Baurecht

Architektenhaftung: Umfang der Bauüberwachungspflicht

Aktenzeichen  5 U 69/16

Datum:
16.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 287
BGB BGB § 249 Abs. 2, § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 281 Abs. 1, § 631 Abs. 1, § 633 Abs. 1, § 634 Nr. 4

 

Leitsatz

1 Der mit der Objektüberwachung beauftragte Architekt hat die Übereinstimmung der Ausführung des Objekts mit der Baugenehmigung, den Ausführungsplänen und den Leistungsbeschreibungen sowie mit den anerkannten Regeln der Technik und den einschlägigen Vorschriften zu überprüfen. Zudem hat er das Zusammenwirken der an dem Baugeschehen fachlich Beteiligten zu koordinieren. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2 Handwerkliche Selbstverständlichkeiten bei allgemein üblichen, gängigen und einfachen Bauarbeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, sind im Zweifel nicht vom Architekten zu überwachen, insoweit reichen stichprobenartige Überprüfungen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3 Schwierige oder gefahrenträchtige Arbeiten muss der Architekt besonders überwachen. Bei der Erstellung der Unterkonstruktion und des Estrichs für eine Klinik, die erheblichen Belastungen ausgesetzt sind, handelt es sich um einen evident kritischen Bauabschnitt. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

21 O 72/12 2016-03-11 Endurteil LGSCHWEINFURT LG Schweinfurt

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten zu 1 wird das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 11.03.2016, Az. 21 O 72/12, im Hinblick auf den Beklagten zu 1 teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:
1.Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 50.671,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 28.2.2012 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, soweit der Beklagte zu 1 verurteilt wurde, an die Klägerin als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2 einen Betrag in Höhe von 46.412,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 28.02.2012 zu zahlen.
2.Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, 108.295,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 85.736,77 € seit 28.2.2012 sowie aus einem weiteren Betrag in Höhe von 22.558,74 € seit 4.3.2015 zu zahlen.
3.Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, nach Durchführung der Mängelbeseitigung 30 % der auf die Mängelbeseitigungskosten anfallenden jeweils gültigen Umsatzsteuer an die Klägerin zu zahlen, und der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, weitere 70 % der nach Durchführung der Mängelbeseitigung auf die Mängelbeseitigungskosten anfallenden jeweils gültigen Umsatzsteuer an die Klägerin zu zahlen.
4.Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin Rechtsanwaltskosten aus vorgerichtlicher Tätigkeit in Höhe von 778,47 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.2.2012 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, soweit der Beklagte zu 1 verurteilt wurde, an die Klägerin als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2 Rechtsanwaltskosten aus vorgerichtlicher Tätigkeit in Höhe von 742,74 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.02.2012 zu zahlen.
5.Der Beklagten zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weitere Rechtsanwaltskosten aus vorgerichtlicher Tätigkeit in Höhe von 1.733,03 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.2.2012 zu zahlen.
6.Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 30 % sämtlicher weiterer Schäden einschließlich des Betriebsausfallschadens zu ersetzen, die durch die Beseitigung der Vermuldungen (Austausch der gesamten Konstruktion) des Fußbodens der Patientenzimmer, des zu den Operationssälen gehörigen Vorbereitungsraums „Prämed“ und des Vorraums vor den Räumen EDV und IT – NET im EG und im ersten OG des Anbaus der Kreisklinik B. N. entstehen und dass der Beklagte zu 1 darüber hinaus verpflichtet ist, 70 % sämtlicher weiterer diesbezüglicher Schäden als alleiniger Schuldner zu ersetzen.
7.Im übrigen wird die Klage wird abgewiesen.
8.Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz haben zu tragen:
a.Die Kosten des Gutachtens des Sachverständigen L. trägt die Klägerin.
b.Im übrigen tragen von den von den Gerichtskosten die Klägerin 32 %, der Beklagte zu 1 29 % und der Beklagte zu 1 gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 2 39 %,
c.von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin der Beklagte zu 1 29 % und der Beklagte zu 1 gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 2 39 %,
d.von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 die Klägerin 28 %,
e.von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 die Klägerin 40 %.
f.Im Übrigen tragen die Klägerin, der Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 7 % und der Beklagte zu 1 93 % zu tragen:
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte zu 1 kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1 vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

II.
Die zulässige Berufung des Beklagten zu 1 gegen das Endurteil des Landgerichts Schweinfurt vom 11.03.2016, Az. 21 O 72/12 hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Der Beklagte zu 1 ist der Klägerin dem Grunde nach aus § 634 Nr. 4, 280 BGB zum Schadensersatz wegen der von ihm zu vertretenden Vermuldungen des Bodens in dem von ihm geplanten Anbau verpflichtet.
a. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der Angriff der Berufung, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass sie Inhaberin der Schadensersatzforderung sei, da sie die Anlage 2 der Bilanz vom 31.12.2006 nicht vorgelegt habe, verfängt nicht. Die Klägerin hat durch Vorlage des Ausgliederungsvertrages und des Auszugs aus dem Handelsregister bewiesen, dass das ausgegliederte Vermögen als Gesamtheit auf sie übergegangen ist, § 131 UmwG. Damit ging auch die streitgegenständliche Klageforderung auf die Klägerin über. Diese Forderung musste nicht gesondert in der Bilanz (Anlage 2 zum Ausgliederungsvertrag) aufgeführt werden. Denn gemäß § 1 Ziff. 11 des Ausgliederungsvertrages wurden auch sämtliche nichtbilanzierungsfähigen und -pflichtigen Vermögensgegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens, die in der als Anlage beigefügten Bilanz zum Übertragungsstichtag nicht erfasst sind, aber dem Kreiskrankenhaus B. N. an der Saale wirtschaftlich zu zuordnen sind, übertragen. Bei der streitgegenständlichen Schadensersatzforderung handelt es sich um einen solchen nicht bilanzierungspflichtigen Vermögensgegenstand. Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sind bestrittene Forderungen nicht aktivierungspflichtig. Diese sind in der Regel erst nach Rechtskraft des Urteils bzw. Einigung mit dem Schuldner anzusetzen (Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 35. Auflage, § 252, Rn. 10).
Die Klägerin hat ihre Aktivlegitimation auch nicht dadurch verloren, dass sie ihren Betrieb zum 1.1.2016 weiterveräußert hat. Denn sie ist nach wie vor Eigentümerin des Bauwerks.
b. Es liegt ein Planungsfehler durch den Beklagten zu 1 vor. Die Angriffe der Berufung gegen die Feststellungen des Landgerichts verfangen nicht. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb erneute Feststellungen durch das Berufungsgericht gebieten. Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen nur dann vor, wenn – aufgrund konkreter Anhaltspunkte – aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle erneuter Tatsachenfeststellungen die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGHZ 158, 269 ff. = NJW 2004, 1876 ff.; BGHZ 162, 313 ff. = NJW 2005, 1583 ff:; BGH NJW 2003, 3480 ff.).
Diese Voraussetzungen für den Wegfall der Bindung an die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen liegen hier nicht vor. Die Feststellung des Landgerichts, dass die vom Beklagten zu 1 gewählte Konstruktion nicht geeignet ist, der bestimmungsgemäßen Nutzung Stand zu halten, ist rechtsfehlerfrei getroffen worden und daher der Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil ist die Ausschreibung des Beklagten zu 1 zur Unterkonstruktion lückenhaft, da genaue Berechnungen und Vorgaben zur Unterkonstruktion fehlten. Hinsichtlich der Einzelheiten nimmt der Senat insoweit auf die Urteilsbegründung Bezug (LGU S. 15). Damit steht ein Planungsfehler des Beklagten zu 1 fest. Daran ändert auch der vom Beklagten zu 1 nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz vom 10.5.2017 nichts. Der Beklagte zu 1 nimmt dort lediglich eine andere Beweiswürdigung vor, die der des Landgerichts nicht vorzugswürdig ist. Wie das Landgericht auf S. 15 des erstinstanzlichen Urteils ausgeführt hat, weist die hier maßgebliche DIN 18 560-2 explizit darauf hin, dass für Einzellasten und deren Aufstandsflächen zusätzliche Überlegungen erforderlich sind, die im Streitfall nicht angestellt worden seien. (Gutachten des SV E. vom 5.11.2013, S. 25). Auch der Privatgutachter St. geht in seinem Gutachten vom 11.2.2015 von der Anwendbarkeit der DIN 18 569-2 aus. Entgegen den Ausführungen des Beklagten zu 1 im Schriftsatzes vom 10.5.2017 enthält das private Gutachten St. keine Aussage darüber, ob der planende Architekt Einzelheiten zur Zusammendrückbarkeit des Unterbaus in die Leistungbeschreibung hätte aufnehmen müssen oder nicht. Es enthält lediglich die Aussage, dass der ausführende Unternehmer im Falle fehlender Angaben im Leistungsverzeichnis gegenüber dem Bauherrn hätte Bedenken anmelden müssen.
Es ist nicht erforderlich, den gerichtlichen Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens zu veranlassen. Auch eine mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO ist nicht geboten. Ebenso wenig ist ein weiteres Gutachten zu erholen. Eine solche Vorgehensweise ist nur ausnahmsweise geboten, wenn das gerichtlich eingeholte Gutachten ungenügend ist (§ 412 Abs. 1 ZPO). Das kann etwa der Fall sein, wenn das Gutachten unvollständig, nicht nachvollziehbar oder in sich widersprüchlich ist, der Sachverständige von falschen Anschlusstatsachen ausgegangen ist oder er nicht die nötige Sachkunde für die Gutachtenerstellung besitzt. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Denn ein Widerspruch zu dem privaten Gutachten des Sachverständigen St. vom 11.2.2015 (B 1) besteht nicht. Auch der Sachverständige St. geht nämlich in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen E. davon aus, dass die Zusammendrückbarkeit des Unterbaus in Verbindung mit der Dicke des Hartgussasphalts entscheidend dafür ist, welche Drucklasten der Boden ohne Schäden, wie sie hier konkret aufgetreten sind, aufnehmen kann. Konkrete Vorgaben hinsichtlich des Unterbaus waren daher unter Berücksichtigung der Situation (Nutzung als Krankenhaus) zwingend erforderlich, wurden aber vom Beklagten zu 1 fehlerhaft im Rahmen seiner Planung nicht vorgegeben.
Ob darüber hinaus ein weiterer Planungsfehler deshalb besteht, weil der vom Beklagten zu 1 ausgeschriebene Gussasphalt der Härteklasse IC10 grundsätzlich nicht geeignet ist, der bestimmungsgemäßen Nutzung Stand zu halten (so E.), oder ob dieser mit der richtigen Unterkonstruktion doch verwendet werden kann (so St.), muss nicht entschieden werden.
c. Der Planungsfehler ist kausal für die Vermuldungen. Die Stichprobenhaften Untersuchungen waren nach den Feststellungen des Sachverständigen E. ausreichend, um die Vertiefungen festzustellen. Sie sind auch repräsentativ, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Vertiefungen an anderen Stellen nicht auf der fehlerhaft geplanten Unterkonstruktion beruhen. Der formelhafte Vortrag der Berufung, die tatsächliche Ausführung weiche vom Leistungsverzeichnis ab, weil der Estrich nicht eine Stärke von 35 mm habe, die verlegte Schicht nicht verdichtet wurde, die Ausgleichslage nur 8 mm betrage, minderwertige Ausgleichslage verwendet und nicht vorgesehene Dämmplatten von 20 mm eingebaut wurden, reicht nicht aus. Der Beklagte zu 1 hätte als bauleitender Architekt konkret vortragen und unter Beweis stellen müssen, was die Beklagte zu 2 wo in Abweichung vom Leistungsverzeichnis verbaut hat. Der Beklagte zu 1 hatte im Rahmen seiner Aufgabe der Objektüberwachung die Übereinstimmung der Ausführung des Objektes mit der Baugenehmigung, den Ausführungsplänen und den Leistungsbeschreibungen mit den anerkannten Regeln der Baukunst/Technik und den einschlägigen Vorschriften zu überprüfen, sowie das Koordinieren der an dem Baugeschehen fachlich Beteiligten durchzuführen (BGH, BauR 2000, 1513). Als örtlicher Bauführer muss er die Baustellen und die dortigen Unternehmer oder Handwerker „im Griff“ haben (BGH, BB 1956, 739; BauR 1974, 66). Er muss die Arbeiten gezielt überwachen und koordinieren, um zu erreichen, dass das Bauwerk frei von Mängeln und wie geplant durchgeführt wird (BGH, BauR 2005, 1796). Er muss die Überwachung der Bauleistung regelmäßig und in angemessener, jedoch auch zumutbarer Weise vornehmen (OLG Celle, BauR 2003, 104). Der Umfang der Bauaufsichtspflicht, also insbesondere die Häufigkeit der Baustellenbesuche, kann weder sachlich noch zeitlich generell bestimmt werden, sondern richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BGH, BauR 1994, 392). Handwerkliche Selbstverständlichkeiten bei allgemein üblichen, gängigen und einfachen Bauarbeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, sind im Zweifel nicht von dem Architekten zu überwachen; insoweit darf er sich zu einem gewissen Grad auf Zuverlässigkeit und ordnungsgemäße unternehmerische Bauausführung verlassen (OLG Dresden, BauR 2012, 126 OLG Rostock, IBR 2009, 527 OLG München, NJW-RR 1988, 336). Bei einfachen, gängigen Tätigkeiten reichen Stichproben (Materialauswahl). Er muss sein Augenmerk allerdings auf schwierige oder gefahrenträchtige Arbeiten richten, wobei Isolierungs- und Abdichtungsarbeiten, Dachdeckerarbeiten und Dacharbeiten allgemein zu den besonders kritischen Bauabschnitten zählen (BGH, BauR 2001, 273, BauR 2000, 1330 1513, OLG Schleswig, IBR 2011, 530 OLG Celle, BauR 2007, 1602 insgesamt hierzu m.w.N. aus der Rechtsprechung Werner/Pastor, „Der Bauprozess“, 14. Aufl., Rdnr. 2015). Bei der Erstellung der Unterkonstruktion und des Estrich für eine Klinik, die erheblichen Belastungen ausgesetzt sind, handelt sich nicht um eine einfache, gängige Tätigkeit, sondern um einen evident kritischen Bauabschnitt. Daher wäre es Aufgabe des Beklagten zu 1. als aufsichtsführendem Architekten gewesen, zu überprüfen, ob die Ausschreibungsvorgaben eingehalten wurden. Bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte der Beklagte zu 1 substantiiert vortragen können und müssen, inwieweit die tatsächliche Ausführung vom Leistungsverzeichnis abweicht.
d. Die Einwendungen der Berufung gegen die vom Landgericht festgestellte Haftungsquote greifen nicht durch. Der Beklagte zu 1 ist der Klägerin vollumfänglich zum Schadensersatz verpflichtet. Anhaltspunkte für ein anspruchskürzendes Mitverschulden der Klägerin sind nicht ersichtlich. Im übrigen erzeugt die Verurteilung als Gesamtschuldner im Innenverhältnis keine Rechtskraft. Denn die Rechtskraft erstreckt sich nur auf das Verhältnis im jeweiligen Prozessrechtsverhältnis. Die Rechtskraft wirkt nur zwischen den auf der einen Parteiseite Stehenden gegen die andere Parteiseite. Sie wirkt nicht für die Gesamtschuldner im Gesamtschuldnerverhältnis untereinander. Die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten zu 1 vom 10.5.2017 geben zu einer anderen Bewertung keinen Anlass.
e. Der Schaden ist nach § 249 BGB zu ersetzen. Der Auftraggeber kann einen geldwerten Ausgleich dafür verlangen, dass die Leistung mangelhaft ist. Der Ausgleich findet in Höhe des mangelbedingten Minderwerts statt (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014 S, 6. Teil, RdNr. 244). Der mangelbedingte Minderwert kann nach den Aufwendungen berechnet werden, die zur vertragsgemäßen Herstellung des Werkes notwendig sind. Dazu gehören alle Kosten, die nach § 637 Abs. 1 BGB erstattet werden, darüber hinaus aber auch weitere Kosten, wie z.B. Hotelkosten, soweit sie sicher anfallen werden. Der Auftraggeber kann zudem Ersatz aller weiteren Schäden, die durch den Mangel verursacht worden sind, geltend machen, wie z.B. Folgeschäden am Gebäude, Sachverständigengutachten über Ursachen und Ausmaß der Mängel, entgangener Gewinn oder mängelbedingte Mehraufwendungen (Kniffka/Koeble a.a.O., Randnummer 246).
Vor der Mängelbeseitigung kann nicht auf der Grundlage von tatsächlichen Kosten abgerechnet werden, sondern nur auf der Grundlage einer nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung. Der Auftraggeber hat Anspruch auf die Kosten, die für die Mängelbeseitigung notwendig sind. Zweifel über die Notwendigkeit gehen zu Lasten desjenigen, der die Schätzung nach § 287 ZPO in Anspruch nimmt. Bei Unsicherheit über die entstehenden Kosten kann also nur der Betrag im Wege des Schadensersatzes ausgeurteilt werden, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mit ausreichender Sicherheit geschätzt werden kann (Kniffka/Köble, a.a.O. RdNr. 248).
aa. Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte zu 1 der Klägerin die Kosten für die Neuherstellung des Estrichs im Erdgeschoß von 48.958,50 €, die Kosten für die Neuherstellung des Estrichs im 1. Obergeschoss von 72.864 € und Ersatz eigener Arbeitskosten von 960 € zu ersetzen. Diese Positionen wurden mit der Berufung nicht angegriffen.
bb. Der Einwand der Berufung, ein vernünftiger Auftraggeber, der in 2 Jahren umzieht, würde die Reparatur nicht während des laufenden Krankenhausbetriebs durchführen, geht fehl. Die Klägerin macht den mangelbedingten Minderwert in Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten als Schadensersatz geltend. Darauf, ob sie die Reparatur durchführt, kommt es nicht an.
cc. Auch der Einwand der Berufung, die Kosten für das Privatgutachten Hub von 11.763,36 € S seien übersetzt, verfängt nicht. Die Klägerin genügte ihrer Darlegungslast zur Schadenshöhe durch Vorlage der Rechnung des von ihr zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (vgl. BGH NJW 2014, 1947).
dd. Die Klägerin kann von dem Beklagten zu 1 auch die Kosten der Architektenleistungen für die Bauleitung während der Mängelbeseitigung in Höhe von 20.162 € verlangen. Diese sind erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht bei der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO einen Zuschlag von 50 % für die Leistungsphase 8 vorgenommen hat. Die Vorschrift des § 12 HOAI ermöglicht die Vereinbarung eines erhöhten Prozentsatzes für die Objektüberwachung um bis zu 50 %. In § 34 Abs. 3 HOAI wird die Leistungsphase 8 für Gebäude und Innenräume mit einem Anteil von 32 % gewertet. Danach ist nach § 12 Abs. 2 HOAI die Vereinbarung einer Erhöhung des Prozentsatzes auf bis zu 48 % möglich. Eine Begründung für die Erhöhung des Honorars muss nicht gegeben werden. Außerdem ist bei einer Instandsetzung in der Regel auch vorhandene Bausubstanz technisch oder gestalterisch mit einzubeziehen. Deshalb regelt § 4 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 HOAI, dass auch im Falle von Instandsetzungen und Instandhaltungen der Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz bei den anrechenbaren Kosten angemessen zu berücksichtigen ist. Durch die sich daraus ergebende Steigerung der anrechenbaren Kosten folgt eine weitere Honorarerhöhung (Locher, Köble, Frik, HOAI, § 12 RdNr. 2, 5, 13. Auflage).
ee. Einen Teilerfolg erzielt die Berufung, soweit sie sich gegen den ausgeurteilten Betrag von 14.198,45 € für unvorhergesehene Sanierungskosten wendet. Der Auftraggeber hat Anspruch auf die Kosten, die für die Mängelbeseitigung notwendig sind. Zweifel über die Notwendigkeit gehen zu Lasten desjenigen, der die Schätzung nach § 287 ZPO in Anspruch nimmt. Bei Unsicherheit über die entstehenden Kosten kann also nur der Betrag im Wege des Schadensersatzes ausgeurteilt werden, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mit ausreichender Sicherheit geschätzt werden kann (Kniffka/Köble, a.a.O. RdNr. 248). Hierunter fallen unvorhergesehene Kosten nicht. Die Klägerin ist jedoch über den Feststellungsausspruch (Ziff. I 6) ausreichend abgesichert.
ff. Daraus ergibt sich zunächst folgende Schadensberechnung:
48.958,50

(Sanierung Erdgeschoß)
72.864,00
(Sanierung 1. Obergeschoss
960,00

(Ersatz eigener Arbeitskosten)
11.763,36

(Sachverständigengutachten Hub)
20.162,00

(Architektenleistungen für Mängelbeseitigung)
154.707,86

Durch die Zahlung der Beklagten zu 2. nach Verkündung der erstinstanzlichen Endentscheidung ist die Forderung in Höhe von 46.412,35 € erloschen, §§ 422, 362 BGB. Insoweit war daher, da der Beklagte der Erledigungserklärung der Klägerin nicht zugestimmt hat, festzustellen, dass Erledigung eingetreten ist. Eine weitergehende Erfüllung tritt nicht ein. Zwar hat die Beklagte zu 2 den gesamten sie betreffenden ausgeurteilten Betrag aus Ziff. 1 des Tenors des Ersturteils gezahlt. Darin waren aber auch nicht geschuldete unvorhergesehene Kosten der Sanierung (14.198,45 €) mit einem Anteil von 30 % (4.259,53 €) enthalten. Diese sind von der geleisteten Zahlung abzuziehen, so dass der Beklagte zu 1 als Alleinschuldner der Klägerin noch 108.295,51 € schuldet.
gg. Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren stehen der Klägerin nur in dem ausgeurteilten Umfang zu. Die Klägerin konnte eine 1,3 Gebühr aus dem Geschäftswert von 154.707,86 € zuzüglich Unkostenpauschale von 20 € sowie Umsatzsteuer von dem Beklagten zu 1 erstattet verlangen, insgesamt 2.475,80 €.
Durch die Zahlung der Beklagten zu 2. nach Verkündung der erstinstanzlichen Endentscheidung ist diese Forderung in Höhe von 742,75 € erloschen, §§ 422, 362 BGB. Eine weitergehende Erfüllung tritt nicht ein. Zwar hat die Beklagte zu 2 den gesamten sie betreffenden ausgeurteilten Betrag aus Ziff. 4 des Tenors des Ersturteils gezahlt. Von der Beklagten zu 2 waren aber nur 30 % der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus 2.477,80 €, also 742,74 € geschuldet, so dass der Beklagte zu 1 als Alleinschuldner der Klägerin noch 1.733,03 € zu zahlen hat.
2. Da der Beklagte zu 1 der Teilerledigungserklärung der Klägerin hinsichtlich des Zahlungsanspruchs widersprochen hat, war auf den Antrag der Klägerin festzustellen, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich des vom Landgericht zuerkannten Zahlungsanspruchs durch die Zahlung der Beklagten zu 2 in Höhe von 46.412,35 € nebst Zinsen (I Ziff. 1) sowie hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 742,74 (I Ziff. 4, 30 % von 2.477,80 €) erledigt hat. Eine weitergehende Erledigung trat nicht ein, weil die Beklagte zu 2 nicht geschuldete unvorhergesehene Kosten der Sanierung (14.198,45 Euro) mit einem Anteil von 30 % (4.259,53) und nicht geschuldete vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, die über den Betrag von 742,74 € hinausgehen, beglichen hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der ersten Instanz auf §§ 92 Abs. 1, 100 ZPO. Der Senat durfte die Kostenentscheidung auch hinsichtlich der Beklagten zu 2 anpassen (Zöller-Heßler, ZPO, 31. Auflage, § 528, RdNr. 35). Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 91 a, 92 Abs. 1, 100 ZPO.
Die Revison ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Der Senat folgt der herrschenden Rechtsprechung der anderen Oberlandesgerichte (§ 543 Abs. 2 ZPO).


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