Baurecht

Abweichender Wortlaut in der Bekanntmachung einer Satzung

Aktenzeichen  1 B 20.875

Datum:
12.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2795
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
ZPO § 164, § 415, § 418
BauGB § 14, § 17
GO Art. 54 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Bedenken gegen die Richtigkeit einer Sitzungsniederschrift können mit einer Berichtigung der Sitzungsniederschrift ausgeräumt werden. Auch die berichtigte Sitzungsniederschrift stellt eine öffentliche Urkunde dar, die mit dem Gegenbeweis angegriffen werden kann. (Rn. 20 – 22)
2. Die fehlerhafte Festsetzung einer über die gesetzliche Höchstfrist nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB gehenden Frist, ohne dass die besonderen Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 BauGB vorliegen, führt nicht zur Unwirksamkeit der Satzung. An ihre Stelle tritt die gesetzliche Höchstfrist von drei Jahren. (Rn. 26 – 28)

Verfahrensgang

M 11 K 16.3940 2018-09-13 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 13. September 2018 wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Über die Berufungen konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässigen Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen (§ 124 Abs. 1 VwGO) haben Erfolg. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich die – im erstinstanzlichen Verfahren hilfsweise beantragte – Feststellung der Kläger, dass der Beklagte im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten der am 26. Juli 2018 beschlossenen Veränderungssperre verpflichtet gewesen sei, den beantragten Vorbescheid zu erteilen. In den Grenzen der Bindung des Senats an die Berufungsanträge des Beklagten und der Beigeladenen ist das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. September 2018 abzuändern und die Klage (insgesamt) abzuweisen, weil das Verwaltungsgericht dem zweiten Hilfsantrag der Kläger zu Unrecht stattgegeben hat. Die Klage der Kläger war als Fortsetzungsfeststellungsklage zwar zulässig (1.). Sie war jedoch nicht begründet, da der Beklagte im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten der Veränderungssperre am 26. Juli 2018 nicht verpflichtet war, den Klägern einen Vorbescheid zu erteilen (2.).
1. Die im erstinstanzlichen Verfahren hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nach Erledigung des Verpflichtungsbegehrens auf Erteilung des Vorbescheids statthaft und auch im Übrigen zulässig. Dass auch bei Erledigung einer Verpflichtungsklage – hier auf Erteilung eines Vorbescheids – in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft ist, entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Allerdings darf insoweit mit der beantragten Feststellung der Streitgegenstand nicht ausgewechselt werden. Die Klage kann auch auf die Feststellung gerichtet sein, dass dem Bauherrn während eines bestimmten Zeitraums ein Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung oder eines Vorbescheids zustand (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.2015 – 4 B 42.14 – juris Rn. 8; B.v. 21.10.2014 – 4 B 76.04 – juris Rn. 2; U.v. 30.6.2004 – 4 C 1.03 – BVerwGE 121, 169; U.v. 28.4.1999 – 4 C 4.98 – BVerwGE 109, 74; U.v. 27.3.1998 – 4 C 14.96 – BVerwGE 106, 295; U.v. 28.8.1987 – 4 C 31.86 – BayVBl 1988, 440 m.w.N.; SächsOVG, (Zwischen) U.v. 27.3.2014 – 1 A 857.10 – juris Rn. 41). Das die Hauptsache erledigende Ereignis war das Inkrafttreten der erneuten Veränderungssperre zur Sicherung des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. … am 26. Juli 2018 (vgl. BVerwG, B.v. 2.10.1998 – 4 B 72.98 – NVwZ 1999, 523). Zu diesem Zeitpunkt lag eine zulässige Verpflichtungsklage vor. Prozessual unerheblich ist, dass der Fortsetzungsfeststellungsantrag nur hilfsweise gestellt wurde (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.1980 – 4 C 3.78 – BVerwGE 61, 128). Das weiterhin erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse liegt etwa dann vor, wenn die begehrte Feststellung präjudizielle Wirkung für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines auf die Norm gestützten behördlichen Verhaltens und damit für in Aussicht genommene Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche haben kann (BVerwG, B.v. 26.5.2005 – 4 BN 22.05 – BauR 2005; BayVGH‚ B.v. 13.6.2014 – 15 ZB 14.510 – juris Rn. 10; B.v. 24.10.2011 – 8 ZB 10.957 – juris Rn. 12; OVG NW‚ U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47 m.w.N; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 116). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist maßgeblich darauf abzustellen, ob der jeweilige Kläger „sofort und unmittelbar“ vor dem Zivilgericht Klage erheben konnte oder ob er auch im Interesse des von § 839 Abs. 3 BGB vorgesehenen Primärrechtschutzes gezwungen war, zunächst Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. Hat sich der Verwaltungsakt – wie hier – erst nach Klageerhebung erledigt, wäre es danach jedenfalls bei einer nicht vom Kläger selbst herbeigeführten Erledigung – wie hier – unangemessen, die Fortsetzungsfeststellungsklage nur dann zuzulassen, wenn das bisherige Verfahren bereits Erkenntnisse („Früchte“) gebracht hat, die für einen Amtshaftungsprozess bedeutsam sind (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.1998 – 4 C 14.96 – BVerwGE 106, 295). Ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung besteht nur dann nicht, wenn sie der Vorbereitung einer Klage dient, die offensichtlich aussichtslos ist.
Gemessen an diesen Maßstäben ist jedenfalls die Geltendmachung eines auch gegen den Freistaat Bayern geltend gemachten Entschädigungsprozesses aufgrund der negativen Beurteilung des Vorbescheidsantrags der Kläger durch den Beklagten nicht offensichtlich ausgeschlossen (vgl. BGH, U.v. 25.10.2012 – III ZR 29/12 – NVwZ 2013, 167; U.v. 16.9.2010 – III ZR 29/10 – BGHZ 187, 51). Dass die Geltendmachung von Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüchen im Hinblick auf die dargelegten Kosten, insbesondere für die Erstellung und Einreichung des Vorbescheidsantrags in Höhe von mindestens 4.900 Euro sowie eine geschätzte Minderung des Wertes des Grundstücks von rd. 3.000 Euro je m² Geschossfläche (vgl. BVerwG, U.v. 23.8.2007 – 7 C 13.06 – NVwZ 2007, 1311 zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses) von vornherein aussichtslos bleiben wird und deshalb das berechtigte Feststellungsinteresse nicht tragen könnte, lässt sich nicht ohne nähere Prüfung feststellen.
Der geltend gemachte Anspruch ist nicht offensichtlich aussichtslos, weil die Kläger die Möglichkeit der Abwendung des Schadens durch Inanspruchnahme von Primärrechtschutz gegen die Veränderungssperren nicht wahrgenommen haben (offengelassen in BayVGH, U.v. 9.9.2020 – 15 B 19.666 – juris Rn. 34). Im Amtshaftungsrecht steht dem Verletzten nicht ein Wahlrecht derart zu, dass er von einer Anfechtung ihn rechtswidrig belastendender Maßnahmen folgenlos absehen und sich auf einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung beschränken darf. Zwar wird der Schadensersatzanspruch nicht durch den Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes ausgeschlossen; ein Ausschluss gemäß § 839 BGB kommt aber dann in Betracht, wenn der Verletzte es vorwerfbar (im Sinn eines „Verschuldens gegen sich selbst“) versäumt hat, den Verwaltungsakt mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen anzufechten (vgl. BGH, U.v. 15.11.1990 – III ZR 302/89 – BGHZ 113,17). Auch dem von einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in sein Eigentum Betroffenen steht nicht die freie Wahl derart zu, ob er den Eingriff mit den dafür vorgesehenen Rechtsmitteln abwehren oder ihn hinnehmen und stattdessen eine Entschädigung verlangen will. Ein Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs ist regelmäßig für diejenigen Nachteile ausgeschlossen, die durch die verwaltungsprozessuale Anfechtung hätten vermieden werden können (vgl. BVerfG, B.v. 2.12.1999 – 1 BvR 165/90 – NJW 2000, 01; BGH, U.v. 21.12.1989 – III ZR 132/88 – BGHZ 110, 12). Wer in vorwerfbarer Weise den Versuch abgebrochen hat, Primärrechtsschutz gegen die Ablehnung seines Baugesuchs zu erreichen, dessen Schadensersatzklage ist offensichtlich aussichtlos (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2020 – 1 N 19.1393 – BayVBl 2020, 845). Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Kläger haben gegen die Ablehnung des beantragten Bauvorbescheids (Verpflichtungs-)Klage erhoben (vgl. BGH, B.v. 21.12.1990 – III ZR 280/89 – juris Rn. 3 für den Fall der möglichen Anfechtung der Baugenehmigung, mit der die Nichtigkeit des ihr zugrundeliegenden Bebauungsplans geltend gemacht wird). Unabhängig davon, dass höchstrichterlich nicht entschieden ist, ob ein Antrag auf Normenkontrolle nach § 47 VwGO und eine in diesem Verfahren nach § 47 Abs. 6 zu erlassende einstweilige Anordnung als Rechtsmittel im Sinn von § 839 Abs. 3 BGB anzusehen sind (vgl. BGH, B.v. 21.12.1990 a.a.O.), wäre den Klägern damit nicht gedient (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 7.6.2012 – OVG 2 B 18.11 – juris Rn. 44). Denn mit der Verpflichtungsklage sollte auch geklärt werden, ob bei Unwirksamkeit der Veränderungssperre ein Anspruch auf den beantragten Vorbescheid besteht, insbesondere da die Vorschriften des Abstandsflächenrechts streitig waren. Im Hinblick auf den hier anhängigen Verfahrensgegenstand steht der Zulässigkeit des Fortsetzungsfeststellungsantrags auch nicht entgegen, dass die Kläger kein Rechtsmittel gegen die Klageabweisung in dem auf Verpflichtung zur Erteilung des Vorbescheids gerichteten Hauptantrag eingelegt haben. Die Umstellung auf die Fortsetzungsfeststellungsklage ist die prozessuale Reaktion auf die Erledigung eines Antrags auf Erteilung einer Baugenehmigung bzw. eines Vorbescheids wegen des zwischenzeitlichen Ergehens einer Veränderungssperre, deren Rechtmäßigkeit die Kläger (mittlerweile) anerkannt haben.
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage war aber nicht begründet. Die Kläger hatten im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten der erneuten Veränderungssperre am 26. Juli 2018 keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids, da der Zulassung des Vorhabens die am 19. September 2017 beschlossene und am 21. September 2017 bekannt gemachte Veränderungssperre der Beigeladenen entgegenstand. Bei dieser Veränderungssperre handelte es sich um eine erneute Veränderungssperre (2.1). Die Veränderungssperre genügte auch den Anforderungen an die Bestimmtheit von Satzungen (2.2). Die allgemeinen Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre (§ 14 Abs. 1 BauGB) waren erfüllt (2.3). Keine Bedenken gegen die Wirksamkeit bestehen schließlich, soweit die angeordnete Geltungsdauer der Veränderungssperre und die damit verbundene Überschreitung der Dreijahresfrist betroffen ist (2.4).
2.1 Bei der Veränderungssperre vom 19. September 2017 handelte es sich um eine erneute Veränderungssperre im Sinn von § 17 Abs. 3 BauGB. Denn insoweit ist anerkannt, dass die Möglichkeit, nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB oder nach § 17 Abs. 2 BauGB eine bereits verhängte Veränderungssperre zu verlängern, nicht ausschließt, anstatt dessen die Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 3 BauGB zu erneuern (vgl. BVerwG, U.v. 10.9.1976 – IV C 39.74 – BVerwGE 51, 121; Stock in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2020, § 17 Rn. 46). Bei der Planung, die die frühere Planung konkretisiert und weiterentwickelt sowie den Planbereich geringfügig dahingehend erweitert hatte, dass eine Wendemöglichkeit im Bereich des Z …wegs ermöglicht wurde, handelte es sich nicht um eine selbständige neue Sperre. Vielmehr ersetzte die am 21. September 2017 bekanntgemachte Veränderungssperre die (erste) Veränderungssperre. Die erneute Befassung der Beigeladenen mit der Veränderungssperre geschah etwa eineinviertel Jahr nach dem ersten Beschluss vom 10. Mai 2016 und damit innerhalb des Zwei-Jahres-Raums gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Zu diesem Zeitpunkt unterschieden sich die inhaltlichen Anforderungen an eine Verlängerung nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB nicht von denen einer Erneuerung nach § 17 Abs. 3 BauGB.
2.2 Die Veränderungssperre genügte den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Satzungen, insbesondere ließ sie eindeutig erkennen, auf welche Flächen sie sich bezieht. Soweit es im Hinblick auf deren Geltungsbereich Anlass zu Zweifeln gegeben hatte, weil der Satzungsbeschluss ausweislich Nummer 3 des Beschlussbuchauszugs vom 5. Oktober 2017 die Erweiterung auf die Grundstücke FlNrn. … und … (Teilfläche) nicht umfasste, während hingegen die Bekanntmachung vom 21. September 2017 die vorgenannten Grundstücke aufführte, wurden diese Bedenken mit der Berichtigung der Sitzungsniederschrift ausgeräumt.
Es ist anerkannt, dass die Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Satzungsnorm nicht erfüllt sind, wenn die Norm nicht mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Wortlaut bekannt gemacht wird bzw. die bekannt gemachte Norm so nicht beschlossen worden ist. Ein nach dem Rechtsstaatsprinzip ausgestaltetes Bekanntmachungsverfahren setzt voraus, dass die Rechtsnorm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt veröffentlicht wird (vgl. BVerwG, U.v. 21.1.2004 – 8 CN 1.02 – BVerwGE 120, 82). Anerkannt ist auch, dass eine Sitzungsniederschrift nach Art. 54 GO eine öffentliche Urkunde im Sinn der § 415 Abs. 1, § 418 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 98 VwGO ist, die zu Beweiszwecken dient und welche in Bezug auf den nach Art. 54 Abs. 1 GO vorgeschriebenen oder zugelassenen Inhalt eine erhöhte Beweiskraft haben kann. Die Niederschrift muss die Beschlüsse und das Abstimmungsergebnis ersehen lassen, die Beschlüsse dabei in der Fassung, wie sie vom Gemeinderat tatsächlich beschlossen worden sind. (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, GO, Stand Februar 2020, Art. 54 Rn. 4). Die in einer formell ordnungsgemäßen Niederschrift getroffenen Feststellungen über das Zustandekommen von Beschlüssen des Gemeinderats sind bis zum etwaigen Nachweis ihrer Unrichtigkeit als zutreffend zu erachten. Es wird zunächst vermutet, dass Beschlüsse tatsächlich so gefasst worden sind, wie sie in der Niederschrift protokolliert wurden. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden (vgl. BVerwG, B.v. 16.5.1986 – 4 CB 8.86 – NVwZ 1986, 739; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser a.a.O. Rn. 5). Anerkannt ist auch, dass eine unrichtige bzw. unvollständige Sitzungsniederschrift berichtigt werden kann. Maßgeblich ist allein, ob die in der Sitzungsniederschrift getroffenen Feststellungen vom tatsächlichen Geschehen in der Sitzung des Bauausschusses abweichen (vgl. Wendlandt in BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand Dezember 2020, § 164, Rn. 3 zur Protokollberichtigung). In diesem Fall ist die Sitzungsniederschrift nicht in ihrer ursprünglichen, sondern in ihrer berichtigten Fassung maßgebend (vgl. BAG, U.v. 11.12.1964 – 1 AZR 55.64 – NJW 1965, 931).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die mit Beschluss der Beigeladenen vom 9. Oktober 2018 erfolgte Berichtigung und Genehmigung der Sitzungsniederschrift vom 5. Oktober 2017 nicht zu beanstanden. Denn der Bauausschuss der Beigeladenen hatte in der Sitzung vom 19. September 2017 den räumlichen Geltungsbereich um die Grundstücke FlNrn. … und … (Teilfläche) erweitert, um die Errichtung einer notwendigen Wendemöglichkeit zu ermöglichen. Eine Anpassung um diese Erweiterung (einschließlich der beigefügten Flurkarte) war aber nur in der Bekanntmachung vom 21. September 2017 (einschließlich der beigefügten Flurkarte) benannt worden, während der Beschlussbuchauszug und der Auftrag an die Verwaltung nur die ursprünglichen Grundstücke und damit einen (reduzierten) Geltungsbereich aufwiesen. Die Sitzungsniederschrift vom 5. Oktober 2017 war insoweit unvollständig und konnte durch die Mitglieder des Bauausschusses der Beigeladenen berichtigt und genehmigt werden (s. Sitzungsniederschrift vom 25. Oktober 2018). Da auch die berichtigte Urkunde eine öffentliche Urkunde darstellt, hätten die Kläger den Gegenbeweis für eine behauptete Unrichtigkeit der (berichtigten) Sitzungsniederschrift erbringen müssen. Hier fehlt es jedenfalls an der erforderlichen und gebotenen Darlegung, dass auch diese neue Urkunde unrichtig ist. Einer Beweisaufnahme durch den Senat bedurfte es daher nicht.
2.3 Die allgemeinen Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre (§ 14 Abs. 1 BauGB) waren erfüllt. Insbesondere ist nach den vorstehenden Ausführungen unter Nummern 2.1 und 2.2 gemäß § 14 Abs. 1 BauGB ein Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans gefasst, konkretisiert bzw. erweitert und öffentlich bekannt gemacht worden. Dass der Geltungsbereich der Veränderungssperre vom 19. September 2017 im Hinblick auf die mögliche Errichtung einer Wendemöglichkeit im Bereich des Z …wegs erweitert wurde, ist, wie ausgeführt, unschädlich. Auch das für den Erlass einer Veränderungssperre erforderliche Sicherungsbedürfnis war zu bejahen. Gemäß § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde das Institut der Veränderungssperre nur zur Sicherung einer bereits hinreichend konkreten Planung einsetzen. Denn die Veränderungssperre schützt die künftige Planung, nicht aber lediglich die abstrakte Planungshoheit (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.2012 – 4 C 1.11 – BVerwGE 144, 82). Die Planung der Beigeladenen wies nach den zutreffenden und nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre vom 24. Juli 2018 das erforderliche Mindestmaß an Konkretisierung auf. Für den Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre vom 21. September 2017 gilt nichts Anderes, da sie sich nicht von der Planung aus dem Jahr 2018 unterscheidet.
Die Veränderungssperre war auch nicht deshalb unwirksam, weil der modifizierte Aufstellungsbeschluss von vornherein an rechtlichen Mängeln litt, die schlechthin nicht mehr behebbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.1993 – 4 NB 40.93 – NVwZ 1994, 145). Er litt insbesondere nicht wegen einer insoweit anzunehmenden Vorwegbindung der Planung an einem maßgeblichen Abwägungsmangel.
Dem modifizierten Aufstellungsbeschluss selbst, der allein maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit der Veränderungssperre ist, war eine solche Vorwegbindung nicht zu entnehmen. Die von den Klägern behauptete Nachbesserung durch die Beigeladene angesichts einer prozessualen Notsituation wenige Tage vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung reicht dafür nicht aus, zumal das im Beschluss zum Ausdruck kommende planerische Grundkonzept auch in der modifizierten Form offen für Änderungen im anschließend zu durchlaufenden Planaufstellungsverfahren sowie namentlich im Hinblick auf das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB war. Die formulierten Zielvorstellungen, die in Ergänzung der in der Sitzung des Bauausschusses der Beigeladenen am 10. Mai 2016 gefassten Ziel erfolgten, gaben dem Planungsträger einen Rahmen vor, ließen aber noch genügend Planungsspielraum von substantiellem Gewicht. Aus der Beschlussvorlage der Verwaltung wird deutlich, dass unter Berücksichtigung der topografischen Situation und in Bezug auf die Bauraumgestaltung zu prüfen war, ob bzw. inwiefern eine kleinteilige Bauraumgestaltung notwendig sei. Damit war die konkrete Ausgestaltung des Planes zum Zeitpunkt des modifizierten Aufstellungsbeschlusses nicht abschließend festgelegt und eröffnete die Möglichkeit einer ergebnisoffenen Abwägung.
2.4 Keine Bedenken gegen die Wirksamkeit bestanden schließlich, soweit die angeordnete Geltungsdauer der Veränderungssperre und die damit verbundene Überschreitung der Dreijahresfrist der § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BauGB betroffen war. Soweit die in der Veränderungssperre genannte Geltungsdauer die nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB mögliche Dreijahresfrist überstieg, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Veränderungssperre im Ganzen. § 17 Abs. 3 BauGB verweist als Voraussetzung für die erneute Veränderungssperre lediglich auf die allgemeinen Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 BauGB und nennt keine zusätzlichen – etwa mit § 17 Abs. 2 BauGB vergleichbaren – inhaltlichen Voraussetzungen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB tritt eine erstmalige Veränderungssperre nach Ablauf von zwei Jahren außer Kraft. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB kann die Gemeinde die Frist um ein Jahr verlängern, ohne dass zusätzliche Voraussetzungen vorliegen müssen. Diese zusätzlichen Voraussetzungen verlangt jedoch § 17 Abs. 2 BauGB für den Fall, dass die Veränderungssperre bis zu einem weiteren (vierten) Jahr nochmals verlängert werden soll. Dies ist nur dann erlaubt, wenn „besondere Umstände es erfordern“. Um der Gefahr zu begegnen, dass eine Gemeinde mit dem Mittel der erneuten Veränderungssperre nach § 17 Abs. 3 BauGB die strengen Anforderungen für die Verlängerung der Geltungsdauer um ein viertes Jahr umgeht, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die eine 2. Verlängerung ersetzende Erneuerung nur dann zulässig ist, wenn die besonderen Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 BauGB vorliegen (vgl. BVerwG, B.v. 30.10.1992 – 4 NB 44.92 – NVwZ 1993, 474; OVG RhPf, U.v. 13.2.2019 – 8 C 10622/18 – juris Rn. 34).
Gemessen an diesen Maßstäben lagen hier zwar die Voraussetzungen für eine (erneute) Anordnung einer Veränderungssperre für den Zeitraum von zwei Jahren und damit über das 3. Jahr des Planaufstellungsverfahrens nicht vor, soweit die Veränderungssperre das 4. Jahr des Planaufstellungsverfahrens betrifft. Denn bei Bekanntgabe der Veränderungssperre vom 21. September 2017 lief das Planaufstellungsverfahren bereits seit dem 1. Juni 2016, die gesetzliche Höchstfrist nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB endete daher am 31. Mai 2019. Dass die besonderen Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 BauGB nicht vorlagen, ist unstreitig. Die fehlerhafte Festsetzung der zu langen Frist war jedoch unschädlich und führte nicht zu einer Unwirksamkeit der Satzung über die Veränderungssperre. An die Stelle der in der Satzung genannten Frist trat vielmehr die gesetzliche Höchstfrist von drei Jahren (§ 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB). Diese gesetzliche Höchstdauer setzt sich gegenüber Fristbestimmungen in der Satzung, die eine längere Höchstdauer vorsahen, durch (vgl. OVG RhPf, U.v. 13.2.2019 a.a.O.; HessVGH, B.v. 10.7.2009 – 4 B 426.09 – BauR 2010, 743, Sennekamp in Brügelmann, BauGB, Stand Juli 2020, § 17 Rn. 7). Dies gilt nicht nur für den erstmaligen Erlass der Veränderungssperre, sondern auch für deren erstmalige Verlängerung nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB und damit auch für eine erneute Veränderungssperre, mit der die Veränderungssperre (auch) erstmals verlängert und die gesetzliche Höchstdauer überschritten wird. Entgegen der Auffassung der Kläger lag hier ein vergleichbarer Fall einer fehlerhaften Berechnung der Frist vor.
Die Unwirksamkeit der Verlängerung der Veränderungssperre in das 4. Jahr der Gesamtgeltungsdauer hatte nicht die Unwirksamkeit der gesamten Veränderungssperre zur Folge. Nach den Grundsätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 5. Mai 2015 (4 CN 4.14) wiedergegeben hat, führt dies nur zur teilweisen Unwirksamkeit der Veränderungssperre. Danach hat die Ungültigkeit einer Satzungsbestimmung nicht die Unwirksamkeit der Satzung insgesamt zur Folge, wenn die übrigen Festsetzungen auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleiben und nach dem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre. Die sich danach zu stellende Frage, ob die Mitglieder des Bauausschusses der Beigeladenen die Veränderungssperre bis 31. Mai 2019 beschlossen haben würden, hätten sie gewusst, dass der Erlass einer Veränderungssperre für zwei Jahre unwirksam ist, ist zu bejahen. Die Regelungen zur zeitlichen Verlängerung sind ohne weiteres teilbar. Bei isolierter Unwirksamkeit der in das 4. Jahr gehenden Verlängerung bliebe die Möglichkeit der ersten Verlängerung unter Beachtung der Dreijahresfrist. Zugleich entsprach dies dem mutmaßlichen Willen des Bauausschusses der Beigeladenen. In der Beschlussvorlage des Fachbereichs 22 – Bauleitplanung vom 15. September 2017 wurde ausgeführt, dass zur Sicherung der neuen städtebaulichen Planungskonzeption für das Plangebiet der erneute Erlass einer Veränderungssperre erforderlich sei. Dies spricht für eine beabsichtigte erstmalige Verlängerung unter Berücksichtigung der bereits erlassenen Veränderungssperre vom 1. Juni 2016. Gründe dafür, dass der Bauausschuss der Beigeladenen es für erforderlich gehalten haben könnte, die Gesamtsperrzeit auf insgesamt über drei Jahre zu erweitern, führen weder die Kläger an noch sind solche erkennbar. Darauf, dass zu diesem Zeitpunkt der Abschluss des Planungsverfahrens noch nicht absehbar war, kommt es nicht entscheidend an. Denn es ist regelmäßig davon auszugehen, dass es einer Gemeinde in erster Linie darauf ankommt, eine gültige Veränderungssperre zu erreichen, unabhängig davon, wie die darauf abzielenden Maßnahmen rechtlich einzuordnen waren (vgl. BVerwG, U.v. 10.9.1976 – IV C 39.74 – BVerwGE 51, 121). Eine über ein weiteres Jahr hinausgehende Sperre war hier nicht erforderlich, sodass der Bauausschuss – wie nachfolgend im Beschluss vom 24. Juli. 2018 auch erfolgt – eine Veränderungssperre bis zum Ablauf der Dreijahresfrist beschlossen hätte, um auf diese Weise bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans (am 25. April 2019) Bauvorhaben im Plangebiet zu verhindern.
Ob das Vorhaben der Kläger nach bauordnungsrechtlichen Gründen zulässig war, muss daher nicht entschieden werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen in beiden Rechtszügen aufzuerlegen, weil diese einen Antrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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