Baurecht

Ablehnung des Nachprüfungsantrags

Aktenzeichen  RMF – SG 21-3194-4-50

Datum:
15.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54463
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VgV § 57 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV sind Angebote, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten, von der Wertung auszuschließen. Es besteht kein Ermessensspielraum.
2. Eine Vergabestelle kann gemäß § 48 Abs. 1, Abs. 5 VgV zur Beurteilung des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach §§ 123 Abs. 4, 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB Bescheinigungen der zuständigen Stelle fordern. Dies beinhaltet beispielsweise auch Bescheinigungen, also Erklärungen Dritter (z.B. von Berufsgenossenschaften). Dieses Recht wird ihr im Gesetz ausdrücklich eingeräumt, sodass sie hiervon auch Gebrauch machen kann, selbst wenn zuvor eine Eigenerklärung des Bieters bereits vorgelegt wurde.
3. Eine losbezogene Aufstellung von Eignungskriterien ist insoweit nötig, als sich die Eignungskriterien auch auf die zu erbringende Leistung beziehen. Wenn ein Auftrag in mehreren Losen vergeben wird, darf beispielsweise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemäß § 45 Abs. 3 VgV nicht im Hinblick auf das Gesamtvolumen des Auftrags, sondern muss bezogen auf ein Los beurteilt werden. Nicht hingegen ist es notwendig, dass Unterlagen in identischer Form mehrfach angefordert und eingereicht werden, sofern es bei unterschiedlichen Losen zu keiner unterschiedlichen Beurteilung der Eignung kommen kann, so zum Beispiel bei der Beurteilung des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen, die keinerlei Bezug zu einer losweisen Vergabe des Auftrags hat und nicht bzgl. unterschiedlicher Lose unterschiedlich beurteilt werden kann, ohne dass sich eine VSt widersprüchlich verhielte.
4. Bescheinigungen, die bei Vorlage nicht mehr gültig sind, sind als rechtliches Nullum und damit als fehlende Unterlagen anzusehen.

Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle.
3. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x….,- €. Auslagen sind nicht angefallen.

Gründe

Sachverhalt:
Die VSt schrieb die Beschaffung von Kommunalhydrauliken für ihre LKW in xx Losen europaweit aus. Die Ausschreibung wurde am xx.xx.xxx im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Mit anzubieten war unter anderem ein Rundumsicht-Kamera-Monitor- System zur lückenlosen Rundumsicht, bestehend aus 4 Kameras, Monitor, Steuereinheit und Verkabelung, mit mindestens 4 Kameraeingängen und mindestens 4 Ansteuerleitungen. In der Ausschreibung befanden sich unter Ziffer III.1 direkte Verlinkungen zu den jeweiligen Eignungsanforderungen. Unter Verwendung des Formblatts L 124 wurden von den Bietern unter anderem Angaben zur Mitgliedschaft bei der Berufsgenossenschaft gefordert. Die ASt machte diesbezüglich folgende Angaben:
Ferner wurde dort erklärt, dass bei nicht rechtzeitiger Vorlage der auf gesondertes Verlangen geforderten Unterlagen das Angebot ausgeschlossen wird:
2. Die ASt gab ein Angebot ab. Mit Schreiben vom 26.09.2019 wurde sie von der VSt aufgefordert, etliche Unterlagen bzgl. ihrer Eignung einzureichen (Formblatt L 3216), unter anderem folgende:
Ebenfalls wurde darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage der Unterlagen innerhalb der genannten Frist das Angebot ausgeschlossen werde.
3. Diese Forderungen rügte die ASt durch ihre Bevollmächtigte mit Schreiben vom 27.09.2019 insoweit als vergaberechtswidrig, als die VSt die Vorlage von Bescheinigungen bzgl. der Jahresabschlüsse/Gewinn-Verlust durch vereid. Wirtschaftsprüfer/Steuerprüfer sowie Referenzbescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis früher ausgeführter Liefer- und Dienstleistungen forderte.
Ferner rügte sie die Ausschreibung des 360°-Kamerasystems. Die VSt habe eine identische vorhergehende Ausschreibung aufgehoben.
4. Die VSt erklärte mit Schreiben vom 02.10.2019, sie werde der Rüge insoweit abhelfen, als dass sie auf die Vorlage der Unterlagen verzichte, die die ASt als vergaberechtwidrig gerügt habe. Im Übrigen werde die Rüge zurückgewiesen.
5. Daraufhin ließ die ASt am 08.10.2019 durch ihre Bevollmächtigte Nachprüfungsantrag erheben und beantragen:
1. Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens
2. Gewährung von Akteneinsicht
3. Feststellung von Vergabeverstößen
4. Anordnung von geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Vergabeverstöße
5. Feststellung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die ASt
Zur Begründung verweist sie auf den bisherigen Schriftverkehr und führt ergänzend aus, dass das frühere Vergabeverfahren „aufgrund des 360°-Kamera-Systems aufgehoben“ worden sei. Entweder hätte die frühere Ausschreibung nicht aufgehoben werden dürfen oder es sei von einem versehentlichen Einbezug der Forderung auszugehen.
Die VSt habe ein Leistungsbestimmungsrecht. Dazu könne sie eine Bedarfsanalyse und eine Markterkundung durchführen. Eine Markterkundung dürfe aber nicht zu einer Auftragsvergabe führen und müsse vergaberechtlichen Grundsätzen entsprechen. Bei der Beschaffungsentscheidung sei eine VSt grundsätzlich frei, werde aber von vergaberechtlichen Grundsätzen eingeschränkt. „Die dem Auftraggeber gesetzten vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit sind eingehalten, wenn die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert. “ Im vorliegenden Fall gehe die ASt nicht davon aus, dass nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe für die Notwendigkeit eines Rundumsicht Kamera Monitorsystems vorhanden seien.
Entgegen der Entscheidung der erkennenden Vergabekammer zum vorherigen Verfahren, in der festgestellt wurde, dass die Aufhebung des damaligen Verfahrens rechtswirksam war (Az. RMF-SG21-3194-3-25), sei die damalige Aufhebung zumindest teilweise nicht rechtswirksam gewesen. Entweder sei der damalige Aufhebungsgrund vorgeschoben gewesen oder der damals geltend gemachte Mangel der Ausschreibung sei nicht beseitigt worden.
„Die ASt verfolgt ihr Interesse wie folgt:
– im Hinblick auf die damals dann unwirksame Aufhebung (heißt: Aufhebung der Aufhebung und Rückversetzung des Verfahrens in den Stand vor der unwirksamen Aufhebung).
– In Hinblick darauf, dass deshalb jetzt damit insoweit keine zulässige Leistungsbestimmung gemäß Leistungsbestimmungsrecht erfolgt sein kann. “
6. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am 08.10.2019 an die VSt übermittelt und um Übersendung der Vergabeakten gebeten.
7. Mit Schreiben vom 11.10.2019 teilte die VSt der ASt mit, dass ihr Angebot gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV ausgeschlossen worden sei, da sie nicht alle Unterlagen, die mit Schreiben vom 26.09.2019 bis zum 07.10.2019 gefordert wurden, eingereicht habe.
8. Die ASt rügte den Ausschluss am selben Tage für jedes Los gesondert, also mit 15 gleichlautenden Schreiben, als vergaberechtswidrig.
9. In ihrer Erwiderung vom 15.10.2019 beantragt die VSt:
1. den Nachprüfungsantrag der ASt vom 08.10.2019 zurückzuweisen und
2. der ASt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass die ASt am 11.10.2019 gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV vom Verfahren ausgeschlossen worden sei, da sie nicht alle geforderten Unterlagen eingereicht habe, unabhängig davon, dass auf die als rechtswidrig gerügten Forderungen von Unterlagen verzichtet und der Rüge vom 27.09.2019 insoweit abgeholfen worden sei. Den Ausschluss habe die Bevollmächtigte der ASt am selben Tag ohne jegliche Begründung gerügt.
In dem von der ASt thematisierten früheren Vergabeverfahren habe man eine Aufhebung vorgenommen, weil die Vergabeunterlagen widersprüchlich gewesen seien. Die erkennende Vergabekammer habe den Antrag der ASt auf Feststellung der Unwirksamkeit der Aufhebung im damaligen Nachprüfungsverfahren abgelehnt.
Der jetzige Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig.
Es sei schon nicht erkennbar, welches Ziel die ASt verfolge. Ein Vorgehen gegen den früheren Beschluss der erkennenden Vergabekammer sei allenfalls im Wege der sofortigen Beschwerde gemäß § 172 Abs. 1 GWB möglich, wobei hierfür die angerufene Vergabekammer nicht zuständig sei und ihr zudem das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da der Beschluss mittlerweile unanfechtbar sei.
Ihr Begehren hinsichtlich des streitgegenständlichen Verfahrens sei dagegen völlig offen.
Ferner sei die ASt nicht antragsbefugt, da kein ihr drohender Schaden ersichtlich sei. Sie sei zwingend auszuschließen gewesen, sodass auch ohne Erfordernis des Kamerasystems ein Zuschlag auf ihr Angebot nicht möglich sei.
Sie sei überdies mit ihrem Vorbringen gegen die Vorgabe eines Rundumsicht-Kamera-Monitor-Systems präkludiert gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB.
Der Nachprüfungsantrag sei ferner unbegründet. Mit Infragestellung der Wirksamkeit der Aufhebung der einstigen Ausschreibung missachte die ASt die Grenzen der materiellen Rechtskraft.
Ferner sei entgegen der Behauptung der ASt das frühere Vergabeverfahren nicht „aufgrund des 360°-Kamera-Systems“ aufgehoben worden, sondern aufgrund der nachträglichen Einführung eines neuen Wertungskriteriums während des Vergabeverfahrens, das weder bekanntgemacht noch in den Vergabeunterlagen genannt gewesen sei. Zusätzlich sei das Wertungskriterium „Werkstattentfernung“ nicht eindeutig gewesen. Die bloße Ausschreibung des Kamera-Systems sei hingegen nicht Grund der Aufhebung gewesen.
Es handele sich bei der gegenwärtigen Ausschreibung um einen gänzlich anderen Ausschreibungsgegenstand. Im aufgehobenen Vergabeverfahren sei lediglich die Anschlussmöglichkeit für Kameras, im streitgegenständlichen hingegen ein komplettes Gesamt-Kamera-MonitorSystem verlangt gewesen. Die Widersprüchlichkeit von damals könne daher keine Auswirkungen auf das jetzige Verfahren haben. Es sei deshalb nicht ersichtlich, wie die ASt im jetzigen Nachprüfungsverfahren eine Rückversetzung in den Stand vor der damaligen Aufhebung fordern könne.
Zudem sei die Vorgabe eines Rundumsicht-Kamera-Monitor-Systems vom Leistungsbestimmungsrecht der VSt gedeckt. Es liege eine regulär getroffene Forderung vor, da es sich hierbei um eine dem Arbeits- und Gesundheitsschutz geschuldete zwingende Vorgabe handele. Sie sei damit sachlich gerechtfertigt aufgrund nachvollziehbarer objektiver und auftragsbezogener Gründe und beinhalte weder Willkür noch Diskriminierung anderer Wirtschaftsteilnehmer.
10. Mit Schriftsatz vom 17.10.2019 erklärt die ASt, dass sie „den Nachprüfungsgegenstand auf den zwischenzeitlich erfolgten Ausschluss der Angebote der ASt erweitern“ wolle.
Ergänzend zu den bisher gemachten Erwägungen, die nochmals wiederholt werden, trägt sie vor, dass der Ausschluss ihres Angebots vergaberechtswidrig gewesen sei, da bereits nicht klar sei, welche Unterlagen fehlten. Es sei „schlechterdings nicht vorstellbar, dass sie ursprünglich geforderte oder nachgeforderte Unterlagen nicht beigebracht haben könnte“.
Hilfsweise führt sie aus, dass die VSt die Eignungskriterien losbezogen hätte aufstellen müssen, was nicht der Fall sei, weil sie sich allgemein auf alle Kommunalhydrauliken für die LKW beziehe. Ein Ausschluss könne nicht auf diese fehlerhaft bekannt gemachten Eignungsanforderungen gestützt werden.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verwiesen.
11. Am 18.10.2019 hat die Vergabekammer der ASt gemäß § 165 Abs. 1, Abs. 2 GWB Akteneinsicht unter Wahrung des Geheimschutzes gewährt.
12. Mit weiterem Schriftsatz vom 18.10.2019 erwidert die ASt auf die zwischenzeitlich erfolgte Konkretisierung des Ausschlusses ihrer Angebote.
Die VSt habe im Schriftsatz vom 15.10.2019 erstmals mitgeteilt, welche Angaben ursprünglich bzw. auf Nachforderung nicht vollständig gemacht worden sein sollen.
Die VSt habe durch direkte Verlinkung in der Bekanntmachung Eignungskriterien (nicht losbezogen, sondern allgemein) bekannt gemacht. Die ASt habe alle Angaben gemacht und alle Erklärungen abgegeben. Soweit die VSt vortrage, dass die ASt den Ausschluss ohne Gründe gerügt habe, sei dem entgegenzuhalten, dass sie nur allgemein den Ausschluss des Angebotes bekannt gegeben habe. Sie habe nicht dargestellt, welche Unterlagen ihrer Ansicht nach unvollständig bzw. veraltet gewesen seien.
Die aufgestellten Forderungen entsprächen nicht dem, was gefordert hätte werden dürfen. Unklarheiten gingen zulasten der VSt. Der vorgelegte Auszug aus dem Handelsregister bilde die aktuellen Verhältnisse ab. Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Krankenkassen seien bezogen auf die Beschäftigten vorgelegt worden. In Bezug auf die Anzahl der Beschäftigten seien die Forderungen unklar und lückenhaft gewesen.
Die VSt habe ihr Ermessen gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV falsch ausgeübt, weil sie keine Unterlagen nachgefordert habe. Sie sei aufgrund fehlerhafter Anwendung des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV von einem zwingenden Ausschluss ausgegangen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die VSt ihr Ermessen reduziert habe, fehle es an einer notwendigen Aufklärung vor dem Ausschluss. Eine VSt dürfe von einem Bieter Aufklärung verlangen, wenn entsprechender Aufklärungsbedarf vorliege. Dies sei dann der Fall, wenn Zweifel an dem Inhalt des Angebots oder an der Eignung eines Bieters bestünden. Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Ergebe sich bei Aufklärung, dass der Bieter sein Angebot ausschreibungskonform habe abgeben wollen, so dürfe dieser Bieter mit seinem Angebot nicht ausgeschlossen werden. Unklarheiten seien im Wege der Aufklärung aufzulösen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verwiesen.
13. Mit weiterem Schriftsatz vom 20.10.2019 führt die ASt im Anschluss an die gewährte Akteneinsicht weiter aus: Der Ausschluss des Angebots der ASt gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV passe nicht zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Norm.
Auf die Erläuterungen der ASt zu Ausbildungsnachweisen wird verwiesen.
Die Forderungen der VSt entsprächen nicht dem, was gefordert hätte werden dürfen. Unklarheiten und Widersprüche bezüglich der Eignungsnachweise gingen zulasten der VSt. Ein Ausschluss dürfe dann nicht erfolgen, wenn die beizubringenden Eignungsnachweise nicht klar und eindeutig gefordert worden sein.
Auf die weiteren Einzelheiten des Schriftsatzes, größtenteils die wörtliche Wiederholung des Schriftsatzes vom 18.10.2019, wird verwiesen.
14. Im Schriftsatz vom 29.10.2019 beantragt die VSt ergänzend:
3. den mit E-Mail vom 17.10.2019 bzw. Fax vom 19.10.2019 erweiterten Nachprüfungsantrag der ASt zurückzuweisen
4. der ASt auch insoweit die Kosten des Verfahrens aufzuregen.
Der Nachprüfungsantrag nebst Erweiterung sei als unbegründet zurückzuweisen. Das Angebot der ASt sei zwingend gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auszuschließen, da mit Formblatt L3216 angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden seien und deshalb die ASt ihre Angaben in Formblatt L124 nicht ausreichend belegt und nachgewiesen habe.
Die auf das Anforderungsschreiben der VSt vom 26.09.2019 hin eingereichte Unbedenklichkeitsbescheinigung der BG … habe seine Gültigkeit bereits am 30.04.2019 verloren.
Sie sei damit zum maßgeblichen Zeitpunkt der bis zum 07.10.2019 zu erfolgenden Vorlage abgelaufen gewesen. Eine ungültige Unbedenklichkeitsbescheinigung vermag den angeforderten Nachweis bezüglich einer Mitgliedschaft bei der Berufsgenossenschaft nicht zu erbringen.
Der von der ASt vorgelegte Handelsregisterauszug des Amtsgerichts… stamme vom xx.xx.2018 und sei veraltet. Mit der Anforderung habe die VSt sicherstellen wollen, dass der Bieter in einem Berufs-/Handelsregister eingetragen ist und deswegen über die Erlaubnis zur Berufsausübung verfügen. Ein solch veralteter Auszug biete keine hinreichende Gewähr dafür, dass die ASt aktuell im Handelsregister eingetragen sei.
Auf die weiteren Ausführungen der VSt, dass die von der ASt vorgelegten Bescheinigungen der Krankenkassen unschlüssig und die von der ASt vorgelegten Studien- und Ausbildungsnachweise zu unbestimmt gewesen seien, wird verwiesen.
15. Mit Schriftsatz vom 04.11.2019 lässt die ASt folgendes vortragen:
Die Unbedenklichkeitsbescheinigung sei nicht ungültig, sondern die Gültigkeitsdauer sei lediglich beschränkt. Mit der vorgelegten Unbedenklichkeitsbescheinigung sei die Information der jeweiligen Berufsgenossenschaft über die Mitgliedschaft des Unternehmens verbunden. Nach derzeitiger Sachlage würden sogenannte qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigungen von verschiedenen zuständigen Sozialkassen nicht gleichermaßen ausgestellt. Einige Sozialkassen stellen keine qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigungen, andere nur Bescheinigungen mit einer Gültigkeit von wenigen Monaten aus. Der ASt habe eine neue Bescheinigung beantragt, eine solche aber noch nicht erhalten.
Auch der von der ASt vorgelegte Handelsregisterauszug könne nicht als veraltet abgewiesen werden. Die VSt habe nicht vorgegeben, dass die Bieter einen aktuellen Handelsregisterauszug vorlegen müssen, der beispielsweise nicht älter als drei Monate sein dürfe. Diese Festlegung hätte die VSt bereits in der Auftragsbekanntmachung treffen müssen.
Auf die weiteren Ausführungen der ASt im Schriftsatz wird verwiesen.
16. Der Vorsitzende hat am 04.11.2019 die Fünf-Wochen-Frist bis einschließlich 03.12.2019 verlängert.
17. Auf die Stellungnahme der VSt vom 11.11.2019 und die Erwiderung der ASt vom 13.11.2019 wird verwiesen.
18. In der mündlichen Verhandlung am 15.11.2019 hatten die Beteiligten Gelegenheit, sich nochmals zum gegenständlichen Nachprüfungsverfahren zu äußern. Auf das Protokoll hierzu wird verwiesen.
Die ASt beantragt
die Aufhebung der Ausschreibung wegen zahlreicher Vergaberechtsverstöße.
Die VSt beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen mit den entsprechenden Kostenfolgen.
B e g r ü n d u n g:
Der Nachprüfungsantrag hat keine Aussicht auf Erfolg, da er zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet ist.
1. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit die ASt sich gegen den Beschluss der erkennenden Vergabekammer vom 04.09.2019 sowie die Forderung eines 360°-Kamera-Systems als Teil der Ausschreibung wendet. Es mangelt der ASt insoweit bereits an der Antragsbefugnis gemäß § 160 Abs. 2 GWB.
a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfungsverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB.
c) Bei dem ausgeschriebenen Auftrag handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 2 GWB.
d) Die Kosten übersteigen den Schwellenwert nach Art. 4 der RL 2014/24/EU (§ 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB).
e) Die Erweiterung des Nachprüfungsantrags war analog § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO aufgrund Sachdienlichkeit zulässig.
f) Es fehlt der ASt teilweise an der erforderlichen Antragsbefugnis gemäß § 160 Abs. 2 GWB. Ihr Vorbringen ist insoweit – selbst wenn man es als gänzlich zutreffend unterstellen würde – schon nicht geeignet, eine Verletzung in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB zu begründen.
Grundsätzlich sind an das Vorbringen eines Antragstellers keine allzu hohen Anforderungen bzgl. der Antragsbefugnis zu stellen. Es genügt, wenn ein Antragsteller geltend macht, dass er Interesse am Auftrag hat, in seinen Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt ist und ihm dadurch ein Schaden zu entstehen droht (vgl. Horn/Hofmann, in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil, 3. Auflage 2017, § 160 Rn. 24 f. m.w.N.). Hingegen kann die Antragsbefugnis dann fehlen, „wenn und soweit eine Rechtsbeeinträchtigung offensichtlich nicht vorliegt“ (Burgi/Dreher, a.a.O., Rn. 29). „Auch eine partielle Unzulässigkeit kann gegeben sein, wenn die Antragsbefugnis nur in Bezug auf einen Teil des Vorbringens des Antragstellers vorliegt.“ (Burgi/Dreher, a.a.O., Rn. 23)
aa) Die VSt hat der Rüge der ASt zu den angeforderten Unterlagen im Rahmen der Eignungsprüfung insoweit abgeholfen. Darüber ist hier nicht zu entscheiden.
Im hier gegenständlichen Nachprüfungsverfahren macht die ASt zunächst geltend, dass sie einerseits die Aufhebung des Beschlusses der erkennenden Vergabekammer vom 04.09.2018 (Az. RMF-SG21-3194-3-25) und die Anordnung der Aufhebung der damaligen Aufhebung und Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor dieser Aufhebung begehrt und andererseits die streitgegenständliche Ausschreibung insoweit als rechtswidrig erachtet, als die VSt ein Rundumsicht-Kamera-Monitor-System mit ausgeschrieben hat. Keines der beiden Begehren kann Erfolg haben.
Wollte die ASt gegen den Beschluss der erkennenden Vergabekammer vom 04.09.2018 vorgehen, wäre die sofortige Beschwerde zum OLG München, nicht ein Nachprüfungsantrag zur erkennenden Vergabekammer statthaft, § 171 GWB.
Zudem ist der Beschluss seit über einem Jahr rechtskräftig. Die ASt hat keine Rechtsmittel gegen diesen Beschluss eingelegt. Die Aufhebung des Beschlusses ist der Vergabekammer verwehrt, die ASt hat den Beschluss spätestens am 18.09.2018 erhalten, mit Ablauf der Frist des § 172 Abs. 1 GWB am 02.10.2018, 24 Uhr ist daher Bestandskraft eingetreten.
Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, die auf eine vergaberechtswidrige Leistungsbestimmung durch die VSt hindeuten.
Die VSt hat das vorhergehende Vergabeverfahren damals ausweislich des Beschlusses der erkennenden Vergabekammer aufgrund widersprüchlicher Vergabeunterlagen und nicht eindeutiger Wertungskriterien aufgehoben. Dies war rechtswidrig, aber wirksam. Nicht hingegen war die Leistungsbeschreibung bzw. die Ausschreibung der Kameraanschlüsse an sich Grund der Aufhebung.
Ferner hat die VSt im vorhergehenden Vergabeverfahren 15 LKW-Fahrgestelle ausgeschrieben und dabei die Anschlussmöglichkeiten für Kameras in die Angebotswertung mit einbezogen. Im vorliegenden Vergabeverfahren wurden hingegen Kommunalhydrauliken für die LKW ausgeschrieben, die über 360°-Kamera-Systeme verfügen mussten. Insoweit betreffen die Ausschreibungen entgegen dem Vorbringen der ASt nicht den identischen Auftragsgegenstand, sodass nicht erkennbar ist, inwieweit sich die Aufhebung des damaligen Vergabeverfahrens auf das jetzige Vergabeverfahren auswirken können sollte.
Warum die Festlegung des Ausschreibungsgegenstandes nicht vom Leistungsbestimmungsrecht der VSt gedeckt sein soll, ist nicht ersichtlich. Die ASt hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie diesen Punkt nicht mehr weiterverfolge.
bb) Soweit die ASt sich gegen den Ausschluss ihres Angebots wendet, ist die Antragsbefugnis hingegen gegeben, § 160 Abs. 2 GWB. Sie hat ein Angebot abgegeben und macht geltend, dass der Ausschluss rechtswidrig sei, da sie alle geforderten Unterlagen eingereicht habe, und ihr dadurch ein Schaden in Form der anderweitigen Auftragsvergabe drohe.
g) Die ASt hat den Ausschluss ihres Angebots mit Schreiben vom 11.10.2019 gerügt und nach Erhalt des Nichtabhilfeschreibens innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB zum Gegenstand ihres Nachprüfungsantrags gemacht.
h) Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Der Ausschluss des Angebots der ASt gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV war rechtmäßig.
Nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV sind Angebote, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten, von der Wertung auszuschließen. Es besteht kein Ermessensspielraum (Wagner in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, Rdnr. 70 zu § 57 VgV).
Die VSt hat mit Schreiben vom 20.9.2019 die ASt klar aufgefordert, zum Nachweis der Eignung die Bescheinigung der Berufsgenossenschaft bis spätestens 07.10.2019 bei der VSt einzureichen. Dieser Forderung ist die ASt nicht nachgekommen. Sie hat die wirksam geforderte Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht fristgemäß eingereicht.
Ferner war das Vergabeverfahren auch nicht aufgrund weiterer gravierender Vergaberechtsverstöße aufzuheben.
a) Die Forderung nach einer Bescheinigung gemäß der Eigenerklärung zur Eignung der Berufsgenossenschaft des zuständigen Versicherungsträgers wurde von der VSt wirksam aufgestellt, § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB.
Eine direkte Verlinkung vom Bekanntmachungsformular auf die Eignungskriterien unter Ziffer III.1 ist ausreichend (vgl. nur zuletzt VK Südbayern, Beschluss vom 27.02.2019 – Z3-3-3194- 1-44-11/18 m.w.N.).
Eine VSt kann gemäß § 48 Abs. 1, Abs. 5 VgV zur Beurteilung des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach §§ 123 Abs. 4, 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB Bescheinigungen der zuständigen Stelle fordern. Dies beinhaltet beispielsweise auch Bescheinigungen, also Erklärungen Dritter, von Berufsgenossenschaften (vgl. Mager in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Auflage 2019, § 48 VgV Rn. 45 f. m.w.N.). Dieses Recht wird ihr im Gesetz ausdrücklich eingeräumt, sodass sie hiervon auch Gebrauch machen kann, selbst wenn zuvor eine Eigenerklärung des Bieters bereits vorgelegt wurde. Sie muss sich deshalb gerade nicht darauf verweisen lassen, dass ihr Informationsbedürfnis durch eine Eigenerklärung gedeckt sein muss und für weitere Nachweise kein Bedarf mehr zu bestehen hat.
Die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung wurde den Festlegungen in den Vergabeunterlagen entsprechend von der VSt nach Öffnung der Angebote angefordert.
Soweit die ASt darauf abstellt, dass die Eignungskriterien losbezogen hätten festgelegt werden müssen und, da dies nicht erfolgt ist, nicht wirksam bekannt gemacht wurden und die Forderung der Unterlagen damit rechtswidrig war, sodass deshalb auch der Ausschluss rechtswidrig ist, geht ihre Rechtsauffassung zumindest insoweit fehl, als sie sich auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Berufsgenossenschaft bezieht.
Eine losbezogene Aufstellung von Eignungskriterien ist insoweit nötig, als sich die Eignungskriterien auch auf die zu erbringende Leistung beziehen. Wenn ein Auftrag in mehreren Losen vergeben wird, darf beispielsweise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemäß § 45 Abs. 3 VgV nicht im Hinblick auf das Gesamtvolumen des Auftrags, sondern muss bezogen auf ein Los beurteilt werden (vgl. z.B. VK Bund, Beschluss vom 18.01.2013 – VK 1-139/12).
Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine VSt gezwungen ist, für jedes Los gesondert Unterlagen anzufordern. Es ist notwendig, dass die Eignungsanforderungen und -prüfungen der Aufteilung eines Auftrags in einzelne Lose Rechnung tragen und insoweit nicht der Gesamtauftrag als Maßstab herangezogen wird, was beispielsweise bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Bieters der Fall sein kann, wenn diese nur in Bezug auf ein oder mehrere Lose, aber nicht in Bezug auf das Gesamtvolumen des Auftrags gegeben ist.
Nicht hingegen ist es notwendig, dass Unterlagen in identischer Form mehrfach angefordert und eingereicht werden, sofern es bei unterschiedlichen Losen zu keiner unterschiedlichen Beurteilung der Eignung kommen kann, so zum Beispiel bei der Beurteilung des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen, die keinerlei Bezug zu einer losweisen Vergabe des Auftrags hat und nicht bzgl. unterschiedlicher Lose unterschiedlich beurteilt werden kann, ohne dass sich eine VSt widersprüchlich verhielte. Eine Missachtung des § 97 Abs. 4 GWB ist hierbei nicht möglich. Die VSt hat hier insofern die Eignungskriterien wirksam aufgestellt.
b) Die ASt hat eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ihrer Berufsgenossenschaft vorgelegt, die nicht mehr gültig war. Ausweislich der Festlegung in der Bescheinigung selbst verlor diese ihre Gültigkeit mit Ablauf des 30.04.2019. Eingereicht wurde sie nach Ablauf des Gültigkeitsdatums.
Bescheinigungen, die bei Vorlage nicht mehr gültig sind, sind als rechtliches Nullum und damit als fehlende Unterlagen anzusehen (vgl. OLG München v. 27.07.2018 – Verg 2/18 (zu einem nicht mehr aktuellen Führungszeugnis); Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Pries, Kommentar zur VgV, 2017, Rdnr. 30 zu § 56 VgV m.w.N.).
Die ASt hat demnach nicht alle geforderten Unterlagen innerhalb der Frist bis zum 07.10.2019 eingereicht. Soweit sie geltend macht, dass diese Frist unangemessen kurz war, kann sie sich hierauf nicht mehr berufen. Wenn ein Bieter zu erkennen gibt, dass er geforderte Unterlagen vollständig innerhalb einer von der VSt festgelegten Frist vorlegen wird und dann Unterlagen einreicht, die ungeeignet sind, kann er nicht mehr geltend machen, die vorher festgelegte Frist zur Vorlage sei unangemessen kurz gewesen (vgl. VK Nordbayern v. 09.04.2018 – RMF- SG21-3194-3-5).
Die VSt hat ferner bereits in den Vergabeunterlagen (Formblatt L 124) darauf hingewiesen, dass bei nicht fristgemäßer Vorlage der geforderten Unterlagen keine Nachforderung, sondern der Ausschluss des Angebots erfolgt, § 56 Abs. 2 Satz 2 VgV. Wenn eine VSt dies tut, ist zwingend der Ausschluss vorzunehmen, sie darf dann keine Unterlagen mehr nachfordern (vgl. Haak/Hogeweg, in: Burgi/Dreher, § 56 VgV Rn. 62; Steck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Auflage 2018, § 56 VgV Rn. 32). Insofern geht der Einwand der ASt, der Ausschluss hätte nicht ohne vorherige Nachforderung erfolgen dürfen und sei ermessensfehlerhaft, fehl.
Soweit die ASt vorträgt, die VSt habe nicht ausdrücklich festgelegt, dass eine aktuell gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung einzureichen sei, verkennt sie, dass auch die Vergabeunterlagen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zugänglich sind. Ein objektiver Dritter an der Stelle der ASt musste selbstverständlich davon ausgehen, dass aktuell gültige Bescheinigungen einzureichen sind. Die Vorlage einer ungültigen Bescheinigung, eines rechtlichen Nullums, als ausreichend für den Nachweis des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen anzusehen, entbehrt jedweder vernünftigen Grundlage. Die ASt räumt dies insoweit auch konkludent ein, wenn sie zugleich vorträgt, dass sie eine aktuelle Bescheinigung nicht rechtzeitig habe erhalten können. Sie ist also erkennbar selbst davon ausgegangen, dass eigentlich eine aktuelle Bescheinigung hätte vorgelegt werden müssen.
Unklarheiten und Widersprüche gehen nur dann zu Lasten der VSt, wenn sie auch tatsächlich vorliegen.
Die VSt konnte hier keine andere Folge als den Ausschluss der Angebote vornehmen und hätte ansonsten den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz verletzt.
Auch eine Aufklärung oder Auslegung der eingereichten Unterlagen konnte nicht dazu führen, die fehlenden Unterlagen dennoch als vorliegend anzusehen. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, deren Gültigkeit nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums besteht, kann aus Sicht eines vernünftigen Dritten in der Rolle der VSt (§§ 133, 157 BGB) nicht dahingehend verstanden werden, dass sie auch darüber hinaus gültig sein soll. Dies widerspräche dem eindeutigen Inhalt der Erklärung.
Eine Aufklärung über Zweifel am Inhalt der Unterlagen war ferner ebenfalls nicht durchzuführen, da der Inhalt der Unbedenklichkeitsbescheinigung zweifellos feststand. Ein festgelegtes Datum, nach dem eine Bescheinigung ihre Gültigkeit verliert, ist ohne vernünftigen Zweifel so zu verstehen, dass die Gültigkeit zum genannten Datum abläuft und für Zeiträume ab diesem Zeitpunkt die Bescheinigung keinerlei Aussagekraft mehr hat. Was die ASt insoweit als eine vor dem Ausschluss notwendig vorzunehmende Aufklärung deklariert, ist eigentlich eine als Aufklärung getarnte und vergaberechtlich hier unzulässige Nachforderung fehlender Unterlagen.
Auch der Einwand der ASt, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB gebiete, dass bei Fehlen von nur einem Nachweis die VSt von einem Ausschluss abzusehen habe, verfängt nicht. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in § 97 GWB steht nicht isoliert im Raum, sondern erfährt durch die weiteren Normen des Vergaberechts eine Konkretisierung und inhaltliche Ausfüllung.
Ein Ausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV ist von Gesetzes wegen zwingend angeordnet, sodass bereits durch das Gesetz selbst die Entscheidung, ob ein Ausschluss bei Fehlen von Unterlagen unverhältnismäßig sein kann, getroffen ist. Indem gerade keine Ermessensausübung durch die VSt bezüglich der Ausschlussfolge angeordnet wird, ist die Frage nach der Verhältnismäßigkeit insoweit bereits gesetzgeberisch entschieden.
c) Das Vergabeverfahren war auch nicht wegen gravierender Rechtsverstöße insgesamt aufzuheben. Ein Vergabenachprüfungsverfahren ist kein Instrument zur objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle eines Vergabeverfahrens, sondern dient primär den beteiligten Bietern zum Schutz ihrer eigenen Rechte. Nur wenn sich Fehler aus den Vergabeunterlagen aufdrängen, sind diese mit zu berücksichtigen (vgl. Dicks in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Auflage 2018, § 163 GWB Rn. 5 ff. m.w.N.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Die von der Vergabestelle aufgestellten Anforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit gemäß § 45 VgV sind nicht zu beanstanden. Da sie eine zahlenmäßige Festlegung eines Mindestjahresumsatzes nicht vorgenommen hat, verstößt sie damit nicht gegen die gemäß § 45 Abs. 3 VgV diesbezüglich zwingend vorzunehmende losbezogene Aufstellung dieser Eignungskriterien.
Die Forderung der Vorlage „geeigneter Referenzen“ entspricht den Vorgaben des § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV. Die Geeignetheit der Referenzen wäre insofern als gegeben anzusehen, „wenn die Referenzleistung dem ausgeschriebenen Auftrag so sehr ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet“ (Mager in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Auflage 2019 § 46 VgV Rn. 15 m.w.N.).
Soweit die VSt unter Verstoß gegen § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV die Vorlage von Referenzbescheinigungen ursprünglich verlangt hat, hat sie einer entsprechenden Rüge folgend diesem Rechtsverstoß abgeholfen.
Es kann insoweit auch dahinstehen, ob ein gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 VgV geforderter Handelsregisterauszug mit einem Alter von ca. einem Jahr als ausreichend aktuell anzusehen ist, insbesondere dann, wenn sich zwischenzeitlich an den Rechtsverhältnissen bei dem jeweiligen Bieter nichts geändert hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie mit ihren Anträgen unterlegen ist (§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB).
b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der VSt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
c) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 und 3 GWB festzusetzen. Im Hinblick auf die Angebotssumme der ASt und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von x….,- €.
Wegen einer nicht erfolgten Beiladung wird die Gebühr um …,- € auf x….,- € reduziert.
Der geleistete Kostenvorschuss von 2.500,- € wird mit der zu zahlenden Gebühr verrechnet. Der Differenzbetrag von … € wird nach Bestandkraft dieses Beschlusses zurücküberwiesen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben