Baurecht

Ausreichende Erschließung bei Zufahrt über öffentlichen Feld- und Waldweg

Aktenzeichen  AN 9 K 16.00557

Datum:
6.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BayBO BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Ist ein Vorhabengrundstück über ein im Eigentum der Gemeinde stehendes Wegegrundstück (hier: ein öffentlicher Feld- und Waldweg), das jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht dem allgemeinen Verkehr zur Verfügung gestellt wird, erreichbar, ist von einer dauerhaften Erschließung auszugehen, sofern die Gemeinde auf Dauer rechtlich gehindert ist, den Anliegerverkehr zu dem Grundstück zu untersagen (vgl. BVerwG BeckRS 9998, 47808). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom 14. März 2016 die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, da das genehmigungspflichtige Vorhaben keinen im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfenden Vorschriften widerspricht (§ 113 Abs. 5 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO) und Ablehnungsgründe nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBo von der Beklagten nicht geltend gemacht wurden.
Die hier streitgegenständliche Nutzung, dies ist zwischen den Beteiligten unstrittig, bedarf der Baugenehmigung (Art. 55 Abs. 1 BayBO). Selbst bei Fortgelten der im Dezember 2012 erteilten Baugenehmigung bestünde für die Umnutzung des als Einfamilienhaus genehmigten Gebäudes in ein Zweifamilienhaus mit Einliegerwohnung keine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 4 BayBO. Insbesondere kommen für die neue Nutzung andere öffentlich-rechtliche Anforderungen als für die bisherige Nutzung in Betracht, so beispielsweise in Bezug auf die Stellplatzsituation.
Das Vorhaben ist auch mit den im Genehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar. Da das Vorhaben keinen Sonderbau i.S.v. Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, unterfällt es dem vereinfachten Genehmigungsverfahren. Im Zuge dessen richtet sich das bauaufsichtliche Prüfprogramm nach Art. 59 Satz 1 BayBO. Einzig relevant ist in diesem Zusammenhang, ob das Vorhaben auch mit den Vorschriften über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit baulicher Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB übereinstimmt.
Dies ist hier aber der Fall. Vorliegend findet – was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstrittig ist – § 34 BauGB Anwendung, denn das Anwesen des Klägers befindet sich im unbeplanten Innenbereich. Das Gericht kam bereits in dem das streitgegenständliche Grundstück betreffenden Verfahren AN 9 K 13.01327 auf Grundlage eines in einem früheren Verfahren (AN 9 K 11.01565) durchgeführten gerichtlichen Augenscheins zu dem Ergebnis, dass das Gebiet „…“ innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liege. Die diesbezüglichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen, die uneingeschränkt auch auf das vorliegende Verfahren anzuwenden sind, macht sich das Gericht zu eigen. Anhaltspunkte dafür, dass sich an den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort wesentliche Änderungen ergeben haben, bestehen nicht und wurden von Seiten der Beteiligten auch nicht vorgetragen.
Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht ist zwischen den Beteiligten allein das Vorhandensein einer gesicherten wegebzw. straßenmäßigen Erschließung strittig und aus Sicht des Gerichtes entscheidungsrelevant. Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht das Gericht die Anforderungen an eine diesbezügliche taugliche Erschließung als gegeben an.
Für eine derartige Erschließung bedarf das Vorhabengrundstück eines zur ordnungsgemäßen Nutzung geeigneten Zugangs zum öffentlichen Verkehrsnetz, wobei die Zugänglichkeit in rechtlicher Weise ausreichend gesichert, d.h. auf Dauer zur Verfügung stehen muss (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.1985 – 4 C 48/81 – juris Rn. 15, 20; B.v. 3.4.1996 – 4 B 253/95 – juris 2. Leitsatz). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Das gilt zum einen mit Blick auf die wegemäßige Erschließung in rechtlicher Hinsicht. Zwar dürfte, wie die Beklagte zu Recht einwendet, eine bloße Zufahrtsmöglichkeit über einen öffentlichen Feld- und Wald Weg, um einen solchen handelt es sich bei dem zum klägerischen Grundstück führenden Weg, für eine dauerhafte Sicherung der wegemäßigen Erschließung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB grundsätzlich nicht ausreichend sein, da dessen Funktion auf die Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken begrenzt ist (Art. 53 Nr. 1 BayStrWG) und dieser demnach gerade keine allgemeine Anfahrtsmöglichkeit mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen für ein im Innenbereich gelegenes Grundstück eröffnen soll (Zeitler, BayStrWG, Stand Oktober 2015, Art. 53 Rn. 10). Allerdings kann dies hier offen bleiben, da selbst dann, wenn ein Feld- und Wald Weg jedenfalls im Grundsatz nicht zur Erschließung von im Innenbereich gelegenen Grundstücken ausreichend sein sollte, der Beklagten diese Einwendung im vorliegenden Fall aber verwehrt ist. Ist nämlich ein Vorhabengrundstück – wie hier – über ein im Eigentum der Gemeinde stehendes Wegegrundstück, das jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht dem allgemeinen Verkehr zur Verfügung gestellt wird, erreichbar, ist von einer dauerhaften Erschließung auszugehen, sofern die Gemeinde auf Dauer rechtlich gehindert ist, den Anliegerverkehr zu dem Grundstück zu untersagen (vgl. BVerwG, U.v. 31.10.1990 – 4 C 45/88 – juris Rn. 19). Dies ist hier der Fall.
Die Beklagte ist vorliegend verpflichtet, den vom Vorhaben ausgehenden Verkehr zu dulden. Der Kläger hat nämlich einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den anderen über den streitgegenständlichen Weg erschlossenen Grundstücken, womit eine entsprechende Duldungspflicht der Beklagten korrespondiert. Sein Bauvorhaben ist gerade in Bezug auf die Erschließungsfunktion des Weges mit der bereits vorhandenen Bebauung entlang des Weges vergleichbar. Nach einer seitens der Beklagten im Verfahren AN 9 K 11.01565 vorgelegten Bestandsaufnahme aus dem Jahr 1999 befinden sich in der Siedlung „…“ auch andere, teils genehmigte Wohngebäude, teils Wochenendhäuser, die (überwiegend) ebenfalls nur über den hier in Rede stehenden öffentlich gewidmeten Feld- und Wald Weg erschlossen sind. Der Vergleichbarkeit steht auch nicht die seitens des Klägers beabsichtigte Erhöhung der Anzahl der Wohneinheiten entgegen. Hierdurch wird es nämlich nach Überzeugung des Gerichts weder qualitativ noch quantitativ zu einer deutlichen Intensivierung des vom klägerischen Grundstück ausgehenden Fahrverkehrs im Vergleich zu den anderen über diesen Weg erschlossenen Grundstücken kommen. Denn auch wenn das klägerische Gebäude künftig über zwei zusätzliche Wohneinheiten verfügen wird, bleibt dennoch die Geschossfläche des Wohnhauses unverändert. Zwar mag eine Mehrung an abgeschlossenen Wohneinheiten ggf. auch ein Mehr an Fahrverkehr indizieren. Dieser weicht aber aufgrund der gleichbleibenden Geschossfläche und dem letztlich damit gleichbleibenden Wohnraum keinesfalls in einem solchen Maße von der derzeit bestehenden Situation ab, dass von einer deutlichen Intensivierung gesprochen werden könnte. Das Vorhaben des Klägers wie auch der von diesem ausgelöste Fahrzeugverkehr weicht damit, wenn überhaupt, nur marginal von den im Gebiet vorhandenen Nutzungen ab, so dass dem Kläger insofern unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ein Anspruch darauf zu steht, dass die Beklagte die Benutzung ihres Feld- und Waldwegs als Erschließung für das Vorhaben duldet. Überdies hat die Beklagte den ohne Baugenehmigung errichteten Anbau an das streitgegenständliche Gebäude durch Erteilung einer Genehmigung auf Grundlage des § 35 Abs. 4 Nr. 5 BauGB im Jahre 2007 legalisiert und damit zugleich den vorhandenen Weg als ausreichende Erschließung gebilligt, so dass es ihr darüber hinaus auch unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt sein dürfte, sich hier auf eine mangelnde rechtliche Erschließung im Hinblick auf die geplante Wohnnutzung zu berufen.
Die wegemäßige Erschließung ist auch in tatsächlicher Hinsicht gegeben. Der Kläger hat – was inhaltlich durch die Beklagte nicht beanstandet wurde – mit der dem Schriftsatz vom 8. August 2017 beigefügten Anlage den Zustand des hier in Rede stehenden Weges detailliert beschrieben. Der öffentliche Feld- und Wald Weg, der durch den Servicebetrieb … der Beklagten instandgehalten wird, ist demnach geschottert und in einem guten Zustand. Die in diesem Zusammenhang vorgelegten Lichtbilder belegen überdies, dass der Weg so beschaffen ist, dass er u.a. mit Fahrzeugen der Müllabfuhr befahren werden kann und auch ein Begegnungsverkehr zwischen zwei PKW (jedenfalls teilweise) möglich ist. Nach dem – auch insoweit von der Beklagten nicht bestrittenen – Vortrag des Klägers, verfügt der Weg überdies über mehrere Ausweichstellen. Der vorhandene Weg ist vor diesem Hintergrund nach Überzeugung des Gerichts auch in tatsächlicher Hinsicht für eine gesicherte Erschließung ausreichend. Denn eine Erschließung in wegemäßiger Hinsicht ist dann zu bejahen, wenn die Zuwegung den vom Vorhaben ausgelösten Verkehr regelmäßig bewältigen kann; der Weg erlaubt insbesondere auch eine Zufahrt von öffentlichen Versorgungsfahrzeugen (Müllabfuhr, Feuerwehr, Krankenwagen, vgl. BVerwG, U.v. 4.6.1993 – 8 C 33/91 – juris 1. Leitsatz). Auch führt die Zulassung des Vorhabens wie bereits ausgeführt zu keiner relevanten, nicht mehr über den vorhandenen Weg bewältigbaren, Intensivierung des Verkehrs.
Dem Vorhaben des Klägers steht daher eine fehlende Erschließung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB nicht entgegen, so dass es sich bauplanungsrechtlich als zulässig erweist. Auch andere im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO relevante Ablehnungsgründe sind hier nicht ersichtlich, so dass das Vorhaben insgesamt zulässig ist.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


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