Baurecht

Aufhebung der Ausschreibung

Aktenzeichen  Z3-3-3194-1-53-11/17

Datum:
13.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3100
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 114 Abs. 2 S. 2, § 160 Abs. 3 Nr. 1
VOB/A § 15 EU Abs. 2, § 16a
BayNpV § 1, § 2

 

Leitsatz

1. Wie § 15 EU Abs. 2 VOB/A zur Aufklärung sieht § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A vor, dass dem Bieter zur Beibringung von vorbehaltenen Erklärungen und Nachweisen (Unterlagen) eine angemessene Frist gesetzt wird. Ebenso wie bei § 15 Abs. 2 VOB/A reicht für das Anfordern von vorbehaltenen Unterlagen gemäß § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 in der Regel eine Frist von sechs Tagen in Anlehnung an § 16a EU Satz 2 VOB/A nicht aus. (Rn. 74)
2. Welche Frist angemessen ist, muss die Vergabestelle stets anhand der Umstände im Einzelfall ermitteln. (Rn. 75)
3. Eintragungen im Formblatt 223 (Aufgliederung der Einheitspreise) sind keine Preisangaben im Sinne des § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, sondern ausschließlich ein Instrument zur Preisprüfung nach § 16d EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 19.01.2015, Verg 6/14). (Rn. 78)
4. Inhaltlich unzureichende Angaben im Formblatt 223 sind unschädlich, wenn gar keine Überprüfung der Angebotspreise durchgeführt wurde und auch nicht durchgeführt werden musste. (Rn. 79 – 80)
5. Eine sanktionslose Aufhebung der Ausschreibung nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen deutlicher Überschreitung des vom Auftraggeber prognostizierten Auftragswerts kommt nur dann in Frage, wenn die vorgenommene Kostenermittlung aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen ((BGH, Urteil vom 20.11.2012, Az. X ZR 108/10). (Rn. 93)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Aufhebung der Ausschreibung in ihren Rechten verletzt ist.
2. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
3. Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
4. Für das Verfahren wird eine Gebühr von … Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
5. Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen ihre Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung jeweils selbst.

Gründe

I.
Der Antragsgegner beabsichtigt im Rahmen des Neubaus der M… der T… Fakultät die Vergabe der Rohbauarbeiten. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines offenen Verfahrens. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (FB 211) vom 08.09.2017 hatte der Antraggegner u.a. vorgeschrieben, dass das Formblatt 235 „Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen“ mit dem Angebot einzureichen ist.
Die Antragstellerin gab innerhalb der Angebotsfrist am 07.09.2017 ein Angebot ab. Dieses war das preisgünstigste der insgesamt drei abgegebenen Angebote, die allesamt deutlich über der Kostenermittlung des Auftraggebers lagen.
Mit Schreiben vom 12.09.2017 forderte das vom Auftraggeber beauftragte Büro von der Antragstellerin u.a. die Aufgliederung der Einheitspreise (Formblatt 223), die Benennung vorgesehener Unterauftragnehmer, anderer Unternehmer für die Oz./Pos. Titel 2 bis 9, Titel 10,Titel 15 und Titel 18 sowie die Vorlage des FB 236 Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen für diese Oz./Pos. Die Anforderung dieser Unterlagen hatte sich der Antragsgegner bereits in der Aufforderung zur Angebotsabgabe FB 211 vorbehalten.
Die Antragstellerin hatte bereits mit ihrem Angebot das Formblatt 235 „Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen“ eingereicht, aber noch keine konkreten Firmen als Nachunternehmer benannt. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin mit Schreiben des beauftragten Büros W..+W.. vom 12.09.2017 unter Punkt 2.10 aufgefordert, die vorgesehenen Unterauftragnehmer für die im Formblatt 235 genannten Oz./Pos. zu benennen sowie unter Punkt 2.11 für diese benannten Unterauftragnehmer jeweils Verpflichtungserklärungen nach dem Formblatt 236 vorzulegen. Frist für die Vorlage der Erklärungen war der 18.09.2017. Mit E-Mail vom 18.9.2017 reichte die Antragstellerin das Formblatt 235 mit Nennung der Nachunternehmer ein. Bei der Benennung der Unterauftragnehmer wurde den Unternehmen ein „z.Bsp.“ vorangestellt. Weiterhin erfolgten für die Titel 2, 3, 5 und 6 bis 9 pro Titel Nennungen von zwei unterschiedlichen Unterauftragnehmern. Verpflichtungserklärungen wurden zu jedem Titel für ein Unternehmen vorgelegt, nicht aber für beide Unternehmen, soweit in den Titeln 2, 3, 5 und 6 bis 9 zwei Unternehmen benannt wurden. Ein Unternehmen das eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, wird im Formblatt 235 nicht genannt.
Die Antragstellerin hat mit E-Mail vom 18.09.2017 sowohl die Aufgliederung der Einheitspreise im Formblatt 223, als auch eine Aufstellung der Nachunternehmer an den Antragsgegner übersandt. Im Formblatt 223, Aufgliederung der Einheitspreise, hat sie bei Nachunternehmerleistungen die Kosten bei der jeweiligen Position in die zweite Spalte von rechts „Sonstige“ eingetragen. Eine weitere Aufgliederung hat sie nicht vorgenommen. Daraufhin wurde sie mit Schreiben des beauftragten Büros vom 22.09.2017 aufgefordert, das FB 223 vorzulegen, mit einer Aufteilung der Nachunternehmerkosten auf die Spalten 6 bis 8. Dies hat die Antragstellerin am nächsten Werktag, 25.09.2017, erledigt.
Mit Schreiben vom 10.10.2017 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass er das Verfahren wegen grundlegender Änderung der Vergabeunterlagen aufgehoben hat, insbesondere aufgrund vor Ort angetroffener Bodenverhältnisse. Auf die Rüge der Antragstellerin vom 12.10.2017 hin, hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.10.2017 die auf diese Begründung gestützte Aufhebung zurückgenommen.
Mit demselben Schreiben vom 23.10.2017 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass er nun aber das Verfahren gemäߧ 17 EU Abs. 1 Nr. 3. VOB/A aufgehoben hat, da die Ausschreibung im Hinblick auf alle eingegangenen Angebote zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Ergebnis geführt hat Die Antragstellerin hat mit zweiten Rügeschreiben vom 27.10.2017 gerügt, dass die Aufhebung unbegründet sei. Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 07.11.2017 mitgeteilt, dass er der Rüge nicht abhelfen werde.
Weil die vorangegangene Rüge den Antragsgegner nicht zur Änderung seiner Rechtsauffassung bewegte, beantragte die Antragstellerin am 22.11.2017 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und weiter:
1. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Vergabeverfahren fortzusetzen und dabei das Angebot der Antragstellerin vom 07.09.2017 zu berücksichtigen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
Die Antragstellerin sei durch die Aufhebung in Ihren Rechten verletzt, da sie ein zulässiges Angebot abgegeben habe und nach bisherigem Sachstand mehr als eine Chance auf den Zuschlag habe, da sie das preisgünstigste Angebot abgegeben habe.
Der Antragsgegner stütze den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin u.a. darauf dass diese nicht innerhalb der von dem Antragsgegner gesetzten Frist von sechs Tagen -also bis zum 18.09.2017 – eine vollständige Aufgliederung der Einheitspreise vorgelegt habe. Der Ausschluss sei jedoch unbegründet.
Nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A müsse die Frist „angemessen“ sein. Sechs Tage seien zu kurz, was die Aufgliederung der Nachunternehmerleistungen betreffe. Im vorliegenden Fall habe die Antragstellerin knapp zehn Firmen auffordern müssen, ihre Kalkulation offenzulegen. Für die Nachunternehmer seien weniger als sechs Tage geblieben, weil innerhalb der von dem Antragsgegner gesetzten Frist auch noch die Antragstellerin tätig werden musste (Herantreten an die Nachunternehmer, Verarbeiten der von den Nachunternehmern gelieferten Ergebnisse). Der Antragsgegner habe eine Aufgliederung aller Einheitspreise gefordert, also von 960 Positionen. Hier seien manuelle Eintragungen und Rechenvorgänge nötig. Beim Ansatz von ca. fünf Minuten pro Position ergeben sich 80 Arbeitsstunden. Die Antragstellerin habe die Aufgliederung daher nicht in den geforderten sechs Tagen erbringen können. Dafür spreche auch, dass das für den Antragsgegner tätige Büro mit Schreiben vom 22.09.2017 die Ergänzung erbeten habe. Erst später habe der Antragsgegner die Ansicht vertreten, die Aufteilung der Nachunternehmerkosten auf die Spalten 6 bis 8 hätte bereits bis zum 18.09.2017 erfolgen müssen.
Darüber hinaus sei für die Antragstellerin nicht erkennbar gewesen, dass der Antragsgegner auch bei den Nachunternehmerleistungen eine Aufteilung auf Lohn/Material/Geräte wünschte. Baukalkulationsprogramme seien fast ausschließlich so aufgebaut und eingerichtet, dass die Preise für die Subunternehmerleistungen in der Spalte „Sonstiges“ ausgedruckt werden. Diese Aufgliederung sei gängige Praxis und vom Antragsgegner bisher nie beanstandet worden. Dies habe auch im vorliegenden Verfahren bei der Antragstellerin zu der Überzeugung führen dürfen, dass eine weitere Aufgliederung der Nachunternehmerleistungen nicht notwendig sei. Der Hinweis in der Fußnote sei versteckt und nicht klar. Die Fußziffer 2 stehe nicht nur bei den Spalten für Lohn, Material und Geräte, sondern auch bei „Sonstige“. Die Antragstellerin habe davon ausgehen dürfen, dass eine Eintragung bei „Sonstige“ ausreichend sei, wie es auch in der Vergangenheit bei anderen Vergaben von dem Antragsgegner akzeptiert worden war.
Im Schreiben vom 07.11.2017 habe der Antragsgegner behauptet, die Art der Aufgliederung ergäbe sich auch aus Ziff. 4. des FB 212. Dies treffe nicht zu. Die Bedingung laute:
„Unterlagen zum Angebot
Der Bieter hat auf Verlangen der Vergabestelle die Urkalkulation und/oder die von ihr benannten Formblätter mit Angaben zur Preisermittlung sowie die Aufgliederung wichtiger Einheitspreise ausgefüllt, zu dem von der Vergabestelle bestimmten Zeitpunkt vorzulegen. Dies gilt auch für Nachunternehmerleistungen.“
Die Regelung lasse nicht erkennen, wie die Kosten der Nachunternehmerleistung in das Formblatt einzutragen seien.
Auch sei die Antragstellerin der Aufforderung ein Verzeichnis der vorgesehenen Nachunternehmerleistungen (FB 235) und Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer (FB 236) vorzulegen vollständig nachgekommen. Unstreitig habe sie ordnungsgemäße Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer für alle Gewerke vorgelegt. Der Zusatz „Z.Bsp.“ im Verzeichnis schränke die Aussagekraft nicht ein. So könnten sich bis zur Ausführung der Nachunternehmerleistungen die Umstände ändern, beispielsweise eine Insolvenz des Nachunternehmers oder seine Weigerung, die Leistungen auszuführen, obwohl der sich dazu verpflichtet habe. Mehr habe die Antragstellerin mit dem Zusatz nicht zum Ausdruck bringen wollen. Selbst wenn es sich um eine unzulässige Einschränkung handeln würde, werde diese kompensiert durch die Vorlage der Verpflichtungserklärungen der entsprechenden Nachunternehmer. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners im Schreiben vom 07.11.2017 ergebe sich aus den vorgelegten Verpflichtungserklärungen, dass die Antragstellerin die Firmen, die die Verpflichtungserklärungen abgegeben haben, im Auftragsfalle als Nachunternehmer mit den genannten Gewerken beauftragen wolle.
Die Vergabekammer informierte den Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 22.11.2017. Dieser legte die Vergabeunterlagen vor.
Mit Antragserwiderung vom 06.12.2017 nahm der Antragsgegner Stellung. Demnach sei der Ausschluss gerechtfertigt, da die Antragstellerin die geforderte Aufgliederung der Einheitspreise nicht rechtzeitig vollständig vorgenommen habe und weil sie die geforderte Erklärung über die von ihr vorgesehenen Nachunternehmer nicht eindeutig vorgenommen habe.
Diese von der Antragstellerin mit E-Mail vom 18.09.2017 übersandte Erklärung sei unvollständig gewesen, da die Vergabestelle ausdrücklich eine Aufgliederung der Einheitspreise in die Preisbestandteile auch für Nachunternehmerleistungen verlangt habe. Diese Verpflichtung zur Aufgliederung der Einheitspreise auch für Nachunternehmerleistungen ergebe sich zunächst direkt aus dem Formblatt 223, da hier in der Fußnote 2, welche sich ausdrücklich auf die Eintragungen in den Spalten 5-9 beziehe, stehe:
„Ist bei allen Teilleistungen anzugeben, unabhängig davon ob sie der Auftragnehmer oder ein Nachunternehmer erbringen wird.“
Da die Fußnote ausdrücklich bei den betreffenden Spalten bezeichnet sei und diese auch am unteren Rand des Formblatts 223 abgedruckt sei, könne von einem „versteckten Hinweis“ nicht gesprochen werden. Sollte die Antragstellerin die Fußnote 2 nicht zur Kenntnis genommen haben, so könne dies nicht der Vergabestelle zur Last gelegt werden. Weiterhin ergebe sich die Pflicht der Antragstellerin zur Aufgliederung auch der Nachunternehmerpreise noch aus den der Vergabe zugrundeliegenden Teilnahmebedingungen, Formblatt 212 EU. Hier sei in Ziffer 4 geregelt:
„4 Unterlagen zum Angebot
Der Bieter hat auf Verlangen der Vergabestelle die Urkalkulation und/oder die von ihr benannten Formblätter mit Angaben zur Preisermittlung sowie die Aufgliederung wichtiger Einheitspreise ausgefüllt zu dem von der Vergabestelle bestimmten Zeitpunkt vorzulegen. Dies gilt auch für Leistungen von Unterauftragnehmern.“
Hiermit sei für einen verständigen Bieter ebenfalls eindeutig erkennbar, dass eine Aufgliederung sämtlicher Einheitspreise in die vorgesehenen Preisbestandteile verlangt werde.
Soweit die Antragstellerin eine angeblich nicht ausreichende Frist für die Vorlage der Aufgliederung der Einheitspreise rüge, sei diese Rüge gem. § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB unzulässig. Eine als zu kurz erkannte Frist hätte innerhalb von 10 Kalendertagen gerügt werden müssen. Hier sei die Rüge aber erst viel später erfolgt.
Schließlich sei die Frist auch angemessen im Sinne des § 16 EU Nr. 4 VOB/A. Die Vergabestelle habe sich in den Vergabeunterlagen eine entsprechende Aufgliederung der Einheitspreise inklusive der Nachunternehmerpreise ausdrücklich vorbehalten. Ein von der Antragstellerin vorgesehener Nachunternehmereinsatz könne somit nicht dazu führen, dass die gesetzte Frist unangemessen kurz sei, denn wenn sich die Antragstellerin Nachunternehmer bedienen wolle, müsse sie auch die Risiken übernehmen, die sich hieraus ergeben, insbesondere, dass die Nachunternehmer die entsprechenden Kalkulationsgrundlagen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig liefern.
An dem Ergebnis, dass die Antragstellerin die angeforderte Aufgliederung der Einheitspreise nicht fristgerecht vorgelegt habe, ändere sich auch nichts im Hinblick auf die Bitte um Ergänzung der Angaben durch das von der Vergabestelle beauftragte Büro vom 22.09.2017. Der Ausschlussgrund des § 16 EU Nr. 4 VOB/A sei zwingend und während des gesamten Vergabeverfahrens zu beachten.
Die Antragstellerin habe die von der Vergabestelle angeforderte Erklärung über die vorgesehenen Nachunternehmer auch nicht eindeutig eingereicht. Mit E-Mail vom 18.09.2017 habe die Antragstellerin ein Formblatt 235 eingereicht, auf dem Unterauftragnehmer benannt waren, jedoch erfolgte die Benennung nur beispielhaft und nicht eindeutig, wie sich aus dem vorangestellten „z.Bsp.“ ergebe. Weiterhin seien teilweise pro Titel mehrere Nennungen von Unterauftragnehmern erfolgt. Aus dieser Formulierung sei für die Vergabestelle nicht erkennbar, welcher konkrete Nachunternehmer für die bezeichneten Titel vorgesehen sei. Diese Unklarheit werde auch nicht durch die Vorlage der Verpflichtungserklärungen nach dem Formblatt 236 beseitigt. Der Erklärungsinhalt der Verpflichtungserklärungen bestehe nur darin, dass der Unterauftragnehmer erkläre, im Auftragsfalle seine Kapazitäten dem Bieter zur Verfügung zu stellen.
Schließlich sei noch festzuhalten, dass eine Verpflichtungserklärungen eines Unterauftragnehmern vorgelegt worden sei, der im Formblatt 235 nicht aufgeführt werde, T… GmbH für Abdichtungsarbeiten. Die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer G… GmbH und M… würden keine Angaben für den geplanten Leistungsbereich enthalten.
Letztlich sei auch die Aufhebung der Vergabe nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A gerechtfertigt gewesen, da kein wirtschaftlich akzeptables Angebot eingegangen sei. Das Angebot der Antragstellerin sei rechtmäßig ausgeschlossen worden. Die durch die Vergabestelle vor Beginn des Vergabeverfahrens erstellte Kostenschätzung belief sich auf 5.084.857,17 Euro (netto). Im Vergabeverfahren seien insgesamt 3 Angebote eingegangen. Das niedrigste nicht ausgeschlossene Angebot belaufe sich auf 7.362.671,45 Euro (netto) und liege damit 45% über der Kostenschätzung. In der Rechtsprechung wird ab einem Abstand von 20% ein Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und dem Angebot angenommen.
Die Antragstellerin entgegnete mit Schreiben vom 07.12.2017, dass die Ziff. 4. der Teilnahmebedingungen nur davon spreche, dass die Formblätter ausgefüllt vorzulegen seien, auch hinsichtlich der Leistungen der Unterauftragnehmer. Wie die Formblätter auszufüllen seien, stehe dort nicht. Die Fußnote 2 auf dem Formblatt 223 sei zum einen versteckt, zum anderen nicht eindeutig. In der Tabelle werde die Ziffer bei allen vier Spalten, auch bei „Sonstige“ angegeben. Die Antragstellerin habe nicht erkennen können, dass es der Wille des Antragsgegners sei, dass er die Einheitspreise der Nachunternehmer nicht nur bei „Sonstige“, sondern auch bei den drei vorhergehenden Spalten eintrage.
Der Nachprüfungsantrag sei auch nicht wegen fehlender Rüge nach § 160 Abs. 2 S. 1 Nr. 1. GWB unzulässig. Innerhalb der Rügefrist habe das von der Vergabestelle beauftragte Büro mit Schreiben vom 22.09.2017 die Antragstellerin aufgefordert, das Formblatt 223 vollständig auszufüllen. Die Antragstellerin habe davon ausgehen dürfen und sei auch davon ausgegangen, dass ihr noch Gelegenheit gegeben werde, die geforderten Angaben nachzutragen. Es habe keine Veranlassung zu einer Rüge mehr bestanden, da jetzt der Antragstellerin eine ausreichende Zeit zur Verfügung gestanden habe, das Formblatt 223 vollständig auszufüllen. Der Vergabeverstoß sei damit beseitigt gewesen.
Es bleibe auch dabei, dass die ursprüngliche Frist von sechs Tagen zu detaillierten Aufgliederung der Nachunternehmerpreise zu kurz gewesen sei. Der Antragsgegner lege ein falsches Verständnis des Vergabeverfahrens an den Tag, wenn er von „Risiken“ des Nachunternehmereinsatzes spreche. In den Vergabevorschriften sei es als gleichwertig anerkannt, dass der Bieter Teile der Leistung durch Dritte erbringen lasse. Der Bieter übernehme insoweit Risiken, als er beispielsweise für Fehler des Nachunternehmers einzustehen habe wie für eigene. Er übernehme aber nicht die Verantwortung dafür, dass es bei einem Nachunternehmereinsatz länger dauere, Anfragen der Vergabestelle zu beantworten. Vorliegend gehe es nicht um schuldhafte Verzögerungen, sondern der Bestimmung des angemessenen Zeitrahmens, innerhalb dem einer Anfrage der Vergabestelle nachzukommen sei, ohne dass der Bieter vorher Vorbereitungsmaßnahmen, z.B. Anforderung der aufgegliederten Einheitspreise beim Nachunternehmer, ergreifen müsse. Die Antragstellerin sei nicht verpflichtet gewesen, vor Abgabe ihres Angebots die Nachunternehmer bereits aufzufordern, sich für eine Aufgliederung der Einheitspreise bereit zu halten.
Des Weiteren sei auch die Benennung der Nachunternehmer eindeutig gewesen. Aus dem Verzeichnis und den Verpflichtungserklärungen ergab sich mit ausreichender Deutlichkeit für den Antragsgegner, welche Nachunternehmer die Antragstellerin für welches Gewerk einsetzen wolle. Der Zusatz „z.Bsp.“ im Verzeichnis sei daher unbeachtlich. Der Antragstellerin sei es nicht verwehrt, für einzelne Gewerke mehr als einen Nachunternehmer einzusetzen. Die Mehrfachnennung bei den Titeln 2, 3, 5 und 6 – 9 sei zulässig.
Die Antragstellerin habe überobligatorisch auch eine Verpflichtungserklärung der Herstellerfirma T… vorgelegt, die im Auftrag des Nachunternehmers für die Abdichtungsarbeiten das Material liefere. Es sei unschädlich, dass die Antragstellerin die Erklärung des Herstellers zusätzlich vorgelegt habe, obwohl die Antragsgegnerin dies nicht gefordert hatte.
Bei Durchsicht der Unterlagen habe die Antragstellerin aber festgestellt, dass sie die Verpflichtungserklärung der Firma G. nicht vorgelegt habe. Dies hole aber mit diesem Schreiben nach. Es sei unerheblich, dass in der Erklärung der Firma G. genauso wie in der Erklärung der Firma M… das Gewerk nicht angegeben sei. Für welches Gewerk die Antragstellerin den Einsatz vorsehe, ergebe sich aus dem Verzeichnis. Die Bindungswirkung der Verpflichtungserklärung der einzelnen Nachunternehmer werde durch die fehlende Angebe des Gewerks nicht beeinträchtigt.
Der Antragsgegner nahm zu diesen Ausführungen mit Schreiben vom 14.12.2017 Stellung. So ergebe sich entgegen des Vorbringens der Antragstellerin aus den Vergabeunterlagen, insbesondere auch aus der Aufforderung der Vergabestelle vom 12.09.2017, dass die Kosten der Nachunternehmer auch auf die Spalten „Zeitansatz in Stunden, Löhne, Stoffe, Geräte und Sonstiges“ aufzugliedern seien.
Das Nachforderungsschreiben vom 12.09.2017 habe eine Frist zur Aufgliederung der Einheitspreise von 6 Kalendertagen gesetzt. Weiterhin sei für den Fall, dass die geforderten Angaben nicht innerhalb dieser Frist vorgelegt werden, angekündigt worden, dass das Angebot ausgeschlossen werde, § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A. Damit sei für die Antragstellerin klar gewesen, dass eine weitere Nachforderung nicht erfolgen werde. An der zwingenden Rechtsfolge des Ausschlusses des Angebots nach § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A könne auch die erneute Nachforderung des von der Vergabestelle beauftragten Architekten nichts ändern.
Die von der Vergabestelle gesetzte Frist von 6 Kalendertagen sei hier auch angemessen gewesen. Die Vergabestelle habe alle Bieter gleich zu behandeln; der Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein wesentlicher Grundsatz des Vergabeverfahrens. Aus diesem Grund würden bei den Vergaben Bieter, die sich Unterauftragnehmern bedienen, gegenüber Bietern, die dies nicht tun, gleich behandelt. Die Entscheidung, Unterauftragnehmer einzusetzen, bleibe dem einzelnen Bieter überlassen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin übernehme der Bieter Verantwortung für die Koordination mit seinen Unterauftragnehmern bereits im Vergabeverfahren, da ihn als Bieter die Pflichten aus dem Vergaberecht treffen.
Letztlich sei die Erklärung, die die Antragstellerin bezüglich der Unterauftragnehmer abgegeben habe, nicht eindeutig. Es sei unklar, für welche Leistungsbereiche die Unterauftragnehmer eingesetzt werden sollen. Hierzu ergebe sich noch nicht einmal unter Berücksichtigung der Verpflichtungserklärungen etwas Anderes. Zudem sei es nicht unzulässig, für mehrere Titel verschiedene Unterauftragnehmer anzugeben. Es sei aber notwendig, eindeutig klarzustellen, welche Leistungen von welchem Unterauftragnehmer erfüllt werden.
Die Antragstellerin teilte hierzu mit Schreiben vom 18.12.2017 mit, dass der Gleichheitsgrundsatz es nicht gebiete, für alle die kurze Frist zu setzen, die bei Bietern ausreichend wäre, die ausnahmsweise alle Leistungen im eigenen Haus erbringen. Der Antragsgegner müsse bei der Bemessung der Fristen auf den durchschnittlichen Fall abstellen, nämlich dass der Bieter Nachunternehmer einsetze. Außerdem gebe es keine Vorschrift, nach der es unzulässig wäre, mehr als einen Nachunternehmer für in Gewerk anzugeben, wenn der Nachunternehmereinsatz grundsätzlich zulässig sei.
Der Antragsgegner teilte mit Schreiben vom 17.01.2018 mit, dass für die vor der Bekanntmachung durchgeführte Kostenschätzung folgende Unterlagen übersandt würden:
– Kostenberechnung, Einzelkostennachweis nach Gewerken und Kostengruppen (Stand HU-Bau vom Nov 2015
– Umschlüsselung der Kostenberechnung in Vergabeeinheiten (diese Kostenberechnung enthält für jede Kosteneinheit einen 10% Sicherheitspuffer)
– Kurztext bepreistes LV des Büro W. vor Bekanntmachung Stand 28.06.2017
Im streitgegenständlichen Vergabeverfahren seien zwei Aufhebungen durchgeführt worden. Zunächst eine Aufhebung nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A erfolgt, die auch auf der Vergabeplattform angelegt worden sei. Nach Rüge der Antragstellerin und erneuter Prüfung und Wertung sei ihr mit Schreiben vom 23.10.2017 mitgeteilt worden, dass die Vergabe gem. § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A aufgehoben werde.
Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden und die hauptamtlichen Beisitzer übertragen.
Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 10.01.2018 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 29.01.2018 um 10.00 Uhr geladen.
Die mündliche Verhandlung fand am 29.01.2018 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert.
Die Antragstellerin hielt ihre Anträge vom 22.11.2017 aufrecht und beantragte zudem die Feststellung, dass die Antragstellerin durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt ist.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die aus-getauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und teilweise begründet.
1. Zuständigkeit und Zulässigkeit
1.1 Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Bauauftrag i.S.d. § 103 Abs. 3 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgebliche Schwellenwert in Höhe von 5.225.000 Euro für den Gesamtauftrag.
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
1.2 Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
1.2.1 Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbes. durch den Ausschluss ihres Angebots wegen „fehlender Unterlagen und Änderung der Vergabeunterlagen“ geltend gemacht.
1.2.2 Feststellungsinteresse
Soweit die Antragstellerin hilfsweise beantragt hat, festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und sie hierdurch in ihren Bieterrechten verletzt wurde, hat sie ein entsprechendes Feststellungsinteresse.
Der Feststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt nach allgemeiner Auffassung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus (z.B. OLG München, B. v. 19.07.2012 – Az.: Verg 8/12; OLG Düsseldorf, B. v. 19.06.2013 – Az.: VII-Verg 55/12; B. v. 08.06.2011 – Az.: VII-Verg 2/11; OLG Frankfurt, B. v. 06.03.2013 – Az.: 11 Verg 7/12; OLG Koblenz, B. v. 04.02.2009 – Az.: 1 Verg 4/08). Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen prozessualen Grundsätzen, nach denen die Inanspruchnahme eines Gerichts bzw. der Vergabekammer nicht zulässig ist, wenn kein berechtigtes Interesse vorliegt. Zur Bestimmung eines solchen Feststellungsinteresses kann auf die Grundsätze anderer Verfahrensordnungen, insbesondere zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach der Verwaltungsgerichtsordnung zurückgegriffen werden (VK Hessen, B. v. 31.7.2002 – Az.: 69 d VK – 14/2002; VK Schleswig-Holstein, B. v. 25.01.2012 – Az.: VK-SH 24/11).
Hat ein Unternehmen mit dem Ziel der Erlangung primären Vergaberechtsschutzes die Aufhebung des ausgeschriebenen Vergabeverfahrens zum Gegenstand einer Nachprüfung gemacht, ist die Vergabekammer bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses des Unternehmens auf dessen Antrag auch zur Feststellung der durch die Aufhebung eingetretenen Rechtsverletzung befugt, wenn sich herausstellt, dass trotz des Vergabeverstoßes aufgrund des dem Auftraggeber zustehenden Entscheidungsspielraums eine auf die Fortsetzung des aufgehobenen Vergabeverfahrens gerichtete Anordnung nicht ergehen kann (OLG Düsseldorf, B. v. 23.03.2005 – Az.: VII – Verg 76/04; B. v. 08.03.2005 – Az.: VII – Verg 40/04).
Ein solches Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falls anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition der Antragstellerin in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern. Ein solches Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn die Feststellung zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs dient und ein solcher Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint (OLG München, B. v. 19.07.2012 – Az.: Verg 8/12; OLG Celle, B. v. 04.03.2010 – Az.: 13 Verg 1/10; OLG Düsseldorf, B. v. 30.04.2014 – Az.: VII-Verg 35/13; OLG Frankfurt, B. v. 06.03.2013 – Az.: 11 Verg 7/12; OLG Koblenz, B. v. 04.02.2009 – Az.: 1 Verg 4/08).
Im vorliegenden Fall erscheint es keineswegs als ausgeschlossen, dass die Antragstellerin aufgrund der Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens Schadensersatzansprüche gegen den Antragsgegner geltend machen kann.
Jedenfalls könnte der Antragstellerin aufgrund der von ihr behaupteten rechtswidrigen Aufhebung des Vergabeverfahrens der Ersatz des Vertrauensschadens zustehen. Für diesen genügt das Bestehen einer „echten Zuschlagschance“ im Sinn von § 126 S. 1 GWB (OLG Celle, B. v. 30.10.2014 – Az.: 13 Verg 8/14; OLG Düsseldorf, B. v. 19.06.2013 – Az.: VII-Verg 55/12). Eine solche ist vorliegend keinesfalls ausgeschlossen, was bereits für die Annahme des Feststellungsinteresses ausreicht.
Zudem kann im Falle einer schuldhaft rechtswidrigen Aufhebung eines Vergabeverfahrens der Antragstellerin sogar unabhängig von ihren Zuschlagschancen ein Anspruch auf Ersatz ihres Vertrauensschadens gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 und 241 Abs. 2 BGB erwachsen (Vergabekammer Südbayern, B. v. 22.05.2015 – Az.: Z3-3-3194-1-63-12/14; OLG Naumburg, Urteil v. 27.11.2014 – Az.: 2 U 152/13).
1.2.3 Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entgegen, da die Antragstellerin sowohl auf die Aufhebung als auch den Ausschluss des Angebotes mit ihrem Rügeschreiben vom 27.10.2017 rechtzeitig reagierte. Der Antragsgegner hat der Rüge mit Schreiben vom 07.11.2017 nicht abgeholfen.
1.2.4 Der vorliegende Nachprüfungsantrag vom 22.11.2017 erfüllt auch die Anforderungen an die Formvorschrift des § 161 GWB.
2. Begründetheit des Nachprüfungsantrages
Der Nachprüfungsantrag ist hinsichtlich des Feststellungsantrags begründet
2.1 Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist wirksam.
Die im Hauptantrag beantragte Aufhebung der mit Schreiben vom 23.10.2017 mitgeteilten Aufhebungsentscheidung des Antragsgegners und die Verpflichtung, das Verfahren wieder aufzunehmen und fortzuführen, kann von der Vergabekammer nicht ausgesprochen werden, da der Antragsgegner aus Gründen des allgemeinen Vertragsrechts nicht dazu gezwungen ist, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag für eine Baumaßnahme zu erteilen, die er so nicht mehr verwirklichen will. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Antragsgegner nach den maßgeblichen Vergabevorschriften keinen Grund zur rechtmäßigen Aufhebung der Ausschreibung hat (OLG München, Beschluss vom 28.08.2012 – Az. Verg 11/12).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Bieter die Aufhebung des Vergabeverfahrens, von engen Ausnahmen abgesehen, nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in den einschlägigen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen (§ 17 Abs. 1, § 17 EG Abs. 1 VOB/A; § 17 Abs. 1, § 20 EG Abs. 1 VOL/A) aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb von vornherein rechtmäßig ist. Aus den genannten Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen folgt nicht im Gegenschluss, dass ein öffentlicher Auftraggeber gezwungen wäre, ein Vergabeverfahren mit der Zuschlagserteilung abzuschließen, wenn keiner der zur Aufhebung berechtigenden Tatbestände erfüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 5.11.2002 – X ZR 232/00). Vielmehr bleibt es der Vergabestelle grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt. Dies folgt daraus, dass die Bieter zwar einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 7 GWB), aber nicht darauf, dass er den Auftrag auch erteilt und demgemäß die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit der Erteilung des Zuschlags abschließt (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2002 – Az.: X ZR 232/00).
Ein solcher sachlicher Grund für die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens liegt bereits darin, dass der Antragsgegner das Vorhaben nicht unverändert fortführen will. Zwar besteht der grundsätzliche Beschaffungsbedarf für Rohbauarbeiten für den Neubau der M.. der T.. Fakultät weiter, jedoch beabsichtigt der Antragsgegner Änderungen am Leistungsverzeichnis, die nicht völlig untergeordnet sind. Insbesondere sind nach den Ausführungen des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung Änderungen an der ausgeschriebenen Gründung des Bauwerks vorgesehen, mit denen auf die aufgefundenen Bodenverhältnisse reagiert werden soll. Auch wenn diese Änderungen möglicherweise nicht den Umfang erreichen, bei dem eine Aufhebung nach § 17 EU Nr. 2 VOB/A gerechtfertigt wäre (ungeachtet der Frage, ob die Änderungen nicht in die Risikosphäre des Auftraggebers fallen), stellen sie doch einen sachlichen Grund da, der die Aufhebung nicht als willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt. Die Vergabestelle will den Auftrag zeitnah erneut vergeben, aber nicht unter manipulativen Umständen, sondern in einem offenen, auch der Antragstellerin erneut eröffneten Wettbewerb. Dafür, dass sich der Antragsgegner nach Abschluss dieses Nachprüfungsverfahrens anders verhalten wird, gibt es keine Anhaltspunkte.
2.2 Die Aufhebung des Nachprüfungsverfahrens war rechtswidrig Während eine von den Vergabe- und Vertragsordnungen gedeckte und somit rechtmäßige Aufhebung zur Folge hat, dass die Aufhebung keine Schadensersatzansprüche wegen eines fehlerhaften Vergabeverfahrens begründet, kann der Bieter im Falle einer nicht unter die einschlägigen Tatbestände fallenden Aufhebung auf die Feststellung antragen, dass er durch das Verfahren in seinen Rechten verletzt ist (§ 168 Abs. 2 Satz 2 GWB).
Die Aufhebung mit der Begründung, dass kein wirtschaftlich akzeptables Angebot eingegangen ist, ist im vorliegenden Fall allerdings nicht vergaberechtskonform erfolgt. Die erforderliche Ermessensentscheidung über die Aufhebung unter Heranziehung aller maßgeblichen Aspekte ist vorliegend nicht rechtskonform erfolgt bzw. zumindest nicht dokumentiert. Zudem ist der Antragsgegner bei seiner Aufhebungsentscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Angebot der Antragstellerin, das knapp 20% über die Kostenermittlung auf Auftraggebers lag, ausgeschlossen werden könne.
a) Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin war rechtswidrig.
aa) Das Angebot der Antragstellerin war nicht gem. § 16 EU Nr. 4 VOB/A wegen des am 18.09.2017 übermittelten, unzureichend ausgefüllten Formblatts 223 „Aufgliederung der Einheitspreise“ auszuschließen.
Gem. § 16 EU Nr. 4 VOB/A sind Angebote auszuschließen, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorgelegt hat.
In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (FB 211) hatte sich der Antraggegner vorbehalten, das Formblatt 223 „Aufgliederung der Einheitspreise“ auf gesondertes Verlangen ausgefüllt einreichen zu lassen. Mit Schreiben vom 12.09.2017 hatte das Büro W..+W.. das Formblatt 223 mit Fristsetzung zur Einreichung bis zum 18.09.2017 bei der Antragstellerin angefordert.
Das am 18.09.2017 rechtzeitig vorgelegte Formblatt 223 war unzureichend ausgefüllt. Die Antragstellerin hat darin in Bezug auf die Nachunternehmerleistungen die Kosten bei der jeweiligen Position in die zweite Spalte von rechts „Sonstige“ eingetragen. Die geforderte Aufgliederung der Nachunternehmerleistungen in Zeitansatz in Stunden, Löhne, Stoffe, Geräte und Sonstiges hat die Antragstellerin nicht vorgenommen. Dies entspricht nicht den Vorgaben zur Ausfüllung dieses Formblatts. Anders als die Antragstellerin vorträgt, war das Formblatt durch die Fußnote 2) auch aus sich heraus verständlich. Diese Fußnote, die sich auf die Spalten 5-9 bezieht, besagt ausdrücklich, dass bei allen Teilleistungen die Einheitspreise auch hinsichtlich dieser Spalten anzugeben sind, unabhängig davon, ob sie der Auftragnehmer oder ein Nachunternehmer erbringen wird.
Allerdings war bereits die 6-Tage-Frist nach Auffassung der Vergabekammer nicht angemessen i.S.d. § 16 EU Nr. 4 VOB/A. Wie § 15 EU Abs. 2 VOB/A zur Aufklärung sieht § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A vor, dass dem Bieter zur Beibringung von vorbehaltenen Erklärungen und Nachweisen (Unterlagen) eine angemessene Frist gesetzt wird. Ebenso wie bei § 15 Abs. 2 VOB/A reicht für das Anfordern von vorbehaltenen Unterlagen gemäß § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 in der Regel eine Frist von sechs Tagen in Anlehnung an § 16a EU Satz 2 VOB/A nicht aus. § 16a EU Satz 2 VOB/A bezieht sich auf bereits in den Vergabeunterlagen geforderte Unterlagen, die dem Angebot schon bei der Abgabe beizufügen waren. Folglich muss ein Bieter über diese Unterlagen schon bei Angebotsabgabe verfügen. Demgegenüber kann ein Bieter bei darüber hinausgehenden Unterlagen i.S.d. § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A abwarten, ob er überhaupt zu deren Vorlage aufgefordert wird, was i.d.R. vom Rang Platz des Angebots abhängt. Erst dann muss er solche Unterlagen „besorgen“ und vorlegen. Sechs Tage sind dann nicht ausreichend, wenn solche Unterlagen gegebenenfalls noch zu beschaffen sind (VK Nordbayern, Beschluss vom 27. 06. 2013, 21.VK-3194-28/13).
Welche Frist angemessen ist, muss eine Vergabestelle immer anhand der Umstände im Einzelfall ermitteln (VK Münster, Beschluss vom 21. 07. 2011, VK 9/11). Dies ist vorliegend unterblieben. Der Antragsgegner bzw. das von ihm beauftragte Büro W..+W.. haben in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sie sich bzgl. der Angemessenheit der Frist überhaupt keine Gedanken gemacht haben, da sie von einer zwingenden Frist von 6 Kalendertagen – wie bei § 16a EU S. 2 VOB/A – ausgegangen sind. Sie haben daher auch nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin im vorliegenden Fall mehrere Firmen hat auffordern müssen, ihrerseits ihre Kalkulation offenzulegen. Für die Nachunternehmer blieben dabei weniger als sechs Tage, weil innerhalb der von dem Antragsgegner gesetzten Frist auch noch die Antragstellerin tätig werden musste (Herantreten an die Nachunternehmer, Verarbeiten der von den Nachunternehmern gelieferten Ergebnisse). Der Antragsgegner hat zudem eine Aufgliederung aller Einheitspreise gefordert, also von 960 Positionen, was nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin zu erheblichem Aufwand führt. Dagegen spricht auch nicht entscheidend, dass die Antragstellerin in der Lage war das Formblatt – allerdings ohne die geforderte Aufteilung hinsichtlich der Nachunternehmer – innerhalb der gesetzten Frist per E-Mail beim Antragsgegner einzureichen und nach der Aufforderung in der E-Mail des Büro W..+W.. vom 22.09.2017 (Freitag, 13.15 Uhr) die Einheitspreisaufteilung auf die geforderten, bisher nicht ausgefüllten, Spalten innerhalb eines Arbeitstages (E-Mail vom 25.09.2017, 11.04 Uhr) übermitteln konnte.
In der vorliegenden atypischen Konstellation ist die nicht angemessene Fristsetzung auch zu berücksichtigen, obwohl die Antragstellerin diese nicht innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gegenüber der Vergabestelle gerügt hat. Die Annahme einer Rügeverpflichtung nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB scheidet hier aus, da das für den Antragsgegner handelnde Büro von sich aus während der noch laufenden Rügefrist die Frist zur vollständigen Abgabe des Formblattes 223 verlängert hat. In einem solchen Fall ist die – ansonsten erforderliche – Rüge entbehrlich, da es ein Auftraggeber sonst in der Hand hätte, nach Ablauf einer zuvor gesetzten Frist, einfach Fristen zu verlängern, um den Anschein einer Fristverlängerung zu erwecken, um sich dann später, nach Ablauf der 10-tägigen Rügefrist, auf den Ausschlussgrund von § 16 EU Nr. 4 VOB/A zu stützen. Dieser Ausschlusstatbestand des § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A ist daher nicht erfüllt, da der Antragsteller auf die E-Mail vom 22.09.2017 hin das Formblatt rechtzeitig und vollständig ausgefüllt eingereicht hat.
Hinzu kommt, dass vorliegend sehr zweifelhaft ist, ob wegen des zunächst unzureichend ausgefüllten eingereichten Formblatts 223 überhaupt ein Ausschluss hätte erfolgen dürfen, da der Antragsgegner im vorliegenden Fall überhaupt keine Preisprüfung vorgenommen hat und das Formblatt beim weiteren Vorgehen überhaupt keine Rolle gespielt hat.
Eintragungen im Formblatt 223 sind nach der Rechtsprechung (OLG Koblenz, Beschluss vom 19.01.2015, Verg 6/14) keine Preisangaben im Sinne des § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, so dass § 16 EU Nr. 3 VOB/A nicht einschlägig ist. Sie werden nicht Vertragsbestandteil, weil im Vertrag nur die (Einheits-)Preise, nicht aber deren einzelne Elemente oder die Art ihres Zustandekommens vereinbart werden. Die Angaben in den Formblättern sind vielmehr ein Instrument zur Preisprüfung nach § 16d EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A. Sie haben somit ausschließlich den Zweck, dem Auftraggeber zu ermöglichen, auffällig erscheinende Angebotspreise auf Angemessenheit einer ersten Prüfung zu unterziehen und, falls erforderlich, eine gezielte Aufklärung vorzunehmen. Demgegenüber ist für die Berechnung von Nachträgen (oder einer Mehrvergütung wegen verzögerter Vergabe) die Urkalkulation als bis zum Bedarfsfall geheim zu haltende Preisermittlung von Bedeutung; das Formblatt 223 wird mit Abschluss der Angebotswertung bedeutungslos. Jedenfalls dann, wenn wie hier die Preisblätter nicht bereits (vorsorglich) mit dem Angebot vorzulegen sind, darf der Auftraggeber diese nicht allein deshalb anfordern, weil er sich dies vorbehalten hat oder dies in einem Vergabehandbuch oder einer Dienstanweisung so geschrieben steht (OLG Koblenz, a.a.O.). Vielmehr braucht er dafür einen Grund im Sinne des § 16d EG Abs. 1 VOB/A, bzw. zumindest eines Aufklärungsbedarfs, was hier aber sehr zweifelhaft ist.
Das Angebot der Antragstellerin lag knapp 20% über der Kostenermittlung des Auftraggebers und wurde vom Auftraggeber nach seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung weder als unangemessen hoch noch als ungewöhnlich niedrig angesehen. Die Angebotsaufklärung nach § 16d EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A betrifft nach dem Wortlaut und nach richtlinienkonformer Auslegung im Lichte des Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU nur ungewöhnlich niedrige Angebote. Ob ein vergleichbares Aufklärungsinteresse auf der Rechtsgrundlage des § 15 EU Abs. 1 VOB/A bestehen kann, wenn ein ungewöhnlich hohes Angebot vorliegt, kann hier offen bleiben, da schlichtweg keine Preisprüfung erfolgt ist. In der mündlichen Verhandlung erklärten die W..+W.. Architekten, dass das Formblatt 223 auf Plausibilität geprüft wurde und mit anderen Angeboten verglichen worden sei. Eine weitere Prüfung sei nicht erfolgt. Der Antragsgegner erläuterte, dass aufgrund der Aufhebungsentscheidung keine weitere Prüfung des angeforderten Formblattes mehr erfolgt sei.
Da das Formblatt 223 vorliegend nicht für eine Preisprüfung erforderlich war, kann der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nicht mit der anfänglich unzureichenden Ausfüllung des Formblatts begründet werden.
bb) Das Angebot der Antragstellerin war auch nicht – jedenfalls nicht ohne vorherige Aufklärung – wegen der Eintragungen im Formblatt 235 „Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen“ auszuschließen.
Ein Ausschluss nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A scheidet von vorneherein aus, da die Formblätter 235 und 236 rechtzeitig ausgefüllt vorgelegt und lediglich inhaltliche Unklarheiten aufwiesen.
Das Angebot der Antragstellerin ist aber auch nicht – jedenfalls nicht ohne vorherige Aufklärung – wegen der inhaltliche Unklarheiten wegen der „zBsp.“-Angaben und den Mehrfachnennungen auszuschließen.
Angebote mit inhaltlichen Unklarheiten sind zunächst als Willenserklärungen gem. § 133, 157 BGB auszulegen und falls die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, aufzuklären. Bereits nach einer Aufklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont einer verständigen Vergabestelle liegt hier nahe, dass die Antragstellerin dasjenige der im Formblatt 235 mit „zBsp.“ genannten Unternehmen als Nachunternehmer benennen will, für das sie eine Verpflichtungserklärung auf dem Formblatt 236 vorgelegt hat, das gilt insbesondere für die Positionen, zu denen die Antragstellerin mit „zBsp.“ nur ein Unternehmen genannt hat.
Soweit wegen der Mehrfachnennungen und den „zBsp.“-Angaben noch Unklarheiten über die Identität, der tatsächlich vorgesehenen Nachunternehmer verbleiben, hätte das Angebot der Antragstellerin vor einem Ausschluss aufgeklärt werden müssen.
Nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A darf sich der Auftraggeber bis zur Auftragserteilung bei einem Bieterunternehmen jederzeit Aufklärung über die Eignung, insbesondere die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst sowie über die geplante Art der Durchführung verschaffen. Freilich sind in offenen und nicht offenen Verfahren Verhandlungen über das Angebot unstatthaft (wegen des sog. Nachverhandlungsverbots, § 15 EU Abs. 3 VOB) – womit das innerhalb der Angebotsabgabefrist eingereichte Angebot gemeint ist, das nicht abgeändert werden darf. Gemäß der Intention der VOB/A-EU, Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden, darf der öffentliche Auftraggeber Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel wegen widersprüchlicher Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich „ausschlusswürdig“ sind, nicht ohne Weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne das von einem Ausschluss bedrohte Bieterunternehmen zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015, Verg 35/15).
Soweit die Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung erklären sollte, dass sie die im Formblatt 235 mit „zBsp.“ genannten Nachunternehmer; von denen sie auch eine Verpflichtungserklärung auf dem Formblatt 236 vorgelegt hat, im Auftragsfalle tatsächlich beauftragen wird, wäre ihr Angebot als wertbar anzusehen.
Die Antragstellerin hat zudem den Hintergrund der unklaren Angaben nachvollziehbar erläutert. In der mündlichen Verhandlung teilte die Antragstellerin auf die Frage, was Hintergrund für die „zum Beispiel-Angaben“ in Bezug auf die Nachunternehmer gewesen sei, mit, dass immer Unklarheiten bestünden, ob der vorgesehene Nachunternehmer auch tatsächlich eingesetzt werden könne. Die Verpflichtungserklärungen hätten erst von den Nachunternehmern angefordert werden müssen. Die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer, die zuerst übersandt worden wären, seien an den Auftraggeber weitergeleitet worden. Diese Begründung ist plausibel, realitätsnah und nicht zu beanstanden.
Da zu jeder Oz./Pos. auch von einem der benannten Unternehmen eine Verpflichtungserklärung abgegeben wurde, fehlten auch keine Unterlagen, was zum Ausschluss nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A führen würde.
Die irrtümliche Abgabe einer Verpflichtungserklärung auf dem Formblatt 236 für einen im Formblatt 235 nicht als Nachunternehmer genannten Lieferanten ist unschädlich, soweit die Antragstellerin das genannte Unternehmen nachträglich nicht doch als Unterauftragnehmer einsetzen möchte (was eine unzulässige Änderung des Angebots darstellen würde). Auch diese Unklarheit hätte vor einem Ausschluss des Angebots der Antragstellerin aufgeklärt werden müssen.
cc) Die Aufhebung der Ausschreibung nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A stellt sich schon deshalb als rechtswidrig dar, weil der Auftraggeber davon ausgegangen ist, dass das Angebot der Antragstellerin auszuschließen wäre. Der Auftraggeber ist daher bei der zu treffenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Interessenabwägung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001, X ZR 150/99) über die Aufhebung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, da er meinte, nur wertbare Angebote zu haben, die zu 45% und mehr über seiner Kostenermittlung lagen. Der Auftraggeber hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er von einer Aufhebung möglicherweise Abstand genommen hätte, wenn er das Angebot der Antragstellerin als wertbar angesehen hätte.
Die Aufhebungsentscheidung ist allerdings auch aus anderen Gründen nicht von den Aufhebungsgründen der VOB/A EU gedeckt.
Gem. § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A kann die Aufhebung eines Vergabeverfahrens auch aus „anderen schwerwiegenden Gründen“ erfolgen. Es kann einen schwerwiegenden Grund zur Aufhebung darstellen, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen. Wann ein vertretbar geschätzter Auftragswert so „deutlich“ überschritten ist, dass eine sanktionslose Aufhebung der Ausschreibung nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A gerechtfertigt ist, lässt sich nicht durch allgemeinverbindliche Werte nach Höhe oder Prozentsätzen festlegen. Vielmehr ist eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001, X ZR 150/99).
Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung weit jenseits einer vertretbaren Schätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in solchen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt sein müssen, dass andererseits das Institut der Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instrument zur Korrektur der in öffentlichen Ausschreibungen bzw. offenen Verfahren erzielten Submissionsergebnisse geraten darf. (BGH, Urteil vom 8. September 1998 X ZR 99/96, BGHZ 139, 280).
Da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, sind an die Prüfung, ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, besonders strenge Anforderungen zu stellen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2006, VII-Verg 54/06; OLG München, Beschluss vom 27.01.2006, Verg 1/06; BayObLG, 17.02.2005, Verg 27/04). Die Gründe müssen so schwer wiegen, dass die übrigen Teilnehmer vom Ausschreibenden nicht länger erwarten können, an den Inhalt der Ausschreibung gebunden zu sein. Sie müssen in ihren Auswirkungen auf das Vergabeverfahren den Konstellationen entsprechen, die von § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 und 2 VOB/A erfasst werden und sind rein objektiv zu bestimmen. Die Beurteilung der Auswirkungen auf das Vergabeverfahren hat auch eine Interessenabwägung anhand der maßgeblichen Interessen im Einzelfall und unter Berücksichtigung des Stadiums des Vergabeverfahrens einzuschließen (Herrmann in Ziekow/Völlink § 17 VOB/A Rn. 10).
Die 2. Aufhebung der Ausschreibung wurde lediglich damit begründet, dass „das Angebot des Erstbieters Firma Zechbau gem. § 16 EU Nr. 4 VOB/A auszuschließen ist und die Aufhebung gem. § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A erfolgt, da kein wirtschaftlich akzeptables Angebot eingegangen ist.“ Weitere Gründe für die Aufhebung sind in der Vergabeakte nicht dokumentiert. Dies genügt nicht für die vom BGH geforderte Vornahme einer Interessenabwägung die alle Umstände des Einzelfalls mit einbezieht.
Die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenermittlung der Vergabestelle muss aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheinen und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen (BGH, Urteil vom 20.11.2012, Az. X ZR 108/10; Urteil vom 08.09.1998, Az. X ZR 99/96). Für die Schätzung muss die Vergabestelle oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte Fachmann Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.
Die Gegenstände der Schätzung und der ausgeschriebenen Maßnahme müssen deckungsgleich sein. Maßgeblich dafür sind im Ausgangspunkt die Positionen des Leistungsverzeichnisses, das der konkret durchgeführten Ausschreibung zugrunde liegt. Das Ergebnis der Schätzung ist verwertbar, soweit sie mit diesem Leistungsverzeichnis übereinstimmt. Es ist gegebenenfalls anzupassen, soweit die der Schätzung zugrunde gelegten Preise oder Preisbemessungsfaktoren im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens nicht mehr aktuell waren und sich nicht unerheblich verändert hatten.
Ohne dass dies hier abschließend entschieden werden muss oder nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand entschieden werden könnte, spricht viel dafür, dass die Kostenermittlung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Der Antragsgegner hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Kostenschätzung aus dem November 2016 stamme und das bepreiste Leistungsverzeichnis vom 28.06.2017 sei. Bei einigen Positionen sei ein 10%iger Zuschlag erfolgt z. B. beim Stahlpreis. Es darf sehr bezweifelt werden, ob angesichts der Preisentwicklung im Bausektor im Jahr 2017 ein solches Vorgehen zu einer realistischen Kostenermittlung führt. In diesem Zusammenhang ist auf § 1 EU VOB/A i.V.m. § 3 Abs. 3 VgV hinzuweisen, wonach maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswerts der Tag ist, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet wird oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet wird.
Hinzu kommt noch, dass in der Vergabedokumentation (§ 20 EU VOB/A i.V.m. § 8 VgV) nichts zur Herkunft der Preise aus der Kostenermittlung enthalten ist, die der Vergabekammer mit Schreiben vom 17.01.2018 vorgelegt wurde. Lediglich auf Anfrage in er mündlichen Verhandlung teilte der Antragsgegner mit, dass die Preisermittlung teilweise aus Richtpreisangeboten von 2016 bei wichtigen Positionen stamme und teilweise aus Erfahrungswerten des beauftragten Büros aus anderen Vorhaben. Dies genügt im Streitfall nicht den Anforderungen an die Dokumentation einer vertretbaren Auftragswertermittlung (vgl. dazu Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 22.08.2017, Z3-3-3194-1-16-04/17).
dd) Die Antragstellerin wurde daher durch die nicht von den Aufhebungsgründen des § 17 EG VOB/A gedeckte Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt und hat ein Interesse an der Feststellung dieser Rechtswidrigkeit.
4. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1, 5 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies sind hier sowohl der Antragsgegner als auch die Antragstellerin, da letztgenannte mit ihrem Hauptantrag nicht durchgedrungen ist.
Der Antragsgegner und die Antragstellerin unterliegen je zur Hälfte. In dieser Höhe hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann. Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die Gebühr wird vorliegend auf …,00 € festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.
Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S.2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr.2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen aller Beteiligter beruht auf § 182 Abs. 4 GWB.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.1 und 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S.3, Abs. 3 S.2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung auf Seiten der Antragstellerin war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte war die Antragstellerin hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen.


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