Baurecht

Au 4 K 19.2180

Aktenzeichen  Au 4 K 19.2180

Datum:
1.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2022, 388
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage, über die im Einverständnis mit den Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO) ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag des Klägerbevollmächtigten auf Wiedereröffnung der mündlichen Ver handlung nach dessen Verzichtserklärung in der mündlichen Verhandlung am 17. November 2021 war abzulehnen. Die Verzichtserklärung stellt eine unwiderrufliche und unanfechtbare Prozesserklärung dar (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 101 Rn. 6). Die Verzichtswirkung kann auch nicht durch einen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung umgangen werden. Im Übrigen steht es im Ermessen des Gerichts, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Dem Vortrag im Schriftsatz vom 18. November 2021 sind keine Gesichtspunkte zu entnehmen, welche eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung rechtfertigten, insbesondere sind keine neuen Tatsachen aufgeworfen, die in einer mündlichen Verhandlung weiter aufzuklären gewesen wären. Zur Entscheidung über den Antrag bedurfte es keines gesonderten Beschlusses (BayVerfGH, E.v. 11.9.1992 – Vf. 50-VI-91 – juris Rn. 26).
2. Für das vorliegende Verfahren ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwal tungsrechtsweg eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, für welche eine Sonderzuweisung an andere Gerichte nicht besteht. Öffentlichrechtlich sind alle Streitigkeiten, deren Gegenstand sich als unmittelbare Folge des öffentlichen Rechts darstellt. Das ist dann der Fall, wenn das Rechtsverhältnis, aus dem ein Klageanspruch hergeleitet wird, öffentlichrechtlicher Natur ist (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, B.v. 4.6.1974 – GmS-OGB 2/73 – juris Rn. 4).
Die Klägerin erhebt hier einen Anspruch aus einem zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Vertrag. Für die Frage, ob der Streit aus Verträgen öffentlichrechtlicher Art ist, muss die Rechtsnatur des Vertrages ermittelt werden. Abgrenzungskriterium ist hierzu der Vertragsgegenstand, wie er sich aus dem konkreten Inhalt des Vertrages ergibt. Bezieht sich der Inhalt auf einen öffentlichrechtlichen Sachverhalt oder steht er mit diesem in engem Sachzusammenhang, so ist der Gegenstand öffentlichrechtlich (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, B.v. 10.4.1986 – GmS-OGB 1/85 – juris).
Der hier geschlossene Durchführungsvertrag vom 4. April / 18. Dezember 2014 ist ein geregelter besonderer Typus eines städtebaulichen Vertrages. Dass sich der vorliegende Streit ausschließlich auf die Erstattung von Kosten bezieht, steht einer Einordnung als öffentlichrechtlich nicht entgegen. Erstattungsansprüche sind gleichsam umgekehrte Leistungsansprüche, die deshalb die Rechtsqualität des ihnen entsprechenden Leistungsanspruchs teilen (BVerwG, B.v. 24.1.1991 – 8 B 164.90 – juris Rn. 6).
3. Die Klage ist im Übrigen zulässig, insbesondere als allgemeine Leistungsklage statthaft, in der Sache aber unbegründet.
Als Rechtsgrundlage für das Zahlungsbegehren der Klägerin für die Hauptforderung kommt allein der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch in Betracht (vgl. zu Grundlage und tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Anspruches: NdsOVG, U.v. 26.5.2004 – 4 LC 408/02 – juris Rn. 26 ff.; OVG NW, U.v. 23.1.2009 – 7 A 4361/05 – juris Rn. 117 ff.; VG Schwerin, U.v. 12.4.2007 – 4 A 1847/05 – juris Rn. 86 f.).
Dieser Anspruch ist ein eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, welches es ermöglicht, ohne Rechtsgrund erbrachte Leistungen und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 – 7 C 48.82 – juris Rn. 12). Es ist höchst- und obergerichtlich anerkannt, dass die Anspruchsvoraussetzungen denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (§§ 812 ff. BGB) entsprechen, der im bürgerlichen Recht die Rückgewähr des rechtsgrundlos Erlangten regelt (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 a.a.O.; U.v. 18.1.2001 – 3 C 7.00 – juris Rn. 16; ThürOVG, U.v. 17.12.2002 – 2 KO 701/00 – juris Rn. 35).
Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.
a) Es ist bereits fraglich, ob die von der Klägerin getätigten Aufwendungen für die Kanalherstellung eine Leistung darstellen, die die Beklagte erlangt hat. Denn die Beklagte hat von der Klägerin lediglich das Eigentum am Entwässerungskanal durch unentgeltliche Übertragung der Grundstücke enthalten, nicht aber die eingeforderten Kosten i.H.v. 648.790,50 EUR.
b) Hierauf kommt es jedoch nicht an, da die Erstellung des Entwässerungskanals durch die Klägerin sowie dessen anschließende unentgeltliche Übertragung an die Beklagte zumindest nicht rechtsgrundlos erfolgt ist. Der Durchführungsvertrag ist – auch unter Einbeziehung der vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachten Zweifel an der Wirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes – wirksam.
aa) Der Durchführungsvertrag ist nicht aufgrund formeller oder materieller Fehler nichtig.
(a) Der Durchführungsvertrag wurde gem. Art. 57 BayVwVfG am 4. April 2014 schriftlich geschlossen. Da in § 5 des Durchführungsvertrages auch ein beabsichtigter Grunderwerb durch die Beklagte mit vereinbart wurde, wurde der Durchführungsvertrag nachträglich am 18. Dezember 2014 notariell beurkundet, womit auch die strengere Form des § 311b Abs. 1 BGB gewahrt ist (vgl. Art. 57 Halbs. 2 BayVwVfG). Nichtigkeitsgründe nach Art. 59 BayVwVfG sind weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen.
(b) Die Übernahme der Erschließungskosten durch die Klägerin sowie die anschließende unentgeltliche Übertragung der Erschließungsanlagen an die Beklagte in Verbindung mit der Verpflichtung zur Tragung der Entwässerungsbeiträge nach § 16 des Durchführungsvertrages ist schließlich auch nicht unangemessen.
Das Angemessenheitsgebot verlangt, dass die Leistungen nicht nur im Verhältnis zum Vertragszweck, sondern auch im Verhältnis untereinander ausgewogen sein müssen, wobei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise des Gesamtvorgangs geboten ist. Dieses Angemessenheitsgebot folgt im vorliegenden Fall aus der allgemeinen Bestimmung des Art. 56 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG (vgl. auch VG Schwerin, U.v. 12.4.2007 – 4 A 1847/05 – juris Rn. 91).
§ 16 des Durchführungsvertrages, der die Klägerin zur Tragung der Entwässerungsbeiträge unter Anrechnung der Kanalherstellungskosten als Vorausleistung verpflichtet, stellt weder eine unangemessene Doppelbelastung noch einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter noch eine unzulässige Mehrbelastung dar.
Dabei ist bereits zu beachten, dass die Bestimmung entgegen der Auffassung der Klägerin so auszulegen ist, dass der Klägerin keine Verrechnungs- bzw. Aufrechnungsmöglichkeit durch Willenserklärung zusteht, sondern die Kanalherstellungskosten unabhängig vom Beitragsschuldner als Vorausleistung von Amts wegen durch die Beklagte angerechnet werden. Dies ergibt sich zum einen bereits aus dem Wortlaut des § 16, wonach „die tatsächlichen Kosten der planmäßigen Kanalherstellung insoweit eine Vorausleistung auf den Entwässerungsbeitrag sind“. Zum anderen entspricht die Regelung auch dem Gedanken des Art. 5 Abs. 5 KAG. Nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG können bereits vor Entstehung der Beitragsschuld Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangt werden. Diese Vorauszahlung ist gemäß Art. 5 Abs. 5 Satz 2 KAG mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorauszahlende nicht beitragspflichtig ist. Die Regelung ist demnach nicht personensondern grundstücksbezogen auszulegen. Diese Auslegung hat auch die Beklagte ihrer Klageerwiderung zugrunde gelegt und dies in der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2021 insofern bestätigt, als keine weitere Geltendmachung von Kanalherstellungskosten im Beitragswege gegenüber der Klägerin oder Dritten beabsichtigt sei. Die Regelung stellt damit keinen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter dar. Da die Vorausleistung sowohl derzeitigen als auch künftigen Eigentümern zugutekommt, können diese – zumindest in Höhe der angerechneten Vorausleistung – (wohl) auch keine Regressansprüche gegenüber der Klägerin geltend machen. Der Eigentümerwechsel von Grundstücken im Plangebiet bzw. der Vorhabenträgerwechsel hinsichtlich der Hochbauverpflichtung führt somit auch nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, da die Klägerin hierdurch nicht mit möglichen Entwässerungsbeiträgen belastet wird, die sie ohne den Wechsel nicht zu tragen gehabt hätte. Die Anrechnung der Vorausleistung ist für die Klägerin somit insgesamt vorteilhaft und sichert gleichzeitig ab, dass die Beklagte tatsächlich nicht doppelt profitiert.
Eine unangemessene Doppelbelastung ergibt sich zuletzt auch nicht daraus, dass sich nachträglich nach Anrechnung der Kanalherstellungskosten als Vorauszahlung möglicherweise noch ein positiver Entwässerungsbeitrag ergeben könnte. Allein das Zusammentreffen der Belastung des Vorhabenträgers mit Kosten für die Herstellung der leitungsgebundenen Einrichtungen im Vertragsgebiet einerseits und der Grundstückseigentümer mit Anschlussbeiträgen für die Herstellung der gesamten öffentlichen Einrichtung der Abwasserentsorgung andererseits führt nicht zu einem Verstoß gegen das Angemessenheitsgebot mit der Folge einer entsprechenden (Teil-)Nichtigkeit der sich aus dem Durchführungsvertrag ergebenden Kostentragungspflicht.
Die von der Klägerin behauptete Doppelbelastung besteht nach Auffassung der Kammer nicht. Diese setzt schon nach dem Wortsinn voraus, dass eine Person wiederholt zu denselben Kosten oder mehrere Personen zugleich zu denselben Kosten herangezogen werden, so dass der damit verbundenen „doppelten“ Belastung gleichzeitig ein ungerechtfertigter Vorteil auf dritter Seite gegenübersteht. Daran fehlt es hier. Die Klägerin wird durch den Vertrag allein mit den Kosten für die Herstellung der leitungsgebundenen Einrichtungen der Entwässerung im Vertragsgebiet belastet. Die von den Grundstückseigentümern erhobenen Anschlussbeiträge decken hingegen den Aufwand zur Herstellung der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung, die sich im Bereich der Entwässerung und der Abwasserentsorgung insbesondere aus den zentralen Kläranlagen, den Freigefällesammlern, Druckrohrleitungen und Pumpwerken sowie den erforderlichen Nebeneinrichtungen (wie Be- und Entlüftungsanlagen) zusammensetzt. Es handelt sich mithin nicht um dieselben Kosten (vgl. VG Schwerin, U.v. 12.4.2007 – 4 A 1847/05 – juris Rn. 93 f.).
In der Belastung des Vorhabenträgers mit Kosten für die Herstellung der leitungs gebundenen Einrichtungen der Entwässerung im Vertragsgebiet und der (möglicherweise nicht personengleichen) Grundstückseigentümer mit Anschlussbeiträgen für die Herstellung der gesamten öffentlichen Einrichtung kann daher allenfalls eine Mehrbelastung gegenüber denjenigen beitragspflichtigen Anschlussnehmern liegen, die ausschließlich zu einem Entwässerungsbeitrag herangezogen werden. Diese Mehrbelastung erweist sich indes nicht als unangemessen. Die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung ergibt sich nach der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Gesamtvorgangs vielmehr grundsätzlich daraus, dass dem Anschlussbeitrag und den vertraglich übernommenen Herstellungskosten verschiedene Vorteile gegenüberstehen. Der Beitrag für die Herstellung der Entwässerungseinrichtung bezieht sich auf die gesamte Entwässerungseinrichtung und dient nicht (nur) als Ersatz der Kosten für die Verlegung von Kanalisations- und Anschlussleitungen vor den einzelnen Grundstücken bzw. in einem bestimmten Baugebiet. Ein über Beiträge nach Art. 5 KAG umlegungsfähiger Aufwand für die Entwässerungseinrichtung entfällt also nicht dadurch, dass ein Vorhabenträger aufgrund eines Durchführungsvertrages mit der Gemeinde konkrete Erschließungskosten übernimmt. Die Übernahme der Herstellungskosten durch den Vorhabenträger dient vielmehr dem Ausgleich des Vorteils, der diesem dadurch erwächst, dass die Herstellung der Anlagenteile nach Maßgabe des Durchführungsvertrages ihm überhaupt und zudem zu einem früheren Zeitpunkt die Erschließung und infolgedessen die mit einer erheblichen Wertsteigerung verbundene Bebaubarkeit der Grundstücke ermöglicht wird. Während die Klägerin also mit ihrer Eigenleistung die für das Baugebiet erforderlichen Kanäle „bezahlt“, wird mit dem Beitrag auch der Anteil an den Kosten für die zentralen gemeindlichen Wasserversorgungs- und Entwässerungseinrichtungen (z.B. Hauptsammler, Kläranlage, Brunnen etc.) abgegolten. Der Anschlussbeitrag stellt damit vor allem den angemessenen Ausgleich für den Vorteil dar, der dem Grundstückseigentümer für die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Einrichtung der Abwasserentsorgung erwächst. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Gesamtvorgangs steht damit der Herstellung auch der leitungsgebundenen Einrichtungen der Entwässerung im Vertragsgebiet auf Kosten des Vorhabenträgers ein erheblicher wirtschaftlicher Vorteil gegenüber, der die Annahme einer unangemessenen Gegenüberstellung von Leistung und Gegenleistung im Durchführungsvertrag vom 18. Dezember 2014 ausschließt (vgl. VG Schwerin, U.v. 12.4.2007 – 4 A 1847/05 – juris Rn. 95; VG München, B.v. 13.4.2011 – M 10 S 10.6255 – juris Rn. 54; B.v. 14.11.2007 – M 10 E 07.3690 – juris Rn. 35 f.).
Dass die abwassermäßige Erschließung über die B-Straße möglicherweise auch der Erschließung weiterer Grundstücke bzw. Plangebiete dient, macht die Kostentragungspflicht der Klägerin ebenfalls nicht unangemessen. Ausweislich der Begründung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes sollte die Erschließung gerade nicht über den A erfolgen, um zusätzlichen Verkehr im Quartier zu vermeiden und Durchgangs- und Schleichverkehre auszuschließen (Seite 8 der Begründung). Im Übrigen befanden sich zum Zeitpunkt des Beschlusses des Bebauungsplanes Teilflächen, die zur Anbindung an den A-Weg erforderlich waren, weiterhin im Eigentum der *. Dass die in der B-Straße verlegten Kanälen auch weitere Grundstücke in zukünftigen Plangebieten mit erschließen – was der Klägerin im Übrigen bei Abschluss des Durchführungsvertrages bewusst gewesen sein sollte (vgl. Seite 8 der Begründung des streitgegenständlichen Bebauungsplanes) -, stellt einen reinen Reflex dar, der die Angemessenheit der Kostentragungspflicht jedoch nicht berührt. Die Beiziehung weiterer Bebauungsplanakten im gerichtlichen Verfahren war somit auch nicht erforderlich.
bb) Eine Nichtigkeit des Durchführungsvertrages lässt sich entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten auch nicht aus der (angeblichen) Unwirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes ableiten.
Zwar spricht viel dafür, dass das Schicksal von Durchführungsvertrag und Bebauungsplan derart miteinander verknüpft ist, dass bei Fehlern und Mängeln des einen Teils auch der andere Teil unwirksam bzw. nichtig sein kann (vgl. hierzu Jarass/Kment in Jarass/Kment, BauGB, 2. Auflage 2017, § 12 Rn. 14). Derartige Nichtigkeitsgründe sind hier allerdings nicht festzustellen.
Der Bebauungsplan konnte beschlossen werden, weil beim Satzungsbeschluss der erforderliche Durchführungsvertrag vorlag (vgl. BayVGH, U.v. 24.7.2001 – 1 N 00.1574 – juris Ls und Rn. 47 m.w.N.). Grundsätzlich ist der Durchführungsvertrag vor dem Beschluss nach § 10 Abs. 1 BauGB über den vorhabenbezogenen Bebauungsplan zu schließen, da er Voraussetzung für den Bebauungsplan und ggf. für die Beurteilung der Abwägung relevant ist (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 12 Rn. 98). Hier wurde von den Beteiligten bereits ein privatschriftlicher Durchführungsvertrag am 4. April 2014 geschlossen, der vorhabenbezogene Bebauungsplan trat am 17. April 2014 in Kraft. Nachdem im Durchführungsvertrag die Übertragung von Grundstücken zwischen den Beteiligten geregelt war, wurde der Durchführungsvertrag wortgleich am 18. Dezember 2014 notariell beurkundet und damit nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes. Es ist bereits fraglich, ob der Bebauungsplan allein wegen eines (anfänglichen) Formfehlers des Durchführungsvertrages unwirksam sein kann, denn der Sinn und Zweck der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist auch durch einen formunwirksamen Vertrag gewahrt. So ist auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass den Anforderungen jedenfalls dann genügt wird, wenn zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses ein schriftlicher Vertrag vorliegt, der lediglich vom Vorhabenträger unterschrieben ist und das förmliche Zustandekommen des Durchführungsvertrags nur noch von der Zustimmungsentscheidung der Gemeindevertretung abhängt, mit der der Bürgermeister zur schriftlichen Annahme des Angebots ermächtigt wird. In diesem Fall steht der Inhalt des Durchführungsvertrags auch von Seiten der Gemeinde verbindlich fest und bildet die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorausgesetzte verlässliche Grundlage zur Beurteilung des Realisierungsangebots bei der Entscheidung über den vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Unter diesen Umständen wäre es unangemessen, das Vorliegen eines schriftlichen Vertrages i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB allein daran scheitern zu lassen, dass der Bürgermeister die Zustimmungsentscheidung des Rats erst nach Satzungsbeschluss vollzogen hat (BVerwG, B.v. 6.10.2011 – 4 BN 19.11 – juris Rn. 3 m.w.N.). So ähnlich liegt der Fall auch hier. Die Beteiligten waren sich einig und die Willenserklärungen von beiden Seiten waren bereits abgegeben, sodass der Inhalt des Durchführungsvertrages vollständig in die Abwägung mit einfließen konnte. Dass die Beteiligten den Durchführungsvertrag auch vollziehen wollten, ergibt sich zuletzt daraus, dass der Vertrag nach Kenntniserlangung des Formfehlers nachträglich notariell beurkundet wurde.
Jedenfalls aber wurde der ggf. vorliegende Mangel durch das ergänzende Verfahren der Beklagten (erneute Beschlussfassung des zuständigen Ausschusses hinsichtlich Abwägung, Satzung und Durchführungsvertrag am 30. Januar 2020, erneute Ausfertigung und Bekanntmachung) gem. § 214 Abs. 4 BauGB behoben (vgl. OVG NW, U.v. 8.3.2012 – 10 D 17/10.NE – juris Rn. 49 ff.; BayVGH, U.v. 24.7.2001 – 1 N 00.1574 – juris Rn. 67; Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 12 Rn. 99).
Dessen ungeachtet kann sich die Klägerin – was der Klägerbevollmächtigte in seinem Schriftsatz vom 18. November 2021 schließlich selbst einräumt – nach Vollzug des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes und des Durchführungsvertrages ohnehin nicht mehr auf etwaige Formfehler und die sich daraus ergebende mögliche Unwirksamkeit berufen. Denn nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Befugnis zur Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans beschränken und einer erhobenen Klage damit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen. So wurde entschieden, dass in die Prüfung eines Normenkontrollantrags nicht mehr eingetreten werden kann, wenn der Kläger dadurch, dass er zur Durchsetzung eines geltend gemachten Rechts das Gericht anruft, sich zu seinem eigenen früheren Verhalten in einen mit Treu und Glauben unvereinbaren Widerspruch setzt. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Rechtsschutzsuchende zunächst die ihm günstigen Festsetzungen eines Bebauungsplans ausnützt und sich erst später gegen die für ihn ungünstigen Festsetzungen wendet. Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für Normenkontrollanträge, sondern auch für vergleichbare prozessuale Lagen. Ob der Tatbestand der Treuwidrigkeit erfüllt ist, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2019 – 4 B 28.18 – juris Rn. 6 ff.; BayVGH, B.v. 12.2.2021 – 1 ZB 20.1186 – juris Rn. 4 m.w.N.). Hier hat die Klägerin den Kanal vollständig hergestellt und die Grundstücke an die Beklagte bereits vereinbarungsgemäß übertragen. Der Hochbauverpflichtung und der Herstellung der wegemäßigen Erschließung ist sie nur deshalb nicht nachgekommen, weil diesbezüglich Vorhabenträgerwechsel stattgefunden haben. Hierbei hat die Klägerin jedoch beim Verkauf der dazugehörigen Grundstücke bedingt durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan und den Durchführungsvertrag einen deutlichen höheren Kaufpreis erzielen können (siehe auch § 3 Nr. 2 des Kaufvertrages zwischen der Klägerin und der neuen Vorhabenträgerin vom 21./22. Oktober 2014). Die Berufung auf die (angebliche) Unwirksamkeit erweist sich damit als rechtsmissbräuchlich.
4. Die Klägerin hat ebenfalls keinen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 5.690,46 EUR. Der Anspruch lässt sich insbesondere nicht gem. § 280 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB als Verzugsschaden geltend machen, weil die Beklagte nicht dazu verpflichtet ist, die mit der Klage begehrte Erstattung zu leisten.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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