Baurecht

Abwehranspruch eines Landwirts gegen heranrückende Wohnbebauung

Aktenzeichen  15 ZB 18.1816

Datum:
18.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6629
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 1 Nr. 1
BayBO Art. 55 Abs. 2

 

Leitsatz

Zu der Frage, ob Erweiterungsabsichten eines Landwirtes einem heranrückenden Wohnbauvorhaben entgegenstehen können.  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 K 17.878 2018-05-16 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro
festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger unterhält auf seinem Grundstück eine landwirtschaftliche Hofstelle mit Rinder- und Schweinehaltung. Er wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die Genehmigung für die Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses südöstlich gegenüber seinem Betrieb auf der anderen Seite des L-wegs.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Baugenehmigung vom 16. Juni 2015 mit Urteil vom 16. Mai 2018 abgewiesen, nachdem sich die Beteiligten auch nicht auf eine im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor der Kammer am 6. Oktober 2016 erwogene gütliche Beilegung des Rechtstreits einigen konnten. Die genehmigte Wohnnutzung führe zu keinen Einschränkungen des vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebs. Die vom Kläger vorgebrachten Erweiterungsabsichten stünden dem hier streitigen Vorhaben ebenfalls nicht entgegen; die Genehmigungsfähigkeit des vom Kläger ins Auge gefassten weiteren Mastschweinestalls scheitere an der dadurch in einer anderen Himmelsrichtung verursachten Geruchsmehrbelastung. Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Kläger sein auf die Aufhebung der Baugenehmigung gerichtetes Ziel weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die geltend gemachten Zulassungsgründe – ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (dazu nachfolgend 1.) und besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (siehe unten 2.) – liegen jedenfalls nicht vor.
1. Das die Nachbarklage abweisende erstinstanzliche Urteil ist richtig. Die Voraussetzungen für einen auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122 = juris Ls 2 bis 4, Rn. 20 bis 22 betreffend Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BBauG/BauGB; U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – BauR 1981, 354 = juris Ls. 2, Rn. 32, 33, 35 zu Innenbereichsvorhaben gemäß § 34 BBauG/BauGB) gründenden Abwehranspruch des mit seinem Betrieb Immissionen verursachenden Landwirts gegen die heranrückende Wohnbebauung des Beigeladenen sind nicht erfüllt.
Das Erstgericht hat sich bei seiner Beurteilung im Wesentlichen darauf berufen, dass es solange nicht zu für das teilweise im Außenbereich genehmigte Wohnhaus unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen (hier: 20% der Jahresstunden auf der Grundlage der GIRL) komme, als der Kläger sein nächstgelegenes Fahrsilo („Nummer 1“) nur in dem (eingeschränkten) Maß benutze, wie es die vom Beigeladenen beauftragte fachliche Begutachtung vom 8. Mai 2015 zugrundegelegt habe. Das Fahrsilo genieße als nicht genehmigungspflichtiges und auch nicht genehmigtes Bauwerk keinen formellen Bestandsschutz; die Verfahrensfreiheit entbinde nach Art. 55 Abs. 2 BayBO nicht von der Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Anforderungen, namentlich von der Verpflichtung, dass von dem Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen dürfen. Eine ganzjährige Nutzung in der Weise, wie sie ein vom Kläger vorgelegtes Gutachten vom 13. September 2016 vorsehe, sei nicht schutzwürdig sondern baurechtswidrig.
Die Zulassungsbegründung enthält keine Darlegungen, die zu Zweifeln an der Richtigkeit der so begründeten erstinstanzlichen Entscheidung Anlass geben könnten. In der im Schriftsatz vom 26. September 2018 unter III. 1. b) aa) geäußerten Kritik wird behauptet, dass es dem Kläger jederzeit möglich sein müsse, das Fahrsilo 1 jederzeit in dem von ihm für nötig und richtig erachteten Umfang zu nutzen. Dass er diese bauliche Anlage in der Vergangenheit nicht jedes Jahr ganzjährig genutzt habe, bedeute nicht, dass es ihm unmöglich gemacht werden dürfe, das zu tun. Diese Betrachtung lässt außer Acht, dass das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme auf Gegenseitigkeit angelegt ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2018 – 15 CS 18.1285 – juris Rn. 22 ff.; B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.1890 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.2351 – juris Rn. 11; U.v. 10.5.2016 – 2 B 16.231 – juris Rn. 32). Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es dem Kläger möglich sei, die einzulagernden Mais- und Grassilagen auch auf das auf der Hofstelle vorhandene und aus zwei Kammern bestehende Fahrsilo 2 zu verteilen; betriebstechnische Gründe für das Befüllen des Fahrsilos 1 ausschließlich mit der geruchsintensiveren Grassilage seien nicht ersichtlich. Die nun dagegen vorgebrachten Einwände, dass der Kläger vorgetragen habe, dass „dies aus wasserrechtlichen Gründen ungünstig sei, weil durch Versickern von Sickersäften eine Beeinträchtigung des Grundwassers im Bereich des Fahrsilos 2 entstehen könne“ (S. 5 der Zulassungsbegründung), sind in keiner Weise geeignet, die Richtigkeit dieser Erwägungen der ersten Instanz in Zweifel zu ziehen. Allenfalls werfen diese Einlassungen die Frage nach der Einhaltung der für den Bau und den Betrieb solcher Anlagen geltenden Vorschriften durch den Kläger auf (vgl. dazu stellvertretend die Schrift „Silagesaft und Gewässerschutz“ der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), 8. Aufl. Oktober 2013, Internet: www.L…bayern.de).
Dass die streitgegenständliche Genehmigung den vom Kläger geäußerten Erweiterungsabsichten nicht entgegensteht, hat das Verwaltungsgericht zum einen damit begründet, dass durch die Errichtung eines zusätzlichen Stalls für Mastschweine am Grundstück des Beigeladenen nur eine prognostizierte Zusatzbelastung von 0% bis 1% der Jahresgeruchsstunden einträte. Daneben würden durch diese Betriebserweiterung jedoch an anderen Wohnhäusern in der näheren Umgebung voraussichtlich unzumutbare Geruchsbelästigungen hervorgerufen. Eventuelle Einschränkungen müsse der Kläger daher schon wegen anderer, näher gelegener schutzwürdiger Bebauung und nicht wegen des Vorhabens des Beigeladenen gewärtigen. Die Zulassungsbegründung stellt die Richtigkeit dieser Erwägungen nicht in Frage sondern setzt ihnen im Kern nur die Hypothese entgegen, dass „zu prüfen sei, ob durch bestimmte bautechnische Maßnahmen eine Reduzierung der Immissionsbelastung für die umliegenden Wohnhäuser möglich ist, evtl. auch durch Veränderung des geplanten Standorts“. Damit sei die Genehmigungsfähigkeit nicht von vorneherein ausgeschlossen. Eine im vorliegenden Verfahren zu beachtende hinreichend konkrete Erweiterungsabsicht, die durch das streitige Vorhaben wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht würde, wird damit nicht dargetan.
2. Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine überdurchschnittlichen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist.
3. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Abweichend vom Regelfall, in dem der Beigeladene im Berufungszulassungsverfahren seine außergerichtlichen Kosten mangels Übernahme eines Kostenrisikos selbst trägt, entspricht es hier angesichts der ausführlichen Stellungnahme des Prozessvertreters des Beigeladenen mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2018 ausnahmsweise der Billigkeit, diese Kosten dem unterliegenden Teil aufzuerlegen.
4. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 – Anhang) – wie Verwaltungsgericht.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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