Baurecht

Aufschiebende Wirkung einer Nachbarklage gegen den Widerruf nachträglicher Anordnungen nach § 17 BImSchG, Anwendbarkeit von § 63 BImSchG, Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit

Aktenzeichen  B 9 S 21.538

Datum:
11.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45999
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80
VwGO § 80a
BImSchG § 17
BImSchG § 63
BayVwVfG Art. 49

 

Leitsatz

Tenor

1. Die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides des Landratsamtes … vom 8. Februar 2019 (Az. …*) wird angeordnet, soweit darin die nachträgliche Anordnung vom 23. Januar 2018 hinsichtlich der Anordnung eines gedrosselten Betriebes der fünf Windenergieanlagen mit maximal 9,7 Umdrehungen pro Minute während der Tagzeit (06.00 bis 22.00 Uhr) widerrufen wird.
Die unter Ziff. I. Satz 2 und Ziff. II. des Bescheids des Landratsamtes … vom 29. März 2021 angeordneten Sicherungsmaßnahmen werden insoweit aufgehoben, als sie sich auf den Betrieb der fünf Windenergieanlagen zur Tagzeit (06.00 bis 22.00 Uhr) beziehen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin 2/3, der Antragsgegner 1/3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt zu 2/3 die Antragstellerin, im Übrigen trägt sie die Beigeladene selbst.
3. Der Streitwert wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes die Feststellung, dass die Klage der Beigeladenen gegen den Widerruf nachträglicher Anordnungen für den Betrieb von Windkraftanlagen der Antragstellerin keine aufschiebende Wirkung hat sowie die Aufhebung entsprechender Sicherungsmaßnahmen. Hilfsweise erstrebt sie die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit dieses Widerrufes insgesamt bzw. nur für den Betrieb der Windkraftanlagen zur Tagzeit sowie die Aufhebung entsprechender Sicherungsmaßnahmen.
Das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) hatte der Antragstellerin mit Bescheid vom 30. Januar 2015 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Windparks mit fünf Windenergieanlagen auf den Grundstücken FlNrn. aa und bbb der Gemarkung M* … (Stadt N* …*), auf der FlNr. cc der Gemarkung P* … (Stadt N* …*) und den FlNrn. ddd und eee der Gemarkung Z* … (Gemeinde S* …*) erteilt. Mit Bescheiden vom 26. März 2015 und 7. Dezember 2015 wurde dieser Genehmigungsbescheid jeweils geändert. In der nunmehr für die streitgegenständlichen Windkraftanlagen geltenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sind zum Lärmschutz folgende Nebenbestimmungen enthalten:
3.2 Lärmschutz
3.2.1 Das Schallgutachten der T* … GmbH, Bericht Nr. … vom 16.09.2014 ist Bestandteil der Genehmigung.
3.2.2 Für die Beurteilung der von den Windkraftanlagen ausgehenden Lärmimmissionen gelten die Bestimmungen der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) vom 26.08.1998.
3.2.3 Der Beurteilungspegel der von den Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche darf an den nächstgelegenen Immissionsorten nachts folgende Immissionsrichtwertanteile (IRWA) nicht überschreiten:
Immissionsorte Gebietseinstufung IRWA(dB(A))
IO A …, S* … MD/MI 41
IO B … …, M* … MD/MI 43
IO C …, P* … MD/MI 39
IO D …, S* … MD/MI 38
IO E …, S* … MD/MI 42
IO F …, S* … MD/MI 42
IO G …, S* … MD/MI 43
IO H …, B* … MD/MI 37
IO I …, U* … MD/MI 37
IO J Wohngebiet in Fe* … WA 29
IO K …, G* … WA 29
IO L …, S* … WA 29
IO M Wohngebiet in Fü* … WA 32
IO N …, S* … MD/MI 39
IO O …, S* … MD/MI 39
IO P …, S* … MD/MI 39
Die Nachtzeit beträgt 8 Stunden. Sie beginnt um 22.00 Uhr und endet um 6.00 Uhr des Folgetages. Maßgebend für die Beurteilung in der Nacht ist die volle Stunde (z.B. 1.00 Uhr bis 2.00 Uhr) mit höchstem Beurteilungspegel.
Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen den unverminderten Immissionsrichtwert nachts um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.
Bei den IRWA handelt es sich um Beurteilungspegel inklusive eines Sicherheitszuschlages von 2 dB im Sinne der oberen Vertrauensbereichsgrenze.
Bei jeder Berechnung/Messung ist auch eine Angabe zur Qualität der Messung/Berechnung vorzulegen
3.2.4 Die Betriebszustände der WEA sind automatisch zu dokumentieren. Es sind geeignete Betriebsparameter wie Datum, Uhrzeit, elektr. Leistung, Umdrehungen/min etc. aufzuzeichnen. Über alle Inspektions- und Wartungsarbeiten sind schriftliche Aufzeichnungen zu führen.
Die Daten sind mindestens 2 Jahre aufzubewahren und dem Landratsamt … auf Verlangen vorzulegen.
3.2.5 Die von den WEA ausgehenden Geräusche dürfen weder ton- noch impulshaltig sein.
3.2.6 Die von den WEA ausgehenden tieffrequenten Geräusche, d.h. Geräusche, die vorherrschende Energieanteile im Frequenzbereich unter 90 Hz besitzen, dürfen in den am stärksten betroffenen Aufenthaltsräumen der maßgeblichen Immissionsorte bei geschlossenen Fenstern und Türen keine Einzeltöne hervorrufen, die die Anhaltswerte der DIN 45680 in der jeweils aktuellen Fassung überschreiten.
3.2.7 Körperschallabstrahlende Aggregate (z.B. Getriebe, Generator) sind mittels elastischer Elemente vom Aufstellungsraum zu entkoppeln, um Körperschallabstrahlungen zu vermeiden.
3.2.8 Lärmrelevante Anlagenteile sind dem Stand der Lärmschutztechnik entsprechend zu errichten, betreiben und regelmäßig zu warten. Den Anweisungen des Herstellers ist Folge zu leisten.
3.2.9 Verschleißbedingte Geräuscherhöhungen sind umgehend zu beheben, sowie erforderliche Reparaturen umgehend auszuführen.
3.2.10 Spätestens 1 Jahr nach Inbetriebnahme der WEA ist durch Messung einer zugelassenen Messstelle nach § 26 BImSchG die Einhaltung der Schallleistungspegel bei Betrieb mit Nennleistung (106,0 dB(A)) nachzuweisen. Es ist auch nachzuweisen, dass die Geräusche der WEA nicht ton- und impulshaltig sind.
Auf Anforderung durch das Landratsamt sind auch die Einhaltung der Immissionsrichtwertanteile und die Anforderungen an tieffrequente Geräusche messtechnisch an ausgewiesenen Immissionsorten nachzuweisen.
Die Messungen sind entsprechend der DIN EN 61400-11 (in der jeweils aktuellen Fassung) durchzuführen. Ein Messabschlag von 3 dB(A) gemäß Nr. 6.9 der TA Lärm ist nicht zulässig. Messberichte sind dem Landratsamt … unaufgefordert vorzulegen, wenn der Anlagentyp noch nicht 3-fach vermessen wurde.
3.2.11 Vor Inbetriebnahme der WEA ist dem Landratsamt … durch eine Bestätigung des Herstellers nachzuweisen, dass die errichteten Anlagen in ihren wesentlichen Elementen und in ihrer Steuerung den genehmigten Planunterlagen entsprechen.
Nach Errichtung und Inbetriebnahme der Windkraftanlagen forderte das Landratsamt die Antragstellerin aufgrund von Anwohnerbeschwerden und den Ergebnissen eigener Messungen auf, ein Schallemissions- bzw. -immissionsgutachten vorzulegen. In ihrem Schallimmissionsgutachten vom 30. November 2016 kam die von der Antragstellerin beauftragte W. GmbH zu dem Ergebnis, dass die in Ziffer 3.2.3 des Genehmigungsbescheides festgelegten Immissionsrichtwertanteile zur Nachtzeit an zwölf der 16 Immissionsorte (darunter auch die Immissionsorte A, N, O und P) überschritten seien. Zudem ergebe sich an drei Immissionsorten (u.a. am Immissionsort A) auch eine Überschreitung des Richtwerts für die Nachtzeit nach Nr. 6.1 der sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz – Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm).
Das Landratsamt erließ daraufhin mit Bescheid vom 8. Dezember 2016 eine auf § 17 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) gestützte nachträgliche Anordnung, mit der für die streitgegenständlichen Windkraftanlagen in der Zeit von 22.00 bis 06.00 Uhr ein Betrieb nurmehr mit maximal 9,7 Umdrehungen pro Minute zugelassen (Ziffer I. des Bescheides) und die sofortige Vollziehung dieser Verpflichtung angeordnet wurde (Ziffer III. des Bescheides).
Bei den streitgegenständlichen Windkraftanlagen seien nach deren Errichtung aufgrund zahlreicher Nachbarbeschwerden eigene Wahrnehmungen und Messungen durch das Landratsamt gemacht worden. Das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten habe den Verdacht einer Überschreitung der festgesetzten Immissionsrichtwerte bestätigt. An zwölf von 16 Immissionsorten werde das genehmigte Schallkontingent in einem Umfang von 1 dB bis 7 dB überschritten. Zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sei daher ein Einschreiten geboten gewesen. Die Verpflichtung zu einem gedrosselten Betrieb sei verhältnismäßig. Mit dem Überschreiten der Immissionsrichtwertanteile liege ein Verstoß gegen die Genehmigung vor. Durch den gedrosselten Betrieb werde eine Reduzierung des Schallleistungspegels um ca. 6 dB erwartet. Damit werde die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsvorgaben gewährleistet. Der Betrieb werde aber nur teilweise, insbesondere nur zur Nachtzeit beschränkt, der technische Aufwand hierfür sei gering. Wirtschaftliche Einbußen aus dem reduzierten Betrieb seien im Hinblick auf den Gesundheitsschutz hinzunehmen. Eine atypische Sachlage, die ein Absehen von einem Einschreiten trotz der gutachterlich nachgewiesenen Richtwertüberschreitungen rechtfertigen würde, sei nicht erkennbar.
Mit Schriftsatz vom 4. Januar 2017 erhob die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth Klage gegen den Bescheid vom 8. Dezember 2016 (B 2 K 17.8). Mit Beschluss vom 24. Januar 2017 wurde im Verfahren B 2 K 17.8 auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Die Antragstellerin nahm im März 2017 zunächst eine Parameter-Änderung an den streitgegenständlichen Windkraftanlagen vor, um die Schallemissionen zu mindern, indem der Betrieb im Bereich der kritischen Drehzahlen vermieden bzw. eingeschränkt werden sollte. In einem weiteren Schallimmissionsgutachten vom 24. Mai 2017 kam die W. GmbH aufgrund erneuter Messungen zu dem Ergebnis, dass der Windpark nur in Einzel- oder Ausnahmefällen tonal auffällig erscheine, dies sei in keiner Windklasse als Dauerzustand anzusehen. Es sei daher zu prüfen, ob nach dem Stand der Technik Möglichkeiten zur Verbesserung der Immissionssituation bestünden. Insgesamt werde das genehmigte Schallimmissionskontingent für den Nachtzeitraum und die entsprechenden Richtwerte der TA Lärm eingehalten. Lediglich am Immissionsort A betrage die Richtwertüberschreitung aufgrund der Vorbelastung gerundet weniger als 1 dB, dies sei nach Nr. 3.2.1 TA Lärm jedoch zulässig.
Die Antragstellerin entschied sich danach dazu, bei den streitgegenständlichen Windkraftanlagen sogenannte aktive Tilger zu installieren, durch die eine Reduktion der Getriebeschwingungen erreicht werden sollte. Nach Installation und Feinjustierung entsprechender Tilger zunächst an der Windenergieanlage 2 (WEA 2) führte die W. GmbH am 23. Oktober 2017 und 13. Dezember 2017 erneut Messungen durch. In zwei Entwürfen zu Berichten zu diesen Messungen ist ausgeführt, dass bei eingeschalteten Tilgern an der WEA 2 und Abschaltung aller anderen Anlagen des Windparks subjektiv Tonhaltigkeiten wahrzunehmen gewesen seien; ein Vergleich mit dem Betrieb mit ausgeschalteten Tilgern habe dieses Ergebnis bestätigt. Die aufgezeichneten Geräuschspektren zeigten bei den kritischen Drehzahlbereichen ein Schwanken der Töne über mehrere Frequenzen. Auch bei der Messung am 13. Dezember 2017 seien bei Betrieb der WEA 2 mit eingeschalteten Tilgern und Abschaltung der anderen Anlagen des Windparks subjektiv Tonhaltigkeiten festzustellen gewesen. Die aufgezeichneten Geräuschspektren zeigten bei den kritischen Drehzahlbereichen ebenso ein Schwanken der Töne über mehrere Frequenzen. In der überarbeiteten Stellungnahme der W. GmbH vom 17. Januar 2018 wird ergänzend ausgeführt, die objektiven Messungen hätten den subjektiven Eindruck hinsichtlich der Tonhaltigkeit bestätigt. Dementsprechend sei ein Zuschlag von 3 dB wegen Tonhaltigkeit anzusetzen.
Mit weiterem Bescheid vom 23. Januar 2018 erließ das Landratsamt erneut eine auf § 17 BImSchG gestützte Anordnung. Danach wurde der Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlagen auch für die Tagzeit (06.00 bis 22.00 Uhr) auf maximal 9,7 Umdrehungen pro Minute begrenzt (Ziffer I. des Bescheides) und die sofortige Vollziehung dieser Verpflichtung angeordnet (Ziffer III. des Bescheides). Zudem wurde die Antragstellerin aufgefordert, dem Landratsamt das noch ausstehende Schallemissions- bzw. -immissionsgutachten bis zum 28. Februar 2018 vorzulegen. Für den Fall, dass die Antragstellerin dem nicht nachkomme, werde die Stilllegung des Windparks angedroht (Ziffer IV. des Bescheides). Außerdem wurde die Antragstellerin verpflichtet, bis spätestens 28. Februar 2018 das auftretende Zusatzgeräusch an der WEA 1, das zeitweise Quietschen der WEA 3, die defekte Befeuerung an der WEA 3 sowie die teilweise fehlende Beschriftung an der WEA 1 und der WEA 3 zu beheben und dies dem Landratsamt jeweils anzuzeigen (Ziffer V. des Bescheides).
Aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass die von den streitgegenständlichen Windkraftanlagen verursachten Schallimmissionen tonhaltig seien. Dies bekräftige die Notwendigkeit einer weiteren Begutachtung, da nach wie vor unklar sei, ob die Immissionsrichtwertanteile nunmehr eingehalten würden. Mittlerweile seien zudem neue Geräusche aufgetreten und es habe massive Nachbarbeschwerden gegeben, nach denen die Lärmbelästigung schlimmer sei als vor den von der Antragstellerin durchgeführten Maßnahmen. Nach den Nebenbestimmungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dürften die von den Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche weder ton- noch impulshaltig sein. Dies sei hier aber der Fall, so dass schädliche Umwelteinwirkungen vorlägen, die zu erheblichen Belästigungen der Anlieger führten. Die Verpflichtung zum gedrosselten Betrieb der Windkraftanlagen auch tagsüber sei verhältnismäßig. Durch die bisher nicht abschließend nachgewiesene Einhaltung der Immissionsrichtwertanteile und die Tonhaltigkeit der Geräusche liege bereits ein Verstoß gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vor, dessen Beseitigung einen legitimen Zweck darstelle. Durch den gedrosselten Betrieb werde eine Reduzierung des Schallleistungspegels um ca. 6 dB erwartet. Dadurch werde auch die erhöhte Lästigkeit tonhaltiger Geräusche ausreichend berücksichtigt. Eine Reduzierung des Schallleistungspegels in dieser Größenordnung sei angesichts des noch nicht vorgelegten Gutachtens und der damit bislang nicht nachgewiesenen Einhaltung der Immissionsrichtwertanteile im Hinblick auf den Vorsorgegrundsatz nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erforderlich. Dies gelte umso mehr, als bei der WEA 1 nun ein Zusatzgeräusch und bei der WEA 3 ein Quietschen aufgetreten seien. Ein milderes Mittel stehe nicht zur Verfügung. Die über die Anordnung vom 8. Dezember 2016 hinausgehende Drosselung auch zur Tagzeit resultiere insbesondere aus der Tonhaltigkeit der Geräusche. Der Betrieb werde aber nur teilweise beschränkt und nicht vollständig untersagt. Wirtschaftliche Einbußen aus dem reduzierten Betrieb seien im Hinblick auf den Gesundheitsschutz hinzunehmen. Eine atypische Sachlage, die ein Absehen von einem Einschreiten trotz der gutachterlich nachgewiesenen Richtwertüberschreitungen rechtfertigen würde, sei nicht erkennbar. Vielmehr verstoße der Betrieb der Windkraftanlagen wegen der Tonhaltigkeit der Geräusche gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und die Einhaltung der in der Genehmigung festgesetzten Immissionsrichtwertanteile sei nicht nachgewiesen.
Die Antragstellerin erhob mit Schriftsatz vom 20. Februar 2018 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth Klage gegen den Bescheid vom 23. Januar 2018 (B 2 K 18.180). Mit Beschluss vom 27. März 2018 wurde im Verfahren B 2 K 18.180 auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Die Antragstellerin übersandte dem Landratsamt mit E-Mail vom 11. Juli 2018 einen Messbericht der W. GmbH vom 9. Juli 2018 und eine ergänzende Stellungnahme des Herstellers der streitgegenständlichen Windkraftanlagen vom 10. Juli 2018. Daraus ergab sich insbesondere, dass die tonalen Auffälligkeiten von den WEA 1, 2 und 3 erzeugt würden, nicht aber von den WEA 4 und 5. Aufgrund des an den beiden Immissionspunkten eingeholten subjektiven Höreindrucks und den zeitweise deutlich wahrnehmbaren tonalen Auffälligkeiten sei ein Tonhaltigkeitszuschlag von 3 dB zu vergeben. Durch subjektive und objektive Tonhaltigkeitsanalysen habe sich eine Abhängigkeit zwischen Anlagendrehzahl und tonaler Ausgeprägtheit erkennen lassen. Im Generatordrehzahlbereich zwischen 1.550 und 1.700 U/min seien die Anlagen tonal auffällig gewesen. Die Messungen hätten den subjektiven Höreindruck bestätigt. Alle streitgegenständlichen Anlagen seien mit einem aktiven Tilgersystem bestückt worden. Für die WEA 2 habe eine Messung die Tonhaltigkeitsfreiheit bestätigt. Die verbliebene Tonhaltigkeit sei der WEA 1 zuzuordnen und der noch nicht erfolgten Feinjustierung des Tilgers zuzuschreiben. Es werde die Fortführung des Betriebes im Betriebsmodus „NRO102“ vorgeschlagen, da die Anlagen in den Betriebsmodi „NRO100“, „NRO101“ und „NRO102“ mit niedrigen Drehzahlen und daher tonhaltigkeitsfrei liefen. Die Justierung der Tilger an der WEA 1 werde mit Hochdruck betrieben.
Mit E-Mail vom 21. Januar 2019 legte die Antragstellerin dem Landratsamt die Endfassung des schalltechnischen Berichts der K. GmbH & Co. KG vom 18. Januar 2019 vor. Darin ist im Wesentlichen ausgeführt, die Schallimmissionen der streitgegenständlichen Windkraftanlagen seien im Auftrag von deren Hersteller in der Nacht vom 19. auf den 20. November 2018 im Betriebsmodus „NO“ gemessen worden. Schallmesspunkt sei dabei ein Ersatzimmissionsort (EIO) in westlicher Richtung des Windparks bzw. nordwestlich der Ortschaft Z* … gewesen. Die Messung am EIO sei vom 19. November 2018, 18.35 Uhr bis 20. November 0.02 Uhr durchgeführt worden. Ein zweiter Ersatzimmissionsort (EIO-B) sei aufgrund von Anwohnerbeschwerden nahe des Immissionsortes IO-B „…, M* …“ in Querwindsituation gewählt worden. Auf Basis der schalltechnischen Untersuchungen am Ersatzimmissionsort EIO, der Durchführung einer Übersichtsmessung in Querwindrichtung am EIO-B und der Aufnahme von subjektiven Höreindrücken an dem benachbarten Immissionsort IO-B lägen keine relevante Tonhaltigkeit und Impulshaltigkeit i.S.d. TA Lärm vor. In den untersuchten Windgeschwindigkeitsbereichen seien die Geräusche rechnerisch nicht tonhaltig gewesen. Im Nahfeld sei subjektiv ein leichtes Brummen bei WEA 2 und WEA 4 feststellbar gewesen, welches am EIO und am EIO-B nicht mehr oder nur sehr schwach zu hören gewesen sei. Zeitweise seien „schlagende Geräusche“ ausgehend von den Rotorblättern der Windkraftanlagen wahrnehmbar gewesen. Aufgrund der geringen Entfernung und des erwartungsgemäß größten Einflusses auf die Geräuschsituation am Ersatzimmissionsort sei für die Auswertung der Übersichtsmessungen am EIO-B die WEA 1 als Referenzanlage gewählt worden. Die tonalen Geräuschanteile seien in Abhängigkeit von Drehzahl der Anlagen bzw. Windgeschwindigkeit unterschiedlich hervorgetreten. Sie seien zwar wahrnehmbar gewesen, unter Berücksichtigung der Dauer ihres Auftretens und ihrer Intensität i.S.d. der TA Lärm aber nicht zuschlagpflichtig. Eine Impulshaltigkeit sei nicht festzustellen gewesen.
Im Rahmen der schalltechnischen Untersuchung und auf Grundlage der bereits von der T* … GmbH durchgeführten Schallimmissionsprognose vom 16. September 2014, die Grundlage des Genehmigungsbescheides war, sei eine weitere Schallimmissionsprognose für den Ersatzimmissionsort vom 21. Dezember 2018 durch die T* … GmbH erstellt worden. Diese habe für den Betriebsmodus „NO“ eine Zusatzbelastung von 39,75 dB(A) für den Ersatzimmissionsort ergeben. Grundlage hierfür sei der vom Anlagenhersteller garantierte maximale Schallleistungspegel der Anlagen von 106,0 dB(A) ohne Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlages gewesen. Zwischen dem so prognostizierten Schallimmissionspegel am Ersatzimmissionsort von 39,75 dB(A) und dem tatsächlich gemessenen von 40,0 dB(A) ergebe sich somit eine Differenz von 0,25 dB. Diese Differenz sei jeweils auf die in der Genehmigung angegebenen, auf der Schallimmissionsprognose vom 16. September 2014 beruhenden Immissionswerte für die einzelnen, dort festgelegten Immissionsorte aufzuschlagen. Ebenso sei ein oberer Vertrauensbereich zur Berücksichtigung der Messunsicherheit und der Unsicherheit der Ausbreitungsberechnung durch die Standardabweichung des Prognosemodells für weiter entfernte Immissionsorte zu addieren, der mit 1,47 dB anzusetzen sei. Auch unter Berücksichtigung dieser Zuschläge würden demnach an allen festgelegten Immissionsorten die geforderten Immissionsrichtwertanteile eingehalten; die so ermittelten Beurteilungspegel seien gleich dem Immissionsrichtwertanteil oder unterschritten diesen um maximal 1 dB. Die für den Nachtzeitraum i.S.d. TA Lärm einschlägigen Richtwerte würden an allen Immissionsorten um mindestens 2 dB unterschritten. Einzelereignisse durch die Windenergieanlagen, die den mittleren Schalldruckpegel um 10 dB oder mehr überstiegen, hätten im Messzeitraum nicht vorgelegen.
Die Bevollmächtigte der Antragstellerin beantragte mit Schreiben an das Landratsamt vom 31. Januar 2019, bis zum 8. Februar 2019 die nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 aufzuheben, hilfsweise, die sofortige Vollziehung der in diesen Anordnungen enthaltenen Verpflichtungen zum gedrosselten Betrieb (jeweils Ziffer I. des Bescheides) bis zu einer abschließenden Entscheidung über die dagegen erhobenen Klagen auszusetzen. Die Rechtfertigung für einen schallreduzierten Betrieb, wie er mit den Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 gefordert worden sei, sei ausweislich des schalltechnischen Berichts der K. GmbH & Co. KG vom 18. Januar 2019 entfallen. Sei das Landratsamt wider Erwarten nicht in der Lage, die entsprechenden Bescheide aufzuheben, so sei zumindest dem Hilfsantrag auf Aussetzung der jeweils angeordneten sofortigen Vollziehung zu entsprechen.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2019 hob das Landratsamt die zuvor ergangenen Bescheide vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 mit Wirkung für die Zukunft auf.
Mit dem schalltechnischen Bericht der K. GmbH & Co. KG vom 18. Januar 2019 werde bescheinigt, dass die in der Genehmigung geforderten Immissionsrichtwertanteile an allen Immissionsorten eingehalten würden. Es seien auch keine relevanten Tonhaltigkeiten i.S.d. TA Lärm mehr festgestellt worden. Damit lägen die Tatbestandsvoraussetzungen, auf die sich die nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 gestützt hätten, nicht mehr vor. Diese seien daher nach pflichtgemäßer Ermessensausübung nach Art. 49 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) zu widerrufen.
Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin erklärten daraufhin in den Verfahren B 2 K 17.8 und B 2 K 18.180 die Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Nach Wiederaufnahme der Verfahren wurden beide mit Beschlüssen vom 26. April 2019 eingestellt (B 2 K 19.352 bzw. B 2 K 19.353).
Mit Schriftsatz ihres damaligen Bevollmächtigten vom 23. Mai 2019, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tage, ließ die Beigeladene Klage gegen den Bescheid vom 8. Februar 2019 erheben (B 9 K 19.477).
Der damalige Bevollmächtigte der Beigeladenen begründete die Klage mit Schriftsatz vom 8. August 2019 dahingehend, dass der Bescheid des Landratsamtes vom 8. Februar 2019 nicht ermessensgerecht sei, da er sich auf den schalltechnischen Bericht vom 18. Januar 2019 stütze, der nicht geeignet sei, die bisher ermittelten Messergebnisse, die die Befürchtung schädlicher Umwelteinwirkungen auf die Nachbarschaft bestätigten, zu negieren. Wenn eine Verbesserung der Immissionswerte überprüft werden solle, könne dies nachvollziehbar und rechtlich zutreffend nur dadurch geschehen, dass exakt an den Immissionsorten bei entsprechenden Witterungsvoraussetzungen Langzeitmessungen für die Nachtzeit stattfänden, die auch Gegenstand der Betrachtung der widerrufenen Ausgangsbescheide gewesen seien. Bei dem zugrundeliegenden schalltechnischen Bericht vom 18. Januar 2019 sei dies aber nicht der Fall; er weise zudem eine Vielzahl von Ungereimtheiten auf. Inwieweit die gewählten Ersatzimmissionsorte aufgrund der Witterungsbedingungen tatsächlich eine realistische Wiedergabe der Immissionen an den relevanten Immissionsorten widerspiegelten, sei dem Bericht nicht zu entnehmen. Darin werde lediglich festgehalten, dass auf Basis der gemessenen Schallimmissionspegel die Beurteilungspegel für die im Genehmigungsbescheid aufgeführten Immissionsorten nach TA Lärm ermittelt worden und die zulässigen Immissionsrichtwertanteile des Genehmigungsbescheides an allen Immissionsorten nicht überschritten seien. Hierbei sei jedoch an den einzelnen Immissionsorten tatsächlich keine Messung vorgenommen worden, sondern lediglich der Ersatzimmissionsort und ein zusätzlicher Messpunkt in Bezug genommen worden. Darüber hinaus sei für die Messungen nicht der nach TA Lärm maßgebliche Nachtzeitraum gewählt worden. Es wäre an den entsprechenden Immissionsorten eine Messung während der gesamten Nachtzeit, d.h. von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr erforderlich gewesen, um die lauteste volle Stunde zur Nachtzeit zu ermitteln und so zu überprüfen, ob die entsprechenden Beurteilungspegel eingehalten wären. Bezüglich der Tonhaltigkeit der von den Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche werde im schalltechnischen Bericht vom 18. Januar 2019 mitgeteilt, dass eine rechnerische Auswertung anhand der Ersatzimmissionsorte keine relevante Tonhaltigkeit ergeben habe. Gleichwohl räume der Bericht jedoch ein, dass nach dem subjektiven Höreindruck in den untersuchten Zeiträumen im Bereich der Ersatzimmissionsorte schwache Brummtöne sowie schlagende Geräusche von den Rotorblättern feststellbar gewesen seien. Dennoch seien diese, obwohl deutlich wahrnehmbar, nach Dauer und Intensität subjektiv nicht zuschlagspflichtig. Dies überzeuge nicht, da eine deutliche Wahrnehmbarkeit vorhanden gewesen sei, letztlich zur tatsächlichen Nachtzeit aber nur eine Messung und Bewertung über einen Zeitraum von zwei Stunden stattgefunden habe. Der streitgegenständliche Bescheid vom 8. Februar 2019 beinhalte außerdem keinerlei Vorgabe, auf Basis welcher Kennlinie sichergestellt werde, dass auch zukünftig die entsprechenden Vorgaben der TA Lärm eingehalten würden. Es sei völlig unbekannt, welche Steuerungs- und Leistungskurven vor dem 22. Februar 2019 und danach Anwendung gefunden hätten. Insgesamt bestünden massive Zweifel an der Richtigkeit der Messergebnisse und der Verallgemeinerungsfähigkeit der Messungen an den Ersatzimmissionsorten.
Das Landratsamt erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 23. September 2019 und beantragte, die Klage abzuweisen.
Die K. GmbH & Co. KG sei eine nach § 29b BImSchG zugelassene Messstelle und entsprechend akkreditiert. Die Prüfung und Entscheidung, ob und wann entsprechend der Messvorschriften ausreichend Messwerte für einen statistisch abgesicherten Beurteilungspegel vorlägen, obliege grundsätzlich dem Gutachter. Seitens des Landratsamtes seien die durchgeführten Messungen ohne Beanstandungen auf Plausibilität geprüft worden. Eine Langzeitmessung über mehrere Monate sei im Genehmigungsbescheid nicht als Auflage enthalten. Die Mess- und Bewertungsverfahren der K. GmbH & Co. KG entsprächen den einschlägigen Vorgaben. Das Verfahren, nicht am Immissionsort, sondern an einem Ersatzmesspunkt eine Schallmessung durchzuführen, sei übliche Praxis, da nur in seltenen Fällen die optimalen Witterungsbedingungen am Immissionsort vorlägen. Die Auswahl des Ersatzmesspunktes erfolge nach TA Lärm i.V.m. DIN 45645-1, es sei danach eine Mitwindsituation erforderlich. Auch bei früheren Messungen hätten sich die Gutachter eines Ersatzimmissionspunktes bedient. Der Gutachter habe zudem gegenüber dem Landratsamt telefonisch erklärt, direkt an den Immissionsorten in M* …- und O* … durch die Betroffenen gestört worden zu sein; er habe sich deshalb gezwungen gesehen, zwei weitere Ersatzimmissionsorte im Bereich der Grundstücksgrenzen festzulegen. Die korrekte Messdauer sei abhängig von den Gegebenheiten zum Messzeitpunkt. Bei gleichbleibender Geräuschkulisse könnten Messungen über wenige Minuten aussagekräftige Werte liefern. Diese würden dann auf den Beurteilungszeitraum rechnerisch übertragen. Da die Windkraftanlagen ganztägig im offenen, nicht leistungsreduzierten Modus laufen sollten, sei diese Übertragung möglich. Soweit alle weiteren Messparameter entsprechend vorlägen, sei der konkrete Zeitpunkt der Messung letztlich unerheblich.
Soweit die Beigeladene rüge, dass eine zuschlagpflichtige Tonhaltigkeit vorliege, könne dem nicht gefolgt werden. Die Ermittlung der Tonhaltigkeit nach DIN 45681 erfolge subjektiv mittels des geschulten Ohres des Messingenieurs oder objektiv über eine Frequenzanalyse. Werde eine Tonhaltigkeit gemessen, werde diese entsprechend dem Messwert als Malus bei der Ermittlung des Beurteilungspegels berücksichtigt. Bei den Messungen der K. GmbH & Co. KG sei im Ergebnis keine Tonhaltigkeit ermittelt worden. Das Messpersonal habe zwar subjektiv zeitweise sehr schwache tonale Geräuschanteile wahrgenommen. Nach DIN 45681 könne beim Vorliegen einer subjektiven Tonhaltigkeit je nach Erheblichkeit ein Zuschlag von 0, 3 oder 6 dB für die Störwirkung vergeben werden. Der Gutachter habe hier aufgrund der Geringfügigkeit einen Zuschlag von 0 dB gewählt.
Die Beigeladene führe nicht aus, worauf sie ihre Vermutung hinsichtlich ihrer Kritik an der für die Windkraftanlagen verwendeten Kennlinie stütze. Beantragt und genehmigt sei ein leistungsoptimierter Betrieb der Anlagen. Die im Genehmigungsbescheid festgelegten Immissionsrichtwertanteile würden innerhalb dieses Betriebszustandes unabhängig von den konkreten Steuerungseinstellungen gelten.
Der damalige Bevollmächtigte der Beigeladenen erwiderte mit Schriftsatz vom 4. November 2019 hierzu, dass das Landratsamt die Plausibilität der ihm vorgelegten Messergebnisse zu prüfen habe, auch wenn die Prüfung und Entscheidung, ob und wann entsprechend der Messvorschriften ausreichend Messwerte vorlägen, dem Gutachter obliege. Die Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass insbesondere der Nachtzeitraum anhand der Messergebnisse nicht ordnungsgemäß beurteilt werden könne. Aus dem Bericht und den gesamten Umständen ergebe sich, dass von vornherein die Absicht bestanden habe, die letztlich verwendeten Ersatzmesspunkte auszuwählen. Die Behauptung, der Gutachter sei direkt an den Immissionsorten durch Betroffene gestört worden, sei falsch. Es möge Situationen geben, in denen ein Austausch des Immissionsortes gegen einen Ersatzimmissionsort angezeigt erscheine, hier sei es aber um eine wiederholte Messung gegangen, die den Sinn und Zweck gehabt habe, eine Nutzungsuntersagung aufgrund zu hoher Lärmwerte letztlich zu beseitigen. Dies gelte umso mehr, als der hier streitgegenständliche Anlagentyp für seine Störgeräusche im tieffrequenten Bereich bekannt sei. Dieser Brummton sei in Lagen hörbar, die unterhalb des Fundaments der Windkraftanlagen lägen, nicht jedoch auf gleicher Höhe des Fundaments. Der Ersatzimmissionsort liege auf fast gleicher Höhe wie das Fundament der WEA 3. Der Brummton sei bei der Messung am 9. August 2018 von drei Zeugen bestätigt worden, während er bei der Messung am 19. November 2018 nicht mehr vorhanden gewesen sein solle. Lediglich die Wahl der Ersatzimmissionsorte könne hierfür ursächlich sein, während an den eigentlichen Immissionsorten die Lärmbelästigung nach wie vor vorhanden sei. Der subjektive Höreindruck des Messingenieurs werde über alle bisherigen Ergebnisse gestellt, wobei die Frequenz von 123 Hz in der Spektrumanalyse der achten Messung dennoch deutlich hervortrete.
Die Frage, weshalb bei einem Windpark, der laut Messung genehmigungskonform sei, nach zwölf Tagen Betrieb am 22. Februar 2019 eine neue, erheblich langsamer ansteigende Kennlinie aufgespielt worden sei, werde weder durch den Antragsgegner noch durch die Antragstellerin beantwortet. Wenn es sich ausschließlich um einen leistungsoptimierten Betrieb handele, hätte der streitgegenständliche Windpark im Jahr 2019 einen deutlich höheren Ertrag einspielen müssen als in den Vorjahren.
Mit Bescheid vom 29. März 2021 stellte das Landratsamt fest, dass die Klage im Verfahren B 9 K 19.477 aufschiebende Wirkung habe und die Anordnungen aus den Bescheiden vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 von der Antragstellerin einstweilen einzuhalten seien (Ziffer I. des Bescheides). Hierfür wurde die regelmäßige Vorlage entsprechender Nachweise angeordnet (Ziffer II. des Bescheides). Gegen den Bescheid vom 29. März 2021 erhob die Antragstellerin am 29. April 2021 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth, die mit Beschluss vom 17. Mai 2021 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verwiesen wurde (22 A 21.40016).
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 4. Mai 2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tage, beantragte die Antragstellerin zudem,
I. Es wird festgestellt, dass die Klage vom 23. Mai 2019 (Az. B 9 K 19.477) gegen den Widerrufsbescheid des Landratsamtes … vom 8. Februar 2019 (Az. …*) keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
II. Hilfsweise: Die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs der nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 mit Bescheid vom 8. Februar 2019 (Az. …*) wird angeordnet.
III. Höchst hilfsweise: Die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufsbescheides vom 8. Februar 2019 (Az. …*) wird angeordnet, soweit hiermit die nachträgliche Anordnung vom 23. Januar 2018 über die Drosselung der Betriebsweise der fünf Windenergieanlagen während der Tagzeit (06.00-22.00 Uhr) widerrufen worden ist.
Der Antrag auf Feststellung der sofortigen Vollziehbarkeit sei analog § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da die im Verfahren B 9 K 19.477 erhobene Anfechtungsklage entgegen der Annahme des Landratsamtes keine aufschiebende Wirkung entfalte.
Die der Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich zukommende aufschiebende Wirkung trete bei Drittanfechtungsklagen nach § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung i.S.d. § 80a VwGO ein. Ein solcher liege hier aber nicht vor. Voraussetzung für einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung sei, dass der Widerrufsbescheid vom 8. Februar 2019 die Antragstellerin als Adressatin begünstige und die Beigeladene zugleich belaste. Eine begünstigende Wirkung für die Antragstellerin dergestalt, dass sie einen rechtlichen Vorteil erlangt habe, liege aber nicht vor, da sie durch den Bescheid vom 8. Februar 2019 kein Mehr an Rechten gewonnen habe, sondern ihr lediglich ermöglicht worden sei, die ursprüngliche Genehmigung (in Gestalt der Änderungsbescheide) wieder vollumfänglich auszuschöpfen. Es handele sich somit nur um eine Wiederherstellung des vor Erlass der Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 bestehenden Rechtszustandes. Der Widerrufsbescheid vom 8. Februar 2019 habe auch für die Beigeladene keine belastende Wirkung in dem Sinne, dass ihr Rechtskreis dadurch eingeschränkt werde. Eine rein faktische Betroffenheit genüge insoweit nicht. Der Widerruf eines Verwaltungsaktes nach Art. 49 BayVwVfG habe keinen Regelungsinhalt, der Drittschutz vermittele. Der Widerruf greife auch nicht in rechtlich geschützte Interessen der Beigeladenen ein, sondern regele lediglich den Widerruf von zuvor erlassenen, die Antragstellerin belastenden Verwaltungsakten. Dadurch werde der ursprünglich genehmigte Zustand wiederhergestellt. Zwar könne die Genehmigung selbst in Rechte der Beigeladenen eingreifen, nicht jedoch die Wiederherstellung des ursprünglich genehmigten Zustands.
Der Klage im Verfahren B 9 K 19.477 komme außerdem deswegen keine aufschiebende Wirkung zu, da sie offensichtlich unzulässig sei. Die Beigeladene könne insoweit nicht i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch den Bescheid des Landratsamtes vom 8. Februar 2019 in eigenen Rechten verletzt zu werden. Der Bescheid weise keinen Drittschutzbezug auf, er greife nicht in die Rechtsposition der Beigeladenen ein. Der derzeitige Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlagen werde durch die 2015 erteilte Genehmigung legalisiert, nicht durch den Widerruf der nachträglichen Anordnungen. Somit ergebe sich eine Rechtsverletzung der Beigeladenen allenfalls aus der ursprünglichen Genehmigung. Ihr fehle es an der erforderlichen Klagebefugnis, die Klage im Verfahren B 9 K 19.477 sei daher offensichtlich unzulässig.
Jedenfalls entfalle eine aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren B 9 K 19.477 aber nach § 63 BImSchG n.F. Die zum 10. Dezember 2020 in Kraft getretene Vorschrift lasse die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfallen. Der Widerruf der nachträglichen Anordnungen durch den Bescheid vom 8. Februar 2019 stelle eine „Zulassung“ von Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern i.S.d. § 63 BImSchG dar. Der Begriff der „Zulassung“ sei weiter zu verstehen als der der „Genehmigung“ und umfasse alle Entscheidungen, die die Zulässigkeit einer Anlage beträfen. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung beziehe sich jedoch nicht nur auf den Zeitpunkt der Errichtung, sondern gelte fortlaufend für den Betrieb der Anlage; § 17 BImSchG ermögliche es insoweit, die Zulässigkeit des weiteren Betriebes bei nachträglichen Änderungen der Sach- und Rechtslage sicherzustellen. Die Zulassung eines Betriebes richte sich daher nicht nur nach der Genehmigung, sondern umfasse auch alle nachträglichen Anordnungen, die die Zulässigkeit des Betriebes weiter sicherstellten. Auch aus § 8a BImSchG ergebe sich nichts Anderes. Die in § 212a des Baugesetzbuches (BauGB) enthaltene Regelung sei vergleichbar, auch dort erfasse der Begriff der „bauaufsichtlichen Zulassung“ nicht nur die Genehmigung eines Bauvorhabens, sondern sei weit auszulegen. Es sei insoweit anerkannt, dass auch der Baugenehmigung beigegebene selbständige Entscheidungen wie Ausnahmen oder Befreiungen erfasst würden. Soweit in der Rechtsprechung darauf verwiesen werde, dass der Regelungszweck des § 212a BauGB, eine Blockierung des Bauvorhabens durch Dritte zu verhindern, nicht mehr erreicht werden könne, wenn das Vorhaben bereits errichtet sei, könne dies im Immissionsschutzrecht nicht durchgreifen. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung umfasse anders als die Baugenehmigung auch den fortlaufenden Betrieb der Anlage. Das gesetzgeberische Ziel der Regelung in § 63 BImSchG, Investitionen zu beschleunigen und zu fördern, spreche für eine Anwendung auf die hier vorliegende Konstellation. Ein Investitionsanreiz resultiere in erster Linie aus dem Betrieb der Anlagen. § 63 BImSchG sei außerdem auf Drittklagen anwendbar, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm am 10. Dezember 2020 bereits anhängig gewesen seien. Dies ergebe sich aus den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts.
Selbst wenn von einer aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren B 9 K 19.477 auszugehen sein sollte, sei der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides vom 8. Februar 2109 begründet. Die Klage in der Hauptsache werde nach obigen Ausführungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben, da sie bereits unzulässig sei. Sie sei aber ebenso unbegründet, insofern werde auf die eigenen Ausführungen und die des Antragsgegners im Hauptsacheverfahren Bezug genommen. Das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehbarkeit überwiege. Dies folge aus dem „Europäischen Aktionsplan Energie“ der EU und deren Klimaplan, dem sogenannten „Europäischen Green Deal“. Die Bundesregierung trage diese europäischen Entscheidungen mit und habe etwa zum 1. Januar 2019 eine Förderrichtlinie erlassen, mit der Investitionen von Unternehmen in energieeffiziente Prozesse gesteigert werden sollen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle habe hierzu ein Investitionsprogramm entwickelt. Zudem habe der Bundesgesetzgeber mit dem Kohleausstiegsgesetz entsprechende Weichenstellungen zu einem Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland getroffen. Ebenso verpflichte das Pariser Übereinkommen, die vom Menschen verursachte globale Erwärmung auf unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen. Der Klimaschutz habe mit Art. 20a des Grundgesetzes (GG) auch Verfassungsrang. Dies schlage sich etwa im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021, insbesondere in dessen § 1 Abs. 2 bis 4 nieder. Zudem habe die Antragstellerin ein erhebliches privates Interesse an einem ungedrosselten Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlagen. Ihr entstünden in Abhängigkeit von den Windverhältnissen jährliche Verluste von 162.000 € bis 226.000 € durch die Betriebseinschränkungen. Dem stehe kein überwiegendes Interesse der Beigeladenen gegenüber. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Klage im Verfahren B 9 K 19.477 erst mehr als ein Vierteljahr nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides erhoben worden sei. Der uneingeschränkte Betrieb der Windenergieanlagen habe demnach augenscheinlich keine Auswirkungen gehabt, die von der Beigeladenen nachteilig wahrgenommen worden wären. Erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen der Beigeladenen seien daher nicht zu befürchten. Sie habe sonstige erhebliche Beeinträchtigungen auch nicht weiter konkretisiert.
Jedenfalls sei aber dem weiteren Hilfsantrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der Betriebseinschränkungen für die Tagzeit stattzugeben. Es sei offensichtlich, dass die Richtwerte der TA Lärm jedenfalls zur Tagzeit eingehalten würden. Die Richtwerte für die Tagzeit lägen 15 dB über denen der Nachtzeit und würden durch den Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlagen offensichtlich eingehalten. In der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung seien für die Tagzeit keine Einschränkungen vorgesehen. Auch die Klagebegründung der Beigeladenen beziehe sich lediglich auf die Nachtzeit. Hinsichtlich der Tagzeit sei die Klage offensichtlich unbegründet.
Mit Beschluss vom 4. Mai 2021 wurde die Klägerin des Verfahrens B 9 K 19.477 zum Verfahren beigeladen.
Für die Beigeladene zeigte sich ihr Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 20. Mai 2021 an und beantragte,
die Anträge abzulehnen.
Der streitgegenständliche Widerrufsbescheid sei durch eine Täuschung der Antragstellerin über die Tonhaltigkeit der von den Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche erlangt worden. Die Klage im Verfahren B 9 K 19.477 entfalte nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Insofern sei es unerheblich, ob die Belastung den Adressaten der Maßnahme oder einen Dritten treffe, da die aufschiebende Wirkung nach § 80a Abs. 1 VwGO auch für Verwaltungsakte mit Drittwirkung greife. Die Missachtung der aufschiebenden Wirkung durch die Antragstellerin stelle einen faktischen Vollzug dar. Es liege ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung i.S.d. § 80a VwGO vor, der die Antragstellerin begünstige und die Beigeladene belaste. Die nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 seien bestandskräftig geworden und hätten den Rechtskreis der Antragstellerin eingeschränkt. Ihr Widerruf führe daher zu einer Erweiterung des Rechtskreises der Antragstellerin. Es liege daher keine Wiederherstellung des status quo ante vor. Die Antragstellerin spreche im Zusammenhang mit § 63 BImSchG insoweit selbst von einer rechtskreiserweiternden Zulassungsentscheidung. Von dem streitgegenständlichen Widerruf gehe auch eine belastende Wirkung für die Beigeladene aus. Genehmigungsbedürftige Anlagen seien nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Der streitgegenständliche Widerrufsbescheid vom 8. Februar 2019 führe aber gerade zu schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärmimmissionen bei der Beigeladenen. Zudem habe diese mit den beiden nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 eine wehrfähige Rechtsposition erlangt, in die mit dem streitgegenständlichen Widerruf eingegriffen werde. Eine offensichtliche Unzulässigkeit der Klage liege daher nicht vor. Ebenso entfalle die aufschiebende Wirkung der Klage nicht nach § 63 BImSchG. Die Vorschrift sei – ähnlich wie § 212a BauGB – schon nicht auf im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängige Klagen anwendbar. Auch handele es sich bei dem im streitgegenständlichen Bescheid ausgesprochenen Widerruf nicht um die „Zulassung einer Windenergieanlage“ i.S.d. § 63 BImSchG. Das gesetzgeberische Ziel der Beschleunigung von Investitionen in erneuerbare Energien rechtfertige es nicht, die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auszulegen. Die Erteilung einer Genehmigung nach § 4 und § 6 BImSchG sei von nachträglichen Anordnungen nach § 17 BImSchG zu unterscheiden; dementsprechend falle der Widerruf von nachträglichen Anordnungen als actus contrarius nicht unter den Begriff der Zulassung. Dieser knüpfe an die Errichtung von Anlagen an, nicht an deren Betrieb.
Auch die beiden Hilfsanträge seien unbegründet. Es komme nicht darauf an, ob die Klage der Beigeladenen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben werde, sondern darauf, ob sie nach überschlägiger Prüfung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben werde. Zudem müsse die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem Bauherrn unbillig erscheinen. Die Klage sei aber – wie ausgeführt – zulässig; es könne auch sonst nicht davon ausgegangen werden, dass sie mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben werde. Gegebenenfalls bedürfe es einer erneuten Überprüfung durch einen Sachverständigen. Die aufschiebende Wirkung der Klage in der Hauptsache erscheine nicht unbillig, da die Antragstellerin diese seit Klageerhebung im Mai 2019 hingenommen habe und erst nun die Anordnung eines Sofortvollzuges fordere. Ebenso überwiege das von Antragstellerseite behauptete öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug nicht das Suspensivinteresse der Beigeladenen an einem wirksamen Schutz vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Der Klimaschutz als Inhalt der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG überwiege nicht das Recht auf körperliche Unversehrtheit i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Auch aus dem Zeitpunkt der Klageerhebung in der Hauptsache ergebe sich nichts Anderes.
Für den Antragsgegner erwiderte das Landratsamt mit Schriftsatz vom 20. Mai 2021 und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage im Verfahren B 9 K 19.477 werde auf die Ausführungen im Bescheid vom 29. März 2021 verwiesen. § 63 BImSchG sei vorliegend nicht anwendbar. Dagegen spreche bereits der Wortlaut, der in erster Linie Erlaubnisse, Gestattungen bzw. Genehmigungen umfasse. Maßgeblich sei dabei neben der Feststellungswirkung hinsichtlich der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den jeweils zu prüfenden Vorschriften insbesondere die Möglichkeit, mit der Bauausführung zu beginnen. Es gehe über den Wortlaut des § 63 BImSchG hinaus, darunter alle in Bezug auf eine Anlage erlassenen Verwaltungsakte zu fassen. Bei den hier widerrufenen nachträglichen Anordnungen handele es sich schon formell um selbständige Verwaltungsverfahren, sie hätten aber auch materiell einen anderen Regelungsgegenstand als das ursprüngliche Zulassungsverfahren. § 17 BImSchG setze – als Gegenstück zum Widerruf – gerade eine genehmigte Anlage voraus. Ebenso spreche die Verwendung des Begriffs der Zulassung in § 8a BImSchG für die Bindung an ein Genehmigungsverfahren. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus der Gesetzesbegründung ergebe. Mit der Regelung sei bezweckt, dass von einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bereits nach Erteilung, insbesondere durch Baubeginn, Gebrauch gemacht werden könne, ohne eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache abwarten zu müssen. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass bei nachträglich festgestellten Defiziten der aufgenommene Betrieb den selben Schutz erfahre wie im Rahmen der Errichtungsphase. Der Schutzzweck ergebe sich in diesem Kontext aus § 17 Satz 2 BImSchG. Mit einer Klage gegen den Widerruf als actus contrarius zu den nachträglichen Anordnungen sei eine nochmalige Prüfung der nachbarschützenden Belange in Form schädlicher Umwelteinwirkungen bezweckt. Es sei dagegen nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt, über die Genehmigungsphase hinaus zu einem Zeitpunkt, in dem der fehlerhafte Betrieb nachgewiesen gewesen, nun aber der Nachweis der Mängelbehebung Streitgegenstand sei, einen Investitionsanreiz Gesundheitsbelangen vorzuziehen. Für § 212a BauGB gelte Entsprechendes. Im Übrigen gebe auch eine Baugenehmigung nicht nur das Recht zur Errichtung einer baulichen Anlage, sondern auch zu der genehmigten Nutzung.
Die Ausführungen der Antragstellerseite zu den Hilfsanträgen bezögen sich in erster Linie auf allgemeinpolitische Erwägungen. In der vorzunehmenden Interessenabwägung sei aber auf den konkreten Einzelfall abzustellen, andernfalls sei eine Interessenabwägung obsolet. Es könne zudem nicht Wille des Gesetzgebers sein, den politischen Zielen des Klimaschutzes ohne Weiteres Vorrang gegenüber Gesundheitsbelangen einzuräumen.
Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2021 erwiderte die Antragstellerbevollmächtigte hierzu, dass der Vorwurf einer Täuschung durch die Antragstellerin nicht haltbar sei. Bei der K. GmbH & Co. KG handele es sich um eine nach § 29b Abs. 1 BImSchG bekanntgegebene und damit anerkannte Messstelle und ein akkreditiertes Prüflaboratorium. Es sei zudem davon auszugehen, dass das Landratsamt die Darstellungen des Gutachters ebenfalls mit der notwendigen Expertise geprüft und erst danach die fraglichen Anordnungen widerrufen habe. Der Vorwurf der Täuschung werde zurückgewiesen.
Es werde nochmals betont, dass kein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung vorliege. Der Vortrag der Antragstellerseite sei nicht widersprüchlich, da die Begründung zum Hilfsantrag davon ausgehe, dass das Gericht von einem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung ausgehe und dies konsequenterweise auch bei der Argumentation zu § 63 BImSchG zu berücksichtigen sei. Aus dem Vortrag ihres Bevollmächtigten ergebe sich zudem keine belastende Wirkung des streitgegenständlichen Bescheids für die Beigeladene. Der Widerruf enthalte keine Regelung zulasten der Beigeladenen und ziele hierauf auch nicht ab. Er greife insbesondere nicht in rechtlich geschützte Interessen der Beigeladenen ein. Die beiden nachträglichen Anordnungen hätten lediglich einen genehmigungskonformen Betrieb der Windkraftanlagen sicherstellen sollen, nicht jedoch Dritten eine wehrfähige Rechtsposition gewähren sollen. Zur Klarstellung sei darauf verwiesen, dass die nachträglichen Anordnungen nicht bestandskräftig geworden, sondern von der Antragstellerin angefochten worden seien. Erst nach ihrem Widerruf durch den Bescheid vom 8. Februar 2019 seien diese Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
§ 63 BImSchG sei zwar konzeptionell an § 212a BauGB angelehnt, allerdings könne die insoweit ergangene Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Anwendbarkeit auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits anhängige Klagen nicht übertragen werden. Das Oberverwaltungsgericht Münster habe zu § 63 BImSchG bereits entschieden, dass § 63 BImSchG in diesen Konstellationen nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts Anwendung finde und Vertrauensschutzgesichtspunkte dem nicht entgegenstünden. Dies entspreche auch Sinn und Zweck des § 63 BImSchG, nämlich der Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie. Ebenso stelle sich der Bescheid vom 8. Februar 2019 als Zulassungsentscheidung i.S.d. § 63 BImSchG dar. Die baurechtliche Zulassung i.S.d. § 212a BauGB habe eine andere Reichweite als die immissionsschutzrechtliche Zulassung. Neben der Errichtung baulicher Anlagen werde baurechtlich lediglich die Nutzung festgelegt. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung umfasse neben der Errichtung aber auch den Betrieb der Anlage und damit die konkrete Betriebsweise, etwa in Form von Betriebszeiten, zulässigen Immissionen oder anderer Betriebsmodalitäten.
Die Klage in der Hauptsache werde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben, so dass das Vollzugsinteresse der Antragstellerin überwiege und die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wie mit dem Hilfsantrag erstrebt, gerechtfertigt sei. Die Antragstellerin habe auch nicht wie von Beigeladenenseite behauptet, einen Suspensiveffekt hingenommen, sondern sei seit Klageerhebung davon ausgegangen, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung habe. Erst als sich herausgestellt habe, dass der Antragsgegner insoweit anderer Auffassung sei, sei der nun gestellte Antrag im Rahmen des Eilrechtsschutzes erforderlich geworden. Die von der Antragstellerin skizzierte Bedeutung des Klimaschutzes stelle einen von der Rechtsprechung anerkannten gewichtigen Abwägungsbelang zugunsten eines Sofortvollzuges dar. Dies führe aber nicht zu einem generellen Überwiegen dieser Belange. Nach wie vor bleibe jedoch offen, worin die von der Beigeladenen befürchteten erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen liegen sollen.
Mit Schriftsatz vom 13. September 2021 führte die Antragstellerbevollmächtigte aus, dass nunmehr beantragt werde,
I. Es wird festgestellt, dass die Klage vom 23. Mai 2019 (Az. B 9 K 19.477) gegen den Widerrufsbescheid des Landratsamtes … vom 8. Februar 2019 (Az. …*) keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Die unter Ziff. I.2 und Ziff. 2 des Bescheids des Landratsamtes … vom 29. März 2021 angeordneten Sicherungsmaßnahmen werden aufgehoben.
II. Hilfsweise: Die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs der nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 mit Bescheid vom 8. Februar 2019 (Az. …*) wird angeordnet. Die unter Ziff. I.2 und Ziff. 2 des Bescheids des Landratsamtes … vom 29. März 2021 angeordneten Sicherungsmaßnahmen werden aufgehoben.
III. Höchst hilfsweise: Die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufsbescheides vom 8. Februar 2019 (Az. …*) wird angeordnet, soweit hiermit die nachträgliche Anordnung vom 23. Januar 2018 über die Drosselung der Betriebsweise der fünf Windenergieanlagen während der Tagzeit (06.00 – 22.00 Uhr) widerrufen worden ist. Die unter Ziff. I.2 und Ziff. 2 des Bescheids des Landratsamtes … vom 29. März 2021 angeordneten Sicherungsmaßnahmen werden insoweit, d.h. für die Tagzeit, aufgehoben.
Bei den Anordnungen nach Ziff. I. Satz 2 und Ziff. II. des Bescheids des Landratsamtes vom 29. März 2021 handele es sich um Sicherungsmaßnahmen i.S.v. § 80a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 VwGO. Rechtsschutz hiergegen richte sich nach § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Anordnungen seien aufzuheben, weil die Feststellung der aufschiebenden Wirkung unter Ziff. I.1 des Bescheids rechtswidrig gewesen sei. Für den Fall, dass dem Hilfsantrag stattgegeben und die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet werde, bestehe ebenfalls keine Erforderlichkeit für Sicherungsmaßnahmen, da die Klage dann keine aufschiebende Wirkung habe. Bei Stattgabe des höchst hilfsweise gestellten Antrages seien die Sicherungsmaßnahmen jedenfalls für die Tagzeit aufzuheben, da insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage entfalle.
Im Verfahren B 9 K 19.477 verhandelte das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth am 7. Oktober 2021 mündlich. Auf das entsprechende Protokoll wird Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Im Anschluss erging im Hauptsacheverfahren am 19. Oktober 2021 ein Beweisbeschluss dahingehend, dass zu der Frage, ob die von den streitgegenständlichen Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche die in Ziffer 3.2.3 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung festgelegten Immissionsrichtwertanteile an den Immissionsorten A, N, O und P überschreiten, ein Sachverständigengutachten einzuholen ist.
Die Antragstellerbevollmächtigte trug mit weiterem Schriftsatz vom 22. Oktober 2021 ergänzend vor, dass hinsichtlich des höchst hilfsweise gestellten Antrages zu III. im Rahmen der Interessenabwägung nicht nur die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin zu berücksichtigen seien, sondern im Hinblick auf die dargestellten Regelungen und Verpflichtungen zum Klimaschutz auch ein besonderes öffentliches Interesse an einem ungedrosselten Tagbetrieb bestehe. Bei einer Drosselung zur Tagzeit entsprechend der Anordnung vom 23. Januar 2018 sei mit einem Ertragsausfall in den nun bevorstehenden Herbst- und Wintermonaten von bis zu 233.300 kWh pro Monat zu rechnen. Die so entgehende „Energiemehrausbeute“ würde einen wichtigen Beitrag zur Stromerzeugung und Stromversorgung aus regenerativen Energien darstellen. Dem stehe kein berechtigtes Interesse der Beigeladenen gegenüber; diese habe auch in der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren nicht dargelegt, worin die Rechtsposition bestehe, die sie mit der Anordnung vom 23. Januar 2018 erworben haben wolle. Jedenfalls für den Tagbetrieb sei bei ungedrosseltem Betrieb offensichtlich nicht mit einer Überschreitung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte und damit mit schädlichen Umwelteinwirkungen zu Lasten der Beigeladenen zu rechnen.
Der Beigeladenenbevollmächtigte wies mit Schriftsatz vom 8. November 2021 ergänzend insbesondere darauf hin, dass beide nachträglichen Anordnungen nicht nur mit der Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach TA Lärm, sondern auch mit der Tonhaltigkeit der Geräusche begründet worden seien. Die streitgegenständlichen Anlagen hätten in den letzten Jahren anders als im Genehmigungsverfahren prognostiziert, nicht 70% des Referenzertrages des Anlagentyps, sondern stets nur unter 50% an Strom erzeugt. Daher sei auch die Prognose einer Ertragseinbuße von 233.300 kWh durch die Antragstellerin zu bezweifeln. Insgesamt habe die Antragstellerin mit dem – gedrosselten wie ungedrosselten – Betrieb der Anlagen jährliche Strommengen von 24.341.754,94 kWh (2017; Stromerlös: 2.069.049,17 €), 21.783.417,76 kWh (2018; Stromerlös: 1.851.590,51 €), 25.076.550 kWh (2019; Stromerlös: 2.131.507,14 €) bzw. 23.923.294 kWh (2020; Stromerlös: 2.033.480 €) erzeugen können, dies entspreche einem Stromertrag zwischen 41,27% und 47,51% des Referenzertrages des Anlagentyps.
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten sowie auf die Akte des Verfahrens B 9 K 19.477 verwiesen.
II.
Die zulässigen Anträge bleiben in der Sache im Haupt- und ersten Hilfsantrag ohne Erfolg, der zweite Hilfsantrag ist jedoch begründet.
1. Die Antragstellerin begehrt mit dem Hauptantrag im Wege des Eilrechtsschutzes die Feststellung, dass die Klage im Hauptsacheverfahren B 9 K 19.477 keine aufschiebende Wirkung hat. Dieser Antrag ist in analoger Anwendung von § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, da die Frage des Eintritts der aufschiebenden Wirkung zwischen den Beteiligten gerade umstritten ist (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 80a Rn. 56 m.w.N.). Ebenso statthaft sind die Hilfsanträge auf Anordnung der (teilweisen) sofortigen Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Widerrufsbescheides vom 8. Februar 2019. Insoweit handelt es sich um Anträge nach § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Soweit in den beiden Hilfsanträgen jeweils die (teilweise) Aufhebung der in Ziff. I. Satz 2 und II. des Bescheides vom 29. März 2021 angeordneten Maßnahmen beantragt wird, handelt es sich um Anträge auf Aufhebung von Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 VwGO (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 80a Rn. 44 und 53 m.w.N.). Zuständig ist insoweit jeweils das Gericht der Hauptsache, § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Auch im Übrigen bestehen an der Zulässigkeit der Anträge keine rechtlichen Bedenken.
2. Der Hauptantrag auf Feststellung, dass die Klage im Verfahren B 9 K 19.477 keine aufschiebende Wirkung hat, ist unbegründet, denn der Klage im Hauptsacheverfahren kommt aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 i.V.m. § 80a VwGO zu.
a) Der im Verfahren B 9 K 19.477 erhobenen Klage kommt als Drittanfechtungsklage i.S.d. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen einen Verwaltungsakt nach § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu. Bei dem streitgegenständlichen Bescheid vom 8. Februar 2019 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung i.S.d. § 80a VwGO. Dieser nicht in der Verwaltungsgerichtsordnung definierte Begriff erfasst Verwaltungsakte, die einen Beteiligten begünstigen und dadurch gleichzeitig einen anderen belasten. Nach wohl überwiegender Ansicht genügt dafür eine rein faktische Betroffenheit nicht, es muss sich vielmehr um eine rechtliche Belastung bzw. Begünstigung handeln (vgl. BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 – juris Rn. 107; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80a Rn. 4; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 80a Rn. 12a; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80a Rn. 2; a.A. Gersdorf in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.7.2021, § 80a Rn. 9, der einen Antrag bei nur faktischer Betroffenheit aber mangels Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO für unzulässig hält).
Hier liegt jedoch in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 8. Februar 2019 sowohl auf Antragstellerseite eine Begünstigung in rechtlicher Hinsicht als auch durch die gleiche Regelung eine rechtliche Belastung der Beigeladenen vor: Mit dem Bescheid wurden die nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 widerrufen. Unabhängig von der Frage der Bestandskraft dieser Anordnungen gegenüber der Antragstellerin handelt es sich bei deren Widerruf um eine Verbesserung der Rechtsposition der Antragstellerin. Zwar führt der Widerruf im Ergebnis faktisch dazu, dass die streitgegenständlichen Windkraftanlagen wie ursprünglich genehmigt betrieben werden dürfen; insoweit wird, wie von Antragstellerseite vorgetragen, der status quo ante wiederhergestellt. Allerdings war dieser zuvor durch den Erlass der beiden nachträglichen Anordnungen zunächst eingeschränkt worden. Dass insoweit eine rechtliche Belastung der Antragstellerin vorlag (und sie damit in den beiden gegen die Anordnungen erhobenen Klagen in den Verfahren B 2 K 17.8 und B 2 K 18.180 klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO war), steht außer Zweifel. Der Widerruf der nachträglichen Anordnungen stellt aber den spiegelbildlichen actus contrarius zu deren Erlass dar. Dementsprechend bedeutet der Widerruf eine rechtliche Begünstigung der Antragstellerin; ihre Rechtsposition wird in gleichem Maße verbessert, wie sie zuvor durch den Erlass der nachträglichen Anordnungen belastet wurde. Ob die Anordnungen dabei gegenüber der Antragstellerin bestandskräftig waren oder zwischenzeitlich wurden, ist bei dieser rein auf die Rechtsposition bezogenen Betrachtung unerheblich. Auch ein noch nicht bestandskräftiger, angefochtener Verwaltungsakt stellt in rechtlicher Hinsicht eine Belastung dar, lediglich die Endgültigkeit dieser Belastung ist bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung offen.
Zugleich liegt in dem Widerruf durch den Bescheid vom 8. Februar 2019 eine rechtliche Begünstigung der Beigeladenen. Die nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 wurden auf Grundlage von § 17 BImSchG erlassen. Dieser ermöglicht den Erlass von Anordnungen zur Erfüllung der sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten, § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Zu diesen Pflichten gehört insbesondere die Pflicht des Anlagenbetreibers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und Nachbarschaft zu vermeiden. Diese Pflicht ist für Nachbarn der Anlage drittschützend (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.2003 – 7 C 19.02 – juris Rn. 11; Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2021, § 5 BImSchG Rn. 114 m.w.N.). Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG soll die Behörde eine nachträgliche Anordnung treffen, wenn nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Abs. 1 BImSchG angezeigten Änderung festgestellt wird, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist. Dementsprechend haben Drittbetroffene unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG in den meisten Fällen einen Anspruch auf Erlass einer nachträglichen Anordnung, im Übrigen aber zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde über den Anordnungserlass (Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 17 Rn. 83). Ein solcher Anspruch wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Betroffene zuvor im Genehmigungsverfahren keine Einwendungen erhoben hat und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ihm gegenüber bestandskräftig geworden ist (Hansmann/Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2021, § 17 BImSchG Rn. 295). Bei der Beigeladenen handelt es sich in Bezug auf die streitgegenständlichen Windkraftanlagen um eine Nachbarin i.S.d. Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, da sich ihr Wohnhaus in ca. 860 m Entfernung von der nächstgelegenen der fünf streitgegenständlichen Windenergieanlagen befindet und sie damit im Einwirkungsbereich der Schallemissionen der Anlagen wohnt (vgl. zum immissionsschutzrechtlichen Nachbarbegriff Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 3 Rn. 38 ff. m.w.N.). Ihr steht damit mindestens ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Erlass nachträglicher Anordnungen hinsichtlich der Windenergieanlagen zu. Umgekehrt muss ihr damit aber auch für den spiegelbildlichen Widerruf bereits erlassener Anordnungen ein ebensolcher Anspruch und damit eine subjektiv-öffentliche Rechtsposition zukommen. Läge sogar ein Anspruch der Beigeladenen auf Erlass einer entsprechenden nachträglichen Anordnung vor, so würde ein Widerruf bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG scheitern, da danach ein Widerruf ausgeschlossen ist, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste. Dass die ursprüngliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung gegenüber der Beigeladenen bestandskräftig ist und mit dem Widerruf der nachträglichen Anordnungen tatsächlich der status quo ante des Anlagenbetriebs wiederhergestellt wird, ist insofern unerheblich, da es für die Rechtsposition der Beigeladenen im Hinblick auf die Entscheidung über nachträgliche Anordnungen nach § 17 BImSchG nicht darauf ankommt, ob sie Einwendungen gegen die ursprüngliche Genehmigungserteilung erhoben hat (s.o.).
b) Die aufschiebende Wirkung der Klage der Beigeladenen im Verfahren B 9 K 19.477 entfällt auch nicht wegen offensichtlicher Unzulässigkeit der Klage in der Hauptsache. Ob der Eintritt der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO von der Zulässigkeit des eingelegten Rechtbehelfs abhängt, ist umstritten (vgl. zum Streitstand Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 80 Rn. 87 f.). Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass jedenfalls ein offensichtlich unzulässiger Rechtsbehelf die Suspensivwirkung des § 80 Abs. 1 VwGO nicht auszulösen vermag (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2018 – 1 VR 14.17 – juris Rn. 23; U.v. 30.10.1992 – 7 C 24.92 – juris Rn. 21). Hier liegt jedoch keine offensichtlich unzulässige Klage im Hauptsacheverfahren B 9 K 19.477 vor. Diese ergibt sich auch nicht wie von Antragstellerseite vorgetragen aus dem Fehlen einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Für diese genügt es, dass die Klägerseite die Tatsachen, die eine Rechtsverletzung möglich erscheinen lassen, so substantiiert darlegt, dass es dem Gericht möglich ist, zu klären, ob ein subjektives Recht des Klägers im konkreten Rechtsstreit einschlägig sein kann (Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2019, § 42 Rn. 210 m.w.N.). Nach den obigen Ausführungen berührt der streitgegenständliche Widerruf der nachträglichen Anordnungen die Rechtsposition der Beigeladenen, so dass durch die Regelung des angefochtenen Bescheides vom 8. Februar 2019 eine Verletzung in eigenen Rechten zumindest möglich erscheinen dürfte. Zumindest aber kann insoweit nicht davon ausgegangen werden, dass eine Klagebefugnis der Beigeladenen im Hauptsacheverfahren unzweifelhaft nicht besteht; dann jedoch ist im Hinblick auf den Zweck der aufschiebenden Wirkung, auf den summarischen Charakter der Regelung und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG eine aufschiebende Wirkung anzunehmen (BayVGH, B.v. 16.12.1993 – 4 CS/CE 93.3206 – BayVBl 1994, 407/408).
Die Zulässigkeit der Klage der Beigeladenen in der Hauptsache scheitert auch nicht am Ablauf der Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO). Danach ist eine Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Eine Bekanntgabe des Bescheides vom 8. Februar 2019 erfolgte jedoch nicht an die Beigeladene, sondern nur an die Antragstellerin als Adressatin des Verwaltungsaktes. Die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO begann daher nicht zu laufen. Von einer Verwirkung des Klagerechts der Beigeladenen (vgl. Meissner/Schenk in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 74 Rn. 43 ff.) dürfte schon wegen des zeitlichen Ablaufs nicht offensichtlich auszugehen sein. Andere Gründe für eine Unzulässigkeit der Klage im Verfahren B 9 K 19.477 wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
c) Ebenso entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren B 9 K 19.477 nicht kraft Gesetzes nach § 63 BImSchG.
§ 63 BImSchG in der aktuell geltenden Fassung trat zum 10. Dezember 2020 und damit zu einem Zeitpunkt in Kraft, in dem das Hauptsacheverfahren B 9 K 19.477 bereits anhängig war. Eine besondere Überleitungsvorschrift für die Anwendung des § 63 BImSchG auf bereits anhängige Verfahren existiert nicht. Danach käme nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts eine Anwendung auch auf bereits rechtshängige Klageverfahren in Betracht (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 194 Rn. 1 m.w.N.). Diese Grundsätze erfahren jedoch für anhängige Rechtsmittelverfahren eine einschränkende Konkretisierung: Eine Beschränkung eines Rechtsmittels bzw. der Verlust einer Verfahrensposition tritt nur ein, wenn das die Änderung verfügende Gesetz selbst hinreichend deutlich diesen Verlust ausspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen Beteiligte zwar grundsätzlich mit einer Änderung des Prozessrechts in einem anhängigen Verfahren rechnen (BVerfG, B.v. 7.7.1992 – 2 BvR 1631/90 u.a. – BVerfGE 87, 48/61). Im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) tritt eine solche Beschränkung eines Rechtsmittels bzw. der Verlust einer Verfahrensposition aber nur ein, wenn das die Änderung verfügende Gesetz selbst hinreichend deutlich diesen Verlust ausspricht; der Gesetzgeber soll sich selbst Klarheit darüber verschaffen, ob und aus welchen Gründen er die mit der Beseitigung einer solchen Verfahrensposition verbundenen Folgen in Kauf nehmen will (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 CN 12.97 – juris Rn. 10 ff.; U.v. 21.1.2016 – 4 A 5.14 – juris Rn. 46; BayVGH, B.v. 20.4.2021 – 22 A 21.40004 juris Rn. 18). Die Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass durch die Einlegung eines nach der jeweiligen Verfahrensordnung statthaften und zulässigen Rechtsmittels eine gewichtige verfahrensrechtliche Position begründet wird (vgl. BVerfG, B.v. 7.7.1992 – 2 BvR 1631/90 – BVerfGE 87, 48/64; BVerfG (Kammer), B.v. 17.3.2005 – 1 BvR 308/05 – juris Rn. 15). Eine solche Position darf aus Gründen des Vertrauensschutzes nur durch gesetzliche Regelung entzogen bzw. beschränkt werden. Mit der Erhebung der Klage im Verfahren B 9 K 19.477 am 23. Mai 2019 und der in diesem Zeitpunkt damit grundsätzlich verbundenen aufschiebenden Wirkung hat die Beigeladene eben eine solche Verfahrensposition erlangt. Ein späterer Entfall dieser aufschiebenden Wirkung durch die Anwendung von § 63 BImSchG wäre nicht nur eine bloße Änderung der modalen Ausgestaltung des Verfahrens, auf die sich der Betroffene einstellen kann. Vielmehr ist der Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 VwGO einfachgesetzliche Ausprägung der grundrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes und ein fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses mit verfassungsrechtlicher Bedeutung. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes tritt der Verlust einer solchen Verfahrensposition jedenfalls nur ein, wenn das die Änderung verfügende Gesetz selbst hinreichend deutlich diesen Verlust ausspricht (Feldhaus in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand April 2021, § 63 BImSchG Rn. 9 m.w.N.; ebenso NdsOVG, B.v. 18.12.1998 – 1 M 4727/98 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 17.12.1998 – 15 CS 98.2858 – juris Rn. 20, jeweils zur zeitlichen Anwendbarkeit der vergleichbaren Regelung in § 212a BauGB; a.A. OVG NW, B.v. 12.3.2021 – 7 B 8/21 – juris Rn. 7 ff.; VGH BW, B.v. 26.10.2021 – 10 S 471/21 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Selbst wenn man von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 63 BImSchG auf im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits anhängige Anfechtungsklagen ausginge, würde dies hier aber dennoch nicht zum Entfall der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren B 9 K 19.477 führen. Die hier vorliegende Konstellation des Widerrufs von nachträglichen Anordnungen für den Betrieb von Windkraftanlagen fällt schon nicht in den Anwendungsbereich des § 63 BImSchG. Die Vorschrift sieht vor, dass Anfechtungsklagen Dritter „gegen die Zulassung einer Windenergieanlage an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern“ keine aufschiebende Wirkung haben. In dem hier streitgegenständlichen Widerruf nachträglicher Betriebsbeschränkungen für entsprechende Windenergieanlagen kann aber schon begrifflich keine „Zulassung“ solcher Anlagen gesehen werden. Der Begriff der „Zulassung“ findet sich im Bundes-Immissionsschutzgesetz im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen sonst im Wesentlichen nur in § 8a BImSchG, der die Zulassung des vorzeitigen Beginns regelt. § 6, § 8 und § 16 BImSchG sprechen dagegen von einer (Teil-)Genehmigung für die Errichtung, den Betrieb bzw. die (wesentliche) Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen; § 9 BImSchG sieht zudem die Möglichkeit eines Vorbescheides für einzelne Genehmigungsvoraussetzungen vor. Immissionsschutzrechtliche Genehmigung (§ 6 BImSchG), Teilgenehmigung (§ 8 BImSchG) und Änderungsgenehmigung (§ 16 BImSchG) regeln jeweils die abschließende Gestattung der Errichtung und des Betriebes einer genehmigungsbedürftigen Anlage bzw. eines abgrenzbaren Anlagenteils. Insoweit ist § 63 BImSchG in diesen Fällen grundsätzlich anwendbar; ebenso sprechen gute Gründe für eine Anwendbarkeit auf die Zulassung des vorzeitigen Beginns (§ 8a BImSchG), da auch insoweit zumindest eine begrenzte Vorwegnahme der Genehmigungswirkungen und damit eine zeitweilige Suspendierung des präventiven Verbots mit Genehmigungsvorbehalt vorliegt (vgl. Feldhaus in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand April 2021, § 63 BImSchG Rn. 10 f. und 13). Für den Vorbescheid nach § 9 BImSchG wird dies in der Literatur jedoch verneint, da er keinen gestattenden Teil enthält und den Adressaten nicht zur Errichtung oder zum Betrieb der Anlage berechtigt (Feldhaus, a.a.O., Rn. 12). Dies entspricht auch dem mit der Regelung in § 63 BImSchG verfolgten Ziel des Gesetzgebers, „eine Beschleunigung der Verfahren, um die Ausbauziele für Windkraft an Land zu erreichen, was von zentraler Bedeutung für die Energiewende ist“ (BT-Drs. 19/22139, S. 25). Insgesamt soll das Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen, mit dem § 63 BImSchG in der aktuell geltenden Fassung eingeführt wurde, dazu führen, dass Mittel zur Umsetzung wichtiger Infrastrukturvorhaben schneller eingesetzt werden und diese Projekte schneller realisiert werden können, indem behördliche Zulassungsverfahren und gegebenenfalls anschließende verwaltungsgerichtliche Verfahren in einem angemessenen Zeitraum abgeschlossen werden können (BT-Drs. 19/22139, S. 12). Mit den nach obigen Ausführungen unzweifelhaft von § 63 BImSchG umfassten Anwendungsfällen ist die hier vorliegende Konstellation des Widerrufs nachträglicher Betriebsbeschränkungen aber nicht vergleichbar. Vielmehr handelt es sich hier um Anlagen, die mit dem Genehmigungsbescheid vom 30. Januar 2015 (in Gestalt der nachträglichen Änderungen) bereits „zugelassen“ wurden. Der Widerruf nachträglicher betriebsbeschränkender Anordnungen kann insoweit nicht als – erneute – „Zulassung“ i.S.d. § 63 BImSchG aufgefasst werden. Er ist ohne Einfluss auf die Investitionsentscheidung und die Realisierung des Projekts und auch qualitativ nicht vergleichbar mit den unstreitig unter § 63 BImSchG fallenden behördlichen Entscheidungen. Vorliegend geht es nicht um eine – wie auch immer bezeichnete – behördliche Gestattung der erstmaligen Errichtung bzw. Inbetriebnahme einer (geänderten) genehmigungsbedürftigen Anlage. Geregelt werden vielmehr Betriebsmodalitäten bereits bestehender Anlagen, die lediglich das „Wie“ des Betriebs, nicht aber das „Ob“ der Durchführung des Infrastrukturvorhabens als solches betreffen. Der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers, Investitionen in wichtige Infrastrukturvorhaben und deren Realisierung zu beschleunigen, ist insoweit ebenfalls nicht betroffen, da die Investitionen bereits erfolgt sind und die Anlagen bereits errichtet wurden. Die Klärung der Frage, wie diese zulässigerweise betrieben werden dürfen, ist nicht Gegenstand des Beschleunigungsbestrebens des Gesetzgebers. Das Risiko des Erlasses nachträglicher Anordnungen nach § 17 BImSchG, die zu rentabilitätsmindernden Beschränkungen führen können, besteht im Übrigen stets und unabhängig von der ursprünglichen Genehmigung der Anlage schon angesichts des dynamischen Charakters des Immissionsschutzrechts als Gefahrenabwehrrecht.
3. Da der Klage im Verfahren B 9 K 19.477 damit aufschiebende Wirkung zukommt, ist der Antrag zu I. abzulehnen und der unter Ziffer II. hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 sowie auf Aufhebung der entsprechenden Sicherungsmaßnahmen im Bescheid vom 29. März 2021 kommt zum Tragen. Diesem kann aber nur teilweise, nämlich im Umfang des weiteren, höchst hilfsweise gestellten Antrages zu III. stattgegeben werden.
a) Nach § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag des Begünstigten eines durch einen Dritten angefochtenen Verwaltungsaktes dessen sofortige Vollziehbarkeit anordnen. Eines vorherigen erfolglosen Antrages des Begünstigten an die Behörde bedarf es dabei nach ganz überwiegender Ansicht nicht (vgl. VGH BW, B.v. 23.9.1994 – 8 S 2380/94 – juris; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80a Rn. 19; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 80a Rn. 78; Gersdorf in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.7.2021, § 80a Rn. 63 f.; jeweils m.w.N.). Maßstab für die Entscheidung über einen solchen Antrag ist dabei eine Abwägung der Interessen der Beteiligten, bei der in der Konstellation eines mehrpoligen Rechtsverhältnisses erst recht in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfes, wie sie sich nach summarischer Prüfung darstellen, zu berücksichtigen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80a Rn. 6; Gersdorf in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.7.2021, § 80a Rn. 69; jeweils m.w.N.). Hat der Rechtsbehelf des Dritten in der Hauptsache danach offensichtlich Erfolg, überwiegt regelmäßig sein Suspensivinteresse, ein Vollzugsinteresse an einem rechtswidrigen Verwaltungsakt erscheint nicht schutzwürdig. Umgekehrt wird bei weit überwiegend wahrscheinlicher Erfolglosigkeit des Hauptsacherechtsbehelfs in der Regel dem Vollzugsinteresse des Begünstigten der Vorrang einzuräumen sein. Sind die Erfolgsaussichten offen, sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen zu gewichten (vgl. BVerfG (Kammer), B.v. 22.2.2002 – 1 BvR 300/2 – juris Rn. 6 f.; BVerwG, B.v. 22.3.2010 – 7 VR 1.10 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 17.2.2016 – 22 CS 15.2562 – juris).
b) Die im Hauptsacheverfahren B 9 K 19.477 erhobene und nach obigen Ausführungen voraussichtlich zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache Erfolg, wenn der streitgegenständliche Widerrufsbescheid vom 8. Februar 2019 rechtswidrig ist und die Beigeladene durch ihn in ihren Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Bei dem im Verfahren B 9 K 19.477 verfahrensgegenständlichen Widerrufsbescheid handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde, Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG. Insoweit ist die gerichtliche Prüfung nach § 114 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Zu den danach überprüfbaren gesetzlichen Grenzen des Ermessens gehört aber insbesondere auch die Frage, ob die Behörde den Sachverhalt in wesentlicher Hinsicht vollständig und zutreffend ermittelt hat oder ob ein sogenanntes Ermessensdefizit vorliegt (vgl. BVerwG, U.v. 14.10.1965 – II C 3.63 – BVerwGE 22, 215; Decker in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1.10.2021, § 114 Rn. 22 m.w.N.). Das Landratsamt hat sich für seine Entscheidung, die beiden nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 zu widerrufen, maßgeblich auf den schalltechnischen Bericht der K. GmbH & Co. KG vom 18. Januar 2019 gestützt, den es als plausibel eingeschätzt hat. Dass dieser Bericht eine geeignete und ausreichende Grundlage für die streitgegenständliche Widerrufsentscheidung darstellte, wurde von der Beigeladenen bestritten. Das Gericht hat – auch nach Anhörung der Vertreter der K. GmbH & Co. KG in der mündlichen Verhandlung am 7. Oktober 2021 – ebenfalls Zweifel daran, ob insoweit eine zutreffende Sachverhaltsermittlung erfolgt ist. Im Hauptsacheverfahren B 9 K 19.477 wurde daher mit Beschluss vom 19. Oktober 2021 eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage angeordnet, ob die von den streitgegenständlichen Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche die in Ziffer 3.2.3 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung festgelegten Immissionsrichtwertanteile an den Immissionsorten A, N, O und P überschreiten. Das Gutachten des beauftragten Sachverständigen liegt noch nicht vor. Insoweit sind also die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren als offen anzusehen, da zunächst die entscheidungserhebliche Tatsachengrundlage zu klären ist. Dabei bezieht sich die Beweiserhebung jedoch auf die Einhaltung der in Ziffer 3.2.3 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung festgelegten Immissionsrichtwertanteile, die ausdrücklich nur für die Nachtzeit von 22.00 bis 06.00 Uhr nach Nr. 6.4 TA Lärm Anwendung finden. Die festgelegten Immissionsrichtwertanteile stellen den unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Vorbelastung für die streitgegenständlichen Windenergieanlagen maximal zulässigen Beitrag zur gesamten Lärmbelastung am jeweiligen Immissionsort dar, bei dem eine Einhaltung der Richtwerte nach Nr. 6.1 TA Lärm gewährleistet ist. Angesichts dessen, dass bei dem hier für das Wohnanwesen der Beigeladenen wohl allein in Betracht kommenden Immissionsrichtwert nach Nr. 6.1 lit. d) TA Lärm zwischen dem Nachtwert von 45 dB(A) und dem Tagwert von 60 dB(A) eine Differenz von 15 dB besteht und nach den zahlreichen bisher bei den Windkraftanlagen durchgeführten Immissionsmessungen jeweils der Nachtwert von 45 dB(A) knapp über- oder unterschritten wurde, erscheint es auch ohne das Ergebnis der Beweiserhebung zu antizipieren, ausgeschlossen, dass der Tagwert von 60 dB(A) überschritten sein könnte. Dies wurde auch von Beigeladenenseite nicht vorgetragen. Das Gericht sieht dabei – wie in der mündlichen Verhandlung im Verfahren B 9 K 19.477 am 7. Oktober 2021 erörtert – nach vorläufiger Einschätzung eine Rechtsverletzung der Beigeladenen allerdings nur insoweit als denkbar, als der nach der streitgegenständlichen Widerrufsentscheidung wieder zulässige uneingeschränkte Betrieb der Windkraftanlagen bei der Beigeladenen zu schädlichen Umwelteinwirkungen führt. Nach obigen Ausführungen dürfte dies aber jedenfalls für den Betrieb der Anlagen zur Tagzeit von 06.00 bis 22.00 Uhr nicht möglich sein. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beigeladene allein durch den Erlass der nachträglichen Anordnung vom 23. Januar 2018, mit der der Tagbetrieb beschränkt wurde, bereits eine wehrfähige Rechtsposition erlangt hätte, deren Entzug durch den streitgegenständlichen Widerruf eine Rechtsverletzung bedeuten würde. Diese rein formale Betrachtung würde außer Acht lassen, ob die fragliche Anordnung tatsächlich (auch) dem Schutz von Rechten der Beigeladenen als Nachbarin im immissionsschutzrechtlichen Sinne diente. § 17 BImSchG ermöglicht den Erlass nachträglicher Anordnungen zur Erfüllung der sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten. Diese Pflichten können – wie beispielsweise diejenige aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, s.o. – drittschützend sein, müssen dies aber nicht (vgl. etwa zur Vorsorgepflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG Schmidt-Kötters in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand 1.10.2019, § 5 BImSchG Rn. 121 ff.). Zwar mag der Anlagenbetreiber als Adressat der Anordnung, wenn diese ihm gegenüber bestandskräftig geworden ist, im Verhältnis zur Immissionsschutzbehörde daran gebunden sein. Es wäre aber ein Wertungswiderspruch, wenn ein Nachbar im immissionsschutzrechtlichen Sinn sich bereits auf diese rein formale Bestandskraft im Verhältnis zwischen Anlagenbetreiber und Behörde berufen könnte, ohne dass es darauf ankäme, ob diese Anordnung tatsächlich der Erfüllung immissionsschutzrechtlicher Pflichten diente, die auch seinen Schutz bezwecken. Denn umgekehrt bestünde, soweit es um die Erfüllung von nicht drittschützenden immissionsschutzrechtlichen Pflichten geht, dem Nachbarn auch kein im Wege der Verpflichtungsklage durchsetzbarer Anspruch auf Erlass einer nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG zu (vgl. Hansmann/Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2021, § 17 BImSchG, Rn. 293; Posser in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand 1.1.2021, § 17 Rn. 90 ff.). Der Bescheid des Landratsamtes vom 23. Januar 2018, mit dem die Betriebsbeschränkungen zur Tagzeit angeordnet wurden, stützte sich ausweislich seiner Begründung maßgeblich auf die Tonhaltigkeit der von den Windkraftanlagen verursachten Geräusche, die sich insbesondere aus der Stellungnahme der W. GmbH vom 17. Januar 2018 ergäben. Aus dieser Tonhaltigkeit folgerte das Landratsamt, dass nicht nur ein Verstoß gegen Ziffer 3.2.5 der Nebenbestimmungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, sondern auch schädliche Umwelteinwirkungen vorlägen, auch wenn der von der Antragstellerin geforderte Nachweis der Einhaltung der Immissionsrichtwertanteile zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Der Umstand, dass die von den Windkraftanlagen erzeugten Geräusche tonhaltig sind, führt aber nicht automatisch zum Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu unterlassen wären. Es kann dahinstehen, ob es sich insoweit um nach dem Stand der Technik vermeidbare Emissionen handelt, die nach dem Vorsorgegrundsatz in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu vermeiden sind (vgl. Nr. 3.1 lit. b) TA Lärm: „Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräusche […], insbesondere durch die dem Stand der Technik zur Lärmminderung entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung.“). Insoweit handelt es sich grundsätzlich nicht um eine nachbarschützende Pflicht (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1982 – 7 C 42/80 – juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 11.12.2003 – 7 C 19/02 – juris Rn. 11). Die Tonhaltigkeit von Geräuschen allein führt im Übrigen lediglich dazu, dass nach Nr. A.2.5.2 bzw. A.3.3.5 Anhang TA Lärm ein entsprechender Zuschlag wegen der besonderen Lästigkeit bei der Prognose bzw. Messung der Immissionen zu machen ist. Entscheidend ist dann letztlich, ob die unter Berücksichtigung etwaiger Zuschläge für Tonhaltigkeit ermittelten Geräuschimmissionen schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen. Dass aber auch unter Berücksichtigung der Tonhaltigkeit der Geräusche die maßgeblichen Immissionsrichtwerte für die Tagzeit am Wohnanwesen der Beigeladenen bzw. an einem der in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung festgelegten Immissionsorte überschritten gewesen wären, ist nach obigen Ausführungen wegen der jeweils deutlich höheren Immissionsrichtwerte für die Tagzeit nach Nr. 6.1 TA Lärm gerade nicht erkennbar. Vor diesem Hintergrund kann also aus dem Widerruf der nachträglichen Anordnung vom 23. Januar 2018 voraussichtlich keine Verletzung der Beigeladenen in eigenen Rechten folgen. Somit dürfte die Klage im Hauptsacheverfahren insoweit erfolglos bleiben. Damit besteht aber auch kein überwiegendes Interesse der Beigeladenen an der Aufrechterhaltung des Suspensiveffektes ihrer Klage zu Lasten der Antragstellerin. Hinsichtlich des Betriebs der streitgegenständlichen Windkraftanlagen zur Tagzeit von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr überwiegt somit das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der nachträglichen Anordnung vom 23. Januar 2018.
c) Anders ist dies jedoch für die Nachtzeit von 22.00 bis 06.00 Uhr zu sehen: Insoweit wird es im Hauptsacheverfahren entscheidungserheblich auf das Ergebnis der noch ausstehenden Beweiserhebung ankommen, so dass insoweit die Erfolgsaussichten der Klage im Verfahren B 9 19.477 als offen anzusehen sind. Für die Entscheidung über die hier beantragte Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit kommt es daher auf eine Abwägung der Interessen der Beteiligten an (s.o.). Dabei sind die Folgen eines unterstellten Hauptsacheerfolgs bei Ablehnung des Eilantrags mit den Folgen eines Misserfolgs in der Hauptsache bei Erlass der beantragten Eilentscheidung miteinander zu vergleichen und zu bewerten (sog. Doppelhypothese, vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 80 Rn. 371 m.w.N.).
Für die Antragstellerin ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Betriebsbeschränkung zur Nachtzeit nach den von ihr vorgelegten Berechnungen zu voraussichtlichen Ertragsausfällen von monatlich ca. 16.700 bis 116.700 kWh führen würden. Für die ganztägigen Betriebsbeschränkungen aus beiden Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 geht die Antragstellerin dabei von jährlichen Ertragseinbußen zwischen 162.000 € und 226.000 € aus. Bezogen auf die Drosselung nur zur Nachtzeit (also für ein Drittel des gesamten Tages) ergäben sich somit Einbußen zwischen 38.667 € und 75.333 €, im Monat also durchschnittlich zwischen 3.222 € und 6.278 €, wobei aber die jahreszeitlich unterschiedlichen Windbedingungen zu berücksichtigen sind. Das Landratsamt hat insoweit in den Bescheiden vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 – von Antragstellerseite unwidersprochen – mit einer Vergütung von 0,08 € pro kWh kalkuliert, was auf Grundlage der von der Antragstellerin mitgeteilten prognostizierten Strommengenminderungen im Ergebnis zu Mindererträgen von monatlich 1.336 € bis 9.336 € für die Antragstellerin führen würde. Auf Grundlage der vom Beigeladenenbevollmächtigten mitgeteilten Vergütung von 0,085 € pro kWh ergäben sich Mindererträge zwischen 1.420 € und 9.920 € monatlich. Letztlich hängen die konkreten Ertragseinbußen durch den eingeschränkten Betrieb aber von den jeweiligen Windverhältnissen im Betrachtungszeitraum ab. Das Landratsamt geht dabei von einer Ertragseinbuße von ca. 24,4% für den gedrosselten Betrieb aus, bei einer Beschränkung nur zur Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr ergäbe dies eine Ertragseinbuße von etwa 8,2%. Setzt man die von der Antragstellerseite mitgeteilten prognostizierten Mindereinnahmen zwischen 162.000 € und 226.000 € jährlich zu den vom Beigeladenenbevollmächtigten mitgeteilten Erlösen aus dem Betrieb des Windparks in den letzten vier Jahren (durchschnittlich 2.021.406,70 € jährlich) ins Verhältnis, so ergeben sich anteilige Einbußen zwischen 8,0% und 11,2% für eine ganztägige Betriebsbeschränkung bzw. anteilig für die Beschränkung nur zur Nachtzeit zwischen 2,7% und 3,7%. Zudem hat die Antragstellerin darauf verwiesen, dass der Stromerzeugung durch Windkraft im Hinblick auf die Bekämpfung des Klimawandels und den insoweit bestehenden Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland ein erhebliches öffentliches Interesse zukomme. Dem gegenüber steht das Interesse der Beigeladenen, von schädlichen Umwelteinwirkungen verschont zu bleiben, die der ungedrosselte Betrieb der Windenergieanlagen angesichts einer Überschreitung der in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung festgesetzten Immissionsrichtwertanteile möglicherweise verursachen würde.
Hätte im Falle einer Ablehnung des Antrages auf Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Hauptsacherechtsbehelf der Beigeladenen letztlich keinen Erfolg, wäre die Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise zu Unrecht mit entsprechenden Ertragseinbußen belastet. Daneben stünde auch die dann nicht erzeugte Strommenge aus erneuerbaren Energien dem Markt nicht zur Verfügung, der Strombedarf müsste daher anderweitig und dabei unter Umständen – entgegen des öffentlichen Interesses an einer Bekämpfung des Klimawandels – weniger nachhaltig gedeckt werden. Umgekehrt wäre im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der Betriebsbeschränkung für die Nachtzeit die Beigeladene, wenn sich ihre Klage im Hauptsacheverfahren letztlich als erfolgreich erweist, bis zur rechtskräftigen Entscheidung mit schädlichen Umwelteinwirkungen belastet. Für die Abwägung zwischen diesen widerstreitenden Interessen ist für die Kammer maßgeblich, dass auf der einen Seite schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm durchaus ein gesundheitsschädigendes Potential haben und damit der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG betroffen ist (vgl. WHO, Environmental Noise Guidelines for the European Region, 2018, S. 1). Zudem ist hier mit der Nachtzeit eine Zeitspanne betroffen, die im Hinblick auf das Ruhebedürfnis der Nachbarn besonders schutzwürdig ist, was gerade auch in den unterschiedlichen Immissionsrichtwerten für Tag- und Nachtzeit nach Nr. 6.1 TA Lärm zum Ausdruck kommt. Lärm ist eine der Umweltbelastungen, die von der Bevölkerung am stärksten wahrgenommen wird und bei langjähriger Exposition zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann. Gerade nächtlicher Lärm und damit verbundene Schlafstörungen gelten unter anderem als schädigend für die Blutgefäße. Ein Grund kann dabei in der Adrenalinausschüttung liegen, die durch nächtlichen Lärm stimuliert wird. Erhöhte Herzfrequenz und eine Blutdruckerhöhung können die unmittelbaren Folgen sein, mit langfristig schädigendem Potential (Thißen/Niemann, Wohnen und Umwelt – Ergebnisse aus dem bundesweiten Gesundheitsmonitoringsystem des Robert Koch-Instituts, 2016, S. 22). Im Falle der Anordnung des Sofortvollzuges wäre die Beigeladene, wenn ihre Klage im Hauptsacheverfahren Erfolg haben sollte, zur Nachtzeit möglicherweise bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung potentiell gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt. Demgegenüber sind die finanziellen Interessen der Antragstellerin als nachrangig zu bewerten. Die zu erwartenden Einbußen stellen im Verhältnis zum Gesamterlös aus dem Betrieb des streitgegenständlichen Windparks schon nur einen untergeordneten Betrag dar (jedenfalls unter 10% des Erlöses). Zudem ist zu berücksichtigen, dass die – im Falle der rechtskräftigen Abweisung der Klage im Hauptsacheverfahren – zeitlich beschränkten Mindereinnahmen im Vergleich zur gesamten, zu erwartenden Betriebsdauer der Windkraftanlagen noch deutlich geringer ins Gewicht fallen würden. Auch das von Antragstellerseite angeführte öffentliche Interesse an der Förderung von erneuerbaren Energien kann dies nicht kompensieren. Zwar besteht unzweifelhaft ein besonderes öffentliches Interesse, zur Eindämmung des Klimawandels Strom zunehmend nachhaltiger, d.h. insbesondere auch durch Windkraft zu erzeugen; dies ergibt sich ebenso aus Art. 20a GG. Dieses allgemeine öffentliche Interesse ist aber schon grundsätzlich begrenzt durch den Gesundheitsschutz der Nachbarn entsprechender Anlagen. Zudem bedeutet der durch die Betriebsbeschränkung verursachte geringere Stromertrag nicht, dass der gleichwohl bestehende Strombedarf insoweit nicht ebenfalls aus erneuerbaren Energien und damit ebenfalls klimafreundlich gedeckt werden kann. Der Zeitpunkt der Klageerhebung im Verfahren B 9 K 19.477 führt dabei nicht dazu, dass das Interesse der Beigeladenen geringer zu gewichten wäre. Der streitgegenständliche Bescheid vom 8. Februar 2019 war nicht an sie gerichtet und wurde ihr nicht bekanntgegeben. Er wurde ihrem Bevollmächtigten nach dessen Nachfrage vom Landratsamt mit E-Mail vom 15. Mai 2019 übersandt. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus einer Klageerhebung am 23. Mai 2019 nicht ableiten, dass die Beigeladene kein überwiegendes Interesse an der Suspensivwirkung ihrer Klage haben könne. Im Ergebnis sieht die Kammer daher hinsichtlich des Widerrufs der nachträglichen Anordnung vom 8. Dezember 2016, mit der die Betriebsbeschränkungen für die Nachtzeit angeordnet wurden, keine Grundlage für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs dieser Anordnung mit Bescheid vom 8. Februar 2019.
4. Bei den in Ziffer I. Satz 2 und Ziffer II. des Bescheides des Landratsamtes vom 29. März 2021 getroffenen „Anordnungen“ handelt es sich um Sicherungsmaßnahmen i.S.d. § 80a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 VwGO in Bezug auf die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren B 9 K 19.477 (vgl. SaarlOVG, B.v. 24.2.1992 – 2 W 37/91 – juris), die im Rahmen des Verfahrens nach § 80a Abs. 3 VwGO einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden können (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 80a Rn. 45 und 53). Die diesem Bescheid beigegebene Rechtsbehelfsbelehrung, die auf eine (isolierte) Anfechtbarkeit dieser Sicherungsmaßnahmen hindeutet, steht dem nicht entgegen. Dabei kann es dahinstehen, ob es sich bei Ziffer I. Satz 2, mit dem die Antragstellerin zur Einhaltung der nachträglichen Anordnungen vom 8. Dezember 2016 und 23. Januar 2018 verpflichtet wird, tatsächlich um eine Anordnung mit Regelungswirkung oder nur um einen Hinweis auf die Rechtsfolge der aufschiebenden Wirkung der Klage im Hauptsacheverfahren handelt. Denn zumindest liegt ein entsprechender Rechtsschein vor, da der „Hinweis“ auf die Pflicht zur Einhaltung der nachträglichen Anordnungen in den Tenor eines behördlichen Bescheides aufgenommen wurde.
Nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 VwGO kann die Behörde auf Antrag eines Dritten, der einen Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt eingelegt hat, der dessen Adressaten begünstigt, gegenüber dem Begünstigten einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen. Die Entscheidung über den Erlass von Sicherungsmaßnahmen sowie deren Art und Inhalt steht dabei im Ermessen der Behörde (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80a Rn. 13 m.w.N.). Soweit nach obigen Ausführungen die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides vom 8. Februar 2019 anzuordnen war, entfällt damit aber auch die Rechtfertigung für Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren B 9 K 19.477. Damit waren die Sicherungsmaßnahmen in Ziffer I. Satz 2 und Ziffer II. – zumindest klarstellend – ebenso aufzuheben, soweit sie sich auf die nachträgliche Anordnung vom 23. Januar 2018 beziehen. Im Hinblick auf die nachträgliche Anordnung vom 8. Dezember 2016 bleibt es jedoch nach obigen Ausführungen bei der aufschiebenden Wirkung der Klage im Hauptsacheverfahren. Die insoweit angeordneten Sicherungsmaßnahmen – soweit ihnen überhaupt eine eigenständige Regelungswirkung zukommt – begegnen jedoch keinen rechtlichen Bedenken. Ziffer I. Satz 2 des Bescheides vom 29. März 2021 enthält lediglich die rechtliche Konsequenz aus der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerruf der nachträglichen Anordnung vom 8. Dezember 2016, nämlich deren einstweiligen Fortbestand bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache. Die in Ziffer II. insoweit angeordnete Nachweispflicht erscheint im Hinblick auf die von Antragstellerseite ausdrücklich bestrittene aufschiebende Wirkung der Klage im Hauptsacheverfahren B 9 K 19.477 jedenfalls nicht unverhältnismäßig.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Antragstellerin ist mit dem Haupt- und dem ersten Hilfsantrag unterlegen, hat aber mit dem zweiten Hilfsantrag obsiegt; dem entspricht eine Aufteilung der Kosten zu 2/3 und 1/3. Es entspricht der Billigkeit, dass die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Umfang ihres Obsiegens zu erstatten sind, da sie sich durch eine eigene Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Ziffern 19.2, 2.2.2 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).


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