Baurecht

Baugenehmigung, Beschwerde, Wohnhaus, Aufhebung, Grenzbebauung, Antragsteller, Belichtung, Bauvorlagen, Streitwertfestsetzung, Bauweise, Anspruch, Keller, Erdgeschoss, Terrasse, Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, nicht ausreichend, kein Anspruch

Aktenzeichen  2 CS 21.2600

Datum:
24.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45990
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 9 SN 21.4956 2021-09-30 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,– Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 VwGO) der Antragsteller bleibt ohne Erfolg, weil die dargelegten Gründe keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtfertigen (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO).
Der Senat sieht nach einer einem Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581) im Rahmen der von ihm eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung keine Notwendigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragsteller gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Antragsteller als Nachbarn können eine Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch ihrem Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage der Antragsteller wird aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil die angefochtene Baugenehmigung nicht an einem derartigen Mangel leidet.
1. Ein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht ist nicht zu erwarten.
Für die Einhaltung der auch dem Schutz des Nachbarn dienenden Abstandsflächen auf einem Baugrundstück sind grundsätzlich die Grenzen des Baugrundstücks maßgeblich, wie sie katastermäßig ausgewiesen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 2 ZB 10.134 – juris; B.v. 12.3.2019 – 2 CE 19.211 – n.v.). Abzustellen ist daher grundsätzlich auf das Buchgrundstück (vgl. BayVGH, U.v. 7.8.2009 – 15 B 09.1239 – juris). Ausgehend von dem bislang nicht geteilten Buchgrundstück wäre im Hinblick auf die Länge der gesamten Grenzbebauung durch die beiden an zwei Seiten jeweils grenzständigen Garagen Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO grundsätzlich verletzt.
Berücksichtigt werden jedoch grundsätzlich auch bereits geplante, absehbare Grundstücksteilungen. Hier ist in den Bauvorlagen im genehmigten Eingabeplan Nr. 1 sowie im nachgereichten Abstandsflächenplan („Erdgeschoss mit Abstandsflächen – korrigiert 22.3.2021“) die geplante Grundstücksteilung bereits eingezeichnet. Im Eingabeplan Nr. 2 war die Einzeichnung nicht erforderlich, da dieser lediglich den Keller und die Obergeschosse darstellt sowie die Ansichten und den Schnitt. Unter Berücksichtigung der geplanten Grundstücksteilung ist die zulässige Gesamtlänge der Grenzbebauung an allen Grundstücksgrenzen von 15 m gemäß Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO nicht überschritten. Inzwischen ist die Grundstücksteilung im Übrigen beantragt und der Eingang des Antrags vom zuständigen Vermessungsamt bestätigt.
Es liegt auch kein Fall der rechtsmissbräuchlichen Grundstücksteilung vor. In der Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2016 – 1 ZB 15.1560 – juris) ist es anerkannt, dass nicht jede Ausnutzung einer durch Grundstücksteilung erlangten Rechtsposition einen Missbrauch darstellt. Hinzukommen müssen vielmehr zusätzliche Elemente, welche erst den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu begründen vermögen. Dabei ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen, insbesondere ob der Standort der Anlage, der mit der Grundstücksteilung zur Baurechtsmäßigkeit verholfen werden soll, das Interesse der Grundstücksnachbarn an ausreichender Belichtung, Belüftung und Besonnung einseitig und ohne dass dies durch triftige Erwägungen des Bauherrn gerechtfertigt wäre hintanstellt. Unstreitig führt die eingezeichnete Teilung dazu, dass der geplante Neubau dann die abstandflächenrechtliche Privilegierung des Art. 6 Abs. 7 Satz 2 BayBO für sich in Anspruch nehmen kann und eine Verletzung des Abstandsflächenrechts gegenüber den Antragstellern ausscheidet. Eine in Richtung einer Rücksichtslosigkeit gehende Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung des Grundstücks der Antragsteller durch die Garagenbebauung ist nicht zu erkennen und auch nicht vorgetragen. Eine Garage befindet sich in der Nordostecke des Baugrundstücks und hat an der Nordgrenze eine Länge von 3,48 m, wobei lediglich eine Überlappung mit der Grenze zum Grundstück der Antragsteller von 1,68 m besteht. An diese nordöstliche Garage grenzt zudem das Gartenhaus der Antragsteller unmittelbar an. Die nordwestliche Garage grenzt in ihrer gesamten Breite von 3,48 m an das Grundstück der Antragsteller. Beide Garagen liegen nicht unmittelbar gegenüber dem Hauptgebäude der Antragsteller, sondern sind dazu jeweils versetzt. Eine Rücksichtslosigkeit kann der Senat insoweit bei dieser Situation im vorliegenden Einzelfall nicht erkennen. Im Übrigen ist eine Grundstücksteilung bei dem Bau von zwei Doppelhaushälften der Regelfall und nicht ungewöhnlich und unerwartet. Daher kann auch nicht von einer missbräuchlichen Teilung nur zur Umgehung der Abstandsflächenvorschriften ausgegangen werden.
2. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt voraussichtlich nicht das drittschützende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Die Antragsteller machen insoweit geltend, dass der 45 Grad-Lichteinfallswinkel nicht eingehalten sei und dass ihr Gebäude nicht mehr ausreichend besonnt werde.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründen, wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, welcher das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – NVwZ 2005, 328). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht von jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung verschon zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist auch hier nur zu bejahen, wenn von dem Bauvorhaben unzumutbare Beeinträchtigungen ausgehen. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme hinsichtlich der Belichtung, Belüftung und Besonnung scheidet in der Regel aus, wenn die vorgeschriebenen Abstandsflächen eigenhalten werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2015 – 1 CS 14.2763 – juris; B.v. 16.8.2012 – 1 CS 23.1498 – juris; B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris; BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – NVwZ 199,879). Das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme ist insoweit vom Landesgesetzgeber mit diesen Belangen in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften konkretisiert worden (vgl. BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris). Bei Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ist daher im Regelfall kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme anzunehmen. Dies gilt auch nach der Änderung des Abstandsflächenrechts und der damit verbundenen „Verkürzung“ der Tiefe der normalen Abstandsfläche von 1 H auf 0,4 H. Gleichgeblieben ist in Art. 6 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz BayBO nämlich die Mindestabstandsflächentiefe von 3 m.
Hinsichtlich des Wohnhauses haben die Antragsteller keinen Verstoß gegen die bauordnungsrechtlichen Vorschriften des Abstandsflächenrechts geltend gemacht. Ein solcher ist auch nicht erkennbar. Geltend gemacht ist lediglich ein Verstoß gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften hinsichtlich der beiden Garagen. Diese betreffen aber – wie bereits unter Ziffer 1. ausgeführt – jedenfalls das Wohnhaus der Antragsteller nicht, da sie diesem nicht unmittelbar gegenüber zu liegen kommen. Auch im Übrigen unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls, kann der Senat keine unzumutbare Beeinträchtigung der Belichtung oder der Besonnung erkennen.
Maßgeblich für die Beurteilung des Lichteinfallswinkels ist der Abstand der Gebäude zueinander sowie die Wandhöhe des Bauvorhabens. Hierbei geht es lediglich um die Basiswandhöhe, so wie sie in Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO definiert ist. Die für die Abstandsfläche nach Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO zur Wandhöhe nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO hinzuzurechnenden Dachbereiche bleiben hier außer Betracht, da es sich insoweit nur um eine Rechengröße handelt. Hier geht es aber um den tatsächlichen Lichteinfallswinkel gemessen an der Brüstung eines erdgeschossigen Fensters eines Aufenthaltsraums und nicht um einen berechneten Lichteinfallswinkel. Der tatsächliche Lichteinfallswinkel berücksichtigt dabei die reale Dachneigung. Das Bauvorhaben ist mit seiner Hauptwand 7,80 m vom Gebäude der Antragsteller entfernt. Im Bereich des vorspringenden Gebäudeteils sind es noch 7,05 m. Die von den Antragstellern vorgelegte Zeichnung geht offensichtlich von den genannten bodentiefen Fenstern aus und berücksichtigt bereits nicht die normale Brüstungshöhe von 1 m bis 1,20 m. Zudem geht sie nicht von den richtigen Maßen aus, sowohl was die Entfernung der Gebäude zueinander als auch die Wandhöhe angeht. Die vom Beigeladenen vorgelegte, vermaßte Zeichnung des Schnitts zeigt, dass der 45 Grad-Lichteinfallswinkel selbst bei den bodentiefen Fenstern durch das Bauvorhaben eingehalten ist, erst recht jedoch, wenn eine normale Brüstungshöhe zugrundegelegt wird. Da der 45 Grad-Lichteinfallswinkel im Ergebnis am Gebäude der Antragsteller eingehalten wird, scheidet eine unzumutbare Beeinträchtigung der Antragsteller aus.
Dies gilt auch im Hinblick auf die Besonnung. Selbst wenn den auch für den Senat nicht nachvollziehbaren Ausführungen der Antragsteller gefolgt würde, so ergäbe sich hieraus lediglich eine Verringerung der Besonnung. Insoweit legen die Antragsteller aber nicht dar, weshalb die aus ihrer Sicht maßgebliche „ausreichende Besonnungsdauer“ nicht gegeben sein soll. Selbst wenn eine erhebliche Verschlechterung der bisherigen Situation vorliegen sollte, so ergibt sich hieraus nicht automatisch eine unzumutbare Beeinträchtigung. Betroffen ist lediglich die Südseite des Gebäudes der Antragsteller. Das Gebäude der Antragsteller verfügt aber auf der Westseite über einen großen Gartenanteil mit Terrasse und ist offensichtlich eher nach Westen orientiert. Es ist zudem nicht einmal vorgetragen, dass die dortigen Aufenthaltsräume ausschließlich von der Südseite her besonnt würden. Gerade beim Wohnzimmer erfolgt wohl auch eine Belichtung und Besonnung von der Westseite, so dass selbst bei Zugrundelegung der Mindestbesonnungsdauer nach den Vorgaben der DIN EN 17037 von 1,5 Stunden diese eingehalten werden kann. Das Esszimmer ist ebenfalls aufgrund der offenen Bauweise über die Westseite belichtet und besonnt. Selbst über die Küche an der Ostseite kann eine Besonnung des Esszimmers teilweise erfolgen. Auch im Obergeschoß ist die Mindestbesonnungsdauer von 1,5 Stunden nach eigenem Vortrag der Antragsteller eingehalten. Es besteht auch nach der DIN EN 17037 kein Anspruch auf Einhaltung dieser Mindestbesonnungsdauer in allen Aufenthaltsräumen, sondern lediglich in einem Aufenthaltsraum, was hier gegeben ist. Im Übrigen fehlt jeglicher Vortrag der Antragsteller dahingehend, dass die Verkürzung der Besonnung vorliegend zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung führt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene hat einen Antrag gestellt und sich damit in ein Kostenrisiko begeben.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, § 52 Abs. 1 GKG.


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