Baurecht

Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich bei geplantem mehrgeschossigen Wohnhaus mit Tiefgarage und Autolift

Aktenzeichen  1 ZB 19.2052

Datum:
11.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24776
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist maßgebend, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen. Das betreffende Grundstück muss selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bilden, also selbst am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnehmen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich lässt sich dabei nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der optisch wahrnehmbaren topographischen Situation und der Umgebungsbebauung bestimmen (hier Zuordnung eines geplanten Autolifts für eine Tiefgarage im Rahmen der Errichtung eines mehrgeschossigen Wohnhauses zum Außenbereich). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 18.1438 2019-05-02 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt die Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung eines mehrgeschossigen Wohnhauses mit Tiefgarage im rückwärtigen Teil seines Grundstücks FlNr. …, Gemarkung D* … Für die Zufahrt zur Tiefgarage ist ein Autolift geplant. Das Baugrundstück liegt in der Altstadt von D* … Im vorderen Grundstücksbereich befindet sich entlang der K* …-Straße ein mehrgeschossiges Bestandsgebäude. Mit Bescheid vom 6. März 2018 erteilte die Beklagte einen Vorbescheid mit Antworten auf die (zuletzt) gestellten Fragen. In Bezug auf die streitigen Fragen 3.2 und 3.4 wurde ausgeführt, dass die Tiefgarage im Norden und Osten nicht in den Außenbereich vorspringen dürfe, um auf diesem Vorsprung den Fluchtweg aus der städtischen G* … zu führen und die Erschließung über einen Autolift nicht zulässig sei, da dieser im Außenbereich liege. Die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Mai 2019 abgewiesen. Das Gericht hat im Wesentlichen ausgeführt‚ dass das Bauvorhaben des Klägers bauplanungsrechtlich unzulässig sei, da sich der geplante Vorhabenstandort für die Tiefgarage und den Autolift in den Außenbereich erstrecke. Das nicht privilegierte Außenbereichsvorhaben beeinträchtige öffentliche Belange.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen‚ sind zu bejahen‚ wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG‚ B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011‚ 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG‚ B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004‚ 838). Das ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat den geplanten Vorhabenstandort in dem noch streitigen Umfang zu Recht dem Außenbereich zugeordnet. Die Zulassungsbegründung sowie die Ausführungen im ergänzenden Schriftsatz vom 30. März 2020 zeigen keine Umstände auf, die eine Zurechnung der Tiefgarage mit einem Vorsprung sowie der Zufahrt zur Tiefgarage zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB rechtfertigen könnten. Das nicht privilegierte Vorhaben beeinträchtigt öffentliche Belange (§ 35 Abs. 2, 3 BauGB).
Ein Vorhaben liegt im Außenbereich, wenn es nicht Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB ist. Für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts maßgebend, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67; U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 a.a.O.; B.v 17.1.2005 – 4 B 3.05 – juris Rn. 7; U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 – NVwZ 1991, 879). Das betreffende Grundstück muss selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bilden, also selbst am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnehmen (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – a.a.O. m.w.N.). Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich lässt sich dabei nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der optisch wahrnehmbaren topographischen Situation und der Umgebungsbebauung bestimmen (vgl. BVerwG, B.v. 16.7.2018 – 4 B 51.17 – NVwZ 2018, 1651 m.w.N; B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67; U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 a.a.O.; U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – NVwZ 2012, 1631; B.v. 2.4.2007 – 4 B 7.07 – ZfBR 2007, 480; BayVGH, B.v. 6.4.2018 – 1 ZB 16.2599 – juris Rn. 5; B.v. 9.12.2017 – 1 ZB 16.1301 – juris Rn. 5).
Gemessen an diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zu Recht auf der Grundlage eines Ortstermins die vorhandenen Örtlichkeiten beurteilt und ist im Rahmen einer umfassenden Bewertung des Sachverhalts zu dem rechtsfehlerfreien Ergebnis gekommen, dass der geplante Autolift sowie diejenigen Bereiche der Tiefgarage, auf denen der Fluchtweg geführt werden soll, in den Außenbereich ragen. Die vorliegenden Unterlagen, insbesondere die Fotos und Lagepläne sowie die Darstellung in Bayern-Atlas(Plus), belegen die Richtigkeit dieser Einschätzung. Einer weiteren Ortsbesichtigung durch den Senat bedarf es daher nicht. Dabei muss nicht entschieden werden, ob der in der Zulassungsbegründung im Wesentlichen in den Blick genommene Bereich des Autolifts im vorderen Grundstücksteil entsprechend der Annahme des Verwaltungsgerichts zumindest teilweise in den Außenbereich ragt oder – wie der Kläger ausführt – diese Betrachtungsweise den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspricht. Denn unabhängig davon wäre auch bei Annahme, dass der Autolift (noch) dem Innenbereich zuzuordnen ist, jedenfalls die Zufahrt zur Tiefgarage dem planungsrechtlichen Außenbereich zuzuordnen. Soweit der Kläger geltend macht, dass es für die Beantwortung der Fragen des Vorbescheidsantrags nur auf die „maßgeblich abgefragten Bauteile“ – hier also nur auf die Erschließung über den Autolift und nicht auf den weiteren Verlauf der Tiefgaragenzufahrt – ankomme, trifft dies nicht zu. Der Kläger übersieht dabei, dass die Fragestellung zur Zulässigkeit eines Vorhabens Bedeutung für die mit dem Antrag vorzulegenden Unterlagen hat (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.2008 – 2 BV 04.863 – juris Rn. 23) und dem Vorbescheidsantrag sowohl das Vorhaben, dessen Zulässigkeit geprüft werden soll, als auch der Umfang, in dem die Prüfung begehrt wird, entnommen werden können muss. Denn nur unter diesen Voraussetzungen kann mit der gebotenen Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 BayVwVfG) über den Antrag entschieden werden (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO Stand Januar 2020, Art. 71 Rn. 34). Es ist daher Sache des Antragstellers, festzulegen, was das „Vorhaben“ und damit der zu beurteilende Verfahrensgegenstand sein soll (vgl. BVerwG, B.v. 15.12.2006 – 4 B 60.06 – juris Rn. 4). Danach hat der Kläger mit der Frage 3.4 keine Beschränkung auf die Zulässigkeit des Autolifts vorgenommen. Die Frage nach der Zulässigkeit der Erschließung über einen Autolift gemäß den Plandarstellungen in Anlage 2 beinhaltet sowohl in der ursprünglichen Planzeichnung (Eingang bei der Beklagten am 12. April 2017) als auch in der nachgereichten Planzeichnung (Eingang bei der Beklagten am 24. Juli 2017) die Zufahrt vom Autolift in die Tiefgarage jeweils an der gleichen Stelle. Dass dieser Zufahrtsbereich mit einer erforderlichen Stützmauer in den Außenbereich ragt, bestreitet der Kläger im Zulassungsverfahren nicht. Darauf, ob die Erschließung mittels einer in den Innenbereich verlegten Zufahrt möglich wäre, kommt es angesichts der vorliegenden Planunterlagen nicht entscheidend an.
Die weitere Feststellung des Verwaltungsgerichts für den rückwärtigen Grundstücksbereich, wonach der Bereich der Tiefgarage im Norden und Osten, auf dem der Fluchtweg aus der städtischen G* … geplant ist, dem Außenbereich zuzurechnen ist, wird vom Kläger bereits nicht in einer dem Darlegungsgebot im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise in Frage gestellt. Die bloße Behauptung, alle baurechtlich relevanten Anlagenteile lägen bei richtiger Bestimmung der Grenze des Innenbereichs nicht im Außenbereich bzw. die mögliche Errichtung des Tiefgaragengeschosses in einem Bereich, der sich (noch) im Innenbereich befindet, reicht nicht aus.
Aufgrund der teilweisen Lage im Außenbereich ist das Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 und 3 BauGB unzulässig. Dass das geplante Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt, wird von dem Kläger nicht in Frage gestellt.
2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden. Die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen können ohne Weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung bereits im Zulassungsverfahren geklärt werden. Eine Ortsbesichtigung durch den Senat ist nach den vorstehenden Ausführungen unter Nummer 1 nicht erforderlich. Auch einen weiteren Klärungsbedarf zeigt der Kläger in der Zulassungsbegründung nicht auf. Er möchte lediglich die tatsächlichen Verhältnisse anders bewertet wissen.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben