Baurecht

Ablehnung des Beiladungsgesuchs eines Nachbarn bei Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung

Aktenzeichen  Au 4 K 19.406

Datum:
25.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19485
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 65

 

Leitsatz

Bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung einer abgelehnten Baugenehmigung müssen Nachbarn nicht stets beigeladen werden.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Anträge auf Beiladung des Herrn, sowie des Herrn …. – bevollmächtigt: Rechtsanwälte … – werden abgelehnt.

Gründe

Den mit Schriftsätzen vom 17. bzw. 19. Juli 2019 gestellten Beiladungsanträgen nach § 65 VwGO, über die der Berichterstatter gemäß § 87 a Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 VwGO entscheidet, war nicht zu entsprechen.
Dass die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO vorliegen, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich; die Beiladungswerber beziehen sich ausschließlich auf die Voraussetzungen einer einfachen Beiladung gem. § 65 Abs. 1 VwGO.
Das Gericht macht von seinem Ermessen hinsichtlich einer einfachen Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO auch unter Berücksichtigung und Würdigung der seitens der Beiladungswerber in den Schriftsätzen vom 17. und 19. Juli 2019 vorgebrachten Gesichtspunkte dahingehend Gebrauch, von einer solchen Beiladung abzusehen.
Prozessökonomische Gesichtspunkte, die gegen eine Beiladung sprechen, ergeben sich bereits aus dem erreichten Verfahrensstand. Die Klage war im Zeitpunkt der Beiladungsanträge bereits knapp vier Monate anhängig. Kläger und Beklagte hatten sich schriftlich geäußert; am 26. Juni 2019 fand die mündliche Verhandlung statt, in der die (insbesondere Rechts-) Standpunkte nochmals ausgetauscht wurden. Die kammerseits in der mündlichen Verhandlung empfohlene Baukontrolle hat stattgefunden; hierauf hatten sich Beklagte und Kläger vor Eingang der Beiladungsanträge schriftlich geäußert. Insofern erscheint der Rechtsstreit entscheidungsreif, wobei es möglich erscheint, im Falle eines Verzichts von Kläger und Beklagter auf weitere mündliche Verhandlung in den nächsten Wochen, andernfalls mit Blick auf noch mögliche Kammertermine ebenfalls in einem überschaubaren Zeitraum zu entscheiden. Erfolgte eine Beiladung, müsste den Beigeladenen zur Wahrung rechtlichen Gehörs – wie auch beantragt – Einsicht in die Gerichts- und die Behördenakte sowie ausreichend Zeit zur Stellungnahme gegeben werden. Hierauf müsste wiederum Kläger und Beklagter eine Frist zur Äußerung zugestanden werden. Eine Verzögerung des Rechtsstreits in Folge einer Beiladung wäre damit zumindest greifbar zu besorgen.
Zudem wird im vorliegenden Verfahren darüber gestritten, ob die Festsetzung in einem Bebauungsplan betreffend die Anzahl von Wohneinheiten wirksam ist und ob, falls dies der Fall ist, bei einer Abweichung von dieser Anzahl die Grundzüge der Planung gem. § 31 Abs. 2 BauGB berührt sind. Mithin befasst sich der Rechtsstreit mit städtebaulichen Fragen, nicht mit Fragen des Nachbarschutzes. Zwar setzt eine Befreiung von Bebauungsplan-Festsetzungen gem. § 31 Abs. 2 a.E. BauGB auch die Würdigung nachbarlicher Interessen voraus; vorliegend sind jedoch ausschließlich dieser Voraussetzung vorgeschaltete Fragen thematisiert. Soweit seitens der Bauwerber geltend gemacht wird, die hier streitgegenständliche zusätzliche Wohneinheit führe zu mehr Verkehr und zu verstärkten Immissionen, handelt es sich um Gesichtspunkte, die bereits im schriftsätzlichen Vortrag sowie der mündlichen Verhandlung thematisiert wurden. Diese Gesichtspunkte werden also ohnehin in die Entscheidungsfindung der Kammer einbezogen.
Zudem spricht sehr viel dafür, dass die hier in Rede stehende Festsetzung des einschlägigen Bebauungsplans zur Zahl der Wohneinheiten angesichts ihrer Begründung keinen nachbarschützenden Charakter hat, sondern allein städtebaulich motiviert ist; von fehlendem Nachbarschutz der Festsetzung gehen auch die Beiladungswerber aus. Insofern würden sich die Folgen der Zulassung einer weiteren Wohneinheit vorrangig ebenfalls städtebaulich, nicht nachbarrechtlich beurteilen. Diese städtebaulichen Fragen sind jedoch bereits hinreichend im Rechtsstreit thematisiert worden; sie zu beantworten, wird Aufgabe der Kammer in einer streitigen Entscheidung sein.
Daneben wäre der Kreis der einfach Beizuladenden schwerlich abzugrenzen, nachdem die in Rede stehende Festsetzung bezüglich der Wohneinheiten für das gesamte Bebauungsplangebiet gilt. So könnten sich auf Zunahme des Verkehrs, wie seitens der Beiladungswerber geltend gemacht, nicht nur Anwohner im unmittelbaren Umkreis des streitgegenständlichen Vorhabens berufen. Denkbar erscheint auch, dass eine Beiladung seitens anderer im Bebauungsplangebiet liegender Grundstückseigentümer unter Berufung darauf beantragt wird, die Zulassung einer weiteren Wohneinheit sei Ausgangspunkt einer Veränderung des Gebietscharakters. Weiter könnten Grundstückseigentümer ihre Beiladung unter dem Gesichtspunkt verlangen, dass die Entscheidung des vorliegenden Falles für den Umfang des Baurechts auf ihren Grundstücken präjudiziell wäre. Dass schon ein Großteil des Bebauungsplangebiets bebaut ist, ändert daran nichts, da weitere Wohneinheiten auch durch Umbauten bestehender Gebäude entstehen könnten. Das erhebliche öffentliche Interesse an dem vorliegenden Rechtsstreit ist der Kammer aus der mündlichen Verhandlung und aus sich in den Behördenakten befindlichen Presseberichten sowie Schreiben der Anwohnerschaft bekannt. Gewissheit, dass weitere Beiladungsanträge würden nicht gestellt werden, besteht daher nicht.
Es erscheint auch nicht ermessensgerecht, den Beiladungswerbern deshalb durch Beiladung eine formale Stellung im Prozess einzuräumen, weil die Beklagte (vermeintlich) ihre bzw. Rechte der Anwohner im vorliegenden Verfahren nicht effektiv verteidige und es deshalb eines entsprechenden „Gegengewichts“ bedürfe. Die divergierenden Auffassungen zwischen der Verwaltung der Beklagten und deren Entscheidungsgremien ergeben sich aus den Akten und waren auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Die relevanten Fragestellungen sind damit bereits hinlänglich in das Verfahren eingeführt; sie zu entscheiden wird Aufgabe der Kammer sein.
Den seitens der Beiladungswerber angeführten Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen kann nicht entnommen werden, dass in der vorliegenden Konstellation – Verpflichtungsklage auf Erteilung einer abgelehnten Baugenehmigung – Nachbarn stets beigeladen werden müssten. Auch wenn ein rechtliches Interesse für eine Beiladung vorläge, ist die Entscheidung darüber in das Ermessen des Gerichts gestellt (Kopp/Schenke, VwGO, § 65 Rn. 13). Dies wird durch die seitens der Beiladungswerber mehrfach zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 21.6.1973 – IV B 38.73 – DÖV 1975, 99 – juris Rn. 5 a.E.) bestätigt, auf welche auch die antragstellerseits genannten Literaturstellen verweisen. Überdies spricht viel dafür, dass hier nicht im Sinne der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch die Genehmigungserteilung Rechte Dritter berührt sind, weil – wie bereits erwähnt – sehr viel dafür spricht, dass die in Rede stehende Festsetzung des Bebauungsplans – wovon auch die Beiladungswerber ausgehen – nicht nachbarschützend ist. Auch in der Rechtsprechung ist es mehrfach in Rechtsstreitigkeiten auf Erteilung einer Baugenehmigung für ermessensgerecht gehalten worden, Beiladungsanträgen eines Grundstücksnachbarn nicht zu entsprechen (BayVGH, B.v. 18.8.2015 – 15 C 15.1263; B.v. 3.12.2001 – 2 C 01.1882; beide juris).
Abschließend ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass aus den Ausführungen in diesem Beschluss keinerlei Rückschlüsse über die Erfolgsaussichten der vorliegenden Klage gezogen werden können. Über die Klage entscheidet die gesamte Kammer in der Besetzung gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 VwGO.


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