – juris Rn. 6), ist bei derartigen Geräuschen zu differenzieren: Fahrzeuggeräusche auf dem Betriebsgrundstück sowie bei der Ein- und Ausfahrt, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage entstehen, sind der zu beurteilenden Anlage zuzurechnen und zusammen mit den übrigen zu berücksichtigenden Anlagengeräuschen bei der Ermittlung der Zusatzbelastung zu erfassen und zu beurteilen (Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm). Für Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m von dem Betriebsgrundstück sieht Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm unter weiteren Voraussetzungen eine Verpflichtung zur Lärmminderung durch Maßnahmen organisatorischer Art und damit nur eine eingeschränkte Berücksichtigung vor. Der Anwendungsbereich von Absatz 2 ist jedoch insofern begrenzt, als er für den anlagebedingten Einsatz von Arbeitsgeräten außerhalb des Betriebsgeländes nicht eröffnet ist, der grundsätzlich der Anlage zugerechnet werden muss (vgl. Hansmann in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand Sept. 2021, TA Lärm Nr. 7.7 Rn. 39). Dies folgt nicht zuletzt aus Sinn und Zweck der Bestimmung. Gleiches gilt für Geräusche, die im funktionalen Zusammenhang mit dem Anlagenbetrieb auf öffentlichen Verkehrswegen verursacht werden, aber keine Verkehrsgeräusche i.S. der Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 3 TA Lärm darstellen, etwa von Be- und Entladevorgängen ausgehender Lärm auf öffentlichen Verkehrsflächen (BayVGH, B.v. 23.11.2016 – 15 CS 16.1688 – juris Rn. 29; Hansmann, a.a.O.; vgl. auch Feldhaus/Tegeder, Rn. 40) oder solche, die beim Rangieren auf der öffentlichen Verkehrsfläche zum Zwecke der Ein- oder Ausfahrt entstehen (OVG NW, B.v. 7.8.2018 – 10 A 2185/16 – juris Rn. 8 ff.).
Bei Heranziehung dieser Grundsätze ist für das streitgegenständliche Vorhaben nicht sichergestellt, dass die anlagebedingten Geräusche auf dem öffentlichen Feld- und Waldweg (FlNr. …5) in der schalltechnischen Untersuchung vom 17. April 2019 hinreichend berücksichtigt wurden. Sie fanden lediglich Eingang in die Berechnung nach Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 TA Lärm (schalltechnische Untersuchung S. 35) und dies nur in Teilen, was voraussichtlich aus mehreren Gründen zu kurz greift. Laut „Maschinenaufstellungsplan mit Angaben zum Fahrverkehr vom 11. Oktober 2019“ findet auf diesem Weg (bis auf Höhe des Anwesens des Antragstellers) anlagenbedingter Staplerverkehr statt. Soweit ersichtlich wurden in der schalltechnischen Untersuchung jedoch Staplerfahrten außerhalb des Betriebsgeländes nicht berücksichtigt (vgl. schalltechnische Untersuchung S. 28, 35). Nach den dargelegten Maßstäben wäre dieser Verkehr aber gemäß Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm zu berücksichtigen gewesen, selbst wenn er auf öffentlichen Verkehrsflächen stattfindet. Es handelt sich um Arbeitsgeräte, bei denen fraglich ist, inwiefern sie überhaupt am allgemeinen Straßenverkehr teilnehmen, und deren Geräusche sich von denen des fließenden Verkehrs deutlich unterscheiden dürften. Hinzu kommt, dass auch hinsichtlich des betriebsbedingten Lkw- und Pkw-Verkehrs auf diesem öffentlichen Weg (auch auf Höhe des Anwesens des Antragstellers) näher zu untersuchen wäre, ob dieser nicht ausnahmsweise der Anlage zuzurechnen ist, weil er – vergleichbar mit einer Privatstraße – faktisch im Wesentlichen dem Zu- und Abfahrtsverkehr dient, den das genehmigte Vorhaben auslöst (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2010 – 14 CS 10.1031 – juris Rn. 42). Insofern weist der Antragsteller zu Recht darauf hin, dass dem geschotterten Feld- und Waldweg im Straßennetz eine lediglich untergeordnete Funktion zukommt. Er macht geltend, dass dieser möglicherweise sogar fast ausnahmslos durch betriebszugehörige Fahrzeuge des Beigeladenen genutzt wird. Laut Stellungnahme der Stadt P … vom 22. Februar 2022, die dem Antragsgegner und dem Beigeladenen bekannt ist, handelt es sich um einen öffentlich gewidmeten Weg, der mit Verkehrszeichen 260 und Zusatzzeichen 1026-38 beschildert ist, d.h. es gilt ein Verbot für Kraftfahrzeuge, mit Ausnahme für land- und forstwirtschaftlichen Verkehr. Eine Nutzung als Zufahrt für den Betrieb lehnt die Stadt ausdrücklich ab, worauf sie nach ihrer Darstellung bereits im Rahmen früherer Bauanträge hingewiesen hat. Soweit das Verwaltungsgericht in Bezug auf die R …gasse unter Heranziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor Inkrafttreten der TA Lärm (BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 5.98 – juris; vgl. dazu auch B.v. 14.11.2000 – 4 BN 44.00 – juris Rn. 9 und B.v. 12.3.2008 – 4 B 9.08 – juris Rn. 6) eine Zurechnung des dortigen Verkehrs zum Betrieb der Zimmerei ablehnt, mag dies nicht zu beanstanden sein. Es fehlt jedoch in Bezug auf den öffentlichen Feld- und Waldweg in der angefochtenen Entscheidung an einer näheren Auseinandersetzung mit den besonderen Umständen, vor allem im Hinblick auf dessen Funktion für den Durchgangsverkehr und die Erschließung anderer Grundstücke sowie auf die Frage, ob und in welchem Umfang mit Geräuschen des dadurch verursachten fließenden Verkehrs zu rechnen ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2010 – 14 CS 10.1031 – juris Rn. 42; OVG NW, B.v. 7.8.2018 – 10 A 2185/16 – juris Rn. 8 ff.). Schließlich geht aus der schalltechnischen Untersuchung auch nicht hinreichend hervor, inwiefern die Verladegeräusche auf dem im südlichen Bereich des Vorhabengrundstücks gelegenen Gerüstlagerplatz Eingang in die Berechnungen gefunden haben, worauf in der vom Antragsteller vorgelegten immissionsfachlichen Stellungnahme ebenfalls hingewiesen wird. In diesem Zusammenhang wäre in der Hauptsache wohl auch zu klären, ob und in welchem Umfang Verladetätigkeit und Rangierverkehr, wie von Antragstellerseite vorgetragen wird, auf der öffentlich-rechtlich gewidmeten Fläche des Feld- und Waldweges stattfindet und ob bzw. welche Geräusche dadurch der Anlage zuzurechnen sind sowie welche Auswirkungen sich daraus im Einzelnen für das nahe gelegene Wohngebäude des Antragstellers ergeben.
Bei den fehlenden Schallquellen handelt es sich – nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag in der vom Antragsteller vorgelegten immissionsfachlichen Stellungnahme vom 10. Februar 2022, die sich ausdrücklich auf die an den Immissionsorten IO 1 und IO 2 befürchteten Lärmbelästigungen bezieht – um für das Wohngebäude des Antragstellers relevante Geräusche. Deren Nichtberücksichtigung führt dazu, dass aus fachtechnischer Sicht eine Überschreitung der anzustrebenden Immissionsrichtwertanteile und des Spitzenpegelkriteriums – ungeachtet der prognostizierten Unterschreitung der festgesetzten Immissionsrichtwerte – nicht ausgeschlossen werden kann. Dies steht im Übrigen auch in Einklang mit der schalltechnischen Untersuchung vom 17. April 2019, nach der die in der unmittelbaren Umgebung des Grundstücks des Antragstellers einsetzbaren Stapler erhebliche Schalleistungspegel und nicht unwesentliche (maximale) Betriebszeiten pro Tag aufweisen (vgl. schalltechnische Untersuchung S. 28, 32). Eine Beschränkung der Fahrbewegungen oder der Betriebszeiten im Bereich des Feld- und Waldweges (insbesondere auf Höhe des Anwesens des Antragstellers) ist nicht ersichtlich. In Bezug auf die Richtwerte für den Tag wird u.a. ein Dieselstapler als maßgebende Schallquelle eingestuft und bezüglich der Nachtwerte generell der Zu- und Abfahrtsverkehr. Im Übrigen kommt der vom Beigeladenen beauftragte Gutachter (unter Berücksichtigung der RLS-90 und der 16. BImSchV) hinsichtlich der Immissionsorte IO 1 und IO 2 bei der Beurteilung nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zu Beurteilungspegeln durch den anlagenbezogenen Verkehr von 52 und 55 dB(A) am Tag sowie von 37 und 46 dB(A) in der Nacht (vgl. schalltechnische Untersuchung S. 36), was ungeachtet der jeweils im Einzelnen anzuwendenden Berechnungsmethode sowie möglicher Sicherheitszuschläge jedenfalls für die Relevanz der dort verursachten Geräuschbelastungen für die Immissionsorte IO 1 und IO 2 spricht.
Soweit in der Nebenbestimmung II. 5.5 der angefochtenen Baugenehmigung festgelegt wird, dass der Beurteilungspegel aller vom Betrieb des Vorhabens ausgehenden Geräusche gegenüber der TA Lärm um jeweils 3 dB(A) reduzierte Immissionswerte nicht überschreiten darf, genügt dies allein nicht. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, den Lärmschutz in dieser Weise durch zielorientierte Festlegungen zu regeln (vgl. BayVGH, U.v. 16.10.2013 – 15 B 12.1808 – juris Rn. 15). Dabei muss jedoch gewährleistet sein, dass diese Immissionswerte im regelmäßigen Betrieb auch eingehalten werden können (BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 9 CS 16.883 – juris Rn. 26), was hier aus den genannten Gründen nicht der Fall ist. Dass die weiteren, gegen die erstinstanzliche Eilentscheidung erhobenen Einwendungen des Antragstellers nicht durchgreifen dürften, spielt angesichts dessen keine Rolle.
1.2 Sind die Erfolgsaussichten der Klage offen, ist über den Antrag aufgrund einer (reinen) Interessenabwägung zu entscheiden. Diese fällt hier – auch unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens, nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 212a Abs. 1 BauGB das Interesse des Bauherrn, von einer noch nicht bestandskräftigen Baugenehmigung Gebrauch machen zu können, zu stärken – zu Lasten des Beigeladenen aus.
1.2.1 Bei der Interessenabwägung muss zu Gunsten des Bauherrn – hier des Beigeladenen – berücksichtigt werden, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. auch OVG NRW, B.v. 22.3.2016 – 7 B 1083/15 – juris Rn. 12). Hierdurch werden in einem gewissen Ausmaß die Gewichte bei der Interessenabwägung zugunsten des Bauherrn verschoben, was aber nicht bedeutet, dass sich in den von § 212a Abs. 1 BauGB erfassten Fällen das Vollzugsinteresse gegenüber dem Aufschubinteresse automatisch durchsetzt (BayVGH, B.v. 27.10.2017 – 15 CS 17.2061 – juris Rn. 34 m.w.N.). Die Vorschrift soll Investitionen und das Entstehen von Arbeitsplätzen fördern (vgl. BT-Drs. 13/7589, S. 30). Ein gesetzgeberischer Wille, dass dem Vollzugsinteresse gegenüber den Interessen Dritter (insbesondere von Nachbarn) regelmäßig der Vorrang einzuräumen ist, lässt sich der Regelung des § 212a BauGB hingegen nicht entnehmen. Die nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderliche Abwägung wird deshalb von § 212a Abs. 1 BauGB zwar in der Weise vorstrukturiert, dass dem Vollzugsinteresse ein erhebliches Gewicht beizumessen ist; die Abwägung wird aber nicht präjudiziert (vgl. etwa BayVGH, B.v. 23.11.2016 – 15 CS 16.1688 – juris Rn. 77 m.w.N.).
1.2.2 Die Interessenabwägung fällt trotz der gesetzgeberischen Wertung aus § 212a BauGB aufgrund der besonderen Umstände zugunsten des Antragstellers und zu Lasten des Beigeladenen bzw. des Antragsgegners aus. Hierfür spricht vor allem, dass die Nutzungsaufnahme des Betriebs sich schon vor Erhalt der Baugenehmigung in einem fortgeschrittenen Stadium befunden hatte und mit erheblichen, unzumutbaren Lärmbelastungen für den Antragsteller einhergehen könnte, nicht zuletzt aufgrund fehlender Vorgaben zum Umfang des Staplerverkehrs auf dem Weg südlich des Vorhabengrundstücks. Die diesbezügliche Unsicherheit (in Bezug auf die Verletzung des Rücksichtnahmegebots) ist gerade auf die lückenhaften Nachweise zurückzuführen. Auch und gerade weil im Genehmigungsverfahren die sich aufdrängende, erhebliche Immissionsbelastung der Nachbarschaft durch die Einbeziehung des öffentlichen Feld- und Waldwegs in die Betriebsabläufe, der nach Angaben der Stadt P … nicht als Erschließung dienen soll und dessen Nutzung auch gegen bestehende verkehrsrechtliche Anordnungen verstoßen könnte, nicht hinreichend ermittelt wurde, ist – unter Berücksichtigung des Gebots der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) – das Schutzinteresse des Antragstellers, vor unzumutbaren Lärmauswirkungen durch den Betrieb der Zimmerei bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, höher zu gewichten, als das Vollzugsinteresse des Beigeladenen, zumal bis zum Abschluss des Klageverfahrens noch Wochen oder Monate verstreichen können.
2. Soweit der Antragsteller unter II. die Verpflichtung des Beigeladenen zur Einstellung der Bauarbeiten und zur Unterlassung von Maßnahmen zur Ausführung des Bauvorhabens begehrt, ist die Beschwerde unbegründet. Zwar ergibt sich aus § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 VwGO eine gerichtliche Befugnis, ausnahmsweise unmittelbar gegenüber einem notwendig Beigeladenen eine gegebenenfalls vom Gericht zu vollstreckende Verpflichtung auf Baueinstellung auszusprechen (BayVGH, B.v. 26.10.2009 – 2 CS 09.2121 – juris Rn. 10 ff.; Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Juli 2021, § 80a VwGO, Rn. 53 ff.; Külpmann in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 1078 ff., jew. m.w.N.). Für die Anordnung derartiger Sicherungsmaßnahmen bedarf es aber in jedem Fall eines hinreichenden konkreten Grundes, weil es in der Regel zu erwarten ist, dass die Beteiligten eine gerichtliche Entscheidung auch ohne beigefügte Sicherungsmaßnahmen respektieren (BayVGH, B.v. 19.4.1993 – 14 AS 93.790 – BayVBl. 1993, 565; B.v. 26.10.2009 – 2 CS 09.2121 – juris Rn. 11; OVG MV, B.v. 17.1.2005 – 3 M 37/04 – juris Rn. 31; Külpmann, a.a.O. Rn. 1080 m.w.N.). Für ein solchermaßen zukünftig rechtswidriges Verhalten des Beigeladenen ergeben sich aus dem Beschwerdevortrag und den Verwaltungsvorgängen keine hinreichenden Anhaltspunkte.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das Unterliegen des Antragstellers ist so geringfügig, dass es dem Senat gerechtfertigt erscheint, dem Antragsgegner und dem Beigeladenen, der im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt hat, die volle Kostenlast aufzuerlegen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs. Sie entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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