Baurecht

Baugenehmigung, Bescheid, Bauantrag, Anordnungsanspruch, Vorhaben, Anordnungsgrund, Nachbar, Nachbarschutz, Vollziehung, Einschreiten, Anordnung, Wohnhaus, Bauvorhaben, Antragsteller, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, bauaufsichtliches Einschreiten, aufschiebenden Wirkung

Aktenzeichen  RN 6 S 20.3083

Datum:
30.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16374
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 7500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller, Eigentümer des Grundstücks FlNr. 2142/5 der Gemarkung … (… in …), wenden sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine den Beigeladenen von der Stadt S. (Antragsgegnerin) erteilte Baugenehmigung für die Sanierung der bestehenden Garage und des bestehenden Anbaus auf dem westlichn angrenzenden Grundstück FlNr. 2142/11 der Gemarkung … (… in …). Die beiden Grundstücke befinden sich im unbeplanten Innenbereich. Die streitgegenständliche Garage, für die nach der Aktenlage ursprünglich im Jahr 1960 gemeinsam mit dem ebenfalls auf dem Grundstück FlNr. 2142/11 befindlichen Wohnhaus eine Baugenehmigung erteilt worden war, ist mit ihrer nordöstlichen Außenwand auf der Grenze zum Grundstück der Antragsteller errichtet bzw. überschreitet diese.
Auf dem Grundstück der Antragsteller befindet sich nunmehr – nach Abriss der dort befindlichen Bestandsgebäude samt eines an die streitgegenständliche Garage angrenzenden Nebengebäudes – ein neu errichtetes Wohngebäude.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2020 wandte sich die Antragsgegnerin an die Beigeladenen und erklärte, dass festgestellt worden sei, dass bei der auf dem Grundstück befindlichen Garage Änderungen an der Dachkonstruktion ohne die erforderliche Baugenehmigung bzw. Tekturgenehmigung vorgenommen worden seien. Die Beigeladenen wurden aufgefordert, bis spätestens 9. Oktober 2020 einen Antrag auf Baugenehmigung bzw. Tekturgenehmigung zu stellen, ansonsten müsse mit dem Erlass einer kostenpflichtigen Anordnung gerechnet werden.
Mit am 5. Oktober 2020 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Bauantrag beantragten die Beigeladenen die Baugenehmigung für die Sanierung der bestehenden Garage und des bestehenden Anbaus auf dem Grundstück FlNr. 2142/11 der Gemarkung … In einem in den Bauantragsunterlagen mit enthaltenem Schreiben erklärten die Beigeladenen, für die bestehende Garage gebe es einen genehmigten Bauantrag vom 2. November 1960. Aus diesem gehe hervor, dass die bestehende Garagengrenzwand so ausgeführt worden sei, wie es im damaligen Plan eingezeichnet gewesen sei. Man habe eine Höhe von 4,00 m ab Fußbodenoberkante der Garage ausmessen können. Reell sei nun vor dem Abbau der Dachkonstruktion eine Bestandshöhe von ca. 3,90 m am First nachgemessen worden. Nach Errichtung der nun neuen Dachkonstruktion werde eine Höhe von ca. 3,79 m bis 3,80 m ab Fußbodenoberkante erreicht. Durch den Antragsteller zu 2 sei das Grundstück neu vermessen worden. Es habe sich herausgestellt, dass die Garagenwand im Südosten 23 cm und im Nordwesten ca. 12 cm auf dem Grundstück der Antragsteller zum Liegen komme. Durch den Abbruch der Garage auf dem Grundstück der Antragsteller sei ihre Garagenwand von einer Innenzu einer Außenwand geworden. Der bestehende First sei auf der gesamten Länge so geöffnet worden, dass die Fußpfette, die Sparren und die Unterkonstruktion des Daches offen gelegen hätten und dem Regen ausgesetzt gewesen seien. Man habe erkennen können, dass die Wand nur eine Stärke zwischen 12 cm und 14 cm aufweise. Durch den Antragsteller zu 2 sei ohne ihre Zustimmung veranlasst worden, dass die Wand mit Spritzbeton und Bewehrung stabilisiert worden sei. Durch das Anbringen des Spritzbetons seien mindestens 12 Bewehrungseisen so in die Wand gebohrt worden, dass auf ihrer Seite teils tellergroße Putzabplatzungen im Inneren der Garage zu finden gewesen seien. Daher sei man gezwungen gewesen, eine Sanierung durchzuführen.
Mit E-Mail ebenfalls vom 5. Oktober 2020 stellten die Beigeladenen einen Antrag auf Abweichung von den Abstandsflächen auf der Nordostseite des Bestandsgebäudes.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 wandte sich der Bevollmächtigte der Antragsteller an die Antragsgegnerin und zeigte deren Vertretung an. Er erklärte, dass gegen das Vorhaben unter anderem eingewendet werde, dass es erhebliche statische Bedenken gebe, soweit die Mauer über eine Höhe von 3 m hinaus gebaut werde. Zudem gebe es erhebliche Brandschutzbedenken und es stelle sich die Frage nach der Einhaltung der Abstandsflächen. Hinsichtlich dieser sei insbesondere relevant, dass das Gelände in den Höhen nicht ausreichend dargestellt sei. Ein Nivellement sei nicht ermittelt und vorgelegt worden. Insofern könne auch keine Abweichung erteilt werden. Im Lageplan sei die Tatsache, dass die Garagenmauer in nahezu vollständiger Stärke auf dem Grundstück der Antragsteller zum Liegen komme, nicht ausreichend dargestellt. Dies habe Auswirkungen auf eine etwaige Vollziehbarkeit einer Baugenehmigung und sei nicht lediglich zivilrechtlich relevant. Es wurde Antrag auf bauaufsichtliche Nachprüfung und bauaufsichtliches Einschreiten gestellt.
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2020 ordnete die Stadt S. die sofortige Einstellung der Erneuerung der Dachkonstruktion der streitgegenständlichen Garage an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Baugenehmigung für die Garage mit Bescheid vom 2. November 1960 genehmigt worden sei. Die Bauarbeiten zu deren Errichtung seien am 3. Juli 1961 abgeschlossen worden. Anlässlich einer Baukontrolle am 2. Oktober 2020 sei festgestellt worden, dass mit neuerlichen Änderungen an der Dachkonstruktion der bestehenden Garage begonnen worden sei. Dies geschehe im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, da die gemäß Art. 55 BayBO erforderliche Baugenehmigung noch nicht erteilt worden sei.
Mit Bescheid vom 9. November 2020 erteilte die Antragsgegnerin die Baugenehmigung für das Bauvorhaben. Zudem erteilte sie Abweichungen von der Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO gemäß Art. 63 BayBO für die Garage mit Anbau Gartengeräte nach Nordosten von H = zwischen 3,97 m und 3,99 m auf H = 0,00 m sowie zwischen der Garage nach Südosten und dem bestehenden Wohnhaus nach Nordwesten auf den geplanten Abstand zueinander. Auf die Begründung des Baugenehmigungsbescheids wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten der Antragsteller am 20. November 2020 zugestellt.
Mit Schreiben vom 23. November 2020 wandte der Antragsteller sich über seinen Bevollmächtigten an die Antragsgegnerin und ließ Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung sowie auf bauaufsichtliches Einschreiten stellen. Der Bescheid sei schon unbestimmt im Sinne von Art. 37 BayVwVfG, da sich aus der Akte nicht ergebe, dass der bisherige Bestand genehmigt worden sei. Insofern könne nicht von einer Sanierung, sondern vielmehr nur von einer genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung gesprochen werden. Zudem seien die Maße nicht vom gesamten Bauwerk aus bemessen worden, weshalb der genehmigungsfähige Raum deutlich überschritten sei. Schließlich sei von anderen Höhenmaßen auszugehen.
Mit Bescheid vom 1. Dezember 2020 lehnte die Antragsgegnerin die gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung und bauaufsichtliches Einschreiten ab. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Mit am 26. November 2020 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Telefax ihres Bevollmächtigten haben die Antragsteller Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 9. November 2020 erheben lassen (Az. RN 6 K 20.2913), über die noch nicht entschieden ist, und mit am 15. Dezember beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Telefax ihrer Bevollmächtigten um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es werde zum einen von falschen Höhenangaben ausgegangen, die die Antragsgegnerin nur stichprobenartig auf Einschreitensantrag hin geprüft habe. Zudem sei bei der Höhenermittlung im Genehmigungsverfahren ein beliebiger Punkt auf der Straße festgelegt worden statt die Mauerhöhe richtigerweise in den Eingabeplänen mit über NN angeben zu lassen. Das Messprotokoll sei im Rahmen einer Einsichtnahme den Antragstellern nicht übermittelt worden. Auch sei das Rücksichtnahmegebot verletzt. Denn es bestünden bei der grenzständig bzw. auf Eigentum der Antragsteller errichteten Garage nicht unerhebliche Statikbedenken. Das Rücksichtnahmegebot und das Abstandsflächenrecht würden vorliegend eine Gebäudewand, die im fertigen Zustand mit gut 4,40 m Höhe das Grundstück der Antragsteller erheblich und unzumutbar verschatte, verbieten. Es sei zudem belegbar, dass durch die Arbeiten in die Dachkonstruktion der Antragsteller eingegriffen werde. Durch die weiteren Arbeiten werde zudem Abstandsflächenrecht verletzt. Auch sei die Genehmigung zu unbestimmt, da unklar bleibe, welche bestandsgeschützte, ältere Nutzung vormals ausgeübt worden sei.
Die Antragsteller beantragen,
1. die Vollziehung der den Beigeladenen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. November 2020 erteilten baurechtlichen Genehmigung auszusetzen, bzw. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen diesen Genehmigungsbescheid der Antragsgegnerin anzuordnen, sowie
2. der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung vorläufig stillzulegen, sowie vorsorglich
3. den Beigeladenen einstweilen bis zur endgültigen Entscheidung der Kammer über den Eilantrag aufzugeben, die weitere Bauausführung zu unterlassen und ggf. auch die Aufnahme der genehmigten Nutzung zu untersagen, bzw. der Antragsgegnerin aufzugeben, durch für sofort vollziehbar erklärte Verfügung die bereits seitens der Beigeladenen begonnenen Ausführungsarbeiten stillzulegen und ihr ggf. auch die Aufnahme der Nutzung zu untersagen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung bereits unzulässig sei, da eine Beeinträchtigung effektiven Rechtsschutzes nur dann anzunehmen sei, wenn zwischen dem Eingang des Antrags und der Entscheidung vollendete Tatsachen geschaffen würden, die irreversibel seien. Dies sei beim vorliegenden Bauvorhaben nicht der Fall. Der Antrag nach § 123 VwGO sei ebenfalls bereits unzulässig. Es ergebe sich aus § 123 Abs. 5 VwGO ein Vorrang des Verfahrens nach §§ 80, 80 a VwGO. Es bedürfe eines solchen Antrages nicht, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Bauherr trotz der Anordnung der aufschiebenden Wirkung illegal weiterbauen und die Bauaufsichtsbehörde die Bauarbeiten nicht ohne gerichtlichen Druck von sich aus einstellen würde. Es fehle daher für den Antrag auch das Rechtsschutzbedürfnis. Jedenfalls sei dieser Antrag jedoch unbegründet, da kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sei. Von den genannten Punkten kämen allenfalls die Statikbedenken als nachbarschützender Anhaltspunkt in Betracht. Diese seien aber nicht im Prüfprogramm des Art. 59 BayBO enthalten. Anhaltspunkte, nach denen ein bauaufsichtliches Einschreiten wegen mangelnder Standsicherheit erforderlich sein könnte, lägen schon deshalb nicht vor, weil inzwischen die vom Ersteller des Standsicherheitsnachweises mit unterzeichnete Baubeginnsanzeige vorliege. Zudem könne der Antrag nach §§ 80a Abs. 3, Abs. 1, 80 Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 VwGO keinen Erfolg haben, da die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs als gering einzuschätzen seien. Die Baugenehmigung sei nicht rechtswidrig und verletze die Antragsteller nicht in ihren Rechten. Die Kritik an der Höhenermittlung basiere auf falschen Annahmen. Im Genehmigungsverfahren sei kein „beliebiger Punkt auf der Straße festgelegt worden“. Die Genehmigung enthalte schon keine auf § 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO zu stützende Geländefestlegung. Das Messprotokoll (gemeint sei wohl das Lichtbild A Blatt 29 der Behördenakte) habe alleine der bauaufsichtlichen Kontrolle der im Eingabeplan enthaltenen Höhenangaben gedient. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot wegen Verschattung des Grundstücks der Antragsteller sei konstruiert. Die fertige Garage weise eine Höhe von 3,97 m bis 3,99 m auf. Diese Berechnung basiere auf einer Betrachtung des Urgeländes des Nachbargrundstücks („Urgelände -0,17 bzw. -0,20“). Dazu reduziere sich die maßgebliche Wandhöhe im Vergleich zum Altbestand sogar um 0,1 m. Es sei auch im Rahmen der Abwägung nicht denkbar, dass ein seit dem Jahr 1961 existierendes Bestandsgebäude, das nur deshalb einer neuen Baugenehmigung bedürfe, weil anlässlich eines Neubaus des Nachbargebäudes die Erneuerung einer in die Jahre gekommenen Dachkonstruktion vorgenommen worden sei, wobei sich das Gebäude in seiner Kubatur praktisch nicht verändert habe, plötzlich für den Nachbarn unzumutbar sei. Die Verschattungswirkung sei auch deshalb überschaubar, weil sich das streitgegenständliche Gebäude an der südwestlichen Grenze des Grundstücks befinde.
Die Beigeladenen beantragen,
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Baugenehmigung sei rechtmäßig, da sie gegen keine drittschützenden Normen des Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts verstoße. Die Antragsteller könnten nicht aufzeigen, worauf ihre Bedenken an der Statik der Garage zurückzuführen seien. Gem. Art. 10 Satz 3 BayBO dürften die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrunds benachbarter Grundstücke nicht gefährdet werden. Der Bauherr habe die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen. Diese Verantwortung hätte zunächst schon die Antragsteller im Rahmen des Abrisses der Gebäude auf deren Grundstück getroffen. Gem. Art. 57 Abs. 5 Satz 3 BayBO müsse bei nicht freistehenden Gebäuden durch einen qualifizierten Tragwerksplaner im Sinne des Art. 62 a Abs. 1 BayBO beurteilt und im erforderlichen Umfang nachgewiesen werden, dass das Gebäude, an das das zu beseitigende Gebäude angebaut ist, während und nach der Beseitigung standsicher sei. Die ohnehin nicht näher begründeten Zweifel an der Standsicherheit des Gebäudes seien daher nicht mehr als ein Eingeständnis der Antragstellerseite, dass sie selbst im Zusammenhang mit der Errichtung des neuen Einfamilienhauses ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen seien. Ohnehin sei schon zweifelhaft, ob hier überhaupt der Bereich einer verfahrensfreien Instandsetzung verlassen werde. Auch die Abweichung von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts sei rechtmäßig. Zudem sei kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot gegeben. Es könne von einer Verschattung des Gebäudes der Antragsteller nicht die Rede sein, da die Garage für die Verschattung des Grundstücks der Antragsteller überhaupt keine Rolle spiele. Im Übrigen sei der Antrag nach §§ 80a, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bereits unzulässig, da das Rechtsschutzbedürfnis mit der Fertigstellung des Rohbaus entfallen sei, da die Antragsteller sich lediglich gegen durch das Gebäude als solches befürchtete Beeinträchtigungen zur Wehr setzten. Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten sei jedenfalls verwirkt, da durch die Rechtsvorgänger der Antragsteller ein Abstandsflächenverstoß über Jahre hinweg nicht gerügt worden sei.
Mit am 31. Dezember 2020 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Telefax ihrer Bevollmächtigten haben die Antragsteller Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das streitgegenständliche Bauvorhaben erheben lassen, über die noch nicht entschieden ist (RN 6 K 20.3240).
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist bereits unzulässig. Der Hilfsantrag auf bauaufsichtliches Einschreiten ist jedenfalls unbegründet.
1. Hinsichtlich des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für Nachbaranträge auf vorläufigen Rechtsschutz mit der Fertigstellung des Rohbaus in der Regel dann, wenn der Nachbar nur eine Beeinträchtigung durch das Gebäude als solches vorläufig abwehren will. Im Falle einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung erst nach der Fertigstellung des Rohbaus und einer darauf folgenden Baueinstellung durch die Behörde könnte die Rechtsstellung des Nachbarn im Regelfall nicht mehr verbessert werden, sofern sich der Nachbar nur gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzt, die von der Errichtung des Baukörpers als solchem ausgehen. Dann nämlich sind durch die Fertigstellung des Rohbaus gerade in Bezug auf die geltend gemachten Rechtsverletzungen bereits vollendete Tatsachen geschaffen. Die Rechtsverletzung ist dann bereits eingetreten und kann nicht mehr durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die Einstellung der Bauarbeiten, die der Nachbar infolge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung letztlich erreichen könnte, vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – verhindert werden. Anders ist dies lediglich dann, wenn sich der Antragsteller nicht nur gegen Rechtsverletzungen wendet, die vom – fertiggestellten – Baukörper als solchem ausgehen, sondern er sich zudem auch durch die Nutzung des betreffenden Bauvorhabens in seinen Rechten verletzt sieht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn.11; B.v. 14.6.2007 – 1 CS 07.265 – juris Rn. 16; B.v. 7.7.2008 – 15 CS 08.1303 – juris Rn. 9; B.v. 4.3.2009 – 2 CS 08.3331 – juris Rn. 2 f.; B.v. 26.7.2010 – 2 CS 10.465 – juris Rn. 2; B.v. 12.8.2010 – 2 CS 10.20 – juris Rn. 2 f.; B.v. 8.4.2014 – 9 CS 13.2007 – juris Rn. 17; B.v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 – juris Rn. 18 f.; B.v. 8.12.2017 – 1 CS 17.2159 – juris Rn. 3; B.v. 18.12.2017 – 1 CS 17.2337 – juris Rn. 3; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 10.04.2018 – OVG 10 S 40.17 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 27.8.2014 – 3 S 1400/14 – juris Rn. 5; B.v. 1.4.2019 – 5 S 2102/18 – BauR 2019, 1298 = juris Rn. 4; OVG S-A, B.v. 21.12.2018 – 2 M 117/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 16.5.2011 – 2 B 385/11 – juris Rn. 8; ebenso bei einem Antrag gem. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2013 – 15 CS 12.2425 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 15 CS 19.1845 – juris Rn. 14).
Im vorliegenden Fall ist nach der Aktenlage von einem Baustadium eines abgeschlossenen Rohbaus auszugehen. Wie insbesondere auf den Lichtbildern ab Seite 66 der Behördenakte ersichtlich wird, ist der Baukörper der Garage mit Mauerwerk und neuer Dachkonstruktion bereits errichtet. Bei summarischer Prüfung stellt sich die Situation des Baufortschritts auf den Bildern so dar, dass sehr viel dafür spricht, dass lediglich noch ergänzende Arbeiten ausstehen dürften, die jedoch das Vorliegen eines in seiner Kubatur und Erscheinung abgeschlossenen Rohbaus nicht in Zweifel ziehen können. Die Antragsteller berufen sich zudem vorliegend lediglich auf solche Rechtsverstöße, die ausschließlich von der baulichen Anlage als solcher ausgehen. Insbesondere wären sowohl potentielle Verstöße gegen das Abstandsflächenrecht oder das Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf die diskutierte Verschattung des Grundstücks der Antragssteller mit dem Erreichen des Stadiums eines vollständig bestehenden Baukörpers bereits abgeschlossen und nicht mehr durch eine etwaige Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu verhindern. Weitergehende Beeinträchtigungen, die nicht nur vom schon bestehenden Baukörper ausgehen, mithin insbesondere durch die Nutzung der Garage, werden von den Antragsstellern nicht geltend gemacht.
2. Da der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg hat, war über den Hilfsantrag gem. § 123 Abs. 1 VwGO auf bauaufsichtliches Einschreiten zu entscheiden.
Nach § 123 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf die Streitsache treffen, wenn die Gefahr besteht, dass ohne die beantragte Maßnahme die Verwirklichung eines Rechtes der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern (sog. Regelungsanordnung). In entsprechender Anwendung des § 920 ZPO (§ 123 Abs. 3 VwGO) sind sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.
Ein Anordnungsanspruch ist nur dann gegeben, wenn für das Hauptsacheverfahren bei summarischer Prüfung überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Maßgeblich ist für diese Bewertung des Hauptsacheverfahrens die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an einem Anordnungsanspruch, da die Antragsteller nicht mit der im Rahmen der Glaubhaftmachung erforderlichen Wahrscheinlichkeit darlegen können, dass sie einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten infolge der Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften haben.
a) Zunächst ist nicht von einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG auszugehen.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) muss eine Baugenehmigung inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die getroffene Regelung muss zumindest durch Auslegung für jeden Beteiligten eindeutig sein (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris; VG München, U.v. 26.2.2018 – 8 K 16.1293 – beck-online). Maßgeblich für den Rechtsschutz des Nachbarn ist dabei, dass er feststellen kann, ob und in welchem Umfang er betroffen ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 9 CS 17.603 – juris; VG München, U.v. 26.2.2018 – 8 K 16.1293 – beck-online). Ein Nachbar kann die Unbestimmtheit einer Baugenehmigung nur geltend machen, soweit durch die Unbestimmtheit eine Einhaltung der dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften nicht gewährleistet ist (Simon/Busse/Lechner, BayBO, Stand: Januar 2020, Art. 68 Rn. 472 – beck-online). Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Baugenehmigung als bestimmt genug. Der Genehmigungsbescheid und die Unterlagen zum Bauantrag lassen in ihrer Gesamtheit deutlich genug erkennen, in welchem Maße Sanierungsarbeiten am vorhandenen Garagengebäude genehmigt sind. Eine Unbestimmtheit im Hinblick auf nachbarschützende Vorschriften ist für die Kammer nicht ersichtlich.
b) Auch die geltend gemachten Verstöße gegen Abstandsflächenrecht und das Rücksichtnahmegebot können dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen.
aa) Bezüglich dieser gerügten Rechtsverletzungen ist zunächst festzustellen, dass bei summarischer Prüfung bereits sehr viel dafür spricht, dass hinsichtlich eines potentiellen Anspruches auf bauaufsichtliches Einschreiten Verwirkung eingetreten ist. Unter Verwirkung versteht man ein auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruhendes Rechtsinstitut, unter dem als Anwendungsfall des „venire contra factum proprium“ bestimmte Fallgestaltungen zusammengefasst werden, in denen die Geltendmachung eines an sich bestehenden Rechts nach einem gewissen Zeitablauf sowie aufgrund des Verhaltens sowohl des Rechtsinhabers als auch des rechtlich Verpflichteten als rechtsmissbräuchlich zu bewerten ist. Ein (materielles oder prozessuales) Recht kann nach den allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung untergehen, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment). Im öffentlichen Baunachbarrecht sind die Anforderungen für das Umstandsmoment durch die höchstrichterliche Rechtsprechung wie folgt konkretisiert worden: Der Verpflichtete (= der Bauherr, hier der Beigeladene bzw. dessen Rechtsvorgänger) muss infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (= des Nachbarn, hier der Antragsteller bzw. deren Rechtsvorgänger) darauf vertraut haben dürfen, dass Letzterer das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend macht (Vertrauensgrundlage). Der Verpflichtete (Bauherr) muss ferner tatsächlich darauf vertraut haben, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen – insbesondere durch kostenträchtige Sanierungsmaßnahmen, ggf. auch durch Eingehen rechtlicher Bindungen (z.B. durch Vermietung) oder durch Integrierung der baulichen Anlage in einen Gewerbebetrieb – so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung) (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – Rn. 23 ff.; BVerwG, U.v. 7.2.1974 – III C 115.71 – BVerwGE 44, 339 = juris Rn. 18; B.v. 18.3.1988 – 4 B 50.88 – NVwZ 1988, 730 = juris Rn. 2 ff.; U.v. 16.5.1991 – 4 C 4.89 – NVwZ 1991, 1182 = juris Rn. 21 ff., 28; B.v. 13.8.1996 – 4 B 135.96 – BauR 1997, 281 = juris Rn. 3; B.v. 11.2.1997 – 4 B 10.97 – NJW 1998, 329 = juris Rn. 2; B.v. 16.4.2002 – 4 B 8.02 – BauR 2003, 1031 = juris Rn. 11; U.v. 27.7.2005 – 8 C 15.04 – NVwZ 2005, 1334 = juris Rn. 25; B.v. 11.9.2018 – 4 B 34.18 – NVwZ 2019, 245 = juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 28.3.1990 – 20 B 89.3055 – BayVBl 1991, 725 = juris Rn. 25 f.; U.v. 7.8.2001 – 8 A 01.40004 – NVwZ-RR 2002, 426 = juris Rn. 21; B.v. 25.6.2018 – 2 ZB 17.1157 – juris Rn. 2; B.v. 14.5.2020 – 15 ZB 19.2263 – juris Rn. 12 ff.; B.v. 5.6.2020 – 15 ZB 19.1909 – juris Rn. 9; OVG Saarl, U.v. 25.1.1994 – 2 R 12/93 – BRS 56 Nr. 183; OVG NW, U.v. 21.3.1995 – 11 A 1089/91 – NVwZ 1996, 921 = juris Rn. 27 ff.; VGH BW, U.v. 28.8.1987 – 8 S 1345/87 – NVwZ 1989, 76/78; U.v. 25.9.1991 – 3 S 2000/91 – VBlBW 1991, 103 = juris Rn. 28; B.v. 18.12.2007 – 3 S 2107/07 – VBlBW 2008, 190 = juris Rn. 14; OVG MV, B.v. 5.11.2001 – 3 M 93/01 – NVwZ-RR 2003, 15 = juris Rn. 22; OVG LSA, B.v. 4.6.2012 – 2 L 56/11 – NVwZ-RR 2012, 752 = juris Rn. 7; OVG RhPf, U.v. 1.6.2011 – 8 A 10196/11 – NVwZ-RR 2011, 849 = juris Rn. 63; NdsOVG, U.v. 8.10.2013 – 1 LB 162/13 – juris Rn. 38; Bauer, Die Verwaltung 1990, 211 ff.; Troidl, NVwZ 2004, 315 ff.; Charnitzky/Rung, BauR 2016, 1254 ff., 1406 ff.; zur Verwirkung des Rechtsschutzinteresses in besonderen Einzelfällen vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2014 – 15 ZB 12.1236 – juris Rn. 5). Dabei müssen Vertrauenstatbestand und Vertrauensbetätigung in einer Kausalbeziehung zueinanderstehen (BayVGH, B.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – Rn. 23 ff.; BVerwG, U.v. 16.5.1991 a.a.O. juris Rn. 28; OVG RhPf, U.v. 1.6.2011 a.a.O. juris Rn. 72; OVG NW, U.v. 16.4.2012 – 7 A 1984/10 – juris Rn. 48 ff.; Charnitzky/Rung, BauR 2016, 1406/1415.). Unter diesen Voraussetzungen können im öffentlichen Baunachbarrecht auch Abwehransprüche sowie Schutzansprüche auf bauordnungsrechtliches Eingreifen materiell verwirkt werden (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – Rn. 23 ff.; BVerwG, B.v. 18.3.1988 a.a.O.; U.v. 16.5.1991 a.a.O. juris Rn. 21 ff.; B.v. 13.8.1996 a.a.O.; B.v. 11.2.1997 a.a.O.; B.v. 16.4.2002 a.a.O.; B.v. 15.1.2014 – 4 B 57.13 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 28.3.1990 a.a.O.; B.v. 14.5.2020 a.a.O.; OVG MV, U.v. 5.11.2001 a.a.O.; OVG LSA, B.v. 4.6.2012 a.a.O.; OVG Saarl, U.v. 25.1.1994 a.a.O.; B.v. 12.11.2018 – 2 A 815/17 – juris Rn. 12). Im vorliegenden Fall sind bei summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die streitgegenständliche Garage in der Höhe nach den Baumaßnahmen das schon beim Bestandsgebäude vorhandene Maß überschreiten könnte. Vielmehr spricht nach den Darlegungen der Antragsgegnerin und mit Blick auf die Unterlagen zum Bauantrag sowie die Lichtbilder in der Behördenakte viel dafür, dass das Höhenmaß der Garage im Vergleich zum ursprünglichen Zustand sogar geringfügig verringert wurde. Insofern lag der durch die grenzständige bzw. grenzüberschreitende Errichtung der Garage vorhandene Verstoß gegen Art. 6 BayBO schon mit der ursprünglichen Errichtung der Garage im Jahre 1960/1961 vor und wurde nach der Aktenlage über viele Jahre hinweg schon von den Rechtsvorgängern der Antragsteller toleriert. Gleiches würde für einen etwaigen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot durch Verschattung des Grundstücks der Antragsteller gelten. Zudem zeigt sich, dass sowohl durch die ursprüngliche Errichtung als auch nunmehr durch die Sanierungsmaßnahmen auf den Bestand der Garage vertraut und entsprechende Investitionen getätigt wurden.
bb) Des Weiteren ist jedenfalls zu konstatieren, dass die geltend gemachten Verstöße mit hoher Wahrscheinlichkeit schon nicht anzunehmen sein werden.
Hinsichtlich des Verstoßes gegen Abstandflächenrecht ist zu sagen, dass bei summarischer Prüfung die Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO für die Erteilung einer Abweichung gegeben sind. Die Bauaufsichtsbehörde kann gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO Abweichungen von den Anforderungen des Bauordnungsrechts zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass die Zulassung einer Abweichung Gründe erfordert, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die etwa bewirkten Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2017 – 2 CS 17.1969 – juris Rn. 4; B.v. 13.2.2002 – 2 CS 01.1506 – juris; B.v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris; Bv. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris; U.v. 22.12.2011 – 2 B 11.2231 – juris). Wie diese Atypik beschaffen sein muss, hängt von der jeweiligen Situation des Einzelfalls ab. Der Zweck des Abstandsflächenrechts besteht vor allem darin, eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten sowie die für die Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern. Dieser Zweck kann regelmäßig nur dann erreicht werden, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden. Da somit jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechts nur unvollkommen verwirklicht werden können, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Belüftung im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Eine solche atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks im historischen Ortskern oder dicht bebauten Innenstadtbereich, ergeben. Von Bedeutung bei der Beurteilung des Vorliegens der erforderlichen Atypik ist insbesondere, ob eine sinnvolle Ausnutzung des Baugrundstücks unter Beachtung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO unmöglich oder unzumutbar ist. In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation auch dann anzunehmen, wenn jede bauliche Veränderung entsprechend der vorgegebenen baulichen Situation geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris). Bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung der nachbarlichen Interessen ist eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn zu treffen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2017 – 2 CS 17.1969 – juris Rn. 4). Im vorliegenden Fall spricht bei summarischer Prüfung viel dafür, dass – auch unter entsprechender Würdigung der nachbarlichen Interessen – eine im oben genannten Sinne atypische Situation anzunehmen ist. Auf den beiden Grundstücken der Beigeladenen und Antragsteller war über die Jahre hinweg eine besondere bauliche Situation entstanden, da die Nebengebäude der jeweiligen Baulichkeiten direkt aneinander gebaut waren. Es stellte sich sodann diejenige Situation dar, dass für die Beigeladenen nach Abriss der Bestandsgebäude auf dem Grundstück der Antragsteller die Notwendigkeit entstand, die instabile bauliche Beschaffenheit der Garage in angemessener Weise zu sichern. Es spricht viel dafür, dass das Interesse der Beigeladenen, den Bestand ihrer Garage, auf den Sie über die Jahre hinweg vertraut haben, abzusichern, die Interessen der Antragsteller im konkreten Fall überwiegt. Insofern erscheint die Erteilung einer Abweichung nach Auffassung der Kammer hier als gerechtfertigt.
Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann bei summarischer Prüfung nicht angenommen werden. Insbesondere ist nach Auffassung der Kammer nicht davon auszugehen, dass die Garage eine verschattende bzw. erdrückende Wirkung auf die Baulichkeiten der Antragstellerseite hat. Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, welches im vorliegenden Fall aus § 34 Abs. 1 BauGB abzuleiten ist, kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, U. v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – juris). Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, ist abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, auf den Rücksicht zu nehmen ist, umso mehr kann dieser an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, umso weniger muss der Bauherr Rücksicht nehmen. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, U. v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – juris). Eine erdrückende Wirkung einer baulichen Anlage kommt ungeachtet des grundsätzlich fehlenden Nachbarschutzes bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung nur bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BayVGH, B. v. 6.4.2018 – 15 ZB 17.36 – juris; BayVGH, B. v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris; BayVGH, B. v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (BayVGH, B. v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris; vgl. z.B. BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalbgeschossigem Wohnhaus; BVerwG, U. v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange Siloanlage bei einem 7 m breitem Nachbargrundstück). Geht man von diesen Maßstäben aus, lässt sich in Anbetracht der in der Behördenakte vorhandenen Lichtbilder vom Baufortschritt der streitgegenständlichen Garage nach Auffassung der Kammer bei dieser nicht von einem „übergroßen“ Baukörper im oben genannten Sinne sprechen. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in Form einer erdrückenden Wirkung der Garage liegt mithin nicht vor.
c) Eine Verletzung drittschützender Vorschriften kann schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Standsicherheit im Sinne von Art. 10 BayBO angenommen werden – unabhängig von der Frage, ob die Regelungen zur Standsicherheit überhaupt von der Feststellungswirkung der streitgegenständlichen Baugenehmigung umfasst sind. Es ist insofern von der Antragstellerseite nicht substantiiert dargelegt und auch ansonsten für das Gericht bei der gebotenenen summarischen Prüfung nicht ersichtlich, inwiefern durch die konkrete Bauausführung im vorliegenden Fall eine konkrete Gefahr für die Standsicherheit des Anwesens der Antragsteller gegeben sein könnte (vgl. Art. 10 Satz 3 BayBO). Die Tatsache, dass die Baubeginnsanzeige vom Ersteller des Standsicherheitsnachweises mit unterzeichnet wurde, spricht vielmehr gegen Standsicherheitsbedenken.
Eine Verletzung sonstiger die Antragsteller schützender Normen des Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts wurde weder vorgetragen, noch ist eine solche für das Gericht bei summarischer Prüfung ersichtlich. Insofern ist festzuhalten, dass ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten infolge der Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften nicht bejaht werden kann. Insbesondere kann vorliegend eine Ermessensreduzierung auf Null nicht angenommen werden.
Der Eilantrag war daher mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzulehnen. Es entsprach der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen den Antragstellern aufzuerlegen, weil die Beigeladenen einen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch einem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich gem. § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Hilfsantrag war entsprechend Nr. 1.1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit streitwerterhöhend zu berücksichtigen.


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