Baurecht

artenschutzrechtliches Tötungsverbot

Aktenzeichen  W 4 S 19.1006

Datum:
30.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34661
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 4
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 4, § 113 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 4 S. 3
VwGO § 80a
UmwRG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 3

 

Leitsatz

1. Der Genehmigungsbehörde ist für die fachliche Beurteilung, ob der artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungstatbestand erfüllt ist, eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuzuerkennen, die sich nicht nur auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten, also den Ermittlungsaufwand, sondern auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare dieser Art bei einer Verwirklichung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sind, bezieht.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, die durch Messungen im Umfeld von Windenergieanlagen belegt sind, ist davon auszugehen, dass im Nahbereich von Windenergieanlagen zwar Infraschallpegel auftreten, sie aber ab einem Abstand von 300 m den Geräuschpegel im Infraschallbereich nicht mehr beeinflussen.  (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein anerkannter Umweltverband, wendet sich mit dem vorliegenden Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen die unter Ziffer IX verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Bau einer Windkraftanlage.
Mit Bescheid vom 26. September 2013 erteilte das Landratsamt Würzburg der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage des Typs Enercon E 101 mit einer Nennleistung von 3 Megawatt.
Mit Urteil vom 19. Mai 2015 hob das Verwaltungsgericht Würzburg den Genehmigungsbescheid vom 26. September 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 5. März 2014 in der Fassung der Ergänzungsbescheide vom 31. Juni 2014 und 13. Oktober 2014 auf (Az.: W 4 K 14.604). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2015 den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen.
Unter dem 6. Dezember 2016 beantragte der Beigeladene die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage Enercon E 101 mit 3 Megawatt Leistung und einer Nabenhöhe von 135,40 m.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29. Mai 2019 erteilte das Landratsamt Würzburg der Beigeladenen daraufhin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung mit zahlreichen Nebenbestimmungen. Von den baurechtlichen Vorschriften des Art. 6 BayBO wurde für die Abstandsflächen zu mehreren Grundstücken eine Abweichung zugelassen. Unter Ziffer IX des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2019 an das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, hier eingegangen am gleichen Tage, ließ der Antragsteller Klage erheben und beantragte im vorliegenden Verfahren, die aufschiebende Wirkung der Klage W 4 K 19.769 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass Klage und Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig seien, da der Antragsteller im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung eine Stellungnahme abgegeben habe. Er mache geltend, in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt zu sein. Die Genehmigung sei schon wegen Verstoßes gegen die formelle Rechtskraft des Beschlusses des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2015 nichtig. Des Weiteren verstoße sie gegen die Eingriffsverbote des § 44 BNatSchG. Der mit der streitgegenständlichen Genehmigung legitimierte Betrieb der Anlage führe zu einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für Rotmilane. Die beauflagte Betriebszeitbeschränkung unterschreite signifikant die in den vorhandenen Regelwerken und Empfehlungen vorgeschlagenen saisonalen Abschaltzeiträume, ohne dass insofern eine naturschutzfachliche Begründung angedeutet worden sei. Hinweisen auf ein Eingriffsverbot im Hinblick auf geschützte Insekten sei der Antragsgegner überhaupt nicht eingegangen. Die inhaltlich defizitären artenschutzrechtlichen Prüfungen führten zu einer Fehlerhaftigkeit der durchgeführten UVP. Die Genehmigung sei aber auch rechtswidrig aufgrund unzulässiger akustischer und optischer Immissionen und Einwirkungen auf den Menschen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragten jeweils, das Eilgesuch nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners vom 29. Mai 2019 hat keine aufschiebende Wirkung, nachdem der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Genehmigung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. In einem solchen Fall kann das Gericht gemäß §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen, ohne dass es eines vorherigen Antrags des Dritten bei der Behörde entsprechend § 80 Abs. 4 VwGO bedarf (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80a Rn. 19).
2. Dem Antragsteller steht auch die erforderliche Rechtsbehelfsbefugnis zu.
Gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung 1.) geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 UmwRG oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften widerspricht, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, 2.) geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassung berührt zu sein und 3.) im Falle eines Verfahrens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG zur Beteiligung in diesem Verfahren berechtigt war.
Der Antragsteller ist eine anerkannte Vereinigung i.S.d. Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (§ 3 Abs. 1 Satz 2 UmwRG), was zwischen den Parteien offensichtlich unstreitig ist.
Bei der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung handelt es sich auch um eine Entscheidung i.S.v. § 1 Abs. 1 UmwRG, zumal hierfür die Möglichkeit einer UVP-Pflicht ausreicht. Ob eine solche Pflicht tatsächlich besteht, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Umweltrechtsbehelfes (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 UmwR, Rn. 29).
Indem der Antragsteller Bedenken und Einwendungen gegen das Vorhaben in artenschutzrechtlicher Hinsicht erhebt, macht er auch geltend, dass die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung Rechtsvorschriften widerspricht, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG), und in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich (vgl. § 2 der Vereinssatzung) durch die erteilte Genehmigung berührt zu sein.
3. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Der Antragsgegner muss das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids ausreichend und schriftlich begründet haben (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Im Übrigen trifft das Gericht eine eigene, originäre Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Das Interesse der Beigeladenen an einer sofortigen Ausnutzung der Genehmigung ist mit den Interessen des Antragstellers an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Hierbei sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache von maßgeblicher Bedeutung (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 69). Denn es besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Die Genehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig ist und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen sind, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Die Erfolgsaussichten sind bei der Interessenabwägung unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht.
Des Weiteren sind bei der Ermessensentscheidung des Gerichts vorliegend allerdings auch die Vorgaben des § 2 Abs. 4 UmwRG zu berücksichtigen. Danach muss der Verstoß Belange berühren, die zu den Zielen gehören, die der Umweltverband nach seiner Satzung fördert. Hierbei handelt es sich nicht bloß um einen Filter für die Zulässigkeitsprüfung, sondern auch um eine Beschränkung der Begründetheitsprüfung (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O., § 2 UmwRG, Rn. 18).
4. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erging in formell rechtmäßiger Weise. Der Antragsgegner hat in seiner Anordnung der sofortigen Vollziehung im streitgegenständlichen Bescheid vom 29. Mai 2019 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in der von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO geforderten Form dargelegt und dabei die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe dargestellt. Er hat ausgeführt, welche finanziellen Nachteile sich für die Beigeladene bei einer Verzögerung des Projekts ergeben und daneben das öffentliche Interesse an der Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromversorgung berücksichtigt. Den formellen Erfordernissen wird damit genügt. Eine inhaltliche Überprüfung der von der Behörde eingestellten Erwägungen findet an dieser Stelle nicht statt. Ob die Erwägungen inhaltlich einer Überprüfung standhalten, ist für die Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht von Bedeutung. Dies stellt eine Frage des Vollzugsinteresses dar, die eigenständig und losgelöst von der vorangegangenen behördlichen Vollzugsanordnung zu beurteilen ist und die im Rahmen der vom Gericht nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – juris).
5. Die Kammer ist aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung, und insbesondere auch unter Berücksichtigung des in § 2 Abs. 4 UmwRG normierten eingeschränkten Prüfungsmaßstabs zu der Überzeugung gelangt, dass die Klage des Antragstellers in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird.
6. Soweit der Antragsteller die Nichtigkeit der Genehmigung wegen Verstoßes gegen die formelle Rechtskraft des Beschlusses des BayVGH vom 22. Oktober 2015 (Az. 22 ZB 15.1584) behauptet, wäre seine Klage schon wegen der in § 2 Abs. 4 UmwRG normierten Begrenzung auf die Belange, die zu den Zielen gehören, die der Umweltverband nach seiner Satzung fördert, erfolglos.
Ergänzend sei in diesem Zusammenhang lediglich darauf hingewiesen, dass der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 7. Oktober 2019 (Az. 22 CS 19.1355 – Rn. 28f.), in der ebenfalls die vorliegende Genehmigung streitgegenständlich war, zu dieser Problematik folgendes ausgeführt hat:
„Die Rechtskraft des die Genehmigung (vom 26.9.2013) aufhebenden Urteils (vom 19.5.2015 – W 4 K 14.604 u.a.) bewirkte vorliegend nicht, dass das Verwaltungsverfahren nicht hätte fortgesetzt werden dürfen. Dabei durften die vom Verwaltungsgericht bemängelten, zur Rechtswidrigkeit der ersten Genehmigung führenden Fehler behoben und eine fehlerfreie Genehmigung für dasselbe Vorhaben erneut erteilt werden. Gleichermaßen hätte eine derartige Genehmigung mit diesem Inhalt aufgrund eines neuen Genehmigungsantrags in einem neuen Genehmigungsverfahren erteilt werden können.
Die Rechtskraft des Beschlusses, mit dem der Verwaltungsgerichtshof die Berufung gegen das Urteil (vom 19.5.2015) nicht zugelassen hat, steht dem nicht entgegen. Sie bewirkt nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO nur, dass das angegriffene Urteil seine durch den Berufungszulassungsantrag zunächst gehemmten Wirkungen, insbesondere die materielle Rechtskraft, entfaltet (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 1 und 2; Happ in Eyermann, a.a.0., § 124a Rn. 96); ein Beschluss, mit dem die Berufung nicht zugelassen wird, enthält im Regelfall – und auch vorliegend – inhaltlich keine der Rechtskraft fähige Entscheidung. Ihm kommt deshalb keine materielle Rechtskraft zu (vgl. Rennert in Eyermann, a.a.0., § 121 Rn. 6). Der Verwaltungsgerichtshof hat vorliegend dadurch, dass er die Berufung nicht zugelassen hat, den Weg zu einer (zweitinstanzlichen) Sachentscheidung gerade versperrt. Inwieweit ein rechtskräftiges Urteil, mit dem ein begünstigender Verwaltungsakt aufgehoben wird, einer erneuten Genehmigung wie im vorliegenden Fall entgegensteht, kommt auf die entscheidungstragenden Aufhebungsgründe des Urteils an. Dies hat das Verwaltungsgericht richtig dargestellt, sowohl was fallübergreifend die hierbei zu beachtenden Grundsätze angeht als auch in Bezug auf die Subsumtion des vorliegenden Falls unter diese Grundsätze (vgl. Beschlussabdruck – BA – Nr. 6 auf S. 8 bis 10, unter zutreffender Wiedergabe der wesentlichen Aufhebungsgründe im Urteil vom 19.5.2015 -W4 K 14.604 u.a. -juris Rn. 29 bis 40, 41 bis 51; vgl. auch Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 22 und 27 m.w.N.). Eine fallübergreifende Kontrollüberlegung rechtfertigt dieses Ergebnis: Einem Bauherrn darf es nicht verwehrt sein, sein Vorhaben (das u.U. nur wegen Fehlern der Genehmigungsbehörde – vorerst – gescheitert ist) durch Aufrechterhaltung des früheren Antrags oder auch durch einen neuen Genehmigungsantrag weiterhin zu verfolgen. Der vom Vorhaben betroffene Nachbar seinerseits kann nicht beanspruchen, dass er von dem Vorhaben, das er wegen dessen Mängeln im Hinblick auf nachbarschützende Rechte „im ersten Anlauf“ erfolgreich abwehren konnte, auch dann noch „verschont“ bleibt, wenn diese Mängel behoben worden sind. Vorliegend war somit nach Aufhebung der ursprünglichen Genehmigung der Genehmigungsantrag tatsächlich wieder „offen“ (mit der Maßgabe, dass die im rechtskräftigen Aufhebungsurteil für die Aufhebung angeführten Gründe zu berücksichtigen waren).“
Die Kammer macht sich diese Ausführungen zu eigen mit der Folge, dass der Antragsgegner aufgrund des Antrags der Beigeladenen mit Schreiben vom 6. Dezember 2016 nicht gehindert war, den streitgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid zu erlassen.
7. Ohne Erfolg rügt der Antragsteller einen Verstoß der angefochtenen Genehmigung gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.
Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Problematik in seiner Entscheidung vom 14. August 2019 im Verfahren 22 C 19.1526, mit dem er den Antrag des Antragstellers auf Erlass eines Hängebeschlusses dahingehend, der Beigeladenen zu untersagen, die streitgegenständliche Anlage bis zum Abschluss des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu betreiben, abgelehnt hat, folgendes ausgeführt:
„Vorliegend ergibt sich aus den Darlegungen des Antragstellers (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) jedenfalls nicht, dass ohne den Erlass einer Zwischenentscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5, § 80a VwGO irreversible Zustände bzw. schwere und unabwendbare Nachteile zu erwarten wären. Der Antragsteller macht im Wesentlichen geltend, es bestehe die unmittelbare und an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass in der Umgebung der streitgegenständlichen Windenergieanlage befindliche Rotmilane bei deren Inbetriebnahme getötet würden.
2.1. Die zur näheren Begründung dieser Behauptung erfolgte Verweisung auf die Antragsschrift im erstinstanzlichen Verfahren genügt nicht den Anforderungen an eine Darlegung im Sinn von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Unabhängig davon ergibt sich auch aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Antragstellers nicht, dass durch den Betrieb der streitgegenständlichen Anlage mit der vom Antragsteller behaupteten hohen Wahrscheinlichkeit ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für Exemplare des Rotmilans verursacht würde und dadurch der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt wäre. Das Landratsamt ist bei der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 29. Mai 2019 von der artenschutzfachlichen Bewertung ausgegangen, dass vorliegend durch hinreichende Vermeidungsmaßnahmen das Tötungsrisiko für Exemplare des Rotmilans derart verringert werden kann, dass keine Verletzung des Tötungsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG vorliegt (vgl. S. 94 bis 96 des Genehmigungsbescheides). Es ist aufgrund einer Einzelfallprüfung (vgl. Nr. 8.4.1 Buchst. c) aa) der Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) Windenergie-Erlass – BayWEE vom 19.7.2016, im Folgenden BayWEE 2016) zur artenschutzfachlichen Bewertung gelangt, dass trotz der Unterschreitung des engeren Prüfradius nach Anlage 3 zu Nr. 8.4.1 BayWEE 2016 die Errichtung und der Betrieb der streitgegenständlichen Windenergieanlage vertretbar ist, und hat dies näher begründet.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil vom 27. Mai 2016 – 22 BV 15.2003 – (juris Rn. 25 und 28) ausgeführt hat, setzt die Beantwortung der Frage, ob der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt ist, die Bewertung der zuständigen Naturschutzbehörden unter Inanspruchnahme ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative voraus. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es im Hinblick auf diesen Beurteilungsspielraum verwehrt, seine eigene Bewertung an die Stelle der fachbehördlichen Einschätzung zu setzen. Diese Einschätzungsprärogative bezieht sich sowohl auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare dieser Art bei einer Verwirklichung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung betrifft die Frage, ob im Gesamtergebnis die artenschutzfachlichen Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu überprüfen (vgl. BayVGH, U.v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – Rn. 44). Dabei ist zu beachten, dass die im BayWEE 2016 enthaltenen artenschutzfachlichen Bewertungen ein antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität sind, von dem auch angesichts der artenschutzfachlichen Einschätzungsprärogative nicht ohne fachlichen Grund und ohne gleichwertigen Ersatz abgewichen werden darf (vgl. BayVGH, U.v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – Rn. 45).
Es ergibt sich nicht aus der Antragsbegründung des Antragstellers, inwieweit die artenschutzfachliche Bewertung, die der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 29. Mai 2019 zugrunde liegt, diesen Anforderungen nicht genügen würde. Es ist insbesondere nicht nachvollziehbar, inwieweit sich allein aus den im Vermerk vom 5. Juli 2019 kurz geschilderten Beobachtungen einzelner Flugbewegungen innerhalb einer halben Stunde durch den vom Antragsteller beigezogenen Ornithologen (Herr S* …*) Zweifel an der Vertretbarkeit der naturschutzfachlichen Bewertung des Landratsamtes ergeben sollten. Im Übrigen wurde keine Dokumentation vorgelegt, aus der sich der konkrete Beobachtungspunkt und der genaue räumliche Verlauf der Flugbewegungen ergeben. Auch ist nicht erkennbar, inwieweit diese Flugbewegungen den Nahbereich des Anlagenstandortes (vgl. Nr. 8.4.1 Buchst. c) aa) S. 6 BayWEE 2016) betreffen. Dass der nächstgelegene Rotmilan-Horst besetzt ist, wie im vorgenannten Vermerk angenommen wird, wurde im Genehmigungsbescheid ohnehin zugrunde gelegt. Auch, dass die Umgebung des streitgegenständlichen Anlagenstandorts von Rotmilanen intensiv genutzt wird, widerspricht erkennbar nicht der artenschutzfachlichen Einschätzung des Landratsamtes. Vielmehr ist das Landratsamt davon ausgegangen, dass das Vorhabengebiet in einem Dichtezentrum des Rotmilans liegt. Auch ergibt sich aus dem Hinweis, dass sich Rotmilane (mindestens) bis Oktober im Brutgebiet aufhalten, nicht ohne weiteres, dass die artenschutzfachlichen Bewertungen des Landratsamtes unvertretbar wären. Der vom Kläger zitierte Hinweis zu Abschaltzeiten vom 1. März bis zum 31. Oktober in den Hinweisen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen vom 1. Juli 2015 (dort Nr. 9.17.2, S. 70 f.) kann vorliegend bereits deshalb nicht als verbindlich herangezogen werden, weil er nicht entsprechend im für die bayerischen Naturschutzbehörden maßgeblichen BayWEE 2016 enthalten ist.
2.2. Diese Bewertung wird durch den Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren (Schriftsatz vom 8.8.2019 und Schriftsatz vom 12.8.2019, der sich mit der Erwiderung der Beigeladenen vom 2.8.2019 befasst), nicht durchgreifend in Frage gestellt. In dieser Erwiderung hat die Beigeladene (unter Beifügung einer maßstabsgetreuen Karte mit den eingetragenen Positionen der Windenergieanlagen und der Rotmilanhorste) unter anderem nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass unweit der streitigen Windenergieanlage – nämlich von dieser ca. 300 m, gut 500 m und 1000 m in nördlicher bis nordöstlicher Richtung entfernt – bereits drei weitere solche Anlagen in Betrieb sind, von denen eine etwa ebenso weit wie die streitige Anlage von dem gut 1,5 km nordwestlich der streitigen Anlage gelegenen Rotmilanhorst (H13) entfernt ist und die beiden anderen sogar näher an diesem Horst stehen; von dem gleichfalls mit einem Rotmilan besetzten „Wechselhorst“ (H14) ist die streitige Anlage – der Karte zufolge – ca. 700 m entfernt und damit nur unwesentlich weniger als die drei anderen Bestandsanlagen (zwischen ca. 780 m und 810 m). Den Sachvortrag der Beigeladenen (Schriftsatz vom 2.8.2019) hat der Antragsteller nicht in Frage gestellt; er trägt auch selbst vor, dass die Verhältnisse vor Ort („tradiertes Rotmilanrevier“) seit Jahren praktisch unverändert sind (Schriftsatz vom 12.8.2019, S. 1). Soweit er geltend macht, eine Änderung liege darin, dass nunmehr ein neuer Horst existiere, der sich in einer Entfernung von nur etwa 800 m zur streitigen Windenergieanlage befinde und sich damit das Revier der Rotmilane noch näher in Richtung der Anlage verschoben habe, ist dieser Vortrag nicht schlüssig. Denn bei diesem – nicht näher bezeichneten – Horst dürfte es sich um denjenigen Rotmilanhorst handeln, der auf der von der Beigeladenen vorgelegten Karte (und im Vortrag) als ein seit langem bekannter „Wechselhorst“ (H14) bezeichnet und zu dem unter Angabe des auch vom Antragsteller benannten Ornithologen (Herr S* …*) als Informationsquelle gesagt wird, dieser Horst sei 2015 vorgefunden, im Jahr 2016 aber unbesetzt gewesen. Gegen den Vortrag des Antragstellers, wonach jetzt ein neuer oder neu besetzter Rotmilanhorst in größerer Nähe zur streitigen Windenergieanlage als früher existiere, spricht auch die dem Schriftsatz vom 12. August 2019 beigefügte eidesstattliche Versicherung des Herrn H* … vom selben Tag, in der es heißt, nach seinen langjährigen Beobachtungen halte sich „das Rotmilanpaar, das 820 m nordwestlich der WKA H* … seinen Horst hat und dort jedes Jahr seine Jungen aufzieht“, im Bereich der streitigen Anlage auf; zuletzt habe er einen Rotmilan am 11. August 2019 ca. 500 m nördlich der streitigen Windenergieanlage beobachtet.
Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass in Bezug auf den Artenschutz (namentlich in Bezug auf ein signifikant höheres Tötungsrisiko im Sinn von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG für den Rotmilan) ohne eine Zwischenentscheidung schwere und unabwendbare Nachteile (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2019 – 8 CS 19.1073) eintreten würden.“
Der Antragstellervertreter hat diese Entscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, die sich die Kammer zu eigen macht, nicht substantiiert in Frage gestellt. Er behauptet lediglich, diese Erwägungen lägen offenkundig neben der Sache und seien unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt vertretbar. Die Rechtsprechung der erkennenden Kammer und ebenso des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs werde als flagrante und offenkundige Rechtsbeugung angesehen und zur Anzeige gebracht.
Offenkundig verkennt der Antragstellervertreter allerdings bei seinen Ausführungen nicht nur die obergerichtliche Rechtsprechung, sondern auch seine Verpflichtung zum substantiierten Vortrag, der er vorliegend zweifellos nicht nachgekommen ist.
Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass der Genehmigungsbehörde für die fachliche Beurteilung, ob der artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungstatbestand erfüllt ist, eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuzuerkennen ist, weil die behördliche Beurteilung sich auf außerrechtliche Fragestellungen richtet, für die weithin allgemein anerkannte fachwissenschaftliche Maßstäbe und standardisierte Erfassungsmethoden fehlen. Wenn und solange die ökologische Wissenschaft sich insoweit nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erweist, fehlt es den Gerichten an der auf besserer Erkenntnis beruhenden Befugnis, eine naturschutzfachliche Einschätzung der sachverständig beratenden Zulassungsbehörde als „falsch“ und „nicht rechtens“ zu beanstanden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und ist insbesondere auch für die Entscheidung über die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung anerkannt worden (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2013, NVwZ 2013, 1411, Rn. 14 ff.). Diese Einschätzungsprärogative bezieht sich, worauf der Antragsgegner auch zutreffend hinweist, nicht nur auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten, also den Ermittlungsaufwand, sondern auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare dieser Art bei einer Verwirklichung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sind. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung betrifft somit lediglich die Frage, ob im Ergebnis die artenschutzrechtlichen Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen, als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichen, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu prüfen (BVerwG, a.a.O.).
Die artenschutzfachliche Bewertung, die der streitgegenständlichen Genehmigung zugrunde liegt, genügt nach Überzeugung der Kammer im Rahmen der durchgeführten Vertretbarkeitskontrolle (vgl. BVerwG, U.v. 9.7.2008 – 9 A 14/07 – Rn. 66) diesen Anforderungen, gehen doch sowohl die Untere Naturschutzbehörde (vgl. Schreiben v. 9.1.2018), als auch die Höhere Naturschutzbehörde (vgl. Mail v. 11.12.2017) davon aus, dass aufgrund der konkreten Umstände eine Abschaltung der Anlage ab 1. April bis 31. Juli ausreicht, um ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan auszuschließen.
Entgegen der Behauptung des Antragstellervertreters wird auch die Abweichung vom Regelwerk (hier: Papier der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten – LAG VSW; „Beschluss 2017- 1 – Abschaltung von Windenergieanlagen [WEA] zum Schutz von Greifvögeln und Störchen bei bestimmten landwirtschaftlichen Arbeiten“) naturschutzfachlich vom Antragsgegner ausreichend und für die Kammer plausibel begründet.
Dem Antragstellervertreter ist zwar zuzugeben, dass der Bayer. Verwaltungsgerichtshof wegen des Fehlens eines formalisierten Verfahrens einer artenschutzrechtlichen Verträglichkeitsprüfung grundsätzlich die Auffassung vertritt, dass solchen Erlassen die Qualität antizipierter Sachverständigengutachten zugebilligt werden könne (vgl. BayVGH, B.v. 29.5.2017 – 22 ZB 17.529, a.A. OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2016 – 12 ME 132/16). Er hat in der eben genannten Entscheidung allerdings auch darauf hingewiesen, dass Abweichungen hiervon zu billigen seien, wenn die Behörde dies fachlich begründe.
Dies zugrunde gelegt, hat der Antragsgegner im vorliegenden streitgegenständlichen Bescheid unter Berücksichtigung der Ausführungen der Unteren und der Höheren Naturschutzbehörde erklärt, dass aufgrund der Lage der Windkraftanlage am Rand des landwirtschaftlich sehr vielfältig strukturierten Gutes … … regelmäßig Anflüge von Rotmilanen im Wesentlichen nur nach Landbewirtschaftungsgängen im Umfeld der Windkraftanlage (Ernte, Mahd und Pflügen und Mulchen) zu erwarten seien. Nach dem Ende der Brutzeit verliere der Horststandort seine Bedeutung, so dass ein Abweichen vom Papier der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten akzeptabel bzw. sinnvoll sei. Für die Kammer genügt diese Begründung dem Plausibilitätserfordernis. Sie wird vom Antragstellervertreter auch nicht substantiiert in Frage gestellt.
Die Kammer kann nach alldem auch unter Berücksichtigung des weiteren Vortrags des Antragstellervertreters keinen Verstoß gegen das in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG normierte Verbot, wildlebende Tiere der besonders geschützten Arten zu verletzen oder zu töten, erkennen.
8. Soweit der Antragstellervertreter schließlich die Rechtswidrigkeit der Genehmigung rügt aufgrund unzulässiger akustischer, optischer Immissionen und Einwirkungen auf Menschen, hat die Kammer bereits erhebliche Bedenken, ob durch diesen Vortrag Belange berührt werden, die zu den nach der Satzung des Antragstellers geförderten Zielen gehören. Ausführungen vom Antragstellervertreter hierzu fehlen jedenfalls.
Doch selbst für den Fall, dass vorliegend die Voraussetzungen von § 2 Abs. 4 UmwRG bejaht werden könnten, vermag dieser Vortrag nach summarischer Prüfung nicht zum Erfolg der Klage führen.
Der durch Windenergieanlagen erzeugte Infraschall liegt im Allgemeinen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs und führt nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren. Als Infraschall wird der Luftschall unterhalb der Frequenz von 20 Hertz, als tieffrequenter Schall unterhalb der Frequenz von 100 Hertz definiert. Letzterer umfasst damit den Infraschall und die für Menschen gerade noch hörbaren tiefen Töne. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft sowie der einhelligen Rechtsprechung zu dieser Frage spricht alles dafür, dass wegen der erheblichen Entfernung zwischen dem am nächst gelegenen Gutshof als Einwirkungsort von Immissionen und dem Anlagenstandort eine rechtlich erhebliche Belastung nicht zu erwarten ist. Namentlich mit Blick auf die Auswirkungen von Infraschall – als Teilbereich des tieffrequenten Schalls – geht die obergerichtliche Rechtsprechung aktuell in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Schwelle zu schädlichen Umwelteinwirkungen jedenfalls dann an einem Wohnhaus nicht erreicht wird, sofern der Abstand zwischen Windenergieanlage und Wohnhaus mehr als 500 m beträgt (vgl. beispielsweise OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.6.2017 – 8 B 1016/15 – juris Rn. 50 und vom 30.1.2018 – 8 B 1060/17 – juris Rn. 38). Dieser Standpunkt wird in der Rechtsprechung einhellig geteilt (vgl. bereits bei Abständen von mehr als 300 m: VG Düsseldorf, B.v. 12.1.2017 – 28 L 3406/16 – juris Rn. 56 ff.; Niedersächs. OVG, B.v. 19.12.2016 – 12 ME 85/16 – juris Rn. 22; VGH Baden-Württemberg, B.v. 6.7.2015 – 8 S 534/15 – juris Rn. 49; BayVGH, B.v. 28.9.2017 – 22 CS 17.1506 – juris Rn. 25 ff.; HessVGH, B.v. 17.1.2017 – 4 B 1863/16 – juris Rn. 8).
Die Kammer schließt sich in Ergebnis und Begründung der vorzitierten Rechtsprechung an. Aufgrund der bisher vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, die durch Messungen im Umfeld von Windenergieanlagen belegt sind, ist davon auszugehen, dass im Nahbereich von Windenergieanlagen zwar Infraschallpegel auftreten, sie aber ab einem Abstand von 300 m den Geräuschpegel im Infraschallbereich nicht mehr beeinflussen. Sie liegen jedenfalls ab einem Bereich von 500 m unterhalb der menschlichen Hör- bzw. Wahrnehmungsschwelle (vgl. Bayerisches Landesamt für Umwelt und Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, „Windenergieanlagen – Beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit?“, Publikation in der aktualisierten Fassung von August 2016; Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft des Freistaats Sachsen, „Windenergie und Infraschall-Tieffrequenzgeräusche durch Windenergieanlagen“, Publikation mit Redaktionsschluss September 2016).
Dementsprechend gelangt der 6. Monitoring-Bericht der Bundesregierung (erstellt gemäß § 63 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes i.V.m. § 98 des EEG) vom 29. Juni 2018 (BT-Drs. 19/340, dort S. 147, 148) zu folgendem Ergebnis:
„Der technische Standard von Windenergieanlagen hat sich in den letzten Jahren jedoch stark verbessert. Folglich sind diese nicht nur leistungsfähiger geworden, sondern wurden auch mit Blick auf ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit verbessert. Für die Belastung mit Infraschall kann nach heutigem Stand der Forschung davon ausgegangen werden, dass dies in Vergleich mit anderen Quellen sehr gering und ohne negative Auswirkungen auf die Gesundheit ist. Andere dezentrale Energieanlagen (z.B. Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke) können indessen durch tieffrequente Geräusche und Infraschall erhebliche Lärmprobleme hervorrufen, insbesondere wenn sie nicht fachgerecht errichtet wird.“
Die in der Literatur zum Teil zum Aspekt Infraschall benannten Gutachten und Studien lassen schon nicht erkennen, dass die dortigen Ergebnisse auch noch in weiteren Entfernungen, wie vorliegend, einschlägig sind. Die Studien sind Teil des wissenschaftlichen Diskurses. Sie ergeben derzeit jedenfalls keinen hinreichend begründeten Ansatz für die Annahme gesundheitlich relevanter tieffrequenterter Immissionen durch die Windenergieanlagen oder nachweisbare gesundheitsschädliche Auswirkungen (vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 20.2.2018 – 8 B 838/17 – juris Rn. 75).
Nicht unberücksichtigt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass über die Umweltauswirkungen von Windenergieanlagen seit längerem intensiv geforscht wird. So bündeln etwa im Windenergieforschungs-Cluster „WindForS“ die Universitäten Stuttgart und Tübingen, die Technische Universität München, das Karlsruher Institut für Technologie, die Hochschulen Aalen und Esslingen sowie das Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg in diesem Netzwerk ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Windenergieforschung. Durch die einander ergänzende Expertisen von 23 Instituten und Lehrstühlen der vorgenannten Einrichtungen wurden im Februar 2016 objektive Kriterien zu Erschütterungen und Schallimmissionen durch Windenergieanlagen im Binnenland erforscht. Sollte sich vor dem Hintergrund der offensichtlich noch nicht vollständig abgeschlossenen Forschung in der Zukunft durch neue wissenschaftlich belegte Erkenntnisse herausstellen, dass, vor Ort messtechnisch belegt, von einer genehmigten Anlage tatsächlich relevante beeinträchtigende Infraschallimmissionen auftreten, kommt nach entsprechender Überprüfung der Anlage im Rahmen der Überwachung gegebenenfalls die Anordnung nachträglicher Auflagen nach § 17 BImSchG gegenüber der Beigeladenen in Betracht.
9. Da der Antragsteller nach alldem weder mit diesen noch mit seinen weiteren Einwendungen durchzudringen vermag, und das Gericht auch sonst, bei der hier gebotenen summarischen Überprüfung, keine Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids des Landratsamts Würzburg vom 29. Mai 2019 hat, war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der Streitwert regelmäßig auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts zu beziffern ist.


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