Baurecht

Baueinstellung, Erledigung durch Fertigstellung, Zustandsstörer

Aktenzeichen  AN 3 S 21.01244

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35968
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 75 Abs. 1
BayBO Art. 57. Abs. 1 Nr. 9
LStVG Art. 9 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im Wege einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit einer Sofortvollzugsanordnung bezüglich einer Baueinstellungsanordnung für eine Aufschüttung.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … in …( …). Das Grundstück hat eine Gesamtfläche von 625 qm.
Am 8. Juni 2021 wurde das Landratsamt durch die Standortgemeinde darüber informiert, dass auf dem streitgegenständlichen Grundstück Geländeveränderungen durchgeführt worden seien; dies wohl ohne Genehmigung. Zwei Tage zuvor, am 6. Juni 2021, habe es zwischen 16.00 und 17.00 Uhr im Stadtgebiet massive Überflutungen durch Starkregen gegeben. Eine größere Überflutung sei auf dem Anwesen… (dem Nachbargrundstück zum streitgegenständlichen Grundstück) eingetreten. Ursächlich für die Überflutung des Kellers auf dem Anwesen Hausnummer … seien jedoch wahrscheinlich Auffüllarbeiten am Nachbargrundstück Hausnummer … gewesen. Das streitgegenständliche Grundstück sei nicht bebaut. Vermutlich habe jedoch die dort ausgeführte Auffüllung dazu geführt, dass der natürliche Oberflächenabfluss nicht wie bisher über das freie Baugrundstück in Richtung Tal/Weiher habe abgeführt werden können. Durch die Auffüllung auf dem streitgegenständlichen Grundstück und den massiven Wasserzutritt aus der Flur sei ein Tiefpunkt vor dem Nachbargrundstück Anwesen Hausnummer … entstanden.
Nach einer am 8. Juni durchgeführten Baukontrolle erließ das Landratsamt, ohne vorherige Anhörung, unter dem 10. Juni 2021 den hier streitgegenständlichen Bescheid. Dieser regelt in seiner Ziffer 1 die Baueinstellungsanordnung zur Errichtung einer Auffüllung auf dem streitgegenständlichen Grundstück und in seiner Ziffer 2 die sofortige Vollziehung der Anordnung in Ziffer 1. Zur Begründung wird ausgeführt, dass bei einer Ortsbesichtigung am 8. Juni 2021 festgestellt worden sei, dass eine Auffüllung mit einer Fläche von 600 qm vorgenommen worden sei. Eine Baugenehmigung hierfür liege nicht vor. Eine Anhörung könne gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG in diesem Fall entfallen, da die sofortige Einstellung der Bauarbeiten die Schaffung vollendeter, nicht oder nur schwer rückgängig zu machender Tatsachen verhindere. Die Einstellung der Bauarbeiten beruhe auf Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Mit dem Bau dürfe u. a. erst begonnen werden, wenn die Baugenehmigung dem Bauherrn zugegangen sei. Eine Baugenehmigung sei jedoch nicht beantragt worden und könne somit auch nicht erteilt werden. Da die Auffüllung eine Fläche von 600 qm aufweise, sei sie genehmigungspflichtig. Es gebe einen hinreichenden Anfangsverdacht dafür, dass mit der Errichtung der Auffüllung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen worden sei. Die Auffüllung sei schon vor Ort deutlich zu erkennen und es sei davon auszugehen, dass das Bauvorhaben im Fortgang weitere genehmigungspflichtige Arbeiten nach sich ziehe. Die Baueinstellung ergehe somit unter pflichtgemäßem Ermessen.
Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2021 – hier eingegangen am gleichen Tag – ließ der Antragsteller Klage gegen diesen Bescheid erheben und einstweiligen Rechtsschutz beantragen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Bescheid des Landratsamts sowohl aus formellen als auch aus materiellen Gründen rechtswidrig und daher aufzuheben sei. Das Landratsamt begründe den Bescheid damit, dass der Antragsteller widerrechtlich eine Auffüllung auf seinem Grundstück durchgeführt habe, was allerdings zu keinem Zeitpunkt erfolgt sei. Es liege schon keine Aufschüttung im Sinn des Art. 2 BayBO vor. Der Antragsteller habe vielmehr Anfang April 2021 von einem befreundeten Bauherrn dessen Erdaushub auf sein Grundstück liefern lassen. In der Folge seien letztlich acht Erdhaufen an Erde auf dem Grundstück abgeladen worden. Diese hätte später als Füllmaterial für ein künftiges Bauvorhaben des Antragstellers dienen sollen, wenn dieser auf dem Grundstück ein Gebäude errichte. Es sei festzuhalten, dass bauliche Maßnahmen auf dem Grundstück bis zum heutigen Tage nicht vorgenommen worden seien. Weder sei bislang ein Bauantrag gestellt, noch ein Schallgutachten erstellt worden, welches wohl für jegliche Errichtung einer baulichen Anlage erforderlich sein werde. Es sei auch kein Erdaushub auf diesem Grundstück getätigt worden. Auch Planungen seien noch nicht derart weit gedrungen, dass eine Baumaßnahme unmittelbar bevorstehe.
Das Abladen der Erde stelle zum einen keine dauerhafte Aufschüttung dar, da diese vorhandene Erde zu einem noch nicht näher bestimmten Zeitpunkt, nachdem ein Erdaushub auf dem Grundstück erfolgt und eine anschließende Wiederverfüllung stattgefunden habe, wiederverwendet bzw. abtransportiert werde. Insofern handle es sich nur um eine vorübergehende Lagerung. Zum anderen wäre eine solche Aufschüttung mit einer Fläche von bis zu 500 qm verfahrensfrei gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 9 BayBO. Dies sei vorliegend in jedem Fall gegeben. Die vorliegende Aufschüttung mit den kleinen Erdhaufen habe maximal eine Fläche von 10 auf 10 m abgedeckt und reiche keinesfalls auch nur im Ansatz an die gesetzlich vorgegebenen 500 qm heran. Wie und weshalb das Landratsamt eine Fläche von 600 qm annehme, sei nicht nachvollziehbar. Dies sei zugleich ausdrücklich zu bestreiten.
Darüber hinaus sei der Sachverhalt auch zu ergänzen. Am 6. Juni 2021 habe ein starkes Hochwasser den Ortsteil getroffen und sowohl das Grundstück des Antragstellers als auch die Nachbargrundstücke überschwemmt. Daraufhin seien die Feuerwehr und das Technisches Hilfswerk eingeschaltet worden, um weitergehende Schäden zu vermeiden. Es werde bestritten, dass die Überschwemmungen der Nachbargrundstücke durch das auf dem Grundstück des Antragstellers gelagerte Material mitverursacht worden seien. Am 6. Juni 2021 sei seitens des Technischen Hilfswerks das noch vorhandene Erdmaterial dahingehend verwendet worden, dass dadurch der Wasserlauf auf den Nachbargrundstück verhindert und die Wassermengen trockengelegt werden sollten. Letzten Endes habe der Antragsteller quasi mit seinem Material noch dafür gesorgt, dass größere Schäden auf den Nachbargrundstücken vermieden worden seien. Spannend sei, dass das Landratsamt seinen Bescheid auf einen Zustand am 8. Juni 2021 gestützt habe, an welchem der Erdhaufen einerseits zur Entfeuchtung und Vermeidung von weiteren Wasserlauf verwendet worden sei. Andererseits seien an diesem Tage keine Erdhaufen mehr vorhanden gewesen. Insoweit sei nicht ersichtlich, was dem Antragsteller hier tatsächlich vorzuwerfen sei. Weiter sei nochmals festzuhalten, dass eine genehmigungspflichtige Auffüllung weder im April 2021 noch am 8. Juni 2021 noch dazwischen erfolgt oder vorhanden gewesen sei. Es hätten auch insbesondere am 6. Juni 2021 keine einzustellenden Bauarbeiten stattgefunden. Die Arbeiten des Technischen Hilfswerks sowie der Feuerwehr seien nicht vom Antragsteller beauftragt worden, sondern vielmehr wohl von einem Nachbarn oder der Gemeinde. Insoweit gebe es auch hier nichts, was gemäß Art. 75 BayBO einzustellen sei.
Auch fehle es an der erforderlichen Anhörung des Antragstellers (wird weiter aufgeführt). Der Bescheid sei daher auch ermessensfehlerhaft, da das Landratsamt im Rahmen des Ermessens hätte nicht nur berücksichtigen müssen, dass Bauarbeiten überhaupt nicht stattgefunden hätten, sondern auch, dass weitere Gefahren nach dem Hochwasser am 6. Juni 2021 nicht bestanden hätten und der Antragsteller für höhere Gewalt letztlich nicht in Haftung genommen werden könne.
Der Antragsteller beantragt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes:
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes … vom 10. Juni 2021, Az.: …, wird wiederhergestellt.
Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2021 erwiderte der Antragsgegner hierauf und beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass am 16. Juli 2021 eine weitere Baukontrolle stattgefunden habe, bei der festgestellt worden sei, dass eine Auffüllung mit einer Größe von 600 qm errichtet worden sei. Insofern sei auf die im Rahmen der Baukontrolle gefertigten Lichtbilder zu verweisen. Am 16. Juli 2021 habe auch das Technische Hilfswerk mitgeteilt, dass es am 6. Juni 2021 auf dem streitgegenständlichen Grundstück nichts verteilt habe. Lediglich der Bauhof habe ca. 50 qm verschoben.
Die Anordnung des Sofortvollzugs sei zunächst aus formellen Gründen nicht zu beanstanden. Insbesondere sei die Anordnung ausreichend begründet. Der Bescheid vom 10. Juni 2021 sei formell und materiell rechtmäßig. Eine Anhörung des Antragstellers sei gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG entbehrlich gewesen. Im Übrigen sei mittlerweile von einer Heilung auszugehen. Der Antragsteller habe im Rahmen der Antragsschrift die Möglichkeit gehabt, zu der erlassenen Baueinstellung Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme sei seitens des Landratsamts zum Anlass genommen worden, die angeordnete Baueinstellung kritisch zu überdenken. Insbesondere die erneute Baukontrolle und die Aussagen des Technischen Hilfswerks hätten jedoch ergeben, dass die Baueinstellung zu Recht ergangen sei.
Es lägen hier ausreichend objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller mit einer entsprechend großen Aufschüttung eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet habe. Der Baukontrolleur habe festgestellt, dass auf dem streitgegenständlichen Grundstück fast über seine gesamte Fläche Erde aufgeschüttet worden sei und somit eine Anlage im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BayBO errichtet worden sei. Auf den bei den beiden Baukontrollen gefertigten Lichtbildern sei gut zu erkennen, dass Erdreich fast auf dem gesamten Grundstück abgelagert worden sei. Dies könne man schon allein daran erkennen, dass anders als in der Umgebung kein vergleichbarer Bewuchs gegeben sei. Das Merkmal „auf Dauer“ sei bereits erfüllt, wenn die Aufschüttung für einen nicht ganz unbedeutenden Zeitraum erfolge. Daher sei unschädlich, dass die Aufschüttung, wie seitens des Antragstellers dargestellt, nicht für immer erfolge. Es bestünden hinreichend objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Aufschüttung entgegen öffentlich-rechtlicher Vorschriften erfolgt sei. Das Landratsamt habe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass eine nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 9 BayBO genehmigungspflichtige Aufschüttung errichtet worden sei. Die Bilder und Aussagen des Baukontrolleurs bestätigten, dass die Aufschüttung fast die gesamte Grundstücksfläche bedecke. Somit lägen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Aufschüttung mit einer Fläche von mehr als 500 qm errichtet worden sei. Die erneute Baukontrolle habe ergeben, dass die Aufschüttung nach wie vor in entsprechender Größe bestehe, so dass die Baueinstellung auch noch zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtmäßig sei. Ergänzend sei anzuführen, dass der Vortrag des Antragstellers, nicht er, sondern das Technische Hilfswerk bzw. die Feuerwehr habe die Aufschüttung errichtet, nachweislich der E-Mail des Technischen Hilfswerks vom 16. Juli 2021 ins Leere gehe.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid ist bereits unzulässig, aber auch unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht im Falle des behördlich angeordneten Sofortvollzugs auf Antrag die aufschiebende Wirkung wiederherstellen. Hierbei trifft das Gericht eine originäre Ermessensentscheidung, welche sich in erster Linie an den Erfolgsaussichten der Hauptsache (BayVGH, B. v. 21.12.2001 – 15 ZS 01.2570 – juris Rn. 17 = NVwZ-RR 2003, 9) und der formellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs orientiert. Dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes entspricht es, dass diese Prüfung grundsätzlich nur summarisch erfolgt, da für eine Beweisaufnahme grundsätzlich bei diesen Verfahren kein Raum bleibt. Bei offenen Erfolgsaussichten wird die Ermessensentscheidung anhand einer Interessenabwägung getroffen (BayVGH v. 21.12.2001 a.a.O.).
Der Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg, da er bereits unzulässig ist (1.). Im Übrigen ist er unbegründet, da die Anordnung des Sofortvollzugs formell rechtmäßig ist (2.) und im Rahmen der summarischen Prüfung keine Erfolgsaussichten der Hauptsache gegeben sind (3.). Selbst wenn man hier offene Erfolgsaussichten aufgrund einer eventuell noch erforderlichen Beweisaufnahme annehmen wollen würde, würde die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfallen (4.).
1. Der Antrag ist schon unzulässig, da sich die Anordnung unter Ziffer 1 des Bescheids, auf die sich der hier streitgegenständliche Sofortvollzug bezieht, nach Meinung des Gerichts erledigt und somit ihre Wirksamkeit nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG verloren hat. Eine Baueinstellung erledigt sich durch Wegfall des Regelungsgegenstands, wenn die eingestellte Baumaßnahme durch Abschluss vollendet wird und damit nichts mehr „weitergebaut“ werden kann (BayVGH B. v. 29.3.1993 – 14 CE 93.434 – juris Rn. 23).
So liegt der Fall hier. Es sind nach Meinung des Gerichts keine Baumaßnahmen im Sinne einer weiteren Aufschüttung zu erwarten. Dafür sprechen schon die Ausführungen des Antragstellers, der schriftsätzlich vortragen ließ, dass nicht ersichtlich sei, was dem Antragsteller vorgeworfen werde. Ebenso sind die vom Antragsteller unstreitig in der Vergangenheit angelegten Erdhaufen ausweislich der kürzlich übersendeten Fotos der Antragsgegnerin nicht mehr vorhanden, sondern anscheinend im Rahmen der Hochwasserbekämpfung auf dem Grundstück verteilt worden. Ebenso hat der Antragsteller ausgeführt, dass er aktuell kein Bauvorhaben plane, also nicht mit weiteren Erdbewegungen zu rechnen ist. Vielmehr deutet zum jetzigen Zeitpunkt alles darauf hin, dass die vorhandene Aufschüttung den Endzustand der Erdarbeiten darstellt.
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, hätte der Antrag keine Aussicht auf Erfolg, da er im Übrigen unbegründet ist.
2. Das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug wurde im streitgegenständlichen Bescheid ordnungsgemäß nach § 80 Abs. 3 VwGO begründet. Für eine ordnungsgemäße Begründung des Sofortvollzugs bedarf es einer auf den Einzelfall eingehenden Begründung, an welche jedoch keine inhaltlich überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen (BayVGH, B. v. 9.11.2020 – 9 CS 20.2005 – juris Rn. 14). Vielmehr reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde im konkreten Einzelfall eine sofortige Vollziehung für geboten hält (BayVGH v. 9.11.2020 a.a.O.).
Im Rahmen einer Baueinstellung ist zusätzlich zu beachten, dass ein Sofortvollzug regelmäßig notwendig ist, um diese Maßnahme überhaupt effektiv werden zu lassen. Ansonsten besteht aufgrund der aufschiebenden Wirkung die Gefahr der Fertigstellung der baulichen Anlage, was zur Erledigung i.S.v. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG führen könnte und dem Zweck der Verhinderung endgültiger Zustände zuwiderläuft (vgl. BayVGH, B. v. 16.9.2013 – 14 CS 13.1383 – juris Rn. 9, BayVGH, B. v. 9.9.2009 – 1 CS 09.1292 – juris Rn. 63 = NVwZ-RR 2010, 11).
Diesbezüglich sind die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid ausreichend, da auf die im konkreten Fall regelmäßig gegebene Gefahr der vollendeten Tatsachen abgestellt wurde.
3. Die Anfechtungsklage hat nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg, da die angegriffene Baueinstellungsanordnung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Baueinstellungsanordnung nach Art. 75 Abs. 1 BayBO ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt (BayVGH, B. v. 14.4.2020 – 1 CS 20.143 – juris Rn 10). Angewendet auf das hier einschlägige Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist also der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag ausschlaggebend.
3.1 Die Baueinstellungsanordnung ist formell rechtmäßig.
Nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG hat die Behörde vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts die Betroffenen anzuhören. Im Rahmen einer Baueinstellungsanordnung entfällt dieses Erfordernis jedoch regelmäßig aufgrund besonderen öffentlichen Interesses nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG, da ansonsten häufig die Gefahr der Schaffung vollendeter Tatsachen besteht, welche die Baueinstellung gerade verhindern soll (BayVGH, B. v. 29.10.2020 – 1 CS 20.1979 – juris Rn. 8).
Vorliegend sind keine besonderen Umstände des Einzelfalls erkennbar, warum von der oben dargestellten Regel abgewichen werden sollte. Soweit sich die Antragstellerseite auf besonderes Wissen im Hinblick auf vorgenommene Bauarbeiten durch das THW beruft, sei hier angeführt, dass dies den Antragsteller nicht aus seiner Zustandsverantwortlichkeit entlassen hätte (dazu unten). Im Übrigen wäre ein Anhörungsmangel mittlerweile geheilt nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG, da der Antragsgegner das Vorbringen des Antragstellers nochmals zum Anlass einer Überprüfung der eigenen Rechtsposition genommen hat, wie sich aus dem Schriftsatz des Landratsamtes vom 21. Juli 2021 ergibt.
3.2 Die Baueinstellung stellt sich nach summarischer Prüfung auch als materiell rechtmäßig dar.
3.2.1 Rechtsgrundlage für die Baueinstellung ist Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Hiernach kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Bauarbeiten an Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften kann sich aus der formellen Illegalität – also dem Fehlen einer notwendigen Baugenehmigung – oder der materiellen Illegalität – also dem Verstoß der Anlage gegen inhaltliche Anforderungen der Baugesetze – ergeben (BayVGH, B. v. 14.4.2020 – 1 CS 20.143 – juris Rn 9). Dem Charakter als Dauerverwaltungsakt und den verminderten Anforderungen an die Gefahrprognose ist es geschuldet, dass die Behörde die Baueinstellungsanordnung „unter Kontrolle zu halten“, eventuell eintretenden Veränderungen der Sach- und Rechtslage nachzugehen und gegebenenfalls eine Anpassung oder Aufhebung der Anordnung von Amts wegen zu prüfen hat (BayVGH v. 14.4.2020 a.a.O.). Andererseits ist der präventive Gefahrenabwehrcharakter der Baueinstellung zu beachten, welcher bewirkt, dass für eine Baueinstellung ein nur „hinreichend begründeter Anfangsverdacht“ ausreicht, um die formelle oder materielle Illegalität zu begründen (BayVGH, B. v. 4.11.2020 – 9 CS 20.1969 – juris Rn. 13). Es müssen mithin ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für diesen Verdacht vorliegen. Eine tatsächliche Bestätigung dieses Verdachtes – außerhalb des soeben dargelegten regelmäßigen Kontrollerfordernisses – ist mithin nicht Voraussetzung für eine Baueinstellung (BayVGH, B. v. 29.10.2020 – 1 CS 20.1979 – juris Rn. 10).
Nach obigen Maßstäben liegen hier sowohl eine bauordnungsrechtlich geregelte Anlage in Form einer selbstständigen Aufschüttung (Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BayBO) als auch ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für deren formelle Illegalität aufgrund eines Genehmigungserfordernisses (Art. 55 Abs. 1 BayBO) vor.
Eine Aufschüttung ist nach einhelliger Definition eine künstliche, auf Dauer angelegte Veränderung der natürlichen – oder ihr gleichstehenden – Geländeoberfläche durch Erhöhung des Bodenniveaus (BeckOK BayBO Art. 57 Rn 136 m.w.N.). Eine solche liegt hier auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung immer noch vor. Dabei sei hier darauf hingewiesen, dass das Verständnis von Antragstellerseite und Antragsgegner über die Tragweite des Begriffs im konkreten Fall anscheinend auseinandergeht.
Vorliegend sind nicht nur die von der Antragstellerseite in Fokus genommenen „acht Erdhaufen“ zu betrachten, sondern die – anscheinend auch von der Antragsgegnerseite zu Grunde gelegten – gesamten Veränderungen an der Geländeoberfläche des in Frage stehenden Grundstücks. Ausweislich der vom Antragsgegner übersandten Fotos vom 15.7.2021 wurden auf dem gesamten Grundstück Erdbewegungen durchgeführt, was schon anhand der nicht mehr vorhandenen Vegetation erkennbar ist. Die „acht Erdhaufen“ sind mittlerweile nicht mehr vorhanden. Deutlich ist allerdings auf einigen Fotos erkennbar, dass das verschobene, farblich vom Untergrund abgesetzte Erdreich mindestens hin zum Bachlauf auch die natürliche Geländeoberfläche verändert hat.
Schon aufgrund der dargestellten Maßstäbe sind diese Tatsachen ausreichend für die Annahme einer Aufschüttung. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass diese Aufschüttung mindestens teilweise auf Erdbewegungsarbeiten durch das THW oder den gemeindlichen Bauhof am 6. Juni 2021 zurückzuführen sein könnte. Dies ändert aber nichts an der Verantwortlichkeit des Antragstellers (dazu unten).
Ebenso sind genügend tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme vorhanden, dass die Aufschüttung über 500 qm beträgt und damit nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 9 BayBO verfahrensfrei ist. Wie bereits ausgeführt, liegt dieser Annahme die Tatsache zugrunde, dass das Erdreich auf dem gesamten Grundstück verteilt wurde. Dies erscheint aufgrund der vorgelegten Lichtbilder und der Dokumentation durchaus plausibel. Das Grundstück hat ausweislich des Grundbuchauszugs eine Fläche von 625 qm. Die sich ergebenden Unsicherheiten im Hinblick darauf, wie weit die Geländeoberfläche wirklich verändert wurde, können schon aufgrund der summarischen Prüfung und der obigen Anforderung an eine Baueinstellung hier nicht geklärt werden.
3.2.2 Die Baueinstellungsanordnung stellt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerauswahl als rechtswidrig dar. Adressat der baurechtlichen Anforderungen i.S.d. BayBO ist nach einhelliger Meinung grundsätzlich der Bauherr (Art. 50 BayBO) und gegebenenfalls der Bauunternehmer (Art. 52 BayBO). Allerdings sind baurechtliche Eingriffsbefugnisse auch spezielles Sicherheitsrecht, weshalb auch im Baurecht auf die allgemeinen Störerregelungen des LStVG zurückgegriffen werden kann. Hierbei kommt insbesondere ein Rückgriff auf den sog. Zustandsstörer i.S.v. Art. 9 Abs. 2 LStVG in Betracht, der aufgrund seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt eine besondere Gefahrverantwortung trägt. Die Anwendung der Zustandsstörerhaftung im Bauordnungsrecht ist sowohl bezüglich der Baueinstellung (BayVGH, B. v. 26.8.2005 – 2 B 03.317 – juris Rn. 7) als auch der Nutzungsuntersagung (BayVGH, B. v. 1.2.2012 – 2 ZB 11.489 – juris Rn. 3) und der Baubeseitigung (BayVGH, B. v. 23.3.2020 – 1 ZB 18.1772 – juris Rn. 12, B. v. 3.6.2003 – 14 ZB 03.180 – juris Rn. 4) obergerichtlich anerkannt. Mag man im Einzelfall debattieren, ob es einen Vorrang des Handlungsstörers vor dem Zustandsstörer gibt, ist ein solcher jedenfalls immer dann ausgeschlossen, wenn dadurch die Effektivität der Gefahrenabwehr in Frage gestellt wird (BayVGH, B. v. 23.3.2020 – 1 ZB 18.1772 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Die Antragstellerseite bringt letztlich vor, dass sie nur acht (mittlerweile auf dem Grundstück verteilte) Erdhaufen angehäuft und mit den übrigen Vorgängen „nichts zu tun“ habe. Dabei wird jedoch verkannt, dass den Antragsteller als Eigentümer die obigen Verantwortlichkeiten als Zustandsstörer im Sinne von Art. 9 Abs. 2 LStVG weiterhin treffen. Daneben erscheint auch unstreitig, dass der Antragsteller nicht nur Zustandsstörer ist, sondern zumindest teilweise auch als Bauherr aufgefasst werden kann. Dies ergibt sich im Mindestmaß aus den eingeräumten Erdanhäufungen. Das Gericht verkennt nicht, dass die Aufschüttung als Gesamtfläche daneben auch (teilweise) vom THW bzw. gemeindlichen Bauhof errichtet worden sein könnte. Dass entsprechende Erdarbeiten im Rahmen der Hochwasserbekämpfung am 6. Juni 2021 stattgefunden haben, ist belegt und unstreitig. Ein Veranlassungsbeitrag im Sinne einer Bauherrntätigkeit durch den Antragsteller lässt sich aber nicht abstreiten.
Die Tatsache, dass durch den Antragsteller zumindest auch Bautätigkeiten durchgeführt wurden, und die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen seinen und den von Dritten durchgeführten Bautätigkeiten rechtfertigen jedenfalls im Sinne der Effektivität der Gefahrenabwehr, den Antragsteller als Zustandsverantwortlichen in Anspruch zu nehmen. Es wäre hier abwegig, im Rahmen einer Baueinstellung zunächst auszuermitteln, welcher Teil der Aufschüttung vom Antragsteller und welcher von Dritten ausgeführt wurde. Damit würde ein präventiver Eingriff zur effektiven Verhinderung vollendeter Tatsachen unmöglich.
Es erscheint vorliegend im Übrigen äußerst fraglich, ob sich der Grad der jeweiligen „Beteiligung“ an der letztlich entstandenen Aufschüttung selbst im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens würde überhaupt klären lassen können. Die vorgelegten Lichtbilder sind jedenfalls nur Momentaufnahmen. Selbst wenn man der Gerichtsmeinung über die Erledigung nicht folgen sollte, stünde insofern für das Gericht vielmehr in Frage, ob angesichts der eingetretenen Veränderungen überhaupt noch ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Baueinstellungsverfügung besteht. Diese Fragen können hier jedoch offenbleiben, da sie der Antragstellerseite jedenfalls nicht zum Erfolg verhelfen könnten.
3.2.3 Andere am Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO überprüfbare Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, da aufgrund der formellen Illegalität des Vorhabens kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Verhinderung vollendeter Tatsachen erkennbar ist.
Fehler im Rahmen der sonstigen Regelung des streitgegenständlichen Bescheids sind nicht ersichtlich. Das angedrohte Zwangsgeld erscheint sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach angemessen.
4. Lediglich hilfsweise sei hier angeführt, dass selbst wenn man aufgrund der schwer aufzuklärenden tatsächlichen Verhältnisse die Erfolgsaussichten als offen bezeichnen wollen würde, keine andere Entscheidung gerechtfertigt wäre. Die Interessenabwägung ginge hier zu Lasten des Antragstellers, da er durch eine Baueinstellung an der Aufschüttung nicht sonderlich schwer belastet wird und den Ausgang der Hauptsache abwarten könnte. Dies gilt insbesondere deswegen, weil er nach eigenem Vortrag gar keine Bautätigkeit in absehbarer Zukunft plant. Auf der anderen Seite stehen die schwer zu beseitigenden vollendeten Tatsachen zu befürchten, weshalb die Interessen des Antragsgegners überwiegen würden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zum Streitwert fußt auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.4. des Streitwertkatalogs. Ein Streitwert von 1000,00 Euro scheint dem Errichtungsaufwand und damit der Hauptsacheklage angemessen.


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