Baurecht

Abgrenzung von Innen- und Außenbereich

Aktenzeichen  M 11 K 16.2710

Datum:
7.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15287
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 2, § 35 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Mangels Bestimmung zum ständigen Aufenthalt von Menschen können Nebengebäude – wie etwa Garagen – keinen Bebauungszusammenhang vermitteln und haben insoweit außer Betracht zu bleiben. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Bereich, der durch ansteigendes Gelände und sich daran anschließende Freiflächen geprägt wird, verstärkt den Eindruck, dass ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil endet und keine bloße Baulücke vorliegt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO i.V.m. Art. 71 BayBO ist der Vorbescheid zu erteilen, wenn die konkret gestellten Vorbescheidsfragen hinsichtlich im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfender Vorschriften positiv zu beantworten sind; im vorliegenden Fall hat der Kläger insbesondere die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach Art und Maß der Nutzung abgefragt, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen ist.
Danach war der beantragte Vorbescheid, in Bezug auf die erste Vorbescheidsfrage hinsichtlich der Zulässigkeit nach Art und Maß der Nutzung nicht zu erteilen, da das beantragte Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
Letztlich kann dahinstehen, ob die Ergänzungssatzung der Beigeladenen vom 1. August 2016 wirksam ist oder nicht.
Sollte die Satzung vollumfänglich wirksam sein, folgt die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens aus den Regelungen der Satzung selbst. Zwar läge der Vorhabenstandort dann im Innenbereich, § 34 BauGB. Jedoch wären in diesem Falle gemäß § 34 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. BauGB i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung weder normale Wohnnutzung noch Betriebsleiterwohnungen zulässig, da nur nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe allgemein zulässig sind und die ausnahmsweise Zulässigkeit von Betriebsleiterwohnungen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausgeschlossen worden ist.
Für den Fall, dass die Regelungen der Satzung zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben unwirksam sein sollten, wäre die Satzung insgesamt unwirksam. Dies folgt daraus, dass die Beigeladene erkennbar die Satzung nicht ohne die einschränkenden Regelungen zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit hinsichtlich der Art der Nutzung hätte erlassen wollen. Die Beigeladene wollte erkennbar zu keinem Zeitpunkt irgendeine Art von Wohnnutzung sondern nur gewerbliche Nutzung in bestimmtem Umfang ermöglichen (vgl. Nr. 3 der Begründung der Satzung vom 1. August 2016 sowie E-Mail auf Bl. 43 der Behördenakte). Aus diesem Grund wäre, wie der Beklagte zutreffend ausführt, auch die Möglichkeit einer Befreiung gemäß § 34 Abs. 5 Satz 3 BauGB i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB von der Art der festgesetzten Nutzung ausgeschlossen. Hierdurch würden die Grundzüge der Planung berührt, da nach dem Willen der Beigeladenen nur Gewerbenutzung zulässig und Wohnnutzung in jeder Form, auch Betriebsleiterwohnungen ausgeschlossen sein sollten.
Im Falle der teilweisen und damit auch vollständigen Unwirksamkeit der Satzung wäre das Vorhaben allerdings ebenso planungsrechtlich unzulässig.
Dies folgt daraus, dass sowohl das Bestandsgebäude als auch der Vorhabenstandort des geplanten Neubaus im Außenbereich liegen. Der Abstand von der östlichen Wand des Bestandsgebäudes zum Wohnhaus auf FlNr. … (…-Str. 35) beträgt ca. 60 m. Die Nebengebäude, hauptsächlich Garagen, die sich im westlichen Bereich des Grundstücks FlNr. … befinden, sind von vorne herein außer Betracht zu lassen, da sie mangels Bestimmung zum ständigen Aufenthalt von Menschen keinen Bebauungszusammenhang vermitteln können. Der Abstand zwischen dem Bestandsgebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück und der nächstgelegenen prägenden Bebauung im Ort (Wohngebäude auf FlNr. …*) ist nach dem maßgeblichen Gesamteindruck im Rahmen des Augenscheins zu groß, um nach der in jedem Einzelfall maßgeblichen Verkehrsauffassung noch annehmen zu können, dass dieser Bereich durch die umliegende Bebauung geprägt ist, sodass er sich als bloße Baulücke darstellen würde. Auch spricht die Topographie im vorliegenden Fall nicht für eine Einbeziehung des Vorhabenstandorts in den Innenbereich sondern vielmehr sogar für eine Lage des Vorhabenstandorts außerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Das Gelände beginnt nämlich auf Höhe der westlichen Grundstücksgrenze der FlNr. … in Richtung des Bestandsgebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück anzusteigen. Dies verstärkt den Eindruck, dass der Siedlungsbereich mit der Bebauung auf FlNr. … endet und das Bestandsgebäude, ein ehemaliges Wasserkraftwerk, eine hiervon bereits deutlich abgesetzte Stellung im beginnenden Außenbereich darstellt. Zwar befinden sich südlich und nördlich des Vorhabenstandorts Steilhänge. Jedoch drängt sich hierdurch nicht der Eindruck auf, dass das Bestandsgebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück den natürlichen Abschluss der Bebauung bildet. Die Prägung dieses Bereichs erfolgt nach dem optischen Eindruck vielmehr durch das ansteigende Gelände und die im Westen anschließenden Freiflächen. Im Rahmen dieses Gesamteindrucks ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bereits bei der von Osten heranrückenden Bebauung selbst, wenn auch auf FlNr. … ein stattliches Mehrfamilienhaus darunter ist, doch erkennbar um keine massive und dichte Bebauung, sondern vielmehr um die lockeren letzten Ausläufers des Ortsteils handelt. Der unbebaute Bereich im östlichen Teil des streitgegenständlichen Grundstücks stellt insoweit bereits eine deutliche Zäsur dar und ist weder durch die umliegende Bebauung noch die Topographie derart beschaffen, dass er als durch die umliegende Bebauung geprägt angesehen werden könnte, sodass bereits dieser Bereich nicht mehr als Baulücke angesehen werden kann, der einen Bebauungszusammenhang vermittelt. Schließlich kann auch offen bleiben, wie es sich auswirken würde, wenn im Bestandsgebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück Wohnnutzung zumindest faktisch ausgeübt würde, da nach den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Wohnnutzung in den oberen Geschossen des Gebäudes vor bereits mindestens 15 Jahren aufgegeben worden ist. Eine prägende Nachwirkung dieser Wohnnutzung ist somit im Hinblick auf diese dauerhafte Nutzungsaufgabe ausgeschlossen. Falls, wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung seitens des Klägers angedeutet, faktisch in gewissem Umfang eine Nutzung als Werkstatt stattfindet, wurde – unabhängig von der Frage der etwaigen Berücksichtigungsfähigkeit mangels Genehmigung – jedenfalls nicht substantiiert dargelegt, welchen Inhalt und welchen Umfang diese Tätigkeit aufweist. Maßstabsbildend wäre eine solche Nutzung aber wohl nur, wenn es sich hierbei um eine Tätigkeit handelt, die zumindest nebengewerblich betrieben wird, da nur in diesem Fall angenommen werden könnte, dass eine Bestimmung zum ständigen Aufenthalt von Menschen gegeben wäre. Nach den Äußerungen des Klägers dürfte es sich aber ohnehin eher um Hobbynutzung handeln („basteln“). Letztlich ist aber selbst im Falle einer ausgeübten Nutzung, die als maßstabsbildend i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen ist, aufgrund der obigen Ausführungen von einer Außenbereichslage des Bestandsgebäudes auszugehen.
Im Falle der Unwirksamkeit der Satzung wäre das Vorhaben somit mangels Vorliegen eines Privilegierungstatbestands nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Hiernach wäre es unzulässig, da jedenfalls der rechtswirksame Flächennutzungsplan der Beigeladenen für den streitgegenständlichen Bereich „Wald“ bzw. „sonstige Grünfläche“ ausweist und zudem die geplante Wohnnutzung die Entstehung einer Splittersiedlung oder zumindest das unkontrollierte Ausufern der Wohnnutzung vom Ortsrand in den Außenbereich hinein befürchten lässt und das Vorhaben somit öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 7 BauGB beeinträchtigen würde.
Da das Vorhaben so wie geplant bauplanungsrechtlich unzulässig ist, hat der Kläger an der Beantwortung der Vorbescheidsfragen 2) bis 4), unabhängig ob Frage 4) nicht bereits zu unbestimmt formuliert wäre, jedenfalls kein Sachbescheidungsinteresse, da die Fragen 2) bis 4) erkennbar auf der Annahme der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens beruhen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, sodass es der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben