Baurecht

Bauaufsichtliche Anordnung, Ausreichender Gefahrenverdacht

Aktenzeichen  1 CS 21.3016

Datum:
20.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 901
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 54

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 11 S 21.5408 2021-11-12 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die zwangsgeldbewehrte, unter Anordnung des Sofortvollzugs ergangene bauaufsichtliche Anordnung, einen näher bezeichneten Bereich vor der westlichen Fassade des Gebäudes auf seinem Grundstück durch eine 2 m hohe Absperrung zu sichern.
Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Die Sicherungsanordnung sei rechtmäßig. Der Antragsgegner habe zu Recht darauf abgestellt, dass ein eventueller Einsturz der westlichen Gebäudefassade aufgrund objektiver Anhaltspunkte (insbesondere massiver Risse im Mauerwerk im Innenbereich des Gebäudes) bei der im Ordnungsrecht gebotenen ex-ante Betrachtung als möglich erscheine. Der positive Nachweis einer fehlenden Standfestigkeit sei nicht Voraussetzung für ein bauaufsichtliches Einschreiten im Wege der Gefahrenabwehr, sondern es genüge, dass die Möglichkeit eines Schadenseintritts nach einer auf konkreten Tatsachen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu weisen sei. Dies sei hier der Fall. Angesichts des hohen Werts der gefährdeten Schutzgüter Leben und Gesundheit Dritter seien keine hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Einsturzes der Wand zu stellen. Ein milderes Mittel zur Verhütung von gesundheitlichen Gefahren für Passanten sei nicht ersichtlich. Soweit das Landratsamt den Antragsteller unter Zwangsgeldandrohung zudem verpflichtet hat, die westliche Fassade so zu sichern, dass die statische Standsicherheit vollständig gewährleistet wird, hat das Verwaltungsgericht dem Eilantrag stattgegeben. Es stehe derzeit nicht zweifelsfrei fest, ob tatsächlich eine Beeinträchtigung der Standsicherheit der Westfassade des Gebäudes bestehe.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren weiter.
Der Antragsgegner beantragt die Verwerfung der Beschwerde, jedenfalls aber deren Zurückweisung.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
Es kann hier offenbleiben, ob die kursorischen Ausführungen der Beschwerdebegründung dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO genügen. Die angegebenen Gründe rechtfertigen jedenfalls keine Abänderung oder Aufhebung der angegriffenen Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung unter umfassender Würdigung des Einzelfalls dargestellt, dass das Landratsamt bei der anzustellenden ex-ante-Betrachtung zu Recht von einer möglichen Einsturzgefahr und der damit einhergehenden Gefährdung von Passanten ausgehen konnte. Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung sind nicht geeignet, diese Einschätzung zu erschüttern. Soweit der Antragsteller darauf abstellt, dass die Gefahrenprognose für die öffentliche Sicherheit eine reale Situation darstellen müsse und nicht die Angaben von dritter Seite (Fa. E.) übernommen werden könnten, lässt er unberücksichtigt, dass für die Beurteilung einer Gefahrensituation auf alle geeigneten, zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel abgestellt werden kann. Dass der Statiker der Fa. E. von der Gemeinde im Zuge der Kanalbauarbeiten mit der Begutachtung des Gebäudes beauftragt worden ist, ist daher ohne Belang. Gegen die fachliche Einschätzung des Statikers zeigt die Beschwerde keine Bedenken auf. Im Übrigen hat das Landratsamt die Prognose nicht allein auf diese Angaben gestützt, sondern hat selbst mehrere Ortseinsichten mit entsprechender Dokumentation des im Jahr 1914 errichteten Gebäudes durchgeführt. Dass das Landratsamt zunächst keine Einsturzgefahr angenommen hat, steht der späteren Bewertung aufgrund fortschreitender Erkenntnisse nicht entgegen. Der Vortrag, dass die vorgefundenen Risse nicht in der Giebelwand lägen, sondern in den Anbauwänden im Innern des Gebäudes, rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung. Aus den in der Behördenakte befindlichen Lichtbildern sowie den Feststellungen im Beweissicherungsprotokoll des Ingenieursbüros E. vom 12. Juli 2021 ergibt sich, dass die Risse nicht nur an den Anbauwänden auftreten, sondern auch an der Westwand selbst.
Soweit die Beschwerdebegründung ausführt, dass im angegriffenen Bescheid die bereits durch die Gemeinde erfolgte Errichtung des Bauzauns nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, vermag dies der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Errichtung des Bauzauns durch die Gemeinde diente der Absicherung der Kanalbauarbeiten und war auf deren Dauer beschränkt. Sie lässt die Verantwortung des Antragstellers als Zustandsstörer nicht entfallen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.


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