Baurecht

Anwendung werkvertraglicher Gewährleistungsregeln bei Übernahme einer Herstellungsverpflichtung durch Veräußerer eines Altbaus

Aktenzeichen  27 U 851/19 Bau

Datum:
3.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 47381
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 633, § 634

 

Leitsatz

Der Veräußerer eines Altbaus haftet für Mängel des Kaufgegenstandes nach den Gewährleistungsregeln des Werkvertragsrechts, wenn er eine vertraglich übernommene Herstellungsverpflichtung verletzt. Dies gilt auch dann, wenn er eine Herstellungsverpflichtung übernommen hat, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung Neubauarbeiten nicht vergleichbar ist (unter Hinweis auf BGH BeckRS 2005, 13880). (Rn. 11 und 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

13 O 2083/13 2019-01-18 Endurteil LGKEMPTEN LG Kempten

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Kempten vom 18.01.2019, Az.: 13 O 2083/13, durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch aus anderen Gründen nicht geboten.
II. Die Beklagte hat Gelegenheit, zu diesem Hinweis des Senats bis 30. September 2019 Stellung zu nehmen.

Gründe

Das Urteil des Landgerichts Kempten entspricht der Sach- und Rechtslage.
Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO sind nicht ersichtlich und werden von der Berufung auch nicht aufgezeigt.
Vielmehr hat das Landgericht den Klägern rechtsfehlerfrei einen Vorschuss für die zu erwartenden Ersatzvornahmekosten in Höhe von 135.088,85 € nebst Zinsen und außergerichtlicher Anwaltskosten zugesprochen sowie festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Dachfläche des Gebäudes zu verkaufen oder darauf eine Wohnung oder sonstige bauliche Anlagen zu errichten.
Zu den Berufungsangriffen der Beklagten ist im Einzelnen wie folgt Stellung zu nehmen:
Die Kläger sind prozessführungsbefugt.
In der außerordentlichen Eigentümerversammlung der Eigentümergemeinschaft P. straße 3 in 8… K. vom 15.05.2014 haben die Eigentümer gemäß Nr. 009 des Protokolls einstimmig in Kenntnis der Verfahren 14 U 3818/13 vor dem OLG München sowie des streitgegenständlichen Verfahrens 13 O 2083/13 vor dem Landgericht Kempten, den Beschluss gefasst, dass die dort als Kläger auftretenden Eigentümer befugt sind, sämtliche Rechte, gleich ob gemeinschaftsbezogen oder nicht, gegenüber der Beklagten geltend zu machen und durchzusetzen. Des Weiteren haben die Eigentümer der WEG ausdrücklich bestätigt, dass die Klageschrift im streitgegenständlichen Verfahren von Umfang und Inhalt her gebilligt wird und Einverständnis herrscht, dass die Beklagte keine Arbeiten mehr verrichten darf.
Dieser Beschluss der WEG vom 15.05.2014 ist dahingehend auszulegen, dass die Wohnungseigentümer die Rechte der Erwerber auf ordnungsgemäße Herstellung aus den Verträgen mit dem Veräußerer an sich gezogen haben (so genannter Ansich-ZiehungsBeschluss der WEG) und zugleich die WEG die Kläger ermächtigt haben, in dem streitgegenständlichen Verfahren diese Ansprüche der WEG geltend zu machen.
Entgegen der Auffassung der Berufung wurden die streitgegenständlichen Rechte also durchaus auf den Verband der WEG übertragen und diese hat ihrerseits wiederum die Kläger des vorliegenden Verfahrens zur gerichtlichen Geltendmachung ermächtigt (vgl. auch Verfügung des OLG München vom 10.09.2014 im Verfahren 14 U 3818/13 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH).
Der Einwand der Berufung, dieser Beschluss vom 15.05.2014 sei im Hinblick auf Sondereigentumsrechte nichtig, ist bereits deshalb nicht zielführend, da Gegenstand des vorliegenden Verfahrens lediglich Ansprüche, betreffend das Gemeinschaftseigentum, sind.
Die Haftung der Beklagten richtet sich nach Werkvertragsrecht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. z.B. Urteil vom 06.10.2005, VII ZR 117/04) sind wegen Mängeln des Objekts die Gewährleistungsregeln des Werkvertragsrechts anzuwenden, soweit die Herstellungsverpflichtung verletzt wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Veräußerer eine Herstellungsverpflichtung übernommen hat, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung Neubauarbeiten nicht vergleichbar ist.
Vorliegend kann somit dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten vertraglich übernommenen Arbeiten am Gemeinschaftseigentum nach ihrem Umfang und ihre Bedeutung Neubauarbeiten vergleichbar sind. Entscheidend für die Anwendung des Werkvertragsrechts ist, dass im streitgegenständlichen Verfahren nur Gewährleistungsrechte im Hinblick auf die Verletzung der von der Beklagten vertraglich übernommenen Herstellungsverpflichtungen geltend gemacht werden, nicht jedoch Gewährleistungsrechte im Hinblick auf die Altsubstanz des Bauwerks.
Der Vortrag der Berufung, die Kläger hätten der Beklagten gar keine Möglichkeit gegeben, die vereinbarten Instandsetzungen mit schuldbefreiender Wirkung zu erbringen, geht ins Leere. Die Beklagte hat sich in den jeweiligen notariellen Kaufverträgen verpflichtet, bis zu einem bestimmten Termin die Arbeiten am Gemeinschaftseigentum abzuschließen. Dieser war zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung vom 06.11.2012 und der Beschlussfassung an diesem Tage längst verstrichen. Die Kläger waren daher, wie im Beschluss vom 15.05.2014 auch niedergelegt, berechtigt, weitere Leistungen der Beklagten abzulehnen und die Kosten für eine Ersatzvornahme geltend zu machen.
Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf Kosten hinsichtlich der Erneuerung des Carport-Daches hinweist, verfängt dies bereits deshalb nicht, weil hinsichtlich des Carports Ansprüche der Kläger zurückgewiesen wurden (vgl. S. 21 des Ersturteils).
Ein Vorschussanspruch kommt aufgrund des unstreitig bereits verfolgten Austausches des Daches sowie der Überprüfung und Instandsetzung der dortigen Elektroinstallationen, wie das Landgericht zu Recht ausführt, nicht mehr in Betracht.
Der Hinweis der Berufung auf die jüngste Rechtsprechung des BGH zu fiktiven Mangelbeseitigungskosten ist nicht zielführend, da die Kläger aufzuwendende Ersatzvornahmekosten geltend machen.
Die Beklagte befand sich auch in Verzug.
Unstreitig hat die Beklagte nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist und auch nicht innerhalb der danach gesetzten angemessenen Nachfrist die vorzunehmenden Bauarbeiten durchgeführt.
Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass in den jeweiligen, von ihr vorgegebenen und vorformulierten notariellen Verträgen die am Gemeinschaftseigentum noch geschuldeten Leistungen nicht völlig identisch bezeichnet werden. Es war nicht Aufgabe der WEG, im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung den Leistungsgegenstand hinsichtlich der einzelnen notariellen Verträge zu bestimmen. Vielmehr sind die Verträge hinsichtlich des Leistungsumfanges dahingehend auszulegen, dass die Beklagte Leistungen schuldet, die von mittlerer Art und Güte sind und zudem den anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
Dies ist vorliegend auch erfolgt, indem das Landgericht durch Erholung eines Sachverständigengutachtens die für solche Leistungen zu erwarteten Kosten ermitteln ließ. Eine Beschlussfassung der WEG dahingehend, welchen Inhalt die jeweiligen notariellen Verträge mit den einzelnen Käufern haben, war weder geboten noch möglich.
Zu Recht weist das Landgericht auf S. 21 seiner Entscheidung auch darauf hin, dass zum Zeitpunkt des Angebots der Beklagten hinsichtlich der Erneuerung einer Heizungsanlage sowohl die vereinbarte Erfüllungsfrist als auch die Nacherfüllungsfrist längst abgelaufen waren.
Der Hinweis, der Leistungsumfang sei zwischen den Parteien strittig, verfängt, wie bereits ausgeführt, nicht, da der Umfang der von der Beklagten geschuldeten Leistung durch Auslegung zu ermitteln ist.
Die Beklagte schuldet gemäß den notariellen Verträgen die komplette Erneuerung der Gegensprech- und Klingelanlage.
Hierzu gehört, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, auch das jeweils in den Wohnungen befindliche Gegenstück zur Sprechanlage. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob einzelne Haustelefone möglicherweise noch funktionsfähig waren. Geschuldet ist laut Vertrag ausdrücklich eine Erneuerung der kompletten Anlage.
Die Beklagte schuldet auch die vollständige Demontage und Erneuerung der Fassadendämmung.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen B. (vgl. S. 13 des Sachverständigengutachtens vom 01.07.2017), die auch die Beklagte nicht angreift, handelt es sich bei den vorhandenen Asbest-Zementplatten um unbeschichtete Platten. Nach der Gefahrstoffverordnung sind Arbeiten an solchen Platten verboten. Zu diesen verbotenen Arbeiten zählen u.a. auch Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten. Zu Recht kommt das Landgericht daher zu der Feststellung, dass die von der Beklagten geplante Behandlung und Sanierung der Fassade unzulässig ist und die einzig gesetzlich zulässige Renovierung darin besteht, die Fassade komplett zu demontieren und zu erneuern. Diese Vorgehensweise entspricht der ausdrücklichen vertraglichen Verpflichtung der Beklagten, die Fassade unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf den verwendeten Baustoff in 2011 zu behandeln.
Selbst wenn die Beklagte davon ausgegangen ist, dass eine kostengünstigere Sanierung der Fassade zulässig sei, entspricht dies nicht dem gemäß dem Empfängerhorizont der jeweiligen Käufer vereinbarten Vertragsinhalt. Danach ist eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Sanierung der Fassade geschuldet.
Hinsichtlich der Renovierungsarbeiten im Treppenhaus schuldet die Beklagte die Renovierung des gesamten Treppenhauses und keineswegs lediglich eines Stockwerks.
Die Formulierung in einem notariellen Vertrag, dass zunächst einer der Flure zu renovieren sei, lässt nicht im Ansatz darauf schließen, dass nur dieser Flur und nicht das gesamte Treppenhaus zu renovieren sei.
Hierbei handelt es sich vielmehr lediglich um die Bestimmung einer zeitlichen Abfolge der Renovierungsarbeiten im Treppenhaus.
Eine bereits erfolgte Renovierung des Eingangsbereiches ist weder dem Gutachten des Sachverständigen S. noch dem Gutachten des Sachverständigen B. zu entnehmen. Damit besteht auch Anspruch auf Vorschuss zur Durchführung dieser Arbeiten.
Die von der Berufung in diesem Zusammenhang ins Felde geführte Verwirkung ist nur schwer nachvollziehbar und nicht zu bejahen.
Hinsichtlich des Anspruchs auf Vorschuss zur Überprüfung und Herstellung einer ordnungsgemäßen Elektroinstallation, wie von der Beklagten geschuldet, bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich der Zustand der Elektroinstallation seit Übergabe der letzten Wohnungen bis zur Begutachtung durch den Sachverständigen verschlechtert hat.
Auch die Beklagte selbst trägt hierzu nichts Konkretes vor.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach wie vor keine Abnahme der am Gemeinschaftseigentum durchzuführenden Arbeiten erfolgt ist und damit auch kein Gefahrübergang.
Die Erneuerung der Heizungsanlage gemäß EnEV 2009 umfasst auch die Dämmung der Rohrleitungen und den Austausch der Schieber und Thermostat-Ventile.
In den notariellen Verträgen ist hierzu ausdrücklich vereinbart, dass die Heizung gemäß EnEV (2009) erneuert wird.
Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Dachfläche des Gebäudes zu verkaufen oder darauf eine bauliche Anlage zu errichten.
Die jeweiligen Käufer haben in den notariellen Verträgen einer solchen geplanten Bebauung durch die Beklagte jeweils nur für einen Zeitraum von 18 Monaten ab Baubeginn zugestimmt.
Dieser Zeitraum ist bereits abgelaufen.
Selbst wenn als Beginn dieses Zeitraumes der Beginn der Dachsanierung festzusetzen wäre, die im Juni 2010 stattgefunden hatte, wären die 18 Monate längst verstrichen.
Eine Auslegung dahingehend, dass an den Beginn der Arbeiten an der noch auf dem Dach zu errichtenden Wohneinheit Nr. 21 anzuknüpfen sei, ist lebensfremd, nicht nachvollziehbar und abzulehnen.
Eine solche Auslegung widerspricht der eindeutigen Formulierung in den notariellen Verträgen, wonach die Zustimmung der Käufer zeitlich auf 18 Monate begrenzt ist. Bei der nach Auffassung der Beklagten vorzunehmenden Auslegung wäre diese zeitliche Begrenzung obsolet, da es nur vom Willen der Beklagten abhinge, wann die 18 Monatsfrist überhaupt zu laufen beginnen würde.
Nach alledem erweist sich das Ersturteil in vollem Umfang als zutreffend.
Der Senat beabsichtigt daher, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.


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