Baurecht

Anspruch des Anliegers auf Beseitigung von in einem Grünstreifen gepflanzten Bäumen

Aktenzeichen  AN 9 K 16.01056

Datum:
29.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 137791
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 25a, § 215 Abs. 1 Nr. 2
AGBGB Art. 47, Art. 50

 

Leitsatz

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Festsetzung eines 1,5 m breiten Grünstreifens und die hierfür festgeschriebenen Bepflanzungsvorgaben in einem Bebauungsplan an einem schwerwiegenden und offensichtlichen Abwägungsmangel leiden. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Soweit sich die Kläger hier auf einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch berufen, ist der Verwaltungsrechtsweg zwar eröffnet und die Klage als allgemeine Leistungsklage zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Beseitigung der vier Hainbuchen.
Der in seinen Rechtsgrundlagen umstrittene, im Ergebnis jedoch anerkannte öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch setzt einen hoheitlichen Eingriff voraus, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der noch andauert und den er nicht dulden muss. Dabei beschränkt sich der Folgenbeseitigungsanspruch nicht nur auf Folgen der Vollziehung eines Verwaltungsaktes sondern er erfasst auch die Folgen schlicht hoheitlichen Handelns (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – juris Rn. 24). Der Anspruch ist grundsätzlich auf Wiederherstellung des Zustandes gerichtet, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestand.
Nach diesen Maßgaben ist ein Folgenbeseitigungsanspruch hier nicht gegeben. Unabhängig vom Vorliegen eines hoheitlichen Eingriffs kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass subjektive Rechtspositionen der Kläger verletzt sind.
Durch das Pflanzen der vier Hainbuchen wurde nämlich schon kein rechtswidriger Zustand geschaffen, da die Pflanzung durch den Bebauungsplan Nr. … vom 13. November 1989 legitimiert ist. Dieser Bebauungsplan setzt im nördlichen Bereich des Grundstücks der Beklagten (FlNr. …*) zwischen dem öffentlichen Fußweg und dem nördlich gelegenen Grundstück der Kläger durch Text und Planzeichen einen Grünstreifen mit Pflanzgebot fest. Die im Bebauungsplan festgeschriebene Erstpflanzungsfestsetzung enthält dabei gleichzeitig auch die Pflicht, Ersatzpflanzungen vorzunehmen, wenn die erste Anpflanzung erfolglos bleibt oder später ausfällt; einer zusätzlichen, die Erstpflanzungsfestsetzung ergänzenden Nachpflanzungsfestsetzung bedarf es hierfür nicht (vgl. BVerwG, U.v. 8.10.2014 – 4 C 30.13, juris). Es ist nicht ersichtlich und auch nicht seitens der Kläger vorgetragen, dass die als Ersatz für die bisher vorhandenen Rotdornbäume gepflanzten Hainbuchen den hier festgesetzten Bepflanzungsvorgaben nicht entsprechen würden. Das Gericht hat auch keinen Anlass, an der Wirksamkeit der diesbezüglichen Vorgaben des Bebauungsplans zu zweifeln.
Soweit die Kläger die Gültigkeit des Bebauungsplans mit der Begründung angreifen, die Beklagte habe abwägungsfehlerhaft das Interesse späterer Bauwerber von unmittelbar an der Grundstücksgrenze vorgenommenen Pflanzungen verschont zu bleiben, unzureichend berücksichtigt, wäre ein solcher Abwägungsmangel schon nicht mehr überprüfbar. Denn nach dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans im Jahre 1989 geltenden § 215 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BauGB in der Fassung vom 8. Dezember 1986 mussten Mängel der Abwägung – unabhängig, ob es sich um Mängel im Abwägungsvorgang oder um solche im Abwägungsergebnis handelte – binnen sieben Jahren seit Bekanntmachung des Bebauungsplans geltend gemacht werden. Anders als nach heutiger Rechtslage war also auch ein sich auf das Ergebnis der Abwägung auswirkender Fehler nach der gemäß § 233 Abs. 2 Satz 2 BauGB auch weiter anwendbaren Rechtslage noch kein sog. Ewigkeitsmangel, sondern die Rügemöglichkeit verfiel nach Ablauf der Frist (vgl. VG München, U.v. 8.11.2017 – M 9 K 16.4678 – juris Rn. 41).
Ob in atypischen Fällen, in denen ein Bebauungsplan an einem schwerwiegenden und offensichtlichen Abwägungsmangel leidet, eine verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. von Nöten ist (so einige Stimmen in der Literatur, vgl. zum Meinungsstand Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand August 2017, § 215 Rn. 77), bedarf hier keiner Erörterung, da nach Überzeugung des Gerichts keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Festsetzung des 1,5 m breiten Grünstreifens und die hierfür festgeschriebenen Bepflanzungsvorgaben an einem derartigen schweren Abwägungsmangel leiden. Wie die Beklagte zutreffend einwendet, war sie als Plangeberin hinsichtlich des von der Grundstücksgrenze festgesetzten Abstandes nicht durch Art. 47 AGBGB gebunden. Diese Norm ist zivilrechtlicher Natur und dient gerade dem Ausgleich der im privaten Nachbarverhältnis auftretenden Interessengegensätze. Bei dem streitgegenständlichen Grünstreifen, der als öffentliches Begleitgrün im Bebauungsplan festgesetzt ist, handelt es sich hingegen um Zubehör (Art. 2 Nr. 3 BayStrWG) des mit Verfügung vom 10. Dezember 1990 gewidmeten Fußwegs „…“ und damit um eine Anpflanzung im öffentlichen Verkehrsraum, die den Bindungen des Art. 47 AGBGB nicht unterliegt (vgl. Art. 50 Abs. 1 Satz 2 AGBGB). Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Grünstreifen mit einer Breite von „nur“ 1,5 m schlechterdings für jeden der in der Pflanzliste enthaltenen Bäume unzureichend wäre und die Beklagte damit das Entstehen unzumutbarer Beeinträchtigungen für die Anlieger quasi sehenden Auges in Kauf genommen hätte. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass die Beklagte bei der Festsetzung des Grünstreifens im hier streitgegenständlichen Bereich und der diesbezüglichen Bepflanzungsvorgaben die schützenswerten Interessen der Anlieger offensichtlich und grob fehlerhaft nicht hinreichend berücksichtigt hätte.
In der Bekanntmachung des Bebauungsplans vom 9. November 1989 wurde auf die nach Ablauf der Sieben-Jahres-Frist eintretenden Rechtsfolgen auch ausdrücklich hingewiesen (vgl. § 215 Abs. 2 BauGB a.F.). Das Verstreichenlassen dieser Frist und die aus der Verletzung dieser Obliegenheit möglicherweise entstehenden Nachteile müssen die Kläger als Rechtsnachfolger der damaligen Grundstückseigentümer gegen sich gelten lassen (Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, § 125 Rn. 80).
Es ist für das Gericht auch nicht ersichtlich, dass die Entscheidung der Beklagten, von den in der Pflanzliste zur Auswahl stehenden Baumarten hier gerade Hainbuchen zu wählen, rechtsfehlerhaft wäre. Bei der Wahl der konkreten Baumart hat die Beklagte auch die schutzwürdigen Interessen der unmittelbaren Anlieger berücksichtigt und folglich aus der Liste eine Baumart gewählt, die für die Kläger mit möglichst wenigen Einwirkungen verbunden ist. Im Hinblick darauf, dass es den Klägern hier gerade darum geht, sowohl einen Überhang von Ästen, den damit einhergehenden Laubfall und eine Beschattung ihres Grundstücks zu verhindern sowie das Eindringen von Wurzelwerk in ihre baulichen Anlagen zu vermeiden, ist für das Gericht nicht erkennbar, dass andere in der Pflanzliste aufgeführte Baumarten für eine Bepflanzung des Grünstreifens wesentlich geeigneter wären, zumal aus der zwischen den Beteiligten im Vorfeld des Gerichtsverfahrens gewechselten Korrespondenz hervorgeht, dass sich die Beklagte auch deshalb für Hainbuchen entschieden habe, da im Interesse der Kläger eine nicht windblütige (gering allergene) Baumsorte gepflanzt werden sollte.
Ein rechtswidriger Zustand kann insofern nicht festgestellt werden, so dass ein Folgenbeseitigungsanspruch ausscheidet und die Kläger die Bäume weiterhin zu dulden haben.
Mit Blick auf Art. 14 GG dürfte zwar die Duldungspflicht der Anlieger bei Vorliegen einer besonderen Ausnahmesituation enden. Eine solche könnte gegebenenfalls bejaht werden, wenn die Bepflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an den baulichen Anlagen des klägerischen Grundstücks führt bzw. solche Schäden hinreichend konkret zu befürchten sind oder aber die Nutzung des klägerischen Grundstücks in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maße beeinträchtigt wird (vgl. dazu OVG NRW, B.v. 25.1.2017 – 11 A 1701/16 – juris Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch ersichtlich nicht erfüllt. Ausweislich des seitens der Kläger vorgelegten Bildmaterials sind die im Herbst 2014 gepflanzten Bäume zum jetzigen Zeitpunkt noch relativ klein. Insbesondere ist auch nicht erkennbar, dass es im Bereich um die Bäume herum zu Bodenerhebungen durch Wurzeleintrag gekommen ist. Derartiges wurde auch nicht vorgetragen. Konkrete und gesicherte Anhaltspunkte dafür, dass Schäden in naher Zukunft zu erwarten sind, liegen insofern nicht vor. Soweit die Kläger zur Untermauerung ihrer Befürchtungen in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme der Frau … vom 7. Februar 2015 vorgelegt haben, bleibt schon offen, über welche Fachkompetenz Frau … verfügt. Auch erfolgt darin keine Auseinandersetzung mit der Beschaffenheit des in der Umgebung der Hainbuchen vorhandenen Erdbodens und der auf dem klägerischen Grundstück befindlichen baulichen Anlagen. Sowohl die Verdichtung des Bodens sowie dessen Sauerstoff- und Feuchtigkeitsgehalt haben jedoch maßgeblichen Einfluss auf die Ausbreitungsrichtung von Wurzeln. Auch hängt die Schadensanfälligkeit baulicher Anlagen vom jeweils verwendeten Baumaterial ab, wozu nichts Konkretes vorgetragen wurde. Nach Überzeugung des Gerichts schädigen Wurzeln von Hainbuchen jedenfalls nicht zwangsläufig die in ihrer Nähe befindlichen baulichen Anlagen. Diese Einschätzung wird schließlich auch durch die Planungsdatenbank „Gehölze für urbane Räume“ der TU Dresden bestätigt, die über die Eigenschaft bestimmter Gehölze informiert. Aus dieser geht hervor, dass bei der Pflanzung von Hainbuchen in der Regel keine Schäden durch Wurzeleintrag zu erwarten sind (vgl. dazu https://citree.ddns.net/db-names.php, Suchwort: Hainbuche). Zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich daher keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer nicht mehr zumutbaren Beeinträchtigung bzw. einer konkret zu befürchtenden Gefährdung des klägerischen Grundstücks feststellen.
Den Klägern steht vor diesem Hintergrund somit weder aufgrund eines allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs noch unter irgendeinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Beseitigung der vier Hainbuchen zu, die Beklagte hat bei der Planung der Bäume ersichtlich rechtmäßig gehandelt. Aus den vorstehend genannten Gründen kann auch die Klage, soweit sie darauf gerichtet ist, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche Schäden und Mehraufwendungen zu ersetzen, die noch aufgrund der Pflanzung der Bäume entstehen werden, und soweit sie die Verurteilung der Beklagten begehrt, an die Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 521,82 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen, keinen Erfolg haben.
Die Klage ist daher insgesamt unbegründet und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.


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