Baurecht

Baugenehmigung, Bescheid, Ermessensentscheidung, Beseitigungsanordnung, Zwangsgeld, Denkmalschutz, Neubau, Vorhaben, Ermessen, Gemarkung, Anordnung, Belichtung, Auflagen, Erlaubnis, Kosten des Verfahrens, richtiger Adressat, historische Dachlandschaft

Aktenzeichen  RN 6 K 19.1713

Datum:
15.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49483
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 21.08.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG i.V.m. Art. 76 Satz 1 BayBO für die Anordnung einer Beseitigungsanordnung in Form einer Rückbauverpflichtung liegen vor, da es für den Einbau des Dachflächenfensters einer Erlaubnis gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG bedarf, die gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 nicht erteilt werden kann.
Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Voraussetzungen für eine Beseitigungsanordnung sind daher die seit Errichtung bzw. Änderung der Anlage fortdauernde formelle und wegen der Eingriffsintensität auch die materielle Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens (Simon/Busse/Decker, BayBO, Stand: Oktober 2018, Art. 76 Rn. 134 – beck-online). Ob und wann die Bauaufsichtsbehörde eine Beseitigungsanordnung erlässt, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (Simon/Busse/Decker, BayBO, Stand: Oktober 2018, Art. 76 Rn. 204 – beck-online). Nach Art. 15 Abs. 4 BayDSchG kann die Untere Denkmalschutzbehörde u.a. verlangen, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird, wenn Handlungen nach Art. 6 BayDSchG ohne die erforderliche Erlaubnis durchgeführt werden.
Bei dem Einbau des Fensters/Oberlichts auf dem Dach des klägerischen Anwesens handelt es sich um eine Maßnahme, die nach Art. 6 Abs. 1 BayDSchG erlaubnispflichtig ist. Die Erlaubnispflicht entfällt nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG, da sich der hier in Frage stehende Einbau des Oberlichts/Dachflächenfensters auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Bei dem Einbau eines Fensters insbesondere in der hier vorhandenen Größe handelt es sich um eine im Äußeren wahrnehmbare Maßnahme, die auch nicht von so geringer Auswirkung ist, dass ihr von vornherein jedwede Auswirkung auf das Erscheinungsbild des Ensembles abgesprochen werden könnte (siehe auch Martin/Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 7. Auflage, Art. 6 Rn. 22). Fenster auch im Dachbereich stellen ein wichtiges Kriterium des Erscheinungsbildes eines Gebäudes dar. Fenster sind als sogenannte “Augen“ eines Gebäudes meist wesentliche gestalterische Merkmale (Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, Teil E. Denkmalrechtliche Ge- und Verbote und deren Durchsetzung I. Erlaubnisverfahren Rn. 77, beck-online).
Das streitgegenständliche Vorhabengrundstück gehört zum Ensemble „Altstadt L.“, das durch eine Mehrheit von baulichen Anlagen im Sinne eines Ensembles gemäß Art. 1 Abs. 3 BayDSchG gebildet wird. Es befindet sich zudem in unmittelbarer Nachbarschaft zu Einzeldenkmälern. Das Ensemble ist nachrichtlich in die Denkmalliste gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG eingetragen (vergleiche denkmall…00.pdf (bayern.de). Die … straße kann eindeutig dem im Mittelalter durch Stadtmauern befriedeten Stadtbereich und somit dem heutigen Ensemblebereich zugeordnet werden. In dieser Straße werden derzeit 11 und am …platz … Gebäude als Baudenkmäler in der Denkmalliste geführt. Unter den Einzeldenkmälern befinden sich die jeweils benachbarten Gebäude … straße … und … sowie im direkten Sichtbereich das markante, in die Denkmalliste eingetragene Gebäude des ehemaligen Dominikanerklosters. Das Ensemble wird auszugsweise wie folgt beschrieben: „…weitgehend verschont von den Zerstörungen der beiden letzten Weltkriege, präsentiert sich L. heute trotz aller Veränderungen in den Jahrhunderten seit seiner Gründung noch immer als eine gotische Stadt auf einem zum Teil noch romanischen Grundriss, der aber auch noch die nachfolgenden Zeiten der Renaissance, des Barocks, des Rokokos sowie des Klassizismus manch baugeschichtlich und kulturhistorisch interessanten Bau hinzugefügt haben. L. vertritt dabei den Typ einer altbayerischen Residenzstadt in reinster Ausprägung. Schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts hat man in L. damit begonnen, an vielen Punkten der Stadt eine Regenerierung der alten Bausubstanz in schonender Weise einzuleiten. Anstelle alter Behausungen wurden neue Wohnhäuser errichtet, die sich aber wegen der Verwendung von historischem Formengut im allgemeinen recht harmonisch in das Altstadtensemble einfügen“ (denkmall…00.pdf (bayern.de). Auch aufgrund der Inaugenscheinnahme des Anwesens sowie dessen näherer Umgebung haben sich keine durchgreifenden Gründe ergeben, die die Einstufung des Gebietes als Ensemble in Frage stellen. Insbesondere ergibt sich dies auch nicht aus der Errichtung moderner Wohngebäude im rückwärtigen Bereich des …platzes.
Die Beklagte hat insbesondere auch in der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten weiteren Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege nachvollziehbar dargestellt, dass dem Ensemble eine besondere Bedeutung zukommt. Hierbei spielt es auch keine Rolle, dass das abgerissene Bestandsgebäude nicht mehr als Einzeldenkmal eingetragen ist. Eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnispflicht wird nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 BayDSchG auch ausgelöst, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen kein Baudenkmal ist, sich aber auf das Erscheinungsbild eines Ensembles auswirken kann. Da der Erhalt der bestehenden Gestalt im Vordergrund steht, kommt es für die Frage der Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds nicht darauf an, mit welcher Wahrscheinlichkeit potentielle Betrachter ihren Blick auf die Dachfläche richten (BayVGH B. v. 08.01.2020 – 1 ZB 19.1540 – juris). Unabhängig davon ergibt sich aus den im Augenscheinstermin gefertigten Lichtbildern, dass die streitgegenständliche Dachfläche vom …platz her insbesondere vom hinteren Bereich aus deutlich einsehbar ist.
Die Erforderlichkeit einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis entfällt auch nicht gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG, da der Einbau des Dachflächenfensters/Oberlichts wohl kein baugenehmigungsbedürftiges Vorhaben darstellt. Die Beklagte geht in Übereinstimmung mit dem Kläger davon aus, dass der Einbau des Oberlichts gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 d BayBO als Einbau eines Dachflächenfensters bereits während der Bauausführung eines als einheitlich zu beurteilenden Bauvorhabens verfahrensfrei zulässig ist. Insoweit verbleibt es bei einer Notwendigkeit einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis gemäß Art. 6 BayDSchG. Der Kläger hat durch den Einbau des Oberlichts/Dachflächenfensters eine nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Alt.3 BayDSchG denkmalschutzrechtlich erlaubnispflichtige Veränderung herbeigeführt. Ihm wurde mittels der Baugenehmigung lediglich eine Erlaubnis zur Errichtung der dort im Plan dargestellten Dachfläche erteilt. Weicht der Bauherr in verfahrensfreier Form vom genehmigten Plan ab, bedarf es einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis. Ginge man davon aus, dass das aufliegende Oberlicht einen genehmigungspflichtigen Dachaufbau darstellt, fehlte es an der erforderlichen Baugenehmigung, in deren Zusammenhang gleichermaßen zu prüfen ist, ob dem Anspruch auf deren Erteilung gewichtige Gründe des Denkmalschutzes (siehe unten) entgegenständen.
Vorliegend ist der Einbau des in Frage stehenden Fensters/Oberlichts materiell rechtswidrig, da die Beklagte zu Recht davon ausgeht, dass das Vorhaben auch nicht nachträglich erlaubnisfähig ist. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG sprechen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes, sei es in Form des genehmigten Vorlageplans bzw. des vormalig vorhandenen Daches, das im in Frage stehenden Bereich ebenfalls kein Dachflächenfenster in der gegebenen Größe aufwies. Ferner kann die Erlaubnis gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 im Fall des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 versagt werden, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbildes oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen.
Die Beurteilung der Denkmalverträglichkeit, hier ob gewichtige Gründe des Denkmalschutzes vorliegen, ist eine Fach- und Rechtsfrage, die in jedem Einzelfall zu prüfen ist. Berufen zur Beurteilung ist in erster Linie das Landesamt für Denkmalpflege. Anders als im Baugestaltungsrecht kommt es nicht auf den sogenannten gebildeten Durchschnittsmenschen an, als auf das Empfinden jedes für ästhetische Eindrücke offenen Betrachters, da die Beurteilung ein Vertrautsein mit dem zu schützenden Baudenkmal und seiner Epoche voraussetzt (Martin/Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 7.Auflage Art. 6 Rn. 42 unter Hinweis auf die Rechtsprechung). Die Gerichte billigen dabei der Fachbehörde de facto eine Einschätzungsprärogative zu, indem sie auf das tatsächliche Gewicht der Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalschutz verweisen. Zudem sind Gerichte gehalten, bei Abweichungen von den Stellungnahmen des Landesamtes für Denkmalschutz in nachvollziehbarer Weise deutlich zu machen, woher sie über das erforderliche Fachwissen verfügen (Martin/Spennemann aaO, Art. 6 Rn.43). Dabei ist im Rahmen des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes auf den Wissens- und Erkenntnisstand von sachverständigen Betrachtern abzustellen‚ weil nur sie über die notwendigen Kenntnisse und Informationen verfügen‚ um in objektivierbarer Weise Gründe für ein über den persönlichen Bereich hinausgehendes Interesse an der Erhaltung eines Bauwerks oder Ensembles herauszuarbeiten (vgl. BayVGH‚ B. v. 13.5.2015 – 1 ZB 13.1334, BayVBl 2016, 465 – juris Rn. 5 m.w.Nachw.; a.A. für das DSchG BW VGH BW, U. v. 1.9.2011 – 1 S 1070/11 – DVBl 2011, 1418 – juris Rn. 34: Empfinden des für Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters (VG München U. v. 25.7.2016 – M 8 K 15.2524, BeckRS 2016, 55644, beck-online).
Vorliegend kommt die Kammer aufgrund der in den Akten vorhandenen Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalschutzes sowie der Ausführungen des Vertreters in der mündlichen Verhandlung zu dem Schluss, dass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes der Durchführung der Maßnahme entgegenstehen. Nach der Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege vom 26.06.2019, ergänzt durch Stellungnahme vom 20.02.2020, liegen gewichtige Gründe für eine Versagung der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis vor. Neben der hier erheblichen Größe des in Frage stehenden Fensters wird darauf hingewiesen, dass es im Gegensatz zu den genehmigten Dachflächenfenstern nicht untergeordnet sei. Auf dem vorhandenen steilen Dach würden aus der Bautradition vergleichbarer Bauten in L. heraus üblicherweise Gauben gefordert. Das überdimensionierte Fenster sei auch von erhöhten Orten der L.er Altstadt aus sichtbar, ferner vom Straßenraum aus gut einsehbar und stelle damit eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Ensembles L. da. Bereits die schiere Größe stelle eine massive Störung des Ensembles dar, auch die Lage deutlich über der Dachfläche.
In der Umgebung des Vorhabens sind zwar sehr vereinzelt Dachaufbauten bzw. Einschnitte vorhanden, von einer Prägung der Dachlandschaft durch solche neuzeitlichen Einbauten kann nicht ausgegangen werden. Das Oberlicht führt für sich zu einer Veränderung der Gesamtsituation im Bereich … straße/ …platz. Hierbei ist auch die Größe des Fensters im Verhältnis zur sichtbaren Dachfläche, das ungewöhnliche Fensterformat und seine etwaige Blendwirkung zu berücksichtigen. Die … straße mit den dem Bauvorhaben benachbarten Einzeldenkmälern sowie der …platz mit dem ehemaligen Dominikanerkloster liegen in einem wesentlichen Bereich des historischen Ensembles. Soweit der Kläger auf eine Randlage hinweist, greift dies bereits auf Grund der benannten Einzeldenkmäler nicht. Dass eine denkmalschutzrechtliche Veränderung vorliegt, zeigt im Übrigen auch das Verhalten des Klägers, der den hier in Frage stehenden Neubau eng mit dem Landesamt für Denkmalpflege abgestimmt hat und in weiten Bereichen durch eine hochwertige Gestaltung beispielsweise des Garagentors auf historische Bedürfnisse Rücksicht nimmt und zur Wertigkeit des Ensembles beiträgt. Einzelne im weiteren Umfeld des streitgegenständlichen Gebäudes befindliche Vorbelastungen durch bereits vorhandene Dachflächenfenster oder Dacheinschnitte innerhalb des Ensembles schmälern weder dessen Schutzwürdigkeit als solches noch rechtfertigen sie weitere gleichartige Beeinträchtigungen. Gleiches gilt für einen in Bezug genommenen Neubau auf der gegenüberliegenden Seite des …platzes, der im Übrigen auf Grund der Lage und Entfernung nicht im Wahrnehmungsbereich des Dachflächenfensters liegt.
Für die Frage, ob gewichtige entgegenstehende Gründe des Denkmalschutzes dem Vorhaben entgegenstehen, ist auf die charakteristischen Merkmale des Ensembles abzustellen. Dazu gehören u.a. auch Dächer und die Dachlandschaft (vgl. Martin in: Eberl/Martin/Greipl, Bayerisches Denkmalschutzrecht, Kommentar, Art. 6 Rn. 88; vgl. auch BayVGH, U. v. 18.11.2010, Az. 2 B 09.1497). Ein aufgeständertes Dachflächenfenster in der hier in Frage stehenden Größe wirkt allein schon auf Grund der Materialeigenschaften völlig anders als etwa eine Dacheindeckung mit Biberschwanzziegeln. Die spiegelnde Oberfläche wird als Fremdkörper auf dem vorhandenen Dach empfunden. Es ergibt sich ein deutlicher Kontrast zu dem Hintergrund und den übrigen, kleineren Dachflächenfenstern und Gauben auf dem Anwesen sowie in der näheren Umgebung. Besucher des …platzes sehen zumindest im hinteren Teil das Fenster. Das klägerische Anwesen liegt auch an einer Hauptroute durch L.. Die Beklagte hatte nach Abwägung aller Belange die Variante einer kompletten Neubebauung des klägerischen Gebäudes mit einer einheitlichen Fassade und durchgehenden, ruhigen und ziegelgedecktem Satteldach als genehmigungsfähig erachtet. Auf der westlichen Dachfläche wurden lediglich 2 Dachflächenfenster mit einer Höhe von 90 cm und einer Breite von 60 cm genehmigt. Das nunmehr errichtete Oberlicht hat eine Höhe von 2,93 m und eine etwa ebenso große Breite. Der Bereich um den …platz ist geprägt durch ausschließlich ziegelgedeckte Dächer mit einigen Gauben und kleineren Dachflächenfenstern. Verglasungen in der Größenordnung des hier streitgegenständlichen Dachflächenfensters/Oberlichts sind in diesem Bereich ebenso wie neuzeitliche Dacheinbauten, Dachaufbauten und Dachanbauten wie Dachflächenfenster, Satellitenschüsseln und hohe Kamine kaum bzw. nicht vorhanden. Das Altstadtensemble wird hier im Wesentlichen durch eine historische Dachlandschaft geprägt.
Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Gesichtspunkte kommt die Kammer zu der Auffassung, dass im Hinblick auf die genannten Auswirkungen des Dachflächenfensters auf dem klägerischen Anwesen auf das Altstadtensemble von L. gewichtige Gründe des Denkmalschutzes gegen eine Erlaubniserteilung für das Oberlicht/Dachfenster sprechen.
Die Beklagte ist auch im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Gründe, die für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, so viel Gewicht haben, dass sie die für das Vorhaben streitenden öffentlichen und privaten Belange überwiegen (BayVGH, U. v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 26). Zwar rechtfertigt die Feststellung, dass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, für sich alleine nicht eine Ablehnung des Vorhabens. Je gravierender der Eingriff aus denkmalfachlicher Sicht ist, desto größere Bedeutung kommt danach bei der Abwägung den für einen unveränderten Erhalt sprechenden gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes zu, was im Einzelfall auch zur Folge haben kann, dass sich das Versagungsermessen zu einer Versagungspflicht verdichtet (VG München U. v. 25.7.2016 – M 8 K 15.2524, BeckRS 2016, 55644, beck-online). Nach Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) ist das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben. Der Zweck des Erlaubnisvorbehaltes in Art. 6 Abs. 2 BayDSchG steht unter dem Vorzeichen des gesamten Denkmalschutzrechtes, mit dessen Hilfe die Denkmäler in Bayern möglichst unverändert erhalten werden sollen. Allein das Erhaltungsinteresse kann danach, auch bei geringfügigen Eingriffen, eine Ablehnung rechtfertigen, wenn den für eine Veränderung sprechenden Belangen kein beachtliches Gewicht zukommt. Bei der Ermessensentscheidung ist im Übrigen maßgeblich die Bedeutung des Baudenkmales zu berücksichtigen und Art und Intensität des beabsichtigten Eingriffes in die Substanz des Denkmales zu den gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes ins Verhältnis zu setzen (BayVGH vom 11.1.2011, a. a. O.). Hinsichtlich der Würdigung der Eigentümerinteressen ist dabei von der Sicht eines dem Denkmalschutz aufgeschlossenen Eigentümers auszugehen (vgl. BVerfG vom 2.3.1999, BVerfGE 100, 226; BayVGH vom 27.9.2007, a. a. O.).
Die Ermessensentscheidung der Beklagten genügt den sich hieraus ergebenden Anforderungen. Vorliegend wurden die klägerischen Belange an einer Beibehaltung des Fensters erkannt und mit den von dem Vorhaben berührten öffentlichen Belangen unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids umfangreich in nicht zu beanstandender Weise abgewogen. Zwar wird im streitgegenständlichen Bescheid strukturell nicht durchgängig zwischen der Darlegung der Ermessensüberlegungen hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit des Vorhabens sowie der Beseitigungsanordnung differenziert; dennoch wird das mindere Gewicht des klägerischen Interesses an einer Veränderung des Daches in der vorliegenden Weise ausreichend erkannt und dargelegt. Mit Blick auf den hohen Rang des Denkmalschutzes und den Grundsatz der Sozialpflichtigkeit des Eigentums muss ein Eigentümer es grundsätzlich hinnehmen, dass ihm möglicherweise eine rentablere Nutzung seines Grundstücks verwehrt wird. Wo die Grenze der Zumutbarkeit verläuft, ist eine Frage der Prüfung des Einzelfalls. Hierbei spielen insbesondere die Bedeutung des Denkmals, die infrage stehende Maßnahme, die Nutzungsmöglichkeiten des geschützten Objekts und auch subjektiv-individuelle Gesichtspunkte eine Rolle (Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 7. Aufl. 2016, Art. 4 Rn.19 ff). Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt, dass dem beeinträchtigenden Eingriff in das Dach des Gebäudes mit Auswirkungen auf das Ensemble keine höher zu gewichtenden Belange des Klägers gegenüberstehen. Dem Interesse, die Wohnqualität und die Belichtung im ausgebauten Dachgeschoß zu verbessern, wurde bereits mit der Zulassung von kleineren Dachflächenfenstern in der Baugenehmigung vom 04.05.2018 Genüge getan und die Veränderung des Daches und damit der Gesamtkubatur des Gebäudes in denkmalpflegerisch vertretbarer Weise zugelassen. Die mit dem streitgegenständlichen Bauvorhaben verfolgten Ziele der – weiteren deutlichen – Verbesserung der Wohnqualität sind demgegenüber geringer zu bewerten. Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, dass das Dach im Wesentlichen der Belichtung des Treppenhauses, von Gängen und eines Eingangsbereichs dient und die teilweise offen anschließenden Wohnräume über ausreichende weitere Belichtungsmöglichkeiten verfügen. Das vom Kläger angesprochene Verdunkeln seiner Räume ist in der von ihm befürchteten Form weder ersichtlich noch würde das Fehlen von ausreichender Belichtung durch Tageslicht im Treppenhausbereich zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung oder wesentlichen Minderung des Gebrauchswerts des Gebäudes führen. Soweit der Kläger darauf abstellt, dass ihm eine Belichtung des Bauvorhabens zugestanden werden müsste, die der „Exklusivität etwa des Garagentors“ entspreche, geht er fehl.
Die Beklagte weist auch zu Recht darauf hin, dass bei Zulassung bzw. Duldung des hier infrage stehenden Dachflächenfensters eine erhebliche Bezugsfallgefahr im Raum steht. Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Klägers, der vermeintliche Bezugsquellen in anderen Bereichen des Ensembles anführt. Es liegt auf der Hand, dass bei Zulassung des streitgegenständlichen Dachflächenfensters in der vorhandenen Größe der Wunsch nach vergleichbaren Dachgestaltungen auch bei anderen Bauherrn entsteht. Dies hätte längerfristig wohl eine erhebliche Veränderung der Einzeldenkmäler und auch des Ensembles zur Folge (VG München U. v. 15.10.2012 – 8 K 11.4210, BeckRS 2012, 60386, beck-online).
Aus vorgenannten Gründen begegnet auch die Anordnung des Rückbaus keinen Bedenken. Die entstehenden Kosten sind zwar durchaus beachtlich, aber im Hinblick auf den Zweck auch nicht unverhältnismäßig. Die Beklagte hat hierbei auch in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt, dass der planabweichende Einbau des Fensters ohne vorherige Absprache mit dem Landesamt für Denkmalpflege vom Kläger zu verantworten ist und daher auch der daraus resultierende finanzielle Mehraufwand ihm zurechenbar ist. Ferner sind auch hier aus oben genannten Gründen keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die Beklagte ihr Ermessen ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausgeübt hat. Aus den bezogen auf den flächenmäßig sehr großen Bereich des Ensembles benannten wenigen sogenannten Vergleichsfällen kann keine Selbstbindung der Verwaltung geschlossen werden. Die Beklagte hat die Gründe für eine etwaige unterschiedliche Behandlung verschiedener Fallgestaltungen nachvollziehbar dargelegt. Es gibt darüber hinaus keinen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht und somit auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis (vgl. VGH München, U.v. 27.7.2018 – 15 B 17.1169 – juris; OVG des Saarlandes, U.v. 26.2.2002 – 2 R 3/01 – juris). Eine langjährige systematische, flächenmäßige Duldung von vergleichbaren Vorhaben, wie sie der Kläger behauptet, ergibt sich für das Gericht unabhängig davon nicht. Ein milderes Mittel, um die eingetretenen Beeinträchtigungen öffentlicher Belange zu beenden, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat selbst darauf hingewiesen, dass ein teilweiser Rückbau des Oberlichts auf die genehmigte Größe bereits technisch nicht möglich ist. Eine „Kaschierung“ des Fensters durch eine Folie ist nach den vorliegenden Stellungnahmen des Landesamtes für Denkmalpflege nicht geeignet, um einen weitgehend denkmalschutzkonformen Zustand zu erreichen.
Die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) Ermessensentscheidung der Beklagten ist demnach nicht zu beanstanden. Die streitgegenständliche Beseitigungs- bzw. Rückbauverfügung leidet auch nicht an sonstigen Fehlern, die zu ihrer Aufhebung führen. Der Kläger war als Bauherr und Grundstückseigentümer richtiger Adressat der Anordnung. Auch die Begründung des Bescheides gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG ist ausreichend.
Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheids bestehen keine Bedenken.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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